Total Overdose (PS2) (Eidos) geschrieben von Florian Piesche
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Grand Theft Auto ist eines der wenigen neuen Spielkonzepte der letzten Jahre, das sich bisher noch keiner größeren Konkurrenz stellen musste, aber jetzt hat sich auch das geändert: Total Overdose vom dänischen Branchen-Neueinsteiger Deadline Games steigt als erster, groß produzierter Klon gegen Rockstars alteingesessene Serie in den Ring. Die Frage ist natürlich, ob der überdosierte Herausforderer dem Altmeister die Stirn bieten kann ... Grand Theft Max Payne: El Mariachi Das Gameplay von Total Overdose ist zwar an sich "nur" ein Klon der GTA-Serie, aber etwas aufgemotzt mit Feuergefechten in der Machart von Max Payne - einschließlich der altbekannten Bullettime und den stilvollen Stunts - und vor einem Hintergrund, wie ihn Robert Rodriguez nicht hätte besser machen können. Die Handlung dreht sich um Cruz, ehemaliger Knacki und jetzt verdeckter Ermittler der US-Drogenfahndungsbehörde DEA, der sich in einen mexikanischen Drogenhändlerring einzuschleusen versucht, um den Tod seines Vaters zu rächen. In seiner Rolle fährt oder läuft man nun durch eine fiktive Stadt an der Grenze zwischen USA und Mexiko, holt sich von diversen zwielichtigen Gestalten am Straßenrand Missionen ab und versucht, Selbige zu erfüllen, ohne dabei von den Bösewichten über den Haufen geballert zu werden. Das klingt jetzt vielleicht etwas monoton, aber das Spiel ist extrem stilvoll umgesetzt. Der wichtigste Faktor hierbei ist, dass es sich selbst nicht zu ernst nimmt. Um genau zu sein, ist Total Overdose so vollkommen over-the-top und überdreht, dass man trotz der Gewaltexzesse sehr, sehr viel zu lachen hat. Dinge explodieren links und rechts, namenlose Gegner werden reihenweise abgeräumt und mitten in all dem lässt das Spiel kaum eine Gelegenheit aus, einen Seitenhieb auf irgendwelche Actionfilme oder andere Spiele anzubringen. Für so ziemlich jeden Stunt, den man in irgendeinem Zusammenhang ausführen kann, gibt es eine kommentierende Einblendung und Bonuspunkte. Erlegt man einen Bösewicht, der einen Hut trägt, so fliegt dessen Hut durch die Luft und segelt langsam zu Boden und wer schnell genug ist, kann den Hut auffangen und danach mit ihm rumlaufen. Im Kampf kann man außerdem mittels der L1-Taste einen "Shootdodge" wie in Max Payne ausführen, sprich, zur Seite hechten, während man die Waffen weiter nach vorne gerichtet hat. Hierbei schaltet das Spiel, ebenfalls wie in Max Payne, in eine Zeitlupe, damit man die spektakulären Stunts auch richtig schön begutachten kann. Auf der Straße kann man die herumfahrenden Autos quasi jederzeit hijacken, was obendrein meist mit unterhaltsamen Kurzdialogen zwischen Cruz und dem bisherigen Insassen des Fahrzeugs belohnt wird. Und: Anders als in den GTA-Spielen gibt es in Total Overdose nicht diese nervigen Polizisten, die euch ständig den Spaß verderben wollen. Die Steuerung ist ebenfalls deutlich besser umgesetzt als bei den Inspirationslieferanten: Die Fahrzeuge sind auch bei höheren Geschwindigkeiten leicht zu steuern und machen einfach Spaß zu fahren und die stuntlastigen Feuergefechte werden durch automatische Zielaufschaltung etwas erleichtert. Diese Hilfestellungen machen das Spiel zwar etwas leichter als die Konkurrenz, aber Total Overdose geht es weniger darum, eine Herausforderung zu stellen und mehr darum, dem Spieler einen "Wow"-Effekt zu verpassen - und in diesem Bereich stößt es deutlich aus der Masse hervor. Fährt man mit einem Fahrzeug zum Beispiel über eine Rampe, so schaltet die Kamera in eine Außenperspektive um und zeigt den Sprung in Zeitlupe aus verschiedenen Blickwinkeln - besonders beeindruckend, wenn man beim Sprung eins der vielen recht explosionsfreudigen Objekte in der Umgebung angefahren und damit einen schön überdimensionierten Feuerball ausgelöst hat. