Faces of War

Faces of War

(Ubisoft)

geschrieben von Hans Thiel

 

"Faces of War" gibt dem Spieler die Gelegenheit, den Zweiten Weltkrieg jeweils aus deutscher, alliierter und sowjetischer Sicht nachzuempfinden. Dabei steht der kleinen Gruppe Soldaten, die es zu steuern gilt, das gesamte Waffenarsenal der damaligen Zeit zur Verfügung, angefangen von einfachen Handfeuerwaffen bis hin zum Tiger-Panzer. Nach kurzen Einführungsmissionen, in denen die grundlegende Spielsteuerung und einfache Taktiken erläutert werden, geht es los: wahlweise auf deutscher, alliierter oder sowjetischer Seite. Meist beginnt der Spieler mit einem allgemein gehaltenen Auftrag, dessen genaue Ziele erst während der Mission detailliert erläutert werden. Das Spektrum ist dabei recht weit gefächert, von Brückensprengungen über die Infiltration gegnerischer Nachschublager und die Eroberung strategisch wichtiger Geländemarken bis hin zum Kampf um jedes einzelne Haus eines kleinen Dorfes mitten im Nirgendwo ist alles dabei.

Steuerung

So simpel und intuitiv die Steuerung des Spiels zu Anfang wirkt, so vielseitig sind auch die Ecken und Kanten, die im Laufe des Gefechts zutage treten. Genretypisch dirigiert der Spieler seine Einheiten per Mausklick auf dem Schlachtfeld umher, lässt sie Stellungen einnehmen, Deckung suchen oder sich hastig aus einer Gefahrenzone zurückziehen. In "Faces of War" kann der Spieler die meisten Aktionen der befehligten Soldaten frei bestimmen. Angefangen von den Verhaltensweisen bei Fortbewegung und Feindkontakt, stehen erweiterte Befehlssätze für die Steuerung sowie Auf- und Abbau von Geschützstellungen, Reparaturinstruktionen, ein Suchmodus und einige weitere Anweisungen zur Verfügung. Diese Funktionen verteilen sich über drei per Karteireiter getrennte Menüs, was den Einsatz in der Hektik des Kampfes sehr erschwert.

Ein interessantes Feature ist die Möglichkeit, beinahe jedes Objekt in der Umgebung als Deckung zu nutzen. Fährt der Spieler mit dem Cursor über das Gelände, werden kleine Geisterbilder seiner Truppen angezeigt, die deren Position und Sichtrichtung an beziehungsweise hinter dem betreffenden Objekt anzeigen. Nach einem Klick hasten die Soldaten dann zum angegebenen Ort und beziehen Stellung. Die künstliche Intelligenz der Einheiten ist Fluch und Segen zugleich. Zum einen suchen die eigenen Truppen von sich aus nach Deckungsmöglichkeiten und wählen die für die gestellte Aufgabe jeweils passende Waffe selbst, zum anderen läuft diese Eigenständigkeit zuweilen den Anweisungen des Spielers zuwider. Soldaten, die sich im Kriechgang fortbewegen, anstatt hastig in Deckung zu sprinten, plötzlich geleerte Handgranaten- oder Panzerfaustvorräte, die an irgendwelche MG-Nester verschwendet wurden und dann bei der Bekämpfung anrückender Panzer fehlen - die Liste ließe sich noch ein gutes Stück fortsetzen. Insgesamt entsteht manchmal der Eindruck, der Spieler hätte nur eine Teilkontrolle über die genauen Abläufe und sei in vielen Situationen zum Zuschauer degradiert. Das mag einen gewissen Hauch Realismus in das Spiel bringen, ist letztendlich dem Spielvergnügen aber eher abträglich.

Ein netter Ansatz ist die Erweiterung der Befehlspalette, um Reparaturaufgaben oder Missionen abseits vom puren Geballer durchführen zu können. Fahrzeuge können be- und entladen werden und so als rollendes Nachschubdepot dienen. Jedes Vehikel kann benutzt und ausgeschlachtet werden oder, sollte es schon ausgebrannt sein, immer noch als Deckung dienen. Die volle Wirkung entfalten Panzer aber erst, wenn die Besatzung an Bord ist; meist ist es hilfreicher, wenige Fahrzeuge komplett auszurüsten, statt eine große Truppe mit Notbesatzung loszuschicken. Kleinere Defekte können mit einem Reparaturset behoben werden; der Tank lässt sich mit Hilfe von leeren Fässern ebenfalls aus den Reserven anderer Fahrzeuge wieder befüllen, sollte gerade kein Treibstoffwagen zur Hand sein.

