Take Command: 2nd Manassas (Paradox Interactive) Geschrieben von Carlos Carvalho
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In den Jahren 1840 bis 1860 gewann ein Thema an Wichtigkeit in Amerika und sorgte für viel Aufregung: die Sklaverei. Dabei standen jedoch weniger die Sklaven im Süden der USA und deren Leid im Vordergrund als vielmehr die Macht, die die Plantagenbesitzer durch sie erhielten. Die nördlichen Staaten versuchten das Durchsickern der Idee von Sklaverei zu bremsen, was nach den Wahlen von 1861 endlich möglich schien: In diesem Jahr wurde zum ersten Mal ein Republikaner zum Präsidenten ernannt, Abraham Lincoln. Doch dem von den Demokraten beherrschten Süden Amerikas gefiel das Ergebnis der Wahl nicht und so entschieden sich einzelne Bundesstaaten, einen eigenen Staatenverbund aufzubauen: die Konföderierten Staaten von Amerika. Die damalige USA zerfiel mit dem Austreten der Grenzstaaten, die sich neutral verhielten, jedoch weiter. Zwar erklärte Abraham Lincoln die Abspaltung der Bundesstaaten für rechtswidrig, doch wollte er keinen Krieg mit dem Süden. Nur die bundeseigenen Einrichtungen wollte er von der Union besetzt wissen, unabhängig davon, wo diese sich befanden. Fort Sumter wurde dadurch zum Funken, der den Krieg zum Ausbruch brachte. Nach der Besetzung des Forts durch die Konföderation entwickelte sich ein vier Jahre dauernder Bürgerkrieg, in dem zuerst die Südstaaten die Oberhand gewinnen konnten, sich jedoch nach und nach der Wirtschaftsmacht des Nordens geschlagen geben mussten. 1865 war der Süden besiegt und musste sich im Juni den Nordstaaten ergeben. Während Manassas im Staat Virginia heute eine wachsende Stadt mit über 35.000 Einwohnern ist, war sie in den 1860er Jahren nicht viel mehr als ein Eisenbahnübergang. Doch strategisch gesehen war dieser Ort von großem Interesse, denn die Bahngleise führten zur Industriestadt Richmond, zum landwirtschaftlichen Shenandoah Valley und zur Hauptstadt Washington DC. Die erste Schlacht von Manassas, geschildert in diesem ersten Spiel des Entwicklers MadMinute Games, war die erste große Landschlacht im amerikanischen Bürgerkrieg. Zwar konnten die Konföderierten den Kampf für sich entscheiden, doch konnte die Stellung nicht lange gehalten werden. Etwa ein Jahr später kämpften beide Seiten ein weiteres Mal um den strategisch wichtigen Ort. Mit großer historischer Genauigkeit ruft "Take Command: 2nd Manassas" die Kämpfe zwischen General Lee und General Pope wieder ins Leben. Langsam vorwärts, Marsch! Bei "Take Command: 2nd Manassas" übernimmt man die Rolle einen der Anführer der sich gegenüberstehenden Armeen. Die Truppen sind historisch korrekt dargestellt: Als General befehligt man ein Armeekorps, das aus etwa drei Divisionen besteht, die selbst in mehrere Brigaden aufgeteilt sind, in denen verschiedene Regimenter zu finden sind, die aus Bataillonen bestehen, die wiederum wenige Kompanien enthalten. Was sich kompliziert anhört, wird aber übersichtlich und einfach dargestellt. Kompanien werden symbolisch und durch eine geringe Anzahl Einheiten dargestellt und bestehen ausschließlich aus denselben Einheitentypen. Verschiedene Kompanien werden dann, immer noch ausschließlich aus denselben Einheitentypen, in Bataillone zusammengefasst, die von einer Offizierseinheit geführt werden. Schließlich bemerkt der Spieler nur noch das Korps, da dies von einem General geführt wird. Die anderen Aufteilungen werden zwar für Bewegungen verwendet, aber dann immer nur von der KI geführt. Somit kann man, abhängig von der Mission, die Kommandogewalt nur über eine kleine Anzahl Kompanien haben oder über das gesamte Korps. Selbst im letzten Fall hat man dann meistens nicht die Kommandogewalt über jede einzelne Kompanie, da einige davon historische Ereignisse widerspiegeln müssen. Gesteuert wird das Spiel komplett mit der Maus. Jede Einheit kann ausgewählt werden, in dem das Banner der jeweiligen Kompanie mit links angeklickt wird, Marschbefehle werden mit einem Doppelklick im Kartenfeld getätigt. Rechts unten am Bildschirm werden die Befehle für die Soldaten als Buttons eingeblendet: Verfügbar sind drei verschiedene Aufstellungen, nämlich Linie, Scharmützel und Kolonne sowie Laufgeschwindigkeit und Richtung, in der die