World of Warcraft vs. Guild Wars: Factions - Ein Vergleichstest

World of Warcraft vs. Guild Wars: Factions - Ein Vergleichstest

(Vivendi/NCSoft)

geschrieben von Christiane Hamacher und Sebastian Hör

 

In der Welt der Online-Rollenspiele tobt bereits seit über einem Jahr der Kampf der Giganten: Auf der einen Seite Blizzard's kostenpflichtiges "World of Warcraft", auf der anderen Seite ArenaNet's "Guild Wars", das mit dem ersten Addon "Factions" nochmals an inhaltlichem Gewicht zulegen konnte. Ebenso wie die Schlacht zwischen den beiden Spielen tobt auch der Konflikt zwischen ihren Fans. Beide Spielerlager haben gute Argumente, weswegen sie ihrem Favoriten innig zugetan sind. Wir haben beide Spiele für Sie getestet und ihre Vor- und Nachteile auf den Prüfstand gestellt.

Eines jedoch vorneweg: Dieser Test soll nicht darüber entscheiden, ob nun "World of Warcraft" oder "Guild Wars: Factions" besser ist, sondern lediglich die Stärken und Schwächen der beiden Konkurrenten aufzeigen. Ebenso wenig wollen wir eingefleischte Fans dazu bringen, vom Glauben abzufallen oder absoluten Pro-Gamern neue Taktiken erklären. Das Ziel dieses Reviews ist es, Unentschlossenen die Möglichkeit zu geben, zu entscheiden, welches Spiel besser zu ihnen passt. Der Test gliedert sich in die drei großen Bereiche Gameplay, Grafik und Sound sowie die Unterbereiche Hintergrundgeschichte, Rahmenbedingungen und Möglichkeiten im "Lategame".

Die Story

"World of Warcraft" knüpft da an, wo das letzte Singleplayerspiel der "Warcraft"-Saga, "Warcraft III: The Frozen Throne", aufgehört hatte: dem Sieg des Bündnisses zwischen Allianz und Horde über die Brennende Legion. Während die Orcs unter der Führung des jungen Kriegsherrn Thrall die Östlichen Königreiche verlassen mussten und in Kalimdor eine neue Heimat fanden, arbeiteten Menschen und Zwerge Hand in Hand für den Wiederaufbau ihrer verwüsteten Heimat. Hilfe erhielten sie außerdem von den Gnomen, die nach der Vernichtung ihrer Heimstatt Gnomeregan in Ironforge, der Hauptstadt der Zwerge, Zuflucht gefunden haben, und von den Nachtelfen. Doch die Geißel ist noch nicht geschlagen und auch wenn einige abtrünnige Untote unter Führung der Banshee Sylvanas Windrunner sich der Horde angeschlossen haben, sind noch zahlreiche Schlüsselpositionen Azeroths fest in der Hand der Armeen des Lichtkönigs.

Die asiatisch angehauchte Welt von "Guild Wars: Factions" hingegen ist schwer gezeichnet von einem Krieg, der das Antlitz Canthas gravierend veränderte. Nach dem feigen Attentat von Shiro Tagachi, dem Leibwächter des Kaisers auf seinen Herrn und dem darauffolgenden Bürgerkrieg zwischen ihm und den kaisertreuen Vasallenvölkern der Luxon und Kurzick fegte der Jadewind über das Land und verheerte die einstmals schöne Welt. Jetzt, zweihundert Jahre nach diesen Ereignissen, erholt sich Cantha langsam von den Verwüstungen. Doch eine Seuche zieht herauf und bedroht aufs Neue den brüchigen Frieden.

Gameplay

In Sachen Gameplay sind sowohl "World of Warcraft" als auch "Guild Wars: Factions" recht simpel gestrickt; das Menü gestaltet sich übersichtlich und die Grundfunktionen des Spiels werden über hilfreiche Tooltipps erläutert. Somit ist der Einstieg in die Welt des Kriegshandwerks schnell geschafft und die ersten Quests und Gegner sind mit Leichtigkeit erledigt. Einsteigerfreundlichkeit ist also in jedem Fall bei beiden Spielen gegeben. Werden die Aufgaben mit fortschreitender Spieldauer und Level fordernder, ist es notwendig, sich eine Gruppe zu suchen, mit der man an die Missionen herangeht. Hier gehen die beiden Spiele unterschiedliche Wege: Ist es in "World of Warcraft" ausschließlich möglich, mit anderen menschlichen Spielern durch die Welt zu ziehen, so kann man sich in "Guild Wars: Factions" außerdem zahlreicher NPCs bedienen, die bei der Erledigung der Aufgabe helfen. Hat man schließlich die höchste Stufe (in "WoW" Level 60, in "GW" Level 20) erreicht, ist man im sogenannten "Lategame" angekommen. An dieser Stelle ist es nicht mehr möglich, höher aufzusteigen, wiewohl es natürlich trotzdem noch zahlreiche Aufgaben zu erledigen gilt.