Zuletzt noch ein Wort zu einer weiteren Form der Einheitenkontrolle. "Faces of War" gibt dem Spieler die Möglichkeit, einen Soldaten unmittelbar zu steuern - dabei führt der Rest der Truppe die zuletzt gegebenen Befehle weiter aus, während der ausgewählte Soldat oder Panzer mit den Pfeiltasten der Tastatur bewegt werden kann. Geschossen wird mit der Maus; ein kleiner Punkt zeigt die Region, in der die Kugeln voraussichtlich auftreffen. So nützlich dieses Feature in der Einführungsmission zu sein scheint - im Spiel selbst bleibt meist keine Zeit, es häufiger einzusetzen, denn nicht selten segnen einige der eigenen Truppen das Zeitliche, nur weil der Spieler nicht rechtzeitig wieder in den Normalmodus geschaltet hat, um sie von sinnlosen Heldentaten abzuhalten.

Missions- und Levelgestaltung

Keine Frage, "Faces of War" macht rein optisch eine Menge her. Die Karten sind liebevoll mit Objekten bestückt und wirken sehr realistisch. Vor allem die urbanen Umgebungen hinterlassen den Eindruck, als ob sie tatsächlich bewohnt wären; Gartenzäune, Telegrafenmasten - alles sieht aus, als ob es erst vor kurzem hastig verlassen worden wäre. Die Gegner haben sich meist inmitten der Häuser verschanzt und nutzen das Gelände, verstärkt mit Sandsäcken und Schützengräben, zu ihrem Vorteil. Doch auch die glaubwürdigste Umgebung nützt nichts, wenn lineare Missionen der scheinbaren Freiheit wieder enge Grenzen setzen. Schon nach kurzer Zeit muss der Spieler erkennen, dass eigentlich alles in "Faces of War" irgendwie per Skript gesteuert abläuft, ohne dass in der Mission darauf hingewiesen wird, wie die Siegbedingungen des Skripts aussehen könnten. So findet sich der Spieler nicht selten einer riesigen Übermacht gegenüber und das einzige Ziel besteht darin, so lange zu überleben, bis Verstärkung eintrifft. Taktisch überlegtes Vorgehen, um der anstürmenden Massen doch irgendwie Herr zu werden, ist eher hinderlich; im Zweifelsfall wird so eine andere versteckte Siegbedingung verpasst oder die Truppen werden von plötzlich einsetzendem Mörserbeschuss dahingerafft. Es gilt also, möglichst die vorgegebene Laufstrecke einzuhalten, um letztendlich den Sieg davonzutragen.

Ein weiteres Problem: Das Spiel ist schnell. Um nicht zu sagen, verdammt schnell. All die schönen Zusatzfunktionen, wie Reparatur, Minenlegen, Geschütze auf- und abbauen etc., können ebenfalls nur dort zur Anwendung kommen, wo die Leveldesigner dies eingeplant haben, ansonsten ist schlichtweg keine Zeit für solche Feinheiten. Die Gegner scheinen meist eine Art Tarnkappe zu besitzen - urplötzlich sind alle umliegenden Häuser voll von ihnen und die eigenen Soldaten eingekesselt. Nach dem dritten Mal verliert dieses Überraschungsmoment, so realistisch es auch sein mag, seinen Reiz. Vor allem die schiere Übermacht, die dem Spieler und seiner Handvoll Truppen entgegenrollt, kann für Frustrations- und Glücksmomente gleichermaßen sorgen, je nachdem, wie die Schlacht letztendlich ausging. Nicht selten karren mehrere LKW wieder frische Truppen ins Feld, wenn sich der Spieler gerade von einer aufreibenden Schlacht erholen will - langweilig wird es so zumindest nicht.

