Trion Worlds, die Entwickler des Online-Rollenspiels "Rift", arbeiten derzeit nicht nur an einem MMO-Echtzeitstrategie-Mix ("End of Nations"), sondern auch an einer durchaus interessanten Verquickung von Online-Mehrspieler und 3rd-Person-Shooter. Doch das ist nicht die einzige Besonderheit an "Defiance", wovon wir uns auf der diesjährigen gamescom überzeugen konnten. Erstmal zum eigentlichen Gameplay (die generische "Aliens greifen die Erde der nahen Zukunft an"-Story überspringen wir an dieser Stelle). Ihr steuert euren selbst erstellten Helden durch eine futuristische Version von San Francisco und löst MMO-typisch Quests. Die bekommt ihr allerdings nicht durch Besuche bei Questgebern, sondern automatisch von diesen in euer Interface geschickt - unabhängig davon, wo ihr euch aufhaltet. Die Missionen lassen sich sowohl alleine als auch in der Gruppe lösen, wobei komplexere Aufgaben in einer ausgewogenen Mannschaft mit unterschiedlichen Fähigkeiten und taktischem Vorgehen logischerweise einfacher zu erfüllen sind. Habt ihr eine aufwändige Story- oder kleinere Nebenquest angenommen, geht's auf die Schlacht. Von diesem Augenblick an erinnert das Gameplay stark an die "Mass Effect"-Reihe. Aus der klassischen Beobachterperspektive ballert ihr nicht nur auf sämtliches Alien-Gesocks, das euch vor die unterschiedlichsten Flinten läuft, sondern aktiviert auch Fähigkeiten wie Schutzschilde, Heilkräfte oder Unterstützungstechniken. Selbst das Interface erinnert, zumindest in den Versionen für Xbox 360 und PlayStation 3, an den Rollenspielhit der Kollegen von Bioware. Selbstverständlich erscheint "Defiance" auch für den PC, auf dem es wahrscheinlich die übliche Fähigkeitenleiste geben wird - im Gegensatz zur Möglichkeit, plattformübergreifend zu spielen. Neben weiteren typischen Eigenschaften von MMOs (persistente Welten, keine Ladezeiten bei Reisen, Charakterentwicklung inklusive dem Sammeln von Ausrüstung etc.) wird es auch einige dynamische Inhalte, wie beispielsweise zufällige Bosskämpfe in der Welt von "Defiance" geben. Diese "Arkfall" genannten, meist mehrstufigen Scharmützel können jederzeit zufällig in der Spielwelt auftreten und sämtliche Spieler, die sich in unmittelbarer Umgebung befinden, sind zur Teilnahme eingeladen. Wer sich jetzt an die Kämpfe an den Rissen in der Spielwelt von "Rift" erinnert fühlt, hat diese Eingebung zurecht. Bis hierhin klingt's bereits interessant - doch die eigentliche Besonderheit des Titels kommt erst noch. Der US-amerikanische Fernsehsender SyFy, der bereits für Serien wie "Battlestar Galactica", "Eureka" oder sämtliche "Stargate"-Ableger verantwortlich zeichnete, wird die passende TV-Serie zum Spiel produzieren. Der Clou: Serie und Spiel werden sich gegenseitig beeinflussen. So finden zwar beide an unterschiedlichen Schauplätzen statt, globale Ereignisse geschehen jedoch zeitgleich in beiden Umgebungen. Oder der Serien-Protagonist unternimmt am Ende einer Episode einen Trip nach Frisco und erscheint kurz darauf als NPC (nichtspielbarer Charakter) im Spiel, um dort mit den PC'lern und Konsoleros Abenteuer zu bestreiten. In der nächsten Folge erzählt er dann im Fernsehen von seinen Erlebnissen. Natürlich sind die Interaktionsmöglichkeiten zwischen den beiden Welten beschränkt. Reist ein wichtiger Charakter der Serie ins Spiel, wird er dort nicht sterben können. Die Entwickler wollen nicht, dass sich Serie und Spiel gegenseitig einschränken, vielmehr soll durch dieses duale Vorgehen eine "tiefere Erfahrung" erzeugt werden. Unklar ist allerdings, wie die klugen Köpfe von Trion Worlds und SyFy das alles auf die Beine stellen wollen. Geplant ist stets eine weltweit gleichzeitige Veröffentlichung, sowohl von Spielinhalten als auch von TV-Episoden, welche weltweit identisch sind (es werden also keine unterschiedlichen Folgen für die einzelnen Regionen produziert). Das bedeutet aber auch einen nicht zu unterschätzenden Lokalisierungsaufwand, schließlich müssen die Folgen weltweit synchronisiert und ausgestrahlt werden, bevor ihre Inhalte veraltet sind. Außerdem müssen für jedes Land kooperierende TV-Sender gefunden werden, welche die Serie auch ausstrahlen wollen. In Deutschland ist SyFy beispielsweise nur per Pay-TV empfangbar. Und was passiert, wenn dem Sender die Quoten nicht gefallen und die Serie aus dem Programm fliegt? Fragen über Fragen - leider wollte oder konnte Trion Worlds in diesem frühen Entwicklungsstadium unsere Zweifel nicht gänzlich aus dem Weg räumen. Ebenfall unklar bleiben die Art des Bezahlsystems (Abo oder Mikrotransaktionen) und die Möglichkeit zum regelmäßigen Patch-Nachschub auf den Konsolen. Die Entwickler sind (natürlich) zuversichtlich, alles bis zum Release in den Griff zu bekommen. Wir hingegen bleiben bei solchen Versprechen skeptisch - schließlich sollte der Duke ursprünglich auch im letzten Jahrtausend erscheinen. Interessant ist das ambitionierte Projekt allemal und sollten die Entwickler bis zum Release unsere Bedenken widerlegen können, freuen wir uns schon darauf, in die Welt von "Defiance" abzutauchen. (od)