Prince of Persia: Die vergessene Zeit (Ubisoft) geschrieben von Kevin Krüger
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Die "Prince of Persia"-Franchise sollte mit der 2003 begonnenen "The-Sands-of-Time"-Trilogie ein in sich geschlossenes Kapitel erhalten, dessen ursprünglich geplante Titel in Erscheinungsreihenfolge und nach Storyline geordnet "The Sands of Time", "Warrior Within" und "Two Thrones" lauten. Mit dem im September 2009 angekündigten "Die vergessene Zeit" kehrt der Prinz jedoch nochmals für akrobatische Abenteuer zur "The Sands of Time"-Reihe zurück. Die ungeplante Erweiterung der Reihe soll zwischen "The Sands of Time" und "Warrior Within" spielen und damit einige Lücken schließen. Sand - Welch eine Überraschung! Nach seinem die Zeit überwindenden Abenteuer mit Farah wird der Prinz von seinem Vater in das Reich, in dem sein Bruder Malik den gemeinsamen Vater vertritt, gesandt, um von diesem zu lernen, wie man eine Führungsposition ausfüllt. Auf welche Art er dies lernt, war nicht vorherzusehen, denn Stadt und Palast müssen zunächst vor der Eroberung durch Krieger eines feindlichen Reiches geschützt werden und der akrobatisch talentierte Protagonist platzt mitten in die Schlacht hinein. Nach einigem Gerangel mit Soldaten und Zirkuseinlagen folgt eine Cutscene, in der Malik mit der Absicht, die Feinde zu verjagen entgegen dem Bitten seines Bruders eine mystische Armee aus einem uralten Gefängnis befreit. Das zum Öffnen verwendete Amulett springt nach dem Vorgang aus der dafür vorgesehenen Halterung, teilt sich entzwei und die beiden Thronanwärter nehmen je ein Teil an sich. Statt der erhofften Hilfe kommt jedoch zunächst nur Sand zum Vorschein, dieser jedoch breitet sich rasch aus und jeder außer den Königssöhnen wird bei Berührung in eine Sandstatue verwandelt. Bevor Sie überlegen können, was zu tun ist, werden die zwei getrennt. Es stellt sich heraus, dass die mythische Armee in Form von Sandkreaturen tatsächlich befreit wurde, jedoch sind diese auch den Prinzen feindlich gesinnt und überall wimmelt es von ihnen. Die Suche nach Malik führt den Spieler quer durch den Palast und zu einem eigenartigen Tor. Diese Pforte bringt den Prinzen an einen magischen Ort, an dem er einer Dschinniya namens Razia begegnet, welche ihn über das Amulett und die befreiten Übel aufklärt. Das Amulett muss wieder vereint werden, doch Malik hat die andere Hälfte und ist nicht mehr gewillt, sie wieder herzugeben. Spielen im Sandkasten Was gleich beim ersten Start negativ auffällt, ist der in die Länge gezogene Startvorgang: Nach dem Klick auf die Verknüpfung, der in anderen Fällen bereits innerhalb einer Sekunde das Spiel startet, vergehen hier zunächst einige Sekunden, bis der Launcher geöffnet und man in den Ubi.com-Account eingeloggt ist. Nach etwaigen Einstellungen klickt der Benutzer auf "Spiel starten" und muss erneut warten, bis das eigentliche Spiel startet, allein dieser Teil kann so lange dauern, dass man zwischenzeitlich glaubt, das Spiel würde nicht mehr starten. Ist man dann, unter Umständen nach mehreren Minuten, im Hauptmenü angelangt, fällt ein eingeblendeter News-Channel auf, dieser schaltet jedoch ein wenig schnell auf die nächste Nachricht um, sodass man des Öfteren eine News nicht gleich zu Ende lesen kann und auf den Neubeginn der Schleife warten muss. Auch in diesem Titel werden sich Besitzer eines XBOX 360 Gamepads glücklich schätzen, denn dieses wird vom Hersteller empfohlen und auch voll unterstützt, lässt sich nur leider nicht nach eigenen Vorstellungen konfigurieren. Bei Beginn eines neuen Spieles kann zwischen den Schwierigkeitsgraden "Normal" und "Einfach" gewählt werden, wer sich übermutig für "Normal" entscheidet, kann im Pausenmenü den Schwierigkeitsgrad nach unten korrigieren, dieser Vorgang ist jedoch endgültig für den momentanen Spielstand. Savegames gibt es in diesem Sinne keine, der Spielfortschritt wird bei Passieren eines Checkpoints über die permanent zu haltende