FIFA 07 (Electronic Arts) geschrieben von Jan-Tobias Kitzel
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Das Sommermärchen ist vorbei, die zum Teil spröde EM-Qualifikation hat den deutschen Fußball erfasst und in der Bundesliga regieren Merkwürdigkeiten. Wer hätte schon vor der Saison den HSV in der Nähe der Abstiegsplätze gesehen und Aachen eine derart konstant gute Leistung zugetraut? Die aktuellen Ergebnisse sind nicht in eurem Sinne? Dann schnappt euch das Gamepad und jagt euren Lieblingsverein doch selbst über das grüne Feld der Ehre oder macht den Jogi und lasst die deutsche Fußballnationalmannschaft antreten. "FIFA 07" macht es - wie jedes FIFA-Jahrespendant - möglich, aber die wichtigste Frage ist, ob EA hier solide Arbeit geleistet oder nur eine Vollpreis-Aktualisierung der Vereinsdaten vorgelegt hat. Der wollen wir nun nachgehen. Gameplay oder: "Scharfe Flanke von links, Volley, Tor! "FIFA 07" wartet nach dem Start mit den gewohnten Spielvarianten auf: Ob ein schnelles Freundschaftsspiel, ein Turnier, eine ganze Ligasaison oder gar das Herzstück, der Managermodus - alles ist mit von der Partie. Im erwähnten Managermodus führt ihr euren Lieblingsverein mehrere Jahre lang durch Freud und Leid, tätigt Spielereinkäufe, verwaltet die Eintrittsgelder und habt durch Multiple-Choice-Antworten auf Interviewfragen auch indirekten Einfluss auf eure Beliebtheit bei Fans, Management und Spielern, deren Herz ihr ansonsten nur durch sportliche Erfolge und eine gewisse Teamkonstanz gewinnen könnt. Doch vor den Erfolg auf dem Rasen haben die EA-Mannen die Qual der Wahl gestellt: Welchen Verein hättet ihr denn gerne? Erste Bundesliga? Na klar! Zweite Bundesliga? Selbstverständlich. Ach, der Herr geht lieber ins Ausland? Natürlich, da hätte ich Frankreich, Spanien, England und noch einige mehr anzubieten. Und einen Touch Exotik? Schon mal die mexikanische Liga aufgerollt? Insgesamt hat "FIFA 07" 27 Ligen aus 20 Ländern zu bieten, wobei es bei der FIFA-Serie selbstverständlich ist, dass alle Vereine auf aktuellem Kaderstand sind. So spielt Podolski bei Bayern und nach dem aktuellen Patch von der EA-Homepage Odonkor korrekterweise in Spanien. Zusätzlich sind bei den 510 zur Auswahl stehenden Teams auch viele Nationalmannschaften mit von der Partie, so dass ihr mit dem "Turnier erstellen"-Modus auch die Möglichkeit habt, eine EM oder WM auszutragen. Für Abwechslung ist also gesorgt. Aber wie ist es nun auf dem Platz? Die Steuerung aus den Vorgängern wurde fast unverändert übernommen, FIFA-Veteranen können also sofort loslegen. Allen anderen bietet der Trainings-Modus Gelegenheit, die butterweich von der Hand gehende Steuerung zu erlernen. Etwas zu gut gemeint haben es die EA-Mannen allerdings mit der so genannten Trick-Steuerung. Mit dem rechten Stick eures Gamepads könnt ihr eure Spieler allerlei Kunststückchen vollführen lassen wie beispielsweise 360-Grad-Drehungen, Übersteiger, Antäuschaktionen und noch vieles mehr. Während des Spielgeschehens ist es aufgrund des nicht gerade geringen Tempos allerdings nur selten möglich, alle Feinheiten des Trick-Systems zu nutzen, da dazu der rechte Daumen von den wichtigen Schuss-Tasten zum rechten Analog-Stick wechseln muss und innerhalb dieser Sekunde ist der Ball oft schon wieder ganz woanders, zum Beispiel am Fuß eines Verteidigers. Aber auch ohne Trick-System bietet "FIFA 07" eine überaus flüssige Steuerung und gegenüber dem unmittelbaren Vorgänger wurde sogar ein Quäntchen Tempo herausgenommen, so dass nun auch überlegtere Aktionen möglich sind. Doch die größte Änderung hat die Künstliche Intelligenz der vom Computer gesteuerten Spieler erfahren. Endlich machen die gegnerischen Verteidiger die Räume dicht, gehen mit Pressing früh an den Mann und die aus "FIFA 06" (und den Vorgängern) bekannte