Soldaten Aufstellung nehmen sollen. Es ist ebenfalls möglich, ein langsames Vorrücken oder Zurückfallen zu befehlen, in denen die Kompanien weiter schießen, während sie sich bewegen. Sollen die Soldaten auf Straßen in Richtung des Ziels marschieren, kann man das explizit anklicken; im Kampf sind ebenfalls diverse Befehle möglich, so darf man sowohl Angriffe mit dem Bajonett als auch einen Rückzug um 300 Meter befehlen. Diese zwei letzten Manöver sind aber nur mit Vorsicht zu benutzen, da sie sich nicht stoppen lassen. Täuschungsmanöver sind somit in "Take Command: 2nd Manassas" nur schwer zu erzielen. Um bestimmte Einheiten unabhängig ihrer Bataillone bewegen zu lassen, kann man diese abkommandieren. Weiterhin ist es möglich, Brigaden und Divisionen in Kampflinien, Doppellinien, Manöverkolonnen und offenen Formationen anzuordnen, Reservisten einzuplanen, Artillerie von der KI automatisch platzieren zu lassen usw. Alle Befehle werden gut in dem vierteiligen Tutorial erklärt und in dem sehr ausführlichen Handbuch beschrieben. Die Eingaben vom Spieler werden dafür außergewöhnlich umgesetzt. Anstatt der sehr präzisen Steuerung von einzelnen Truppenverbänden, wie man es aus Spielen wie "Command & Conquer" oder "Rome: Total War" kennt, erteilt man in "Take Command: 2nd Manassas" Befehle, die von den jeweiligen Unteroffizieren interpretiert werden. Leitet man ein Bataillon, verharren die Kompanien an den ihnen befohlenen Stellen, doch kommt ein Feind in Schussweite, dreht sich die Truppe um ihren Mittelpunkt und verändert wenn nötig die Aufstellung von Kolonne auf Linie, um eine größere Angriffskraft zu erzielen. Man kann ebenfalls nicht angeben, welche Einheit unter Beschuss genommen werden soll, es wird in den meisten Fällen auf die Truppen geschossen, die am nahesten sind. Marschbefehle werden abgebrochen oder ignoriert, wenn die Kompanie selbst unter Beschuss ist, der Selbsterhaltungsantrieb der Männer führt dazu, dass sie an der Stelle bleiben und den Feind angreifen. Dagegen verhalten sich die Soldaten viel zu diszipliniert. Erst wenn der letzte Mann der ausgewählten Kompanie an seiner Position ist, werden die Gewehre aufgesetzt. Das führt dazu, dass jede Truppenbewegung an der Front vermieden wird, da die Soldaten nicht schnell laufen und gleichzeitig schießen können, dafür aber ein gutes Ziel abgeben, wenn sie vorrücken oder an der Stelle drehen müssen. Um diese Steifheit in vielen Situationen zu vermeiden, wurde der Knopf "Take Command" eingeführt. Mit diesem schaltet man die KI der Soldaten aus und man kann die Truppen im Feld mit allen taktischen Optionen selbst verwalten. Da auf den Schlachtfeldern, ähnlich Spielen wie "Cossacks", jedoch schnell zwischen 10.000 und 50.000 Mann auf jeder Seite kämpfen können, sollte man bei dieser Einstellung Vorsicht walten lassen, da man natürlich seine Augen nicht überall haben kann. Die Kamera wird ebenfalls komplett mit der Maus bedient. Per Rechtsklick kann man das Bild um seine virtuelle Achse drehen und bewegt man die Maus an die Kanten des Bildschirmes, so bewegt sich das Bild in diese Richtung. Das Scrollrad wird dafür nicht, wie gewöhnlich in Spielen desselben Genres, verwendet, um heran- oder herauszuzoomen, sondern um die Kamera nach oben oder unten zu bewegen. Hier trifft man schnell auf eine virtuelle Grenze: Während das Spiel damit wirbt, dass man jede Ecke der enormen Karten erkunden kann, wird die Kamera eingegrenzt und man kann diese nur in einem bestimmten Radius um den höchstrangigen spielbaren Offizier bewegen. Links unten steht aber eine Mini-Karte zur Verfügung, in der alle Wege, Hindernisse und aktuelle Truppenpositionen eingetragen sind. Hat man die Kommandogewalt über ein ganzes Korps, wird die Steuerung der Armee um eine Stufe komplexer. Zwar kann man weiterhin einzelne Kompanien befehligen, doch der zuständige Offizier für das jeweilige Bataillon kann oft eine andere Meinung haben und diese Kompanie ganz woanders hinschicken. Deswegen sagt man eher den Offizieren, wie sie sich verhalten sollen. Bewegungen sind offensichtlich, aber falls man auf einen Feind trifft, so wird der Offizier dann wissen, ob er seine Stellung verteidigen, einen vorsichtigen Vorwärtsmarsch erteilen soll, um nach Feinden zu