Internetverbindung mit einem Server synchronisiert und mit dem Ubi.com-Account verknüpft, von dem der aktuelle Fortschritt beim Wiederaufgreifen des Spieles auch geladen wird. Beeinflussen kann man diesen Vorgang nicht und das Laden eines früheren Standes wird somit unmöglich. Im Allgemeinen spielt sich dieses Abenteuer in der groß angelegten Sandkiste so wie das letzte, Ausnahmen bilden dabei einige neue Fähigkeiten und Umstellungen, dazugelernt hat der Prinz jedenfalls seit der Begegnung mit dem Dolch der Zeit einiges: Waren nasse Wände oder Füße für ihn vormals ein Hindernis bei dem Versuch eine Wand hinauf zu laufen ist beides nun völlig belanglos. Weiterhin kann er nun aus dem Festhalten an Vorsprüngen heraus an der Wand entlang oder hinauflaufen, an aus Mauern hervorstehenden Steinen empor klettern und muss sich nicht mehr um sein Gleichgewicht sorgen wenn er auf Streben oder ähnlichem herumspaziert. Beim Klettern an Mauern hält der akrobatische Thronanwärter sich gezielt an den Steinen fest, die man auch sehen kann - jeder Griff, jede Bewegung und jede Drehung passt perfekt. Piratenähnlich springt man an ein herabhängendes Banner, sticht seine Waffe hinein und gleitet daran heil zu Boden, stößt beim Aufprall eventuell einen ungünstig stehenden Gegner zu Boden und erledigt ihn per Knopfdruck an Ort und Stelle, bevor er Gelegenheit hat aufzustehen. Erstmals lernt die zentrale Figur der "Prince of Persia"-Franchise über den gesamten Titel hinweg dazu, denn ein vollständig neues Element in diesem Titel bildet die Entwicklung des Prinzen durch Stufenaufstiege und einen Fähigkeitenbaum, auf dem die sogenannten Upgrades freigeschaltet werden, wie man es sonst aus Rollenspielen kennt. Die Aufstiege erfolgen durch das Erringen von Erfahrungspunkten, diese erhält man zum einen durch das vernichten von Gegnern, zum anderen durch das Zerschlagen versteckter Sarkophage, die über das ganze Spiel verstreut sind. Nicht nur die Suche nach den leuchtenden Särgen ist optional, auch einige Kämpfe können häufig vollständig links liegen gelassen werden, wenn der Spieler den weiteren Weg trotz der auf ihn eindringenden Feinde schnell genug erkennt. Dies ist für Enthusiasten nicht empfohlen, da der Abenteurer zum Freischalten aller Fähigkeiten so viele Erfahrungspunkte braucht, wie er nur bekommen kann. Die optional zu suchenden Behälter sind auch nicht die einzigen, denn auch herumstehende Krüge erfüllen in "Die vergessene Zeit" einen Zweck: Die Lebensenergie wird nicht durch Trinken von Wasser erneuert, sondern durch das Einsammeln von roten Kugeln, welche sporadisch von besiegten Gegnern und zerschlagenen Gefäßen freigesetzt werden. Der übliche Weg, Gegnerscharen loszuwerden, ist, sie nacheinander zu erledigen - durch seine regulären Nahkampffähigkeiten wie Tritte, Sprünge und den Umgang mit Waffen gestaltet der Prinz dies bereits vielfältig, hinzu kommt noch die im Laufe des Spieles hinzugewonnene Macht über die Elemente, die über reguläre Upgrades freigeschaltet und aufgewertet wird. Der Verlauf der Kämpfe setzt sich aus drei Schlüsselkomponenten zusammen: der Schauplatz, die Eigenarten der Feinde und schließlich der eigene Kampfstil des Spielers. Jemand, der sich zwischen den Monstern hindurchbewegt, etwa durch eine Rolle, einen Wandsprung oder dem Springen von den Schultern eines Gegners zum nächsten, dann ein paar Schläge austeilt und sich weiterbewegt, verbringt wesentlich länger mit einer Handvoll Sandkreaturen als jemand, der sich mitten ins Getümmel stürzt und wie wild Schläge austeilt, lebt jedoch gleichzeitig wesentlich sicherer. Jeder Kampfstil kann mit mal mehr, mal weniger Können auch ohne Verletzungen zum Sieg führen. Sollte eine Wand oder ein Geländer mit tiefem Abgrund dahinter in der Nähe sein, können Gegner sogar dorthin gedrängt und ohne spezielle Eingaben schnell außer Gefecht gesetzt werden, indem man sie beispielsweise über den Rand des Abgrundes wirft oder Ihnen, wenn sie mit dem Rücken zