World Racing 2 (Atari) geschrieben von Johannes Posch
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Einleitung Ein romantischer Strand, die Brandung rauscht sanft über den Sand und einige Palmen wiegen sich leicht in der sommerlichen Brise. Doch ein leises Brummen trübt plötzlich die paradiesische Harmonie. Der Blick schwenkt zu den kurvigen Küstenstraßen Richtung Festland. Aus heiterem Himmel schießt ein schwarzer Lotus Exige über die Böschung! Der Staub fliegt, als sich die Räder in den Sand graben und der Fahrer in einem lang gezogenen Drift den Strand entlang fegt. Kurz danach folgen dem englischen Sportwagen ein knallroter Golf V R32, ein Skoda Fabia RS und ein alter Mercedes E-Klasse im Rallye-Look. In der Kurve am Strand geraten sie immer wieder aneinander und schließlich kommt der Skoda ins Schleudern. Der Fahrer versucht gegenzulenken, kann den Wagen aber nicht mehr einfangen und kracht mit weit über 100 km/h in eine Palme. Die Frontpartie birst auseinander, das Nummernschild fliegt in hohem Bogen in unsere Richtung und bleibt schließlich vor unseren Füßen stecken. Die Aufschrift: "World Racing 2". So oder ähnlich würde sich wohl die ultimative Urlaubsgeschichte aus der Welt von Ataris neuestem Racing-Kracher anhören. Nach dem recht erfolgreichen ersten Teil tritt Entwickler Synetic also das Gaspedal wieder durch und versucht mit mächtig aufgestockten Lizenzen, frisierter Technik und einigen Feinverbesserungen die Krone der Rennspiele für sich zu gewinnen. Ob das gelungen ist? Lest selbst. Autos braucht das Land ... Der PC ist ja nicht unbedingt die Spieleplattform, welche die meisten Rennspiele spendiert bekommt. Da freut es umso mehr, wenn ein Entwickler sich ein Herz fasst und neben den Konsolenrasern auch die asphalthungrigen PC-Zocker mit einem neuen Rennspiel beglückt. So hat es nun also Atari gemacht und schickt den zweiten Teil der "World-Racing"-Reihe auf die Strecke, um sich die Krone unter den Computer-Racern zu sichern. Und um das zu erreichen, haben sie unter anderem tief in die Tasche gegriffen und sich massig Lizenzen gesichert. Das heißt für euch, dass ihr mit den über 90 originalgetreu nachempfundenen Geschossen von 17 verschiedenen Herstellern über die Strecken jagen dürft. Darunter finden sich dann auch so äußerst wohlklingende Namen wie: Mercedes, VW, Alfa Romeo, Lotus, Morgan, Pagani oder AC, um nur einige zu nennen. Allerdings wird diese so toll klingende Zahl von "90 Fahrzeugen" dadurch verzerrt, dass die Programmierer meist mehrere Versionen der einzelnen Modelle eingebaut und jede für sich als eigenen Wagen gezählt haben. Als Beispiel bietet sich hier der VW Tuareg an. Von diesem gibt es eine V10-TDI Version, zwei getunte Versionen mit Namen "The Rock" und "Sahara" und die Rennvariante. Streng genommen sind es zwar natürlich alles verschiedene Wagen, allerdings gibt es von so gut wie jedem einzelnen Typ im Spiel mindestens zwei Ausführungen, womit sich der subjektive Eindruck einstellt, es mit wesentlich weniger Autos zu tun zu haben. Sobald man aber erst einmal in einem der vielen Wägelchen drin sitzt, ist dieses kleine Manko auf der Stelle vergeben und vergessen. Jeder Wagen bekam ein eigenes Fahrmodell spendiert und wurde mit einem wunderschönen Schadensmodell ausgestattet. Von Schlammflecken auf dem Lack, über verschieden tiefe Kratzer bis hin zu auseinander brechenden Spoilern zieht "World Racing 2" alle Register. Wie oft man diese Animationen zu sehen bekommt, hängt größtenteils von zwei Faktoren ab: Das wäre zum einen natürlich das Können des Spielers, was uns auch gleich zu Faktor Zwei bringt: dem Schwierigkeitsgrad. Dieser hat so seine ganz eigenen Besonderheiten. Das generelle Fahrverhalten der Wagen kann nämlich jederzeit durch einen Schieberegler von Simulation bis Arcade geregelt werden. Außerdem stehen euch noch vier weitere Fahrhilfen wie ein Bremsassistent oder ASR (Anti-Schlupf-Regelung) zur Verfügung, um das Spiel an eure Bedürfnisse anzupassen. So weit so normal, aber noch wurde kein Wort über die Gegner verloren. Die KI wird automatisch geregelt und passt sich ständig eurer Leistung an. Fahrt ihr euren Kontrahenten auf und davon, wird der Schwierigkeitsgrad nach oben korrigiert und die anderen Fahrzeuge schließen recht schnell wieder auf. Solltet ihr aber ständig von der Strecke fliegen und somit weit zurückfallen, lassen