Far Cry Vengeance

Far Cry Vengeance (Wii)

(Ubisoft)

geschrieben von Roland Kindermann

 

 
Entwickler: Ubisoft Montreal
Publisher: Ubisoft
Genre: Egoshooter
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Far Cry Vengeance
Preis: 52,90 €
Altersfreigabe: Keine Jugendfreigabe gemäß §14 JuSchG

Lange Zeit waren deutsche Entwickler vor allem für Aufbaustrategie, beispielsweise die "Siedler"- oder die "Anno"-Reihe, bekannt, bis dann 2004 Crytek mit ihrem Erstlingswerk "Far Cry" für Furore sorgten. Das Spiel war damals nicht nur die unangetastete Grafik-Referenz, sondern konnte auch mit einem innovativen Missionsdesign, das vor allem Wert auf spielerische Freiheit legte, einer ausgesprochen schlauen KI sowie einer damals beeindruckenden Physik-Engine punkten und erntete folglich national und international Bestwertungen. In den folgenden Jahren veröffentlichte Ubisoft zwei "Far Cry"-Spiele für die XBox und eines für die XBox 360. Nun erscheint mit "Far Cry Vengeance" der erste Serienteil für die Wii.

Die Story von "Far Cry Vengeance" spielt zeitlich nach der des Originals. Jack Carver hat den bösen Dr. Krieger besiegt und verbringt den Tag in einer Bar, ärgert sich über den Verlust seines Bootes und nervt seine Umwelt mit zynischen Sprüchen. Eines Tages kommt die mysteriöse Kade vorbei und verabredet ein Date. Kurz darauf hat Jack plötzlich Ärger mit der Armee. Die Geschichte ist weder besonders einfallsreich, noch fesselt sie wirklich, was auch an den klischeehaften, farblosen Charakteren liegt. Nicht zuletzt wegen Carvers Zynismus sind die häufigen Zwischensequenzen aber dennoch sehenswert.

Intelligente Ergänzungen des jungen Steuerungsstandards

Wie bei Egoshootern auf Wii üblich, zielen Sie in "Far Cry Vengeance" mit der Remote. Bewegen Sie das Fadenkreuz nahe an den Rand des Bildes, dreht sich die Sicht. Dieses System funktioniert besser als beim Konkurrenten "Red Steel", da die Zone, in der die Blickrichtung gedreht werden kann, größer ist und diese auf Wunsch mit "A" eingefroren werden kann. Allerdings ist die maximale Drehgeschwindigkeit ein wenig langsam. Das lässt sich glücklicherweise in den Optionen korrigieren. Unterstützt werden Sie von einer großzügigen Zielhilfe. Ansonsten gibt es bei den grundlegenden Befehlen kaum Überraschungen: Sie gehen mit dem Analogstick, legen sich mit einem Druck nach unten auf dem Steuerkreuz hin und laden mit "C" nach. Springen oder Machetenschläge lösen Sie mit Nunchuck- und Remotegesten aus. Nicht alle Gesten werden dabei zuverlässig erkannt, doch dazu später mehr.

Riesige Waffenauswahl

Besonders wichtig in einem Egoshooter ist das Waffensortiment. Hier überzeugt "Far Cry Vengeance" durch eine ausgesprochen große Auswahl. Neben der Machete, die Sie stets dabei haben, können Sie aus jeder der drei existierenden Waffenkategorien ein Exemplar mit sich führen. Vor allem zu Beginn und um knappe Munition zu sparen, werden Sie die sechs verschiedenen Pistolen nutzen. Zwar gibt es in dieser Gruppe mit der AM9 auch ein vollautomatisches Modell, jedoch lässt die Durchschlagskraft grundsätzlich zu wünschen übrig. Bei den sieben mittelgroßen Waffen handelt es sich um vier, teils mit Granatwerfern ausgestattete Sturmgewehre, eine Schrotflinte und zwei Maschinenpistolen. Von denen dürfen Sie, ebenso wie von den normalen Pistolen, zwei gleiche Modelle auf einmal benutzen. Dann können Sie mit "Z" die Waffe in der linken Hand unabhängig abfeuern. So erhöhen Sie nicht nur die Durchschlagskraft, sondern können auch mit einer Hand weiterballern, während Sie mit der anderen nachladen.