Erfolgsformel "Tödlich langer Pass durch Abwehrreihe = Tor", die schnell zu Langeweile führte, könnt ihr getrost zu den Akten legen, denn die auch im realen Fußball selten erfolgreichen Langpässe wurden in "FIFA 07" deutlich entschärft. Modernes Kurzpassspiel mit hohem Tempo und Flankenläufe sind hier die Mittel der Wahl. Und auch der Gegner weiß auf den höheren Schwierigkeitsgraden eure Abwehr durchaus vor Probleme zu stellen. Einzig im Abschluss sind die Computermannen auch auf der Stufe "Weltmeister" noch zu ungenau, haben aber genug drauf, um euch spannende Kämpfe zu liefern. Auch die Torhüter gehen nun effektiver ans Werk, wenn ihre Abpraller-Quote auch etwas zu hoch liegt. Auf der anderen Seite sorgen gerade solche Abpraller für viele schöne Situationen im Strafraum - und zwar fairerweise auf beiden Seiten. Und auch ein anderes Flehen der Fans wurde erhört: Endlich spürt man mal deutlich den Klassenunterschied zwischen einzelnen Mannschaften. Während ein Spiel in der Ersten Bundesliga gegen Energie Cottbus eher zu den leichteren gehört, beispielsweise durch eine höhere Fehlpassquote des Gegners, heißt es beim Antritt gegen die Bayern schon mal kräftig durchatmen vorm Gamepad. Insbesondere Starspieler wie Podolski, Drogba, Henry und Konsorten machen oft den Tick aus, der eine Weltklasse-Mannschaft des Öfteren den Sieg davon tragen lässt - so wie im realen Leben. Auch die Ballführung wurde überarbeitet; der Ball klebt nicht länger an den Füßen der Spieler, sondern ist ein eigenes Objekt mit Physikberechnung, so dass er auch mal wegkullert, wenn der Spieler zu schnell rennt und sich bei Regen deutlich anders verhält als auf trockenem Platz. Aus diesem Grund ist mehr Fingerspitzengefühl gefragt als früher, was dem Tiefgang klar zugute kommt. Festzuhalten ist allerdings, dass "FIFA 07" weder ein "Pro Evolution Soccer" (die Genrereferenz im Bereich Fußball-Simulation) ist noch sein will. "FIFA 07" ist immer noch leicht eingängig und weiß durch schnellen, actionreichen Fußball zu gefallen, kann dafür aber im spielerischen Tiefgang mit den aberhundert unterschiedlichen Bewegungsabfolgen und Taktik-Varianten in "Pro Evolution Soccer" nicht mithalten. "FIFA 07" richtet sich weiterhin an die Bildschirm-Fußballer, die ohne große Einarbeitungszeit ans Werk gehen wollen und insbesondere auf aktuelle Kader und korrekte Lizenzen großen Wert legen. Und in "FIFA 07" wird ihnen deutlich mehr Abwechslung und Langzeitspielspaß durch die klar verbesserten Computerspieler geliefert als bei jeder FIFA-Vorgängerversion. Und habt ihr euch - bei der Vielzahl der Modi "eines fernen Tages" - am Einzelspielerbereich satt gespielt, könnt ihr euch im fußballerischen Kampf mit menschlichen Gegnern beweisen, wahlweise an einem PC mit zwei Gamepads (oder ein Gamepad plus Tastatur) oder online. Gerade der Online-Bereich wurde gegenüber den Vorgängern massiv aufgebohrt; namentlich ist der Modus "Interaktive Liga" zu den bekannten Online-Freundschaftsspielen hinzugekommen. Hierbei entscheidet ihr euch für einen Lieblingsverein und dürft jede Woche das Spiel, das auch in der realen Liga am gleichen Wochenende ansteht, vorwegnehmen. Das Team, das mehr virtuelle Siege bei dieser Partie auf seinem Konto verbuchen kann, gewinnt in der interaktiven Liga den Fight. Gut organisierte Anhänger kleinerer Vereine können daher dafür sorgen, dass ihr Club in der Interaktiven Liga besser dasteht als in der Realität (höre ich da jemanden "Bochum" sagen?). Leider hat der Online-Modus des Öfteren mit Haklern und Lags zu kämpfen, so dass nicht zu jeder Zeit echte Online-Spielfreude aufkommt. Ein wirkliches System hinter den Lag-Problemen ist nicht zu erkennen: An einem Tag laufen die Onlinespiele butterweich, am nächsten Tag hingegen bei fast allen Spielern (unabhängig von ihren Onlineverbindungen