Ryzom Ring (Ryzom²)

Ryzom Ring (Ryzom²)

(Nevrax)

geschrieben von Sebastian Schäfer

 

Vor nunmehr zwei Jahren bescherte uns Nevrax "Ryzom". Dieses Spiel hat sich seither mit einer eingeschworenen Fangemeinde gegen die große Konkurrenz, wie zum Beispiel "World of Warcraft" oder "Everquest 2", zur Wehr gesetzt. Wie sich "Ryzom" selbst spielt, kann man im Review von Carlos Carvalho nachlesen, daher möchte ich an dieser Stelle nicht noch mal auf Story, Gameplay und Co eingehen. Seit dieser Zeit hat sich in der Welt von "Ryzom" allerdings einiges geändert. Auf diese Dinge soll in diesem Review besonders eingegangen werden.

Newbie-Insel und Unlimited Free Trial

Seit Juni 2006 ist die Welt von "Ryzom" um eine große Newbie-Insel erweitert worden. Hier wimmelt es von Anfängern, die Trainer und Guides besuchen, die ersten Erfahrungspunkte sammeln und Grundfähigkeiten trainieren. Früher war der Einstieg in das Spiel etwas schwieriger; das hat sich mit dieser Insel aber grundlegend geändert. Nun starten dort alle Rassen und entdecken das Spiel gemeinsam. Nevrax hat dabei durch kleine Tutorial-Missionen und Texteinblendungen dafür gesorgt, dass keine noch so kleine Einstellmöglichkeit des anfangs doch etwas komplizierten Systems der Charakter- und Fähigkeitenentwicklung dem ungeübten Newbie-Auge entgeht.

Der tatsächliche Clou an der Newbie-Insel ist allerdings, dass sie komplett kostenlos und einmaligerweise zeitlich unbegrenzt spielbar ist. Neue Spieler können sich einfach einen Account anlegen, die kostenlose Clientsoftware von einem der Server runterladen und direkt loslegen. Ohne Kreditkarte, ohne alles - "Ryzom Ring" inklusive. Erst, wenn man das Spiel ausgiebig auf der Insel getestet hat und sich tatsächlich dazu entschließt, "Ryzom" weiterzuspielen, muss man seinen Account in einen Bezahlaccount umwandeln, um das Festland betreten zu dürfen. Diese Art der Kundengewinnung abseits der sonst üblichen 14-Tage-Testaccounts ist in der Geschichte des MMORPG einmalig und verdient, dass man es zumindest einmal ausprobiert, denn auf der "Kostenlos-Insel" gibt es haufenweise Dinge zu entdecken und zu erledigen.

Der "Ryzom Ring" oder wie das Pen’n’Paper-Rollenspiel zurückkehrt

Mit "Ryzom Ring", oder auch "R²" genannt, zieht das erste Add-On in die Welt von Atys ein. Seit dem 3. Oktober 2006 ist "Ring" nun in die Patchqueue von "Ryzom" aufgenommen worden. Nevrax wollte mit dem Add-On zu Ryzom eine Innovation auf dem Sektor der MMORPGs bringen und scheint dies auch geschafft zu haben. Das Add-On ist keine eigentliche Erweiterung, wie man sie von anderen MMORPGs kennt. "Ring" führt einen Quest-Editor ein, der den Spielern zur Verfügung steht. Mit dem Add-On ist es also möglich, mit dem Editor eigene Quests herzustellen und auf dem Server zu veröffentlichen. Dabei ist es dem Quest-Ersteller überlassen, ob es eine geleitete Quest wie bei einem "Pen and Paper"-Rollenspiel sein soll, oder ob die Quest vollautomatisch ohne einen Spielleiter abläuft. Dem Leiter ist es ebenso möglich, einzelne Spieler zur Quest einzuladen, wie auch die Quest einfach "free for all" zu gestalten.