Außerdem gibt es noch große Waffen, die eher selten sind und deshalb für besondere Situationen aufgehoben werden sollten. In diese Kategorie fallen ein schweres Maschinengewehr, ein Raketenwerfer und zwei Scharfschützengewehre. Letztere haben allerdings einen zu hohen Zoomfaktor und sind deshalb eher nutzlos. Zusätzlich können Sie auch noch Minen, Rohrbomben, Molotowcocktails und Granaten bei sich tragen. Diese werfen Sie, sofern Sie nur eine Waffe in der Hand haben, indem Sie "Z" gedrückt halten, und währenddessen mit dem Nunchuck eine Wurfbewegung ausführen. Je schneller diese in dem Moment, in dem Sie die Taste loslassen, ist, desto weiter fliegt das Wurfgeschoss. Anfangs werden Sie vermutlich ein paar Probleme mit diesem nicht ganz einfachen System haben. Glücklicherweise dürfen Sie aber mit Steinen üben.

Jack Carver ist ein Tier

Jack Carver hat übermenschliche Kräfte. Er kann locker in den ersten Stock eines Hauses springen oder fest installierte Waffen aus der Verankerung reißen und dann mit sich nehmen. Außerdem können Sie durch Kopfschüsse oder Kills mit der Machete die Predatorin-Anzeige füllen. Dieses (frei erfundene) Stresshormon können Sie nutzen, um Ihre Lebensenergie aufzuladen. Dazu müssen Sie den Nunchuck nach links und rechts schütteln. Dummerweise wird diese Geste oft als Sprungbefehl erkannt. Mehr als einmal werden Sie so aus Versehen die sichere Deckung verlassen und anschließend vom letzten der fair gesetzten Speicherpunkte erneut anfangen müssen. Ist die Predatorin-Anzeige komplett gefüllt, können Sie auch in den Raubtiermodus wechseln. Dann können Sie schneller angreifen und rennen. Einen Vorteil, der gleichwertig mit dem alternativen Gesundheitsgewinn wäre, bietet das jedoch nicht.

Dumme Gegner

Das Missionsdesign war eine große Stärke des ersten "Far Cry". Streckenweise spielt sich "Far Cry Vengeance" auch recht ähnlich. Sie tasten sich langsam durch den Dschungel oder das eine oder andere Dorf vor und erledigen unterwegs alles, was Ihnen über den Weg läuft. Dabei sind Sie teilweise mit Booten oder Fahrzeugen unterwegs. Wenn Sie wollen, können Sie die direkte Konfrontation vermeiden, sich an den Feind anschleichen, und ihn dann mit der Machete mit einem Schlag töten. Einerseits müssen Sie dabei nicht darauf achten, wie viel Lärm Sie verursachen, andererseits sieht die KI auch durch das dichteste Blattwerk. Anders als im großen Vorbild handeln Ihre Gegner dabei eher dumm. Teils merken sie nicht einmal, wenn Sie in zehn Metern Entfernung einen Kameraden erschießen. Wollen Feinde Sie verfolgen, geht dies nicht selten schief, da der KI offensichtlich wichtige Konzepte, wie etwa mehrstöckige Gebäude, fremd sind. Manchmal klappt es aber auch, was zur Folge hat, dass Sie, sobald Sie einmal die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt haben, sich einfach in einem Haus verstecken können. Dann spazieren die Gegner schön einer nach dem anderen zur Tür herein und lassen sich von Ihnen erschießen.

Spieldesign aus den Neunzigern

Auch wenn die bereits beschriebenen Levelpassagen nicht perfekt sind, machen Sie durchaus Spaß. Leider haben die Entwickler jedoch auch ein paar nervige Stellen eingebaut. Dabei handelt es sich vor allem um eine immer wiederkehrende Situation: Sie sind an einen Ort gebunden, wahlweise, weil Sie jemanden oder etwas beschützen müssen, oder weil die Hütte, in der Sie sich befinden, halb eingestürzt ist und Sie nicht mehr heraus kommen, und das Spiel beamt minutenlang Gegner um Sie in den Level. Wohl dem, der zuvor genügend Munition gesammelt hat. Derartige, eintönige Stellen mögen in den Kindertagen des Genres Gang und Gäbe gewesen sein, spätestens seit 1998 "Half Life" eine neue Shooter-Ära einläutete, sollten sie jedoch Vergangenheit sein. Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Spiel so auf Kosten des Spielspaßes gestreckt werden sollte. Manchmal beamt das Spiel auch immer neue Gegner auf die Karte, bis Sie ein bestimmtes Ziel erreicht haben, was besonders Freunde des langsamen, bedachten Vorgehens stören dürfte.