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die so genannten Loco Moves, die man mittels Aufsammeln spezieller Powerups durch einen banalen Tastendruck ausführen kann, aber die umso mehr Wirkung haben. Insgesamt sieben an der Zahl, sind die Loco Moves dafür da, in kurzer Zeit viele Gegner loszuwerden. Besonders erwähnenswert ist hier "El Mariachi", einer der offensichtlichsten Seitenhiebe des Spiels. Setzt man diesen Loco Move ein, so zaubert Cruz zwei Gitarrenkisten aus der Hosentasche und schlendert, wie in Robert Rodriguez' für den Move namensgebenden Film, vor sich hin, während aus der Vorderseite der Kisten Automatikfeuer die Gegner in Cruz' Blickfeld aus dem Weg räumt. "Tornado" lässt Cruz zwei Maschinenpistolen zücken und während eines Luftsprungs eine vollautomatische Pirouette drehen, die sämtliche Gegner in Reichweite ins Nirwana schickt. Die anderen Locos sind ähnlich effektiv und funktionieren nach dem gleichen Prinzip, wobei sie sich prinzipiell unterteilen in "automatische" und "manuelle" Techniken - beim Tornado muss man selbst nur zusehen, bei El Mariachi zumindest in die Richtung der Gegner, die man loswerden will, laufen. Ansonsten gibt es eine weitere Möglichkeit, Gegner schnell aus dem Weg zu räumen - eine "Headshot"-Taste. Drückt man sie, so zieht sich der Rahmen der Zielaufschaltung um den momentan ausgewählten Gegner zusammen und blinkt kurz gelb auf; feuert man in diesem Moment eine Waffe ab, schießt man dem Gringo ins Gesicht und erledigt ihn mit einem einzigen Schuss. Erwischt man den richtigen Zeitpunkt nicht, so wiederholt sich die Animation des Zielrahmens von vorne, ohne dass ein Schuss abgefeuert wird. Ansonsten findet sich an Powerups in der Stadt das übliche Material: Lebensenergie auffüllende Extras und Upgrades für Lebensenergie, Bullettime und Waffenfähigkeiten sowie Bonuspunkte. Als weitere Besonderheit neben den Loco Moves stößt man gelegentlich auf "Rewind"-Extras, mit denen man à la "Prince of Persia: The Sands of Time" die Zeit auf Tastendruck etwas zurückdrehen kann - falls man mal einen Kampf arg verpatzt hat. Bonuspunkte gibt es des Weiteren dafür, Gegner im Nahkampf zu erledigen, Dinge in die Luft zu sprengen (und dabei Gegner zu erwischen), die Hüte von gefällten Bösewichten aufzufangen, mehrere Leute in einem Hechtsprung zu töten, Kills während bestimmten Stunts zu vollziehen, und, und, und. Tötet man einen Gegner, so wird ein Timer gestartet, der als gelber Bereich auf der Übersichtskarte im linken unteren Eck zu sehen ist. Erwischt man den nächsten Gegner, bevor der Timer abläuft, wird er zurückgesetzt und so weiter. Wenn der Timer abläuft, wird die Anzahl der in der Combo erwischten Gegner mit ihrem Punktwert verrechnet und man bekommt die resultierende Punktzahl gut geschrieben. Erreicht man in einer Combo bestimmte Punktzahlen, wird etwas Lebensenergie aufgefüllt; erreicht man vorgegebene Gesamtpunktzahlen, so bekommt man weitere Powerups. Sand, Staub, Erde - Gelb, so weit das Auge reicht Hier ist das Spiel leider nicht herausragend - Total Overdose ist mit netten Effekten versehen, aber die Figuren und Umgebungen sind arm an grafischen Details und hochqualitativen Texturen. Nichtsdestotrotz hat Deadline Games es geschafft, ihrem Debüttitel durchgängig einen eigenen optischen Stil zu verpassen, der auch über die weniger detaillierten Grafiken hinwegtröstet und ein angenehmes Ganzes bildet. Nur ist er leider nicht so charakteristisch, dass er das Spiel grafisch außergewöhnlich von der Masse abhebt. Auffällig ist gerade auch der deutliche Gelbstich der Optik, der die Mexiko-Actionfilm-Atmosphäre des Spiels gut unterstreicht. Die Animationen der Figuren wirken teils etwas kantig und abgehackt, aber erfüllen ihre Aufgabe; die Stunts sehen trotzdem gut aus und man erkennt immer, was ein Charakter gerade macht. Im Großen und Ganzen ist Total Overdose grafisch eher Mittelmaß, wenn nicht sogar unteres Mittelmaß in der weiten Landschaft der bisher erschienenen PS2-Titel; wenn die PC- und Xbox-Versionen nicht deutlich besser aussehen als die PS2-Fassung, ist die grafische Lücke zum Durchschnitt dort wohl noch größer. Mariachis, Rapper, Explosionen Im Bereich Sound ist Total Overdose hingegen hervorragend ausgestattet - die Soundeffekte haben richtig schön Rumms und die Sprachausgabe ist qualitativ wie schauspielerisch einwandfrei. Die Musik verdient eine besondere Erwähnung - beim Soundtrack zum Spiel handelt es sich um eine recht interessante Mischung aus Metal, Rap und traditionell "mexikanischen" Trompeten- und Akustikgitarrensoli, die hervorragend zum Geschehen passt und das Hintergrundsetting schön untermalt. Leider hat das normale Herumfahren in der Stadt keine musikalische Untermalung wie bei GTA, was die Zeiten zwischen den Missionen etwas eintönig erscheinen lässt. Fazit Total Overdose ist vom Gameplay her ein etwas monotoner, aber gut gemachter und amüsanter Third-Person-Shooter mit hervorragend umgesetzter Atmosphäre, der auch über längere Zeit einigen Reiz behalten dürfte. Optisch nicht auf der Höhe der Zeit, aber exzellent in den Bereichen Sound, Steuerung und Spielspaß.
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