Charlie und die Schokoladen-Fabrik (Take 2) geschrieben von Matthias Lanwehr
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Filmversoftungen haben bekannterweise den Ruf mit Schokoladen überzogene Gurken zu sein: Sobald die Installation vorbei ist, präsentiert sich eine große Lizenz mit den Qualitäten einer Wurzelbehandlung. Zeigten einige Filmadaptationen eindrucksvoll, wie albern Coolness auf heimischen Konsolen sein kann, gab es mit den "Herr der Ringe"-Schnetzeleien und dem kurzweiligen "Harry Potter"-Gehopse auch kleine Lichtblicke aus der Film-Recycling-Tonne. Jetzt macht sich Global Star Software daran, den kleinen Charlie und seine rund zweistündige Kalorienbomben-Odyssee in einen Nachtisch für heimische PCs zu portionieren. Und da verhält es sich so wie mit einer Pralinenschachtel: Man weiß erst mal nicht, was man kriegt... Story Charlie hat ein verdammt ätzendes Leben: Seine Familie hat nicht einmal Geld für anständige Tapeten, er wohnt in einer Art zusammengehämmerten Fuchsbau und hat keine Freunde außer seinem Großvater. Einziger Lichtblick in seinem tristen Dasein ist die Sicht auf das größte Gebäude der Stadt: die Schokoladen-Fabrik des exzentrischen Süßigkeitenmeisters Willy Wonker und seiner singenden Helferzwerge, den Umpa Lumpas. Dieser wurde seit mehreren Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen und so fragt sich jeder, was aus diesem seltsamen Typen geworden ist. Wie es der Zufall will, scheint Herr Wonker Wind von den Zweifeln seiner Kundschaft bekommen zu haben und beschließt, fünf goldene Tickets in seinen Schokoladentafeln zu verstecken und den glücklichen Findern dieser Eintrittskarten eine Tour durch sein ganz und gar ungewöhnliches Reich zu spendieren. Und weil jeder weiß, was so armen Säuen wie Charlie immer wieder passiert - jedenfalls im Film - findet dieser natürlich das letzte verbleibende Ticket. Zusammen mit vier anderen, völlig verzogenen Blagen und seinem Opa macht er sich auf den Weg, die geheimnisvolle Fabrik zu erkunden. Dass nur eine Person die komplette Führung und das Angebot auf einen Schatz wie keinen anderen erhalten wird, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch keiner. Gameplay Es wäre naheliegend gewesen, aus dem Thema ein Jump & Run-Spiel zu machen, aber es erwartet den Spieler eine recht überraschende Kombination aus zwei Genres: zu einem Drittel klassisches Point & Klick Adventure und zu zwei Dritteln eine Sammlung von Minigames im Umpa Lumpa-Design. Und da hätten wir auch gleich den Haken: "Charlie und die Schokoladen-Fabrik" richtet sich ganz klar an Spieler, deren Alter noch nicht im zweistelligen Bereich angekommen ist. So klickt man sich gleich am Anfang durch den aus diversen Filmvorschauen bekannten Schokoladenfluss-Raum und begibt sich auf die Suche nach fünf glühenden Lollis. Diese leuchten einfach irgendwo in der Landschaft herum und warten, ohne irgendwelche Fallen oder Denksportaufgaben, einfach darauf, dass sich jemand erbarmt, sie anzuklicken. Auf den kurzen Wegen dürfen unterschiedliche Bonbon-Bäume, Schokoladen-Sträucher und Lakritz-Bomben angeklickt werden, auf die Charlie klettern kann und sie nach Bonbons durchsuchen darf. In jedem Raum kann eine bestimmte Anzahl der Kariesauslöser eingesammelt werden, um in Willys Büro diverse Extras wie zwei Filmvorschauen, Produktionsfotos und andere Goodies, eben alles rund um den Film, freizuschalten. Sind alle Lutscher eingesammelt, geht es mit der Rettung eines zu gefräßigen Mitbesuchers weiter. Um ihn aus einer Röhre zu befreien, muss Charlie erst auf verschiedenfarbige Pilze springen und dann einen farblich entsprechenden Schalter umlegen. Das klingt nicht nur bizarr, es spielt sich auch genau so, da nicht wirklich ein Zusammenhang zwischen Knollen und Hebeln besteht. Nächste Station ist ein alternatives Konzert: Während Charlie auf einem Zuckerboot gemütlich den Schoko-See runterschippert, führen die rudernden Umpa Lumpas einen kleinen Volkstanz auf. Und weil die hart arbeitenden Bonbon-Sklaven ziemlich beleidigt sind, wenn man ihnen nicht ein bisschen Beachtung schenkt, erwarten sie vom Besuch, dass er den Tanz nach einmaliger Betrachtung wiedergeben kann. Wie es sich für Geschicklichkeitsspiele gehört, kommen immer mehr Tänzer dazu und so wird die von