Abgehackte Kurven

In einigen Missionen müssen Sie das Bordgeschütz eines Fahrzeugs bedienen, während Kade fährt. Das ist zwar ebenfalls nicht unbedingt ein Highlight des modernen Spieldesigns, könnte aber zumindest ein wenig Spaß machen. Macht es aber nicht, da es unnötig schwer ist, überhaupt etwas zu treffen. Zunächst einmal sollten Sie idealerweise abwechselnd nach vorne und hinten ballern. Aufgrund der langsamen maximalen Drehgeschwindigkeit der Kamera schauen Sie jedoch meist in die falsche Richtung. Viel gravierender noch ist die Tatsache, dass die Fahrzeuge nicht wie erwartet schön sanft um die Kurve, sondern immer ein Stück geradeaus fahren und sich dann auf einen Schlag um ein paar Grad drehen. Da Sie diese abrupte Bewegung selbst ausgleichen müssen, wird Zielen zur reinen Glückssache.

Innovativer Mehrspielermodus

Unterm Strich überzeugt der Einzelspielermodus also nicht. Glücklicherweise werden Multiplayer-Fans weniger enttäuscht. Allerdings können Sie "Far Cry Vengeance" wie alle anderen bisher erschienenen Wii-Spiele nicht online spielen. Stattdessen duellieren sich zwei Spieler im Splitscreen. Drei oder vier Teilnehmer werden nicht unterstützt, allerdings bräuchten Sie dafür aufgrund der Steuerung sowieso einen recht großen Fernseher. Es gibt zwei verschiedene Spielmodi: Der erste, "Chaos" genannt, entspricht dem klassischen Deathmatch, wie man es aus vielen anderen Spielen kennt. Wesentlich innovativer ist der "Raubtier"-Modus. Wer hier zuerst seinen Gegner erledigt, mutiert zum Monster und muss dann auf Waffen verzichten. Dafür ist er sehr schnell, kann besonders hoch springen, den Gegner "riechen" und teilt im Nahkampf ordentlich aus. Dadurch ergibt sich ein spannendes, weil ungleiches, Duell. Während der Mensch schwer bewaffnet und ein wenig verängstigt durch den Level schleicht, versucht das Raubtier ihn zu orten und dann blitzschnell zuzuschlagen. Stirbt die Bestie, werden die Rollen getauscht.

Riesige, hässliche Levels

Die Grafik von "Far Cry Vengeance" hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die meisten Objekte wurden ebenso wie die Gegner einigermaßen detailliert modelliert. Dafür gibt es fast überhaupt keine Effekte. Vor allem das ebenso hässliche wie allgegenwärtige Wasser fällt sehr ins Auge. Auch ein wenig dynamisches Licht hätte für mehr optischen Realismus gesorgt. Das grafische Highlight, sofern es eines gibt, ist die Vegetation. Allerdings blendet das Spiel die höchste Detailstufe der Pflanzen erst ein, wenn Sie bereits sehr nah sind. Deshalb poppt ständig irgendwo etwas auf, wenn Sie in Bewegung sind, was auf Dauer sehr störend wirkt. Ein ganz besonderes Lob haben die Entwickler für die riesigen Levels verdient. Sofern Sie nicht sterben, werden Sie nur wenig Bekanntschaft mit dem Ladebildschirm machen – eine Meisterleistung bei lediglich 88 MB Arbeitsspeicher.

Standard-Sound

Beim Sound hat Ubisoft Montreal grundsolide Arbeit abgeliefert. Alle Geräusche fallen passend, wenngleich nicht grandios aus. Die deutsche Synchronisation ist gelungen, was allerdings aufgrund der farblosen Charaktere und der emotionslosen Handlung auch nicht besonders schwer gewesen sein dürfte. Allerdings nerven die Gegner mit ihrem übertriebenen Mitteilungsdrang, da sie Ihnen andauernd (teilweise unpassende) Sprüche entgegen werfen.

Fazit

"Far Cry Vengeance" fehlt alles, was den Namen "Far Cry" groß gemacht hat: Die Grafik beeindruckt nicht, die KI ist strunzdumm und das Missionsdesign scheint teilweise aus dem letzten Jahrtausend zu stammen. Lediglich der innovative Mehrspielermodus kann überzeugen, reicht aber aufgrund der fehlenden Onlineunterstützung nicht als triftiger Kaufgrund. "Far Cry Vengeance" taugt deshalb vor allem als kleiner Shooterspaß für Zwischendurch, vor allem für stressresistente Fans, die sonst schon alles gespielt haben.

(09.03.2007)

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