Lategame

In "World of Warcraft" gibt es ganz grob gesagt zwei verschiedene Zweige des Lategames, die gleichermaßen fordernd, aber auf Dauer auch ziemlich stupide sind und irgendwann nach "Schema F" ablaufen. Entweder auf den PvP-Schlachtfeldern des Arathibeckens, der Warsongschlucht und dem Alteractal Ruhm und Ehre zu erlangen oder in den großen 40-Mann-Raidinstanzen das bestmögliche Itemset zu ergattern. Während der PvP-Teil durch die drei Schlachtfelder und - außerhalb der PvP-Server - dem fehlenden Open-PvP (also z.B. Angriffe auf Hochburgen der gegnerischen Fraktion wie Stormwind oder Orgrimmar) relativ eintönig daherkommt, wird den Spielern im PvE-Bereich einiges mehr geboten. Mehrere Raidinstanzen steigender Schwierigkeitsstufen stehen dem geneigten Zocker offen und stellen eine taktische und organisatorische Herausforderung dar. Neben dem Geschmolzenen Kern, dem Pechschwingenhort und dem Tempel von Ahn'Qiraj folgte vor einigen Tagen mit dem Inhaltspatch "Schatten der Nekropole" Naxxramas eine weitere, noch schwierigere Schlachtzugsinstanz. Der Nachteil des Systems liegt auf der Hand: Spieler sind gezwungen, sich in großen, oft gildenübergreifenden Bündnissen zusammenzutun, um die erwähnten Instanzen zu meistern. Kleinere Gilden ohne Partner schauen in die Röhre und wer nicht bereit ist, mehrere Stunden Zeit mitzubringen, steht wegen fehlender kleinerer Highlevel-Instanzen sehr bald nur noch vor der Wahl, sich entweder zu fügen oder aufzugeben. Dennoch arbeitet Blizzard unermüdlich auch an Herausforderungen für kleine Spielergruppen, die jedoch erst mit dem Addon "Burning Crusade" eingeführt werden sollen. Diejenigen, die bereit sind, ihre kostbare Zeit in den genannten Instanzen zu verbringen, sind jedoch bestens versorgt und so ziehen einige Monate ins Land, bis man auch wirklich alle Bosse spielend meistert und das höchstmögliche Rüstungsset komplett hat.

"Guild Wars: Factions" legt das Hauptaugenmerk, wie der Titel schon sagt, eher auf den PvP-Bereich und hier in erster Linie auf den Kampf zwischen den Gilden. Dies ist eine der größten Herausforderungen und auch ein Quell stetiger Motivation im Lategame, denn hier punktet "Factions" ganz klar gegen den großen Konkurrenten. Mit "Factions" wurde das Allianzsystem eingeführt; bis zu zehn Gilden können sich in einer solchen Allianz zusammenfinden und gegen eine andere Allianz Schlachten um Schlüsselgebiete des Spiels schlagen. Die Grenzen dieser Gebiete werden täglich aktualisiert und tragen so den Erfolgen auf dem Schlachtfeld Rechnung. Auf der anderen Seite bringen die Allianzen natürlich auch Vorteile im PvE-Bereich mit sich, so kann beispielsweise über gesammelte Punkte in Missionen die Kontrolle über Städte innerhalb der oben genannten, umkämpften Gebiete gewonnen werden, wo es dann wiederum exklusive Elite-Quests gibt. Unnötig zu erwähnen, dass die Belohnung für das Abschließen solcher Aufträge entsprechend ausfällt; es winken neue, stärkere Gegenstände und anderes mehr. Hier geht "Guild Wars: Factions" also einen anderen Weg als "World of Warcraft", nimmt deutlicher Bezug auf die Aktionen der Spieler und schafft so einen etwas dynamischeren Eindruck der Spielewelt. Nichtsdestotrotz schauen auch hier die Gelegenheitszocker und kleineren Gilden in die Röhre: Wer nicht gewillt ist, sich in Allianzen zusammenzufinden oder wem die entsprechenden Kontakte fehlen, der wird einen Großteil der Lategame-Herausforderungen nicht wahrnehmen können. Das Heranzüchten weiterer Twinks wird in diesem Fall keine große Abhilfe versprechen, denn durch die Beschränkung auf maximal vier, beziehungsweise sechs (sofern man im Besitz von sowohl "Guild Wars" als auch "Factions ist) Charaktere und der relativ niedrigen Levelobergrenze von 20 ist hier das Maximum schnell ausgereizt.