Die Bedienung des Rings

Wie läuft das Ganze aber nun ab? Zunächst wählt man über das Systemmenü den Menüpunkt "Editor". Das Erstellen der so genannten Szenarios passiert in einer Art "What you see is what you get"-Umgebung, oder mit anderen Worten in der eigentlichen Spielengine. Zunächst ist es aber nötig, sich Gedanken über ein paar Dinge zu machen, um hier nicht den Überblick zu verlieren. Also bewaffnet man sich mit Stift und Papier und schreibt ein paar Dinge vorab auf. Die Standartelemente, die immer enthalten sein sollten, sind ein Ort, Bewohner und natürlich Events. Nichts ist langweiliger als eine kleine Karte, auf der nur Monster herumlaufen. Zunächst macht man sich also Gedanken um den Ort. Hier hat man nicht nur die Auswahl aus einigen kleinen Karten, wie Wald, Wüste, Dschungel und Seegebiet, sondern kann auch die Wetterverhältnisse anpassen. Nun braucht man noch einen Quest-Start. Hier kann man der Fantasie freien Lauf lassen, um das Szenario möglichst lebhaft darzustellen. So ist es möglich, dass die Spieler den Inhalt der Mission in einem bevölkerten Dorf, von einem verwundeten Soldaten oder gar vom Quest-Master selbst in Gestalt eines NPCs erfahren. Das Quest-Ziel hingegen kann vom Besetzen eines Gebietes, bergen eines vom Quest-Master erschaffenen Gegenstandes, bis hin zu Entführungsmissionen gehen. Es ist sogar möglich, die erschaffenen Gegenstände von den Spielern kombinieren zu lassen, um ein weiteres Event auszulösen. Dem Quest-Master ist es auch überlassen, ob die Quest über einen oder mehrere Akte verfügen soll. Die verschiedenen Akte der Quest können auch in verschiedenen Regionen und Karten ablaufen. Man sieht bereits bei den Vorüberlegungen, dass dem Quest-Gestalter freie Hand gelassen wird.

Nachdem also das Grundkonzept Wo? und Was? steht, kann man sich als Quest-Master an die Feinheiten wagen. Hier sind vorab ein paar mehr Fragen zu klären. Zunächst stellt man sich die Frage, für wen diese Quest gestaltet werden soll. Diese Frage schließt nicht nur den Level der Teilnehmer, sondern auch deren Anzahl ein. Dann überlegt man sich die einzelnen Events, die im Verlauf des Szenarios stattfinden sollen, denn jeder Rollenspieler weiß, dass Events das Salz in der Suppe einer jeden Quest sind. Hierbei stellt man sich selbst am besten Fragen wie "Was soll passieren?" und "Wann soll ein Event passieren?" und notiert die Ergebnisse. Nun brauchen wir noch Kreaturen; also flugs deren Anzahl, Level und Text - falls sie etwas sagen sollen - notiert und auf zur nächsten Frage: "Wo soll das Ganze nun stattfinden?" Die Engine von "Ring" bietet hierfür eine Vielzahl von Gebäuden an, so dass es dem Quest-Master durchaus möglich ist, ein ganzes Dorf oder beispielsweise einen Basar aufzubauen. Hier sollte man darauf achten, dass die Spieler des Szenarios nicht nur durch die Quest eilen, sondern dass auch nebenher das eine oder andere passiert, um das Szenario lebensechter erscheinen zu lassen. Die letzte Frage ist nun, ob man das Szenario leiten möchte, oder ob es automatisiert ablaufen soll. Für den Spielspaß der Quest-Teilnehmer ist es wesentlich wichtiger, dass jemand die Quest leitet, als man denken mag, denn der Quest-Master ist - auch wenn die Quest läuft - in der Lage, noch das eine oder andere Detail der Quest an die Spielweise der Spieler anzupassen und so den Ablauf des Szenarios zu beschleunigen oder gar zu verlangsamen. Dies zu beurteilen ist nicht so schwer, wie man denken mag und meist deutlich am Quest-Chat zu erkennen. Für den Fall, dass man Sätze, wie "Wow... das Szenario mach einen Riesenspass!" im Chat liest, sollte man immer einen Verlängerungsplan mit einer Kreaturenliste, einen Nebenevent oder gar einen kompletten zusätzlichen Akt in der Hinterhand halten, den man einfach startet, um die Quest zu verlängern.