es eure Opponenten ebenfalls etwas ruhiger angehen. Schafft ihr es für eine Weile, die Reifen auf dem Asphalt zu behalten, könnt ihr bald wieder um die Podiumsplätze mitfahren. Das ist doch mal was Neues! Nichts Neues hingegen ist das in letzter Zeit so populär gewordene Tuning-Feature, das seinen Weg auch in dieses Spiel gefunden hat. Es wirkt hier jedoch eher so, als ob es nur deswegen implementiert wurde, weil es in letzter Zeit ja so "cool" ist. Das "Tuning" beschränkt sich schlicht und ergreifend darauf, seinem motorisiertem Untersatz andere, lizenzierte Felgen oder schickes Vinyl aufzupappen, die man durch zuvor in den Rennen verdiente Punkte kaufen kann. Technische Verbesserungen oder Pimp-my-Ride-mäßiges Karosserieaufpeppen: Fehlanzeige. Aber na ja, besser als gar nichts. ... und Strecken ... So, Autos sind ja schön und gut, doch irgendwo will man doch dann auch mit den Dingern herumfahren, nicht? Diesbezüglich hat Atari ebenfalls so einiges auf den Silberling gebannt. Insgesamt stehen dem geneigten Zocker sechs unterschiedliche und frei befahrbare Umgebungen zur Verfügung. Von rennstreckenähnlichen Testarealen und dem Hockenheimring über romantische Italo-Landschaften und staubige Wüstenstrecken in Ägypten bis hin zu Großstädten in Amerika ist alles dabei. Dabei haben die Entwickler aber nicht wie gewohnt einfach nur einzelne Strecken zusammengeschustert, sondern jeweils ein riesiges Areal programmiert, welches theoretisch völlig frei befahren werden kann. Für die "normalen" Straßenrennen werden dann auf Kreuzungen oder Ähnlichem durch in der Luft schwebende Pfeile angezeigt, wo es lang geht. Diese Pfeile dienen zudem noch als kleine Hilfe in Bezug auf die Geschwindigkeit. Ist diese für die kommende Kurve passend gewählt worden, erstrahlen die Markierungen in einem freundlichen Grün. Falls ihr allerdings zu flott auf eine Kurve zurast, färben sie sich erst gelb, dann orange und warnen im schlimmsten Fall in einem knalligen Rot davor, dass ihr bei dieser Geschwindigkeit höchstwahrscheinlich einen unfreiwilligen Abflug erleiden werdet. Wird diese Warnung ignoriert, zeigt sich eine weitere Besonderheit des Spieles, die sich durch die frei befahrbaren Areale ergibt. Es gibt keinerlei unsichtbare Wände, die den Wagen irgendwann wie von Zauberhand stoppen. Stattdessen kullert und poltert der Wagen so lange weiter, bis die Schwerkraft oder diverse Felsen, Bäume oder Häuser es endlich zum Stehen bringen. Dies ist bei weitem nicht das Einzige, was durch diese Freiheit ermöglicht wird. Bestialische Abkürzungen sind, wenn es die Landschaft erlaubt, ebenso machbar wie spektakuläre Offroad-Duelle, die neben den normalen Straßenrennen ebenfalls einen recht großen Teil des Spieles ausmachen. ... und Modi auch! Derer gibt es generell zwei: den "Karriere"- und den "Freie-Fahrt"-Modus. Im "Karriere"-Modus, dem Herzstück des Spieles, durchlebt ihr eine Mission nach der anderen. Im Klartext heißt das, ihr absolviert einfach ein Rennen nach dem anderen und jedes davon wird in gewisser Hinsicht durch irgendeine kleine Geschichte untermalt. Eine wirkliche Story, hollywoodähnliche Cutscenes oder vergleichbares dürft ihr zwar nicht erwarten, doch es macht Laune, die kurzen Texte durchzulesen und zu versuchen, sich in die gegebene Situation hineinzuversetzen, und es bringt ein wenig Tiefe in die Rennen. Diese selbst sind ohnehin schon so abwechslungsreich, dass nie Langeweile aufkommt. Ihr müsst einmal durch Drifts eine gewisse Punktezahl erreichen, auf einem High-Speed-Ring drei Mal die Höchstgeschwindigkeit des Wagens erreichen, ein KO-Rennen bestehen oder einfach eine Strecke in der vorgegebenen Zeit absolvieren. Der "Freie-Fahrt"-Modus hingegen lässt euch Rennen komplett nach euren Belieben erstellen. Egal ob Strecke, Gegneranzahl, Fahrzeuge oder Renntyp, alles kann Schritt für Schritt von euch eingestellt werden. In diesem Modus versteckt sich auch der kleine Multiplayer-Part des Spieles. Hier wurde nur ein Split-Screen-Modus implementiert, der es möglich macht, dass sich bis zu sechs Freunde gleichzeitig an einem PC beweisen, wer der Boss ist. Lenkungsspiel In der Lenkung versteckt sich zwar eine große Stärke, aber leider auch eine kleine Schwäche des Spieles. Der große Pluspunkt ist die haargenaue Einstellbarkeit des Realismusgrades der Steuerung. Schiebt ihr den Regler zu hundert Prozent auf