Rahmenbedingungen

Sicherlich sind die Rahmenbedingungen, unter denen man "Guild Wars: Factions" beziehungsweise "World of Warcraft" spielt, der größte Zankapfel der Fangemeinden. Während die Verfechter der monatlichen Gebühren zu Recht auf die regelmäßig erscheinenden, umfangreichen Patches verweisen, die oftmals auch die Spielwelt um viele neue Inhalte erweitern (beispielsweise den neuen Dungeon "Naxxramas" in Patch 1.11), führen die Gegner dieser Strategie die ebenfalls regelmäßig erscheinenden Updates zu "Guild Wars: Factions" ins Feld, die zwar die Spielwelt nicht so gravierend erweitern, wie das in "WoW" der Fall ist, dafür aber auch keine monatlichen Gebühren erfordern. Dieser Streitpunkt ist sicherlich nicht nur eine Frage des Geldbeutels, sondern auch der Überzeugung und kann je nach Sichtweise sowohl als Vor- als auch als Nachteil gesehen werden.

Grafik

Hinsichtlich der Optik hat "World of Warcraft" gegenüber "Guild Wars: Factions" eindeutig das Nachsehen. In keinem Bereich ist der Unterschied zwischen den beiden Spielen so gravierend wie hier. Obwohl Blizzard sein Bestes tut, aus der veralteten Engine das Maximale herauszuholen und sich das Ergebnis auch durchaus sehen lassen kann, hält "World of Warcraft" dem Vergleich mit dem großen Konkurrenten in keiner Weise stand. Die Wahlmöglichkeiten bei der Charaktererstellung sind begrenzt; ein paar verschiedene Hauttöne und Haarfarben sind möglich, ebenso rudimentäre Gesichtszüge, aber alles in allem zu wenig, um sich ein wirklich individuelles Alter Ego zu erstellen. Die Folge: Gerade voll ausgestattete Charaktere sehen durch die Rüstungssets nahezu gleich aus. Nachtelfendruiden im Cenarius-Gewand gleichen einander ebenso wie ein Ei dem anderen wie Taurenkrieger im vollen T2-Ornat. Ähnlich verhält es sich bei der Gestaltung der Spielwelt - die verschiedenen Regionen unterscheiden sich zwar im Landschaftsbild, ähneln einander jedoch in der Art des Geländes. So erinnert beispielsweise Feralas in seiner schlingpflanzenüberwuchterten Atmosphäre frappierend an den Un'Goro-Krater und die Vorgebirge von Hillsbrad sehen fast genauso aus wie das Startgebiet der Tauren in Mulgore. Die Instanzen sind dafür sehr abwechslungsreich gestaltet; erst bei den großen Raidinstanzen hat man das Gefühl, dass die Entwickler hier allzu viel Mühe in das Design der Bosse und weniger in die Gestaltung von deren Heimstatt gesteckt haben. Das ist auf der einen Seite natürlich löblich, sind doch die Kämpfe gegen die Bosse à la Ragnaros und Nefarian das Salz in der Suppe von "WoW", auf der anderen Seite ist es aber auch ein wenig trist, sich wieder und wieder durch die lieblos aneinander geklatschten Lavabrocken des Geschmolzenen Kerns zu hauen. Ein weiterer Punkt sind die Rüstungssets und Waffen: sie wirken zwar recht eindrucksvoll und pompös, haben aber durch die fehlende Variationsmöglichkeit bei der Farbgebung den oben genannten Nachteil, an allen Spielern gleich auszusehen. Zauber und Effekte sind ebenfalls nett gemacht und auf den ersten Blick hübsch anzusehen, zählen aber keineswegs zu den Blickfängen des Genres. Die Animationen der Charaktere wiederum zeugen durch die zahlreichen Emotes und Gesten von großer Detailverliebtheit und versprühen einen ganz eigenen Charme, bleiben jedoch hinter den grazilen Bewegungen ihrer "Guild Wars"-Brüder und Schwestern zurück.

