Strategiespiele hat es schon in der ersten Stunde der Videospiele gegeben und aus naheliegenden Gründen sind sie eher PC- als Konsolen-affin. In den letzten Jahrzehnten konnte man eine Auffächerung in verschiedene Untergenre beobachten. So vereint der Überbegriff „Strategie“ diverse Erscheinungsformen wie Echtzeit-Strategiespiele (RTS), rundenbasierte Strategiespiele, taktische Kampspiele und die sogenannten „4X“-Titel (eXplore, eXpand, eXploit, eXterminate = erforschen, expandieren, Ressourcen abbauen und kämpfen). Hinzu kommt jegliche Kombination aus den Unterkategorien und Mischformen, bei denen die Genregrenzen zu anderen Spielen fließen, meist handelt es sich um RPGs (Rollenspiele).
2016 war ein wichtiges Jahr für das Strategie-Genre und die Spielewelt konnte sich über bedeutende Veröffentlichungen im Rahmen erfolgreicher Franchises freuen, zum Beispiel über Total War, Hearts of Iron, XCOM um nur einige zu nennen, und natürlich Civilization… Zu den interessantesten Newcomern zählt Paradox‘ Stellaris und der überraschende Indie-Hit RimWorld. Andere Spiele erhielten größere Updates, wie zum Beispiel Age of Empires II, ein Klassiker, der auf stolze 17 Jahre zurückblicken kann, und Paradox’ Flaggschiffe Crusader Kings II und Europa Universalis IV.
Allen voran ist das am meisten gehypte Strategiespiel des Jahres 2016 zu nennen. Natürlich ist die Rede von Sid Meiers Civilization VI, die Genre-Referenz, die so viele andere Strategiespiele geprägt hat. Entwickler Firaxis und Publisher 2K haben mit Civilization VI einen durchaus würdigen Nachfolger für das 2010 erschienene Civilization V herausgebracht. Tatsächlich waren im Kern die gleichen Leute am Werk, die uns bereits erfolgreiche Erweiterungen zu dem Titel beschert haben. Abgesehen von der neuen Ästhetik (manche finden sie comic-artig) führt das Spiel verschiedene Features ein, zum Beispiel die neue Bedeutung des Terrains. Städte können jetzt über das eigene Hexfeld hinaus über einen ganzen Bezirk verwaltet werden, so entstehen in angrenzenden Feldern spezialisierte Unterbereiche der Stadt. Durch die Neuerung kommt es zu einer beachtlichen Ausbreitung der Städte und es gibt spezielle Boni für die Platzierung hilfreicher Erweiterungen in der Nähe geeigneter Geländetypen. Eine weitere wichtige Änderung bestand darin, dass Einheiten auf dem Hexfeld kombiniert werden durften (Stacking), was es in früheren Civilization-Veröffentlichungen schon einmal gegeben hatte, im neuen Civilization VI aber nur begrenzt erlaubt ist. Natürlich hat das Spiel auch berechtigte Kritik erhalten, vor allem für die von einigen als schwach empfundene KI der nationalen Anführer. Man wird abwarten müssen, ob diese Fehler angemessen gepatcht werden, doch ist Civ 6 auf jeden Fall ein Spiel, das sich lohnt.