Arcade, spielt es sich auch wirklich so. Soll heißen: Sämtliche Fahrzeuge, egal ob schwachbrüstiger Fronttriebler oder powerstrotzende Heckschleuder, steuern sich gutmütig und lassen sich jederzeit gut beherrschen. Stellt ihr den Regler hingegen auf Simulation, sorgen fast 200 verschiedene, in Echtzeit berechnete Parameter dafür, dass ihr alle Hände voll zu tun habt, den Wagen auf der Strecke zu halten. Der Schwachpunkt bei der Bedienung ist die Art und Weise, wie sich das Spiel mit verschiedenen Steuergeräten beherrschen lässt. Seid ihr Besitzer eines Gamepads oder (noch besser) eines Lenkrades, habt ihr allen Grund zur Freude. Seid ihr allerdings die Art von Rennspielfan, bei der die Tastatur herhalten muss, wird es für euch eine ganze Ecke schwerer. Warum? Nun, das Spiel sagt euch es schon selbst in einer während den Ladepausen aufploppenden Tippmeldungen: "Vermeidet abrupte Lenkbewegungen, denn durch diese geht euch viel Geschwindigkeit verloren. Das ist auch wahrscheinlich der Grund dafür, wenn Gegner öfter einfach an euch vorbeizischen." Tja, ist ja schön, dass man darauf hingewiesen wird, doch wenn die Tastatur zum Steuern der Fahrzeuge herhalten muss, lässt sich so etwas nur schwer verhindern. Selbst wenn auf der hundertprozentigen Arcade-Stufe gespielt wird, verliert der Wagen bei jedem Antippen einer Richtungstaste merklich an Speed beziehungsweise Drehzahl. Dadurch werden normale Rennen schwer und manche, wie die Mission auf dem Highspeed-Ring, wo der Top-Speed erreichen werden muss, sogar unmöglich zu bewältigen. Auf Hochglanz poliert Die hauseigene Engine besticht mit einer phänomenalen Weitsicht, wunderschönen Automodellen, schönen Effekten und einer detaillierten Umgebung. Hier stimmt einfach alles. Vor allem die Automodelle mitsamt den erstklassigen Spiegelungen sind wunderschön geworden. Auch die Umgebung steht den fahrbaren Untersätzen in nichts nach. Sämtliche Areale wurden mit reichlich Details bestückt und wirken allesamt mehr oder weniger lebendig. Die einzige witzige Ungereimtheit sind die Tiere, die in den Arealen umherstehen. Diese unterscheiden sich in "World Racing 2" nämlich nur durch die Form von anderen Objekten wie zum Beispiel von Mülleimern. Genau wie diese Blechtonnen stehen sie die ganze Zeit nur herum und fliegen, falls man dagegen fährt, physikalisch korrekt durch die Gegend. Ein weiterer äußerst erfreulicher Fakt ist dann noch, dass es die Entwickler geschafft haben, all diese Grafikpracht zusammenzuschustern, ohne dabei astronomisch hohe Anforderungen an das Computersystem zu stellen. Eine ca. 2,5 GHz schnelle CPU und eine Radeon 9600XT reichen vollkommen aus, um auf maximalem Detailgrad ein ansehnliches Ergebnis zu erzielen. Reife Leistung! Irgendwas läuft da unrund... Die Soundtechniker haben zwar auch einen recht guten Job gemacht, könnten sich aber für einen eventuellen Teil Drei ruhig noch ein wenig mehr ins Zeug legen. Vor allem die Motorensounds hätten gerne etwas mehr überarbeitet werden können. Fast jeder Wagen klingt irgendwie gleich und summt und rauscht während der Fahrt nur eigenartig vor sich hin. Bei der Musik wurden hingegen keinerlei Fehler gemacht. Sie ist zwar nicht sonderlich auffällig, passt aber relativ gut zu dem Setting und untermalt das Geschehen ganz ordentlich. Ich persönlich hatte eigentlich großen Spaß mit "World Racing 2". Warum "eigentlich"? Nun ja, die ersten Tage sorgte das Spiel bei mir leider nur für Frust, da ich versucht habe, mit der Tastatur zu spielen. Als ich danach wutentbrannt mein altes Lenkrad wieder aus dem Kasten gekramt habe und alles installiert war, konnte der Spaß endlich losgehen. Nur mit einem solchem Steuergerät vor dem Monitor kann man "World Racing 2" wirklich genießen. Erst dann kann man sich entspannt auf die wunderschöne Grafik konzentrieren und sich Stück für Stück näher an die Simulations-Einstellung herantasten. In dieser wird man nicht nur vor die herausfordernde Aufgabe gestellt, seine Gegner in die Schranken zu weisen, sondern hat auch dermaßen viel zu tun, um den Wagen auf der Strecke zu halten, dass man die schwachen Motorengeräusche glatt vergisst. Zum Schluss bleibt mir somit nur noch eine Empfehlung: Liebe Rennsportfreunde, wenn ihr "World Racing 2" noch nicht habt, holt es euch. Ihr werdet es nicht bereuen. (03.11.2005)
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