Ganz anders präsentiert sich hier "Factions": Bereits bei der Charakterauswahl steht eine Vielzahl von Gesichtern zur Verfügung, von denen einige frappierende Ähnlichkeit mit prominenten Persönlichkeiten aufweisen; darüber hinaus kann man die Größe seines Charakters einstellen - eine Option, die bei "WoW" völlig fehlt. Natürlich ist es auch möglich, Frisur, Haut- und Haarfarbe und sogar die Färbung der Kleidung zu bestimmen und sich so ein individuelles Alter Ego erstellen. Auch im Spiel selbst glänzt die Welt Canthas mit großartiger Detailfülle und Lebendigkeit. Feuerbälle explodieren bombastisch am Ziel, die Animationen der Charaktere sind flüssig und abwechslungsreich und die Spielwelt wirkt rundum lebendig.

Natürlich ist es Geschmackssache, ob man sich im eher realistisch angehauchten "Guild Wars" wohler fühlt als im knuffigen "World of Warcraft"-Universum, aber niemand wird die grafische Dominanz von "GW" ernsthaft bestreiten wollen.

Sound

Akustisch gesehen bieten weder "World of Warcraft" noch "Guild Wars: Factions" große Überraschungen: Unaufdringliche, eingängige Melodien dringen aus den Boxen und begleiten Sie durch die verschiedenen Situationen im Spiel. Dennoch werden Sie die vorgegebene Geräuschkulisse früher oder später abschalten und durch die eigene mp3-Sammlung ersetzen oder den Stimmen ihrer Gefährten via Teamspeak oder Ventrilo lauschen. Was zumindest in einer Hinsicht schade ist: die Stimmen der NPCs und Gegner, beispielsweise die des Feuerfürsten Ragnaros, wurden in "WoW" glaubhaft vertont und tragen sehr viel zur Atmosphäre des Spiels bei.

 

World of Warcraft

- Windows 98/ME/2000/XP

- Pentium III 800 MHz oder vergleichbarer AMD

- 256 MB RAM

- 3D-Grafikkarte mind. 32 MB und T&L-fähig

- DirectX 9.0-fähige Soundkarte

- 4 GB freier Festplattenspeicher

- mind. 56k-Modem

Entwickler: Blizzard Entertainment / ArenaNet
Publisher: Vivendi Universal Games / NCSoft
Genre: Online-Rollenspiel
Releasedate: Bereits erschienen
Homepage: World of Warcraft / Guild Wars
Preis: ca. 30€ zzgl. monatlicher Gebühr von maximal 12,99€ / 36,95 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG44

Fazit

   Welches Spiel nun besser ist - "World of Warcraft" oder "Guild Wars: Factions" - kann objektiv nicht entschieden werden. Fest steht auf jeden Fall: Beide Spiele haben ihre großen Stärken und Schwächen. Während das große Plus von "WoW" eindeutig in der Größe der Spielwelt und der Vielfalt der Herausforderungen im Lategame liegt, punktet "GW" vornehmlich im PvP-Bereich. Hier rächt es sich, dass Blizzard den Liebhabern des Open-PvP durch die Fixierung auf die Schlachtfelder nahezu jede anders geartete Betätigungsmöglichkeit genommen hat. Wer es überdies realistisch liebt, auf Optik Wert legt und eher mit Menschen als mit knuffigen Tauren und Zwergen die Welt erkundet, ist bei "GW" bestens aufgehoben. Diejenigen hingegen, denen weniger an packenden PvP-Schlachten als an herausfordernden Bosskämpfen und martialischen Schlachtrüstungen gelegen ist, sollten zu "WoW" greifen - immer vorausgesetzt, sie sind bereit, monatlich über zehn Euro (je nach Art des Abonnements) zu berappen. (05.07.2006)


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