Nach der ganzen Vorarbeit ist es nun aber an der Zeit, endlich am Szenario zu basteln. Man startet das Ganze also über den Menüpunkt "Editor", gelangt so zum Vorauswahlmenü und bestimmt schnell Karte, Ökosystem, Jahreszeit und Wetter - und schon steht unser Charakter alleine auf der Karte, die man sich für sein Szenario ausgesucht hat. Die Umgebungen, die zur Auswahl stehen, sind bereits vorab spärlich mit Vegetation übersäht, allerdings ist diese das Einzige, was von den Programmierern vorgegeben wird. Es bleibt natürlich dem Quest-Master überlassen, das Szenario mit Leben zu füllen. Hierzu verfügt er über eine Vielzahl von Menüs und Möglichkeiten. Allerdings hat es Nevrax tatsächlich geschafft, hier eine Art Bonussystem unterzubringen, das Neulingen einen Anreiz bietet, erst einmal die Welt von Atys zu erkunden, bevor man sich an das Quest-Designen macht. Innerhalb des Editors hat der Quest-Master nur auf die Kreaturen und Karten Zugriff, die er bereits im Hauptspiel gesehen hat. Je mehr man "Ryzom" also spielt, umso mehr Kreaturen und Orte hat man auch in "Ring" zur Auswahl. Wie man mit dem Szenario beginnt, ist dem Designer überlassen und jeder dürfte da seine persönliche Herangehensweise entwickeln. Der eine erschafft lieber zuerst den kompletten Event-Strang und füllt dann die Quest mit Kreaturen, der andere mag lieber zuerst einen Teil komplett erschaffen, dann testen und dann an den nächsten herangehen. Dies ist wieder komplett dem Quest-Master überlassen. Sehen wir uns also lieber das Interface des Editors an. Der Editor ist so vielschichtig und bietet so wahnsinnig viele Einstellungsmöglichkeiten, dass es unmöglich ist, auf jede einzelne der vielen Möglichkeiten hier einzugehen. Nevrax bietet hierzu ein sehr übersichtliches Handbuch an, das man sich, wie den Client, ebenfalls kostenlos von der Ryzom-Internetseite herunterladen kann. Der Editor ist allerdings weitestgehend selbsterklärend, so dass dem Einsteiger, auch ohne dickes Handbuch, die ersten Quests schnell von der Hand gehen.

Quest-gestalten einfach gemacht!

Nehmen wir mal an, die von einem Spieler zu erledigende Quest ist es, eine alte Frau vor einem grausamen Tot im Nest einer Riesenspinne zu retten. Wir benötigen dafür eine weinende Tochter, die uns die Geschichte erzählt, ein Spinnennest, in dem es vor Spinnen nur so wimmelt, eine "Endgegnerspinne" und natürlich die alte Frau, die sich bei uns für die Rettung bedankt. Suchen wir uns also zuerst ein paar geeignete Orte auf der Karte für das Dorf, wo die Tochter uns von der Quest erzählt, und das Nest aus.

Beginnen wir damit, das Dorf zu erschaffen und zu bevölkern. Auf der linken Bildschirmseite sehen wir die sogenannte Palette. Ähnlich wie ein Maler seine Farben, hat der Quest-Designer dort die Kreaturen und Objekte bzw. Pfade und Plätze zur Verfügung. Objekte und Kreaturen sind in der Palette ähnlich einem Verzeichnisbaum von Windows nach Gruppen und Untergruppen sortiert. Wählt man beispielsweise ein Gebäude aus und klickt in die 3D-Landschaft, erzeugt "Ring" genau dort das entsprechende Gebäude. Gleiches gilt für die Kreaturen, zu denen auch die NPCs zählen. Was wäre aber ein Dorf ohne geschäftiges Treiben?