Charlie anzuklickende Tänzerreihe beständig länger. Nach bestandener Disco-Einlage reihen sich die unterschiedlichsten Minigames aneinander. Je nach Raum erwarten den Spieler eine Digger-Variante mit Kandiszucker, das Sortieren verschiedener Kaugummis in passende Eimer und eine nicht ganz alltägliche Flucht aus einem Labyrinth. Wer seinen Favoriten gefunden hat, kann jederzeit mit Hilfe des gläsernen Aufzugs in bereits besuchte Räume zurückkehren, um z.B. den Umpa Lumpas noch einmal zu zeigen, wer hier den Taktstock schwingt. Wer sein Reaktionsvermögen noch mehr testen will, kann zusätzlich vom Aufzug aus den Pausenraum der Arbeiter besuchen, um dort in vier verschiedenen Schwierigkeitsstufen kleine Geschicklichkeitsspiele auf Zeit zu absolvieren. Diese beschränken sich allerdings nur darauf, in zehn Sekunden Törtchen mit Sahne zu verzieren, rechtzeitig Bonbons vom Fließband zu greifen oder Kuchen vor herabregnendem Zuckerzeugs zu beschützen. Lange hält der ganze Spaß leider nicht an, die Fabrik kann von durchschnittlichen Spielern locker im ersten Durchgang von oben bis unten untersucht werden. Grafik Zucker fürs Auge bietet die Schokoladen-Fabrik auf jeden Fall: Angefangen mit den sehr schönen und sauber gerenderten Filmsequenzen, die größtenteils an die Szenen des Films angelehnt sind, bietet das Spiel tolle Settings, die zum einen Teil in 3D-Optik und zum anderen aus vorgerenderten Hintergründen bestehen. Bis auf Willy Wonker wurden alle Charaktere nachträglich extrem stilisiert. Die Köpfe der Besucher sind fast doppelt so groß wie ihre Körper, was die Optik sehr kindgerecht erscheinen lässt. Auf der Erkundungstour finden sich fast überall nette Animationen und kleine Zusatzbewegungen für Charlies Aktionen, die zwar nicht zwingend notwendig wären, aber trotzdem ein nettes Detail am Rande abgeben. Leider wurden ab und zu die Bewegungen der Umpa Lumpas vergessen: Spielt man mit den fidelen Zwergen bei einer Bootsfahrt noch ihren Song nach, springen diese recht aufgeregt durch die Gegend. Betrachtet man sie allerdings nach dem Verlassen des Bootes, scheinen sie von einem mysteriösen Massenautismus heimgesucht zu werden, sprich: Keiner bewegt sich mehr. Wird einer der Umpa Lumpas zu einem Minigame-Kontest herausgefordert, wird das eigentliche Spiel auf Postkartengröße geschrumpft, 80 Prozent des Bildschirms warten als Standbild darauf, dass man fertig wird. Diese Mankos mögen zwar klein sein, trotzdem fallen sie stark auf, da der Rest des Spiels sehr solide und durchgängig gut animiert wurde. Sound Ob Willy Wonkers Domizil untersucht oder ein Tag in Disneyland verbracht wird, ist egal: Aus den Boxen erklingt, sehr zurückhaltend, ein bisschen Gebimmel hier und ein fröhliches Klarinettensample da. Von überall wird man während seines Besuchs beschallt, dennoch bleibt nichts wirklich hängen. Die rein technische Qualität der Musik ist sehr gut gelungen, das nützt aber leider nichts, wenn die Melodien so subtil sind, dass man sich nach Beendigung des Spiels fragt, ob man überhaupt etwas anderes als die Figurenstimmen gehört hat. Diese sind, ganz im Gegensatz zum langweiligen Hintergrund-Lala, ausgesprochen gut geworden. In der deutschen Version wird Willy Wonker ebenso wie im Film von David Nathan gesprochen, in der englischen Version kommen sehr sympathische Ersatzstimmen der Hauptdarsteller zum Einsatz. Mit den Geräuschen verhält es sich leider wie mit der Musik: Ab und zu ein zaghaftes Blubbern aus dem Schokoladensee oder ein dezentes "Pling" aus der Entwicklungsabteilung macht nicht wirklich Lust auf virtuelle Schoki. Charlies PC-Inkarnation wird seinem filmischen Vorbild durchaus gerecht. Trotz schwacher musikalischer Unterstützung überzeugen Setting, Sprecher und Zwischensequenzen. Ob man im Endeffekt etwas mit dem unterdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad und der extrem kurzen Spieldauer anfangen kann, hängt sehr stark davon ab, ob man bei der Suche nach leuchtenden Lollis und Umpa-Lumpa-Tanzveranstaltungen sechs oder 26 Jahre alt ist. Wer nach einem kurzweiligen Spiel für seinen Nachwuchs sucht, kann bedenkenlos zugreifen, doch sollten selbst Hardcore-Schokoladenfabrik-Fans vor einem Kauf zumindestens probespielen. (08.09.2005)
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