Eine kleine Satire von Sebastian E,R.Hör : "Als ich neulich, geplagter Windows-Vista-User, der ich bin, auf der Suche nach einem Patch für Bioshock war, der das störende Soundproblem beheben sollte, wurde mir wieder einmal vor Augen geführt, dass ich trotz meiner erst 23 Lenze anscheinend schon zu alt bin für die schillernde, blinkende, aufdringliche Welt des Web 2.0. Meine erste Anlaufstelle war natürlich die Website zum Spiel. Und wie das momentan so ist, wird die gesamte Präsentation selbstverständlich über Flash realisiert. Nicht, dass ich etwas gegen Flash einzuwenden hätte, oh nein! In Maßen und an der richtigen Stelle eingesetzt, ist es ein mächtiges Präsentationswerkzeug. Aber anscheinend glauben viele Webdesigner, die inflationäre Verwendung von Flash sei ein Qualitätsmerkmal und Ausdruck ihrer großartigen Fähigkeiten. Auf der Bioshock-Website begrüßt mich natürlich auch so eine Flash-Animation. Glücklicherweise leben wir im Zeitalter der Breitband-Internetverbindungen, so dass der Ladeprozess relativ schnell vonstatten geht. Nicht auszudenken, was arme ISDN- oder Modemnutzer machen würden, wenn es keine entsprechende HTML-Präsentation gäbe und sie mehrere Minuten warten müssten, bis die Seite fertig geladen ist. Ich habe allerdings den Verdacht, dass sich das Zeitalter der alternativen HTML-Aufmachung langsam aber sicher dem Ende zuneigt. Nachdem die Animation geladen ist, komme ich jedenfalls auf die Homepage. Etwa in der Mitte befindet sich ein Menü mit den einzelnen Navigationspunkten, während im Hintergrund einige Szenen aus dem Spiel ablaufen. Sobald der Teaser beendet ist, dominiert ein „Big Daddy“, ein Gegner aus dem Spiel, das Bild und erleuchtet die Seite mit seinen zehn am Kopf montierten Lampen. Ab und zu plätschern Wassertropfen und das Licht flackert ein wenig. Wer sich diese Präsentation länger als zwei Minuten ansieht, ohne irgendetwas zu klicken, erleidet entweder einen epileptischen Anfall oder verfällt in Depressionen, da bin ich mir sicher. Und wer dann tatsächlich auf einen Menüpunkt klickt, bekommt natürlich weitere kleine Teaserfilmchen vorgeführt; das alles untermalt von einem stetigen Wasserrauschen und gelegentlichen dramatischen Musikeinsprengseln. Selbst wenn man die Seite minimiert, erklingt der Sound weiterhin. Da ich den Aus-Knopf leider nicht gefunden habe, weil er entweder nicht vorhanden oder derart gut versteckt ist, dass man mehrere Minuten zum Suchen bräuchte, musste ich wohl oder übel den Sound meines Laptops ganz abschalten. Ganz toll, wenn man eigentlich mit musikalischer Untermalung gemütlich im Internet surfen wollte. Irgendwie habe ich den Eindruck, die Designer wollen gar nicht, dass man als User länger als ein paar Sekunden auf der Seite verweilt, sonst würde man möglicherweise ja feststellen, dass hinter dem ganzen Layout kaum Inhalt steckt. Gut, das mag ich der Bioshock-Website nun nicht vorwerfen, aber es gibt einige Beispiele, bei denen dieser Vorwurf zutrifft, beispielsweise nahezu alle Seiten von LucasArts-Spielen. Jedenfalls lädt das ganze Gedudel und hektische Geflackere wirklich nicht dazu ein, sich als potentieller Käufer auf der Website über das Spiel zu informieren, da wird man eher abgeschreckt. Diejenigen Webdesigner, die ihren Chefs gesagt haben: „Wir stellen Screenshots und Teaser in den Downloadbereich und machen die Website in aufgepepptem HTML-Look“ wurden vermutlich mittlerweile zu Müllmännern und Schuhputzern umgeschult, weil sie zu „altmodisch“ waren. Was bin ich froh, kein Webdesigner zu sein. Aber vielleicht ist es auch die Erwartungshaltung der Spielergemeinde, vielleicht bin ich ein Exot. Vielleicht möchte der Großteil der Community optisch und akustisch vergewaltigt werden, weil das heutzutage ein gutes Spiel ausmacht. Vielleicht gehört es zum guten Ton, dem besten Freund morgens auf dem Schulhof zu erzählen: „Alter, ich hab mir gestern zehn Stunden lang die Website zu Bioshock angesehen, danach war ich so geflasht, dass ich rosa Elefanten gesehen habe.“ Ich weiß es nicht. Aber es ist deprimierend zu wissen, dass man mit gerade 23 Jahren einer Randgruppe angehört, für die eine gute Website auch ohne Flash auskommt und eine ergonomische Navigation nicht zwingend bunt, laut und psychadelisch sein muss." von Sebastian E,R.Hör