suchen, oder ob er den Feind angreifen soll. Oft jedoch wird aber der Offizier in Richtungen laufen, die zwar in seinen Augen sinnig erscheinen, aber nicht den Sieg fördern. Deshalb kann der Spieler die Schlacht nicht komplett dem Computer überlassen, nachdem die Befehle erteilt sind, sondern muss die Truppen immer wieder in die richtige Richtung lenken bzw. unerwarteten Aktionen des Feindes entgegenwirken. In der Befehlserteilung wurde ein weiterer realistischer Aspekt eingebaut. Bataillone haben eine gewisse Verzögerung beim Erhalten der Marschbefehle, die davon abhängig ist, ob sich der jeweilige Offizier in der Nähe befindet oder weiter entfernt reitet. Generäle, die sich um das ganze Korps kümmern müssen, schicken dagegen Kuriere mit den Befehlen zu den einzelnen Bataillonen. Daher ist es wichtig, keine Truppen alleine in der Mitte des Feindes zu lassen, da Befehle sonst nicht mehr ankommen. Es dreht sich alles um die Platzierung Ein weiterer wichtiger Aspekt im Spiel ist die Moral. Verläuft ein Kampf wie vorgesehen, ist sie bei den einzelnen Truppen hoch, werden aber einzelne Kompanien von mehreren Seiten beschossen, so sinkt sie bei den Soldaten rapide ab. Je schneller diese sinkt, umso mehr Truppen werden dann in Panik weglaufen oder sich sogar auflösen, ohne dass sie zurückkehren. Einen Offizier in der Nähe zu haben, gibt den Truppen einen zusätzlichen Moralbonus, der an der Front überlebenswichtig ist. Offiziere, geführt von der KI, laufen zwischen ihren Truppen hin und her, um alle an diesem Bonus teilhaben zu lassen. Der wichtigste Aspekt im Spiel ist jedoch die Aufstellung der Truppen. Die dreidimensionale Welt kann hier optimal verwendet werden, die kleinsten Erhebungen im Boden können einen Bonus für die Schussweite geben, Truppen hinter Zäunen bekommen einen Verteidigungsbonus und so weiter. Wälder bieten gute Deckungsmöglichkeiten für die Truppen und so können Soldaten versteckt in Richtung des Feindes marschieren, wenn auch langsam. Die Müdigkeit der Soldaten wird in Wäldern dafür schnell steigen, während diejenigen, die offene Straßen nehmen, viel schneller und erholt am Ziel sind, aber deutlich wahrscheinlicher auf Gegenwehr treffen. Straßen und besonders Kreuzungen müssen deshalb mit dem Leben verteidigt werden, da diese oft zu wichtigen Mittelpunkten der Schlachten werden. Ein Feld voller Leichen Die Grafik im Spiel bietet zwei entgegengesetzte Extreme. Auf der einen Seite eine dreidimensional gestaltete Welt mit Wäldern, Zäunen, Kornfeldern, Flüssen und Straßen. Nähert man sich einem Wald, wird dieser durchsichtig, damit man die Truppen darin anklicken und befehligen kann, doch dafür ist er etwas abgedunkelt im Vergleich zu einer Wiese. Auf der anderen Seite stehen die Einheiten, die aus wenigen zusammengesetzten zweidimensionalen Bildern bestehen. Zoomt man näher an eine Einheit und dreht man den Winkel der Kamera zur Seite, dann wird man vom selben unbewegten Bild verfolgt, während sich Boden und Rest der Welt normal verhalten. Die Detailstufe ist deswegen weit entfernt von der aktueller Spiele, was man bei den Explosionen ebenfalls bemerkt. Der Ton im Spiel ist gut gewählt, im Kampf sind Explosionsgeräusche, Gewehre und Rufe der Soldaten realistisch genug, um den Spieler in die Epoche eintauchen zu lassen. Manchmal wünscht man sich, die Geschreie der Getroffenen oder der in Panik geratenen Truppen zu hören, was jedoch nicht implementiert worden ist. Auf Dauer werden die Geräusche eintönig, was jedoch verständlich ist: Auch in der Realität mussten die Kämpfer pausenlos das Geräusch der Artillerie in der Schlacht ertragen. Leider fehlt dafür in "2nd Manassas" eine musikalische Untermalung. Zwei weitere Mängel fallen im Spiel auf: Zum einen wird in der deutschen Fassung des Spiels eine viel zu helle Schrift verwendet, ein Fehler, der im ersten Patch (http://www.madminutegames.com/support.htm) bereits korrigiert worden ist. Weiterhin hat der Übersetzer des Spiels nicht aufgepasst und man findet zum einen noch viele Einblendungen auf Englisch im Spiel, zum anderen fatale Fehler, wie der Name des ersten Szenarios, benannt nach Lieutenant-General Jubal Anderson Early, der in "Früh" übersetzt worden ist.
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