Ein anderes wichtiges Strategie-Ereignis war Paradox Interactives Hearts of Iron IV, der große Zweite Weltkrieg-Titel, der zum 72. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie herauskam. Der Franchise ist dafür bekannt, dass Spieler die Geschichte des Krieges neu schreiben können, aber auch der tiefe Einstieg in politische, wirtschaftliche und strategische Fragen der Zeit während des Kriegs und danach zeugt von einer enormen Komplexität. Dabei wurden einige Elemente vereinfacht, zum Beispiel das System zum Management von Invasionen im großen Maßstab (was natürlich einige Fans des Titels verärgert hat). Leider hat es auch einige Kritik gehagelt, was Paradox‘ Umgang mit DLCs für das Spiel amgeht. Viele Spieler bemängeln (und meiner Meinung nach zurecht) dass einige Features, wie das Leih-und-Pacht Programm, die Speerspitzen- und Blitz-Optionen Teil des Basisspiels sein sollten und nicht Teil des DLCs. Auf jeden Fall erleichtern die Vereinfachungen den Einstieg, falls du neu bist bei Hearts of Iron. Der vierte Teil ist demnach ein sehr guter Start und danach kannst du dich durch die Serie rückwärts arbeiten…
Paradox hat im Jahr 2016 noch einen brandneuen Strategie-Hammer veröffentlicht. Ihr erstes nicht-historisches Spiel (jedenfalls des Entwicklers..), das in den Weiten des Weltraums angesiedelt ist, Stellaris. In nicht allzu ferner Zukunft, genauer gesagt im Jahr 2200, befehligt der Spieler eine intelligente Spezies und breitet sich in der Galaxie aus. Der Titel im 4X-Stil ist durch die Gestaltbarkeit der Spezies um eine (beinahe) RPG-Dimension erweitert, vor allem an Anfang des Spiels. Im weiteren Spielfortschritt bietet Stellaris einige zufällige Ereignisse, wodurch Imperien, die drohen zu stark an Macht zu gewinnen, in ihrem Einfluss wieder eingedämmt werden. (Jeder, der in Europa Universalis III schon einmal mit Frankreich zu tun hatte, wird bestätigen, dass dies eine gute Sache ist!). Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist Stellaris das Spiel mit dem schnellsten Abverkauf von Paradox. Es wurden über 500.000 Einheiten unter die Leute gebracht, was ziemlich beeindruckend ist für ein Strategiespiel, das nicht „Civilization“ heißt.
Bleiben wir noch ein wenig bei Paradox. 2016 wurden einige wichtige Updates für zwei ihrer besten Titel herausgebraucht, für das 2012 erschienene Crusader Kings II und für das 2013 erschienene Europa Universalis IV.
Crusader Kings II: Conclave gestattet deinen Vasallen und deiner Ratsversammlung ein größeres Mitsprachespracherecht in der Regierung, was politische Intrigen noch interessanter (und gefährlicher) macht als es ohnehin schon der Fall war. Natürlich gibt es ein paar Nörgler, die das Feature als Freibrief für deine Vasallen sehen, herumzustänkern und zu rebellieren. Crusader Kings II: The Reaper’s Due ergänzt ein paar weniger … komfortable mittelalterliche Lebensumstände. Seuchen, insbesondere der Schwarze Tod, lassen die gnadenlose mittelalterliche Wirklichkeit in das Spiel einbrechen und zeigen auf furchteinflößende Weise die willkürliche Macht des Todes. Es gibt aber auch ein paar neue Wohlstands-Features, bei denen es sich lohnt, vorhandene Provinzen zu verwalten, statt immer nur zu expandieren.
Europa Universalis IV: MareNostrum erweitert das Spektrum nicht nur mit Seefahrer-Missionen und weiteren Provinzen, sondern bietet auch die Möglichkeit, Handelsabkommen zu treffen und Söldnerarmeen auszuheben. Je nachdem, wen man fragt, ist das eine großartige Sache. Du kannst deinen Einfluss als Handelsnation ausbauen und dabei deine Grenzen erweitern. Andere wiederum finden, dass hierdurch Italien und Deutschland schwer zu vereinen sind. Europa Universalis: Die Menschenrechte gestattet den acht mächtigsten Ländern der Welt neue diplomatische Optionen. Auch das Technologie-System wurde stark umgestaltet.
Da wir gerade von Updates reden… ein Klassiker des golden Zeitalters der Echtzeitstrategie hat 2016 ebenfalls neue Inhalte erhalten - Age of Empires II HD: Rise of the Rajas setzt die vorige Erweiterung (Age of Empires II HD 2013) des altbewährten Genrejuwels fort. Die Erweiterung beschert dem Klassiker ein paar Zivilisationen mehr, von denen die Spieler im Jahr 1999 nicht zu träumen gewagt hätten: Burmesen, Malaien, Khmer und Vietnamesen. Dies erhöht die Anzahl der Zivilisationen im Spiel auf schwindelerregende 31, alle mit einzigartigen Einheiten, Technologien und voll-vertonten Kampagnen.