und Pings) ruckelig. Das ist leider ein Wermutstropfen im ansonsten guten Online-Modus. Grafik oder: "Das kenn ich doch!" In dieser Hinsicht wurde leider kaum etwas getan, "FIFA 07" sieht aus wie sein Vorgänger. Während die Spielergesichter gewohnt gut gestaltet sind und auch die Stadien zu gefallen wissen, sind beispielsweise die Pixelmatsch-Frisuren der Spieler und die geradezu grauenhaft animierten Zuschauer im modernen PC-Zeitalter einfach unnötig. Hier stellt sich die Frage, warum EA uns PC-Spielern nicht die deutlich bessere Grafik der XBOX360-Variante spendiert hat, anstatt uns lediglich eine etwas aufgemöbelte Version der PS2-Grafik vorzusetzen. Im Bereich Grafik wäre deutlich mehr drin gewesen. Und auch ein hässlicher Bug ist hier leider anzusprechen: Auf vielen PCs verkommen die Replays (Stadioneinmarsch, Zwischensequenzen nach einem Tor oder vor einem Einwurf etc.) zu hässlichen Ruckelorgien, gleichgültig, wie viel RAM, Prozessorleistung oder Grafikpower zur Verfügung steht. Der Support von EA konnte hier bisher nicht wirksam weiterhelfen, denn in diversen Foren klagen die Betroffenen - zu denen auch der schreibende Redakteur mit seinem PC (3,2 GHz Pentium IV, 2 GB RAM, GeForce 7600 GT) gehört - weiterhin ihr Leid. Abhilfe schafft bislang nur, das Spiel im Fenstermodus zu starten: Fügt bei der Desktop-Verknüpfung unter "Ziel" den Parameter -windowed hinter den Anführungszeichen des Speicherorts der exe-Datei hinzu (Beispiel: "C:\Programme\EA SPORTS\FIFA 07\fifa07.exe" -windowed). Wenn man dann noch durch Rechtsklick auf die Windows-Taskleiste unter "Eigenschaften" die Option "Taskleiste automatisch ausblenden" auswählt und das FIFA-Fenster maximiert, hat man bis auf einen kleinen blauen Balken am oberen Bildschirmende keine merklichen Einschränkungen. Ärgerlich ist es dennoch und vor allem fragt man sich hier als Spieler schon, warum ein derartiger Klops a.) im Beta-Test von EA nicht bemerkt und behoben wurde und b.) EA noch keinen Patch gegen dieses weit verbreitete Problem herausgebracht hat. Kein Ruhmesblatt. Sound oder: "Ruhrgebiet! Ruhrgebiet! Ruhrgebiet!" Deutlich versöhnlicher präsentiert sich da der Bereich Sound. Während in den Menüs - wie immer bei der FIFA-Serie - exzellent ausgewählte Musik ertönt, kommt der eigentliche Kracher auf dem Spielfeld. Die Fangesänge wurden deutlich aufgemotzt und werden nun wesentlich häufiger eingespielt. Weiterhin reagiert die Soundkulisse nun auf das Spiel: Liegt die Heimmannschaft beispielsweise in der zweiten Halbzeit immer noch hinten und bekommt kaum Torschüsse hin, muss sie sich schon mal ein gellendes Pfeifkonzert von den Rängen gefallen lassen. Der Sound schafft eine tolle Spielatmosphäre und weiß auf ganzer Länge zu überzeugen. "FIFA 07" präsentiert sich als konsequente Weiterentwicklung der Serie. Die Künstliche Intelligenz der Computer-Mannen wurde deutlich aufgemöbelt, die Spiele sind spannender geworden und die Vielzahl der Mannschaften, Ligen und Modi ist über jeden Zweifel erhaben. Die bessere KI zeitigt nun klar abwechslungsreichere Spielverläufe und in Kombination mit den übrigen "FIFA 07"-Merkmalen stellt sich eine hohe Langzeitmotivation ein. Der Online-Modus verdient besonderes Lob; die Interaktiven Ligen sind eine tolle Idee. Allein die ab und zu auftretenden Online-Ruckler sowie der im Grafik-Bereich beschriebene Replay-Bug trüben etwas das Bild des ansonsten tollen Spiels. "FIFA 07" stellt sich insgesamt als Fortschritt der FIFA-Serie dar, was vor allem der intelligenteren KI und den dadurch abwechslungsreicheren Spielen zuzuschreiben ist. "FIFA 07" bleibt das eingängigste und spannendste Fußball-Arcadespiel auf dem Markt und ist auch für Besitzer der Vorgängerversion eine klare Kaufempfehlung. (20.11.2006)
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