Genau hierzu hat Nevrax die Pfade und Plätze eingebaut. Während man über Pfade und Wegpunkte den NPCs einen vorgegebenen Pfad vorschreiben kann, den sie dauerhaft verfolgen, ist es über Plätze möglich, einen Bereich zu definieren, in dem sich die NPCs frei bewegen können. Zurück bei unserem Dorf erstellen wir erst einmal die Tochter und dann noch ein paar weitere Personen. Die Tochter soll am Dorfeingang auf uns warten und uns ansprechen, sobald wir in die Nähe kommen und die restlichen Personen sollen nur an den Platz "Dorf" gebunden sein, um die Umgebung zu beleben. Wir erschaffen einen der vielen Schalter - hier einen Zonentrigger - vor der Tochter, der bei Betreten der Zone den von uns vorgefertigten Entführungs-Dialog mit den Spielern auslösen soll. Natürlich ist es auch möglich, Zeit- oder Benutzertrigger einzufügen, die etwas nach einer bestimmten Zeit oder bei Aktivierung durch den Quest-Master passieren lassen. In dem von uns geschriebenen Dialog erzählt das verzweifelte Mädchen den Quest-Teilnehmern von Ihrer gefangenen Großmutter und bittet diese um Hilfe. Auch solche Dialoge sind in der Lage, Trigger auszulösen. So ist es zum Beispiel möglich, den Spielern die Wahl zu lassen, ob sie helfen oder nicht und wenn ein Spieler die Quest ablehnt, das Dorf beispielsweise von einer Horde Monsterspinnen überfallen zu lassen. Gehen wir aber hier davon aus, dass die Spieler der Tochter versprechen, deren Großmutter zu retten.

Wir machen uns also daran, das Quest-Ziel zu erschaffen. Wir brauchen einen Boss und eine Zone, in der dieser sich aufhält - das Nest. Dazu schenken uns die Designer von "Ring" den "Bossspawn". Dieser generiert 5 normale Kreaturen, und wenn diese vom Spieler "beseitigt" wurden, einen entsprechenden Boss der gleichen Art. Wir wählen also Spinnen und legen die Zone fest, in der sich diese bewegen. Nun legen wir noch fest, dass sich die Großmutter, die wir hinter dem Nest platzieren, beim Ableben des Bosses bei uns bedanken soll und Ihren Weg zurück ins Dorf beginnt. Diesen können wir dann noch mit entsprechenden Kreaturen versehen, damit das ganze auch nicht zu leicht wird. Und Zack! So einfach haben wir unsere erste kleine Quest fertig und können zur Veröffentlichung schreiten. Das ganze noch schnell mit bevorzugtem Level versehen und auf "meisterlos" - das heißt automatisiert ablaufend - und "deutsch" gestellt und abgespeichert. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass man je Akt 100 Kreaturen und Personen, deren Aussehen und Ausrüstung man komplett anpassen kann, und 100 Gegenstände und Häuser verwenden kann und die Quest sich über mehrere Akte mit verschiedenen Orten ziehen kann, kann man sich bereits gut vorstellen, dass das Designen einer komplexeren Quest gut und gerne mal eine Woche oder länger dauern kann. Andererseits ist es ebenso möglich, an Quests anderer Designer teilzunehmen. Hierzu sind auf ganz Atys unzählige "Ring-Terminals" verteilt, an denen man jederzeit Zugriff auf alle von Spielern erstellte Quest hat und auch daran teilnehmen kann, wenn man möchte. Die Terminals gleichen ein wenig einem Internetforum mit Chat. Hier ist es durchaus möglich, dass sich ein paar quest-hungrige Spieler treffen und miteinander eine Quest bestreiten, ob wohl sie örtlich auf Atys getrennt sind.

Nevrax hat es geschafft, einen Spieler, der von Ryzom hört, quasi zu zwingen, es einfach mal auszuprobieren. Nicht nur, weil es auf der Newbie-Insel komplett kostenlos ist, sondern eben auch, weil dort der "Ryzom-Ring" verfügbar ist. Einfach mal einen Blick auf Ryzom wagen, ist für alle MMORPG-Fans Pflicht. Die eigentliche Welt von Atys allein ist schon sehr spannend und erfreulicherweise ist das Spiel auch nicht sehr hardwarehungrig. Der "Ring" aber macht es fast unabdingbar, zumindest einen Blick auf "Ryzom" zu werfen und ich bin mir sicher, dass einige Spieler so von der freundlichen Community und von den ganzen Features, die man nicht zusätzlich bezahlen muss, so überzeugt werden, dass sie bald mehr von Atys als nur die Anfangs-Insel sehen wollen.

(25.10.2006)

Entwickler: Nevrax
Publisher: Nevrax
Genre: MMORPG
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Ryzom
Preis: Spiel - kostenlos / laufende Kosten - gestaffelt z.B. 1 Monat 12,90 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG

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