Eine weitere Serie, der 2016 eine größere Erweiterung beschwert wurde, ist Total War von Creative Assembly, die erfolgreiche Kombination aus rundenbasiertem Strategiespiel mit taktischem Realismus in Echtzeit. Zum ersten Mal wurde ein Spiel der Serie losgelöst vom historischen Kontext angelegt und es war ein voller Erfolg. Total War: Warhammer hat bereits in den ersten Tagen eine halbe Million Einheiten verkauft. Es ist im Warhammer Fantasy-Universum von Games Workshop angesiedelt und ergänzt einige neue Features, zum Beispiel fliegende Einheiten, eine große Bandbreite an Modellen und Animationen, mehr Abwechslung im Vergleich der Fraktionen und die Fähigkeit für einige Charaktere als individuelle Helden zu kämpfen statt als Teil einer Einheit. Und es gibt natürlich Magie, jede Menge Magie, mit zum Teil sehr mächtigen magischen Einheiten.
Die beiden erfolgreichsten Titel im Bereich rundenbasierter taktischer Spiele waren XCOM 2 von 2K und Firaxis und The Banner Saga 2, das Sequel zum Indie-Hit des Jahres 2014. XCOM 2 bietet rundenbasierten taktischen Kampf vom Feinsten – und mit wirklich forderndem Schwierigkeitsgrad. Es ist natürlich schwer, den Vorgänger XCOM : Enemy Unknown zu toppen, aber XCOM 2 kommt der Qualität auf jeden Fall sehr nahe. Die Geschichte spielt in einer Welt, in der die Menschen den Kampf gegen die Aliens verloren haben. Die Überlebenden sind gezwungen, einen guerilla-artigen Krieg gegen technisch überlegene Gegner zu führen. Prozedural generierte Level und neue Modding-Tools verleihen dem Spiel einen hohen Grad an Wiederspielbarkeit, wobei einige Spieler über Bugs und Abstürze klagten, manchmal im Zusammenhang mit bestimmten Updates. The Banner Saga 2 von Indie-Entwickler Stoic und Publisher Versus Evil setzt das Wikinger-Epos und den kultigen 2D Stil des Vorgängers fort und baut die Elemente aus, die bereits den Vorgänger erfolgreich machten. Die Verbesserungen sind in der Tat gelungen, vor allem was die Abwechslung, die Entscheidungsfindung, das Balancing, den Kampf und überhaupt alles angeht.
Nicht zuletzt soll ein Spiel erwähnt werden, das vielleicht nicht der große kommerzielle Wurf ist, das aber wirklich gut in den Early Access gestartet ist und viel Kritikerlob geerntet hat. RimWorld befindet sich in der Bestseller-Liste auf Steam aktuell inmitten einer Reihe von AAA Titeln. In RimWorld managst du eine Gruppe von Überlebenden eines Raumschiffs, die versuchen, auf einem fremden Planeten eine Kolonie zu gründen. Die Geschichte wird zufällig weitererzählt und ist in einem einfachen graphischen Stil mit Top-Down-Ansicht gehalten. Dennoch ist der Titel unglaublich komplex. Jeder Kolonist hat seine eigene individuelle Persönlichkeit. Für den Erfolg deiner Kolonie spielen psychologische Fragen eine große Rolle, mindestens ebenso wie deine Fähigkeit im Ressourcen-Management und dein Talent bei zufällig generierten Ereignissen die Kontrolle zu behalten. Das Spiel wird auf Steam zu 96% positiv bewertet (ungefähr 7000 Reviews) und befindet sich dabei immer noch in der Early Access-Phase! Der Titel ist auf jeden Fall Wert, im Auge behalten zu werden.