Multiplayer

Der Mehrspielermodus von "Faces of War" bietet einige interessante Multiplayeroptionen, unter anderem einen Farmjagd-Modus, bei dem zwei Teams wetteifern, den Farmern die Hühner abzujagen oder einen Frontline-Modus, in dem der Spieler nur einen einzelnen Soldaten steuert. Die Karten sind auf schnelles Spiel ausgelegt, großartige taktische Raffinessen sind kaum möglich und der Gegner ist meist nur einen Steinwurf entfernt. Trotzdem macht das Spiel im Mehrspielermodus Spaß, was wohl nicht zuletzt der Tatsache geschuldet ist, dass der Gegner nicht von einem stupiden Skript, sondern von einem menschlichen Gegenspieler gesteuert wird. Von Zeit zu Zeit gerät die Partie ins Stocken und das Spiel synchronisiert sich neu, was je nach Verbindungsart recht häufig vorkommen und dementsprechend unangenehm auffallen kann.

Lokalisierung

Die deutsche Lokalisierung von "Faces of War" ist, gelinde ausgedrückt, eine Katastrophe. Gegen die eigentlichen Sprecher ist nichts zu sagen - die Sprachausgabe ist sehr gelungen und auch die Stimmen passen gut zu den dargestellten Spielfiguren. Aber die technische Umsetzung schafft es, diesen guten Eindruck völlig zu zerstören. Warum Missionsbeschreibungen grundsätzlich auf Englisch und mit deutschen Untertiteln erfolgen, wissen wohl bloß die Entwickler selbst. Zudem verfallen einige Soldaten während des Gefechts plötzlich wieder ins Englische oder wiederholen ein und denselben Satz gleich mehrfach. Befremdlich wirkt auch eine Sequenz, in der ein deutscher Erkundungstrupp die Aufgabe erhält, eine Straße zu verminen, um "den Deutschen“ mal zu zeigen, was eine Harke ist. Bleibt zu hoffen, dass diese Ausrutscher mit einem zukünftigen Patch verschwinden.

Grafik

Die Grafik von "Faces of War" ist sehr eindrucksvoll, vor allem die Spezialeffekte wissen zu überzeugen. Damit einher geht jedoch auch ein gewisser Hunger nach Systemperformanz; Spieler, deren System gerade so die Mindestanforderungen erfüllt, werden auf einige optische Leckerbissen wohl verzichten müssen. Die Figuren, Fahrzeuge und Landschaften wirken sehr detailliert, die Texturen sind scharf und die Animationen flüssig. Besonderen Eindruck hinterlässt die zum Teil zerstörbare Umgebung, allerdings lässt sich natürlich nicht jedes Haus bis auf die Grundmauern einreißen. Falls es aber doch vorkommt, dass eine Panzergranate eine Wand zertrümmert, wirkt das sehr eindrucksvoll und verschafft meist neue taktische Möglichkeiten.

Sound

Auch am Sound gibt es wenig auszusetzen. Die Explosionen und das Geschützfeuer donnern druckvoll aus den Boxen, Motorengeräusche und Sprecherstimmen klingen glaubwürdig - "Faces of War" bringt den Spieler hautnah ins Geschehen. Vor allem die vielen situationsbezogenen Geräusche lassen das Spielgeschehen realistisch wirken: Der Panzer stellt nach kurzer Zeit den Motor ab, um Sprit zu sparen, das Bordgeschütz bewegt sich nur unter hörbarem Protest und die Ketten bringen den Untergrund zum Klingen. Leider gehen andere akustische Signale wie etwa die Warnungen vor einer heranfliegenden Granate, im Getümmel oft unter - wieder etwas, das gut als Realismus abgetan werden könnte, aber leicht die eigenen Einheiten und somit auch den Spielspaß das Zeitliche segnen lässt.

"Faces of War" ist eigentlich kein schlechtes Spiel. Die Grafik und der Sound können überzeugen, die Ideen, was die Steuerung der Einheiten anbelangt, sind ebenfalls nicht übel. Einzig das extrem lineare Spielgeschehen sowie die Konflikte zwischen Spielerbefehlen und KI trüben das Bild und lassen langfristig den Spielspaß schwinden. Auf jeden Fall sollten Interessierte vor dem Kauf die Demo zum Spiel begutachten.

(10.10.2006)

Entwickler: Best Way
Publisher: Ubisoft
Genre: Echtzeitstrategie
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Faces of War
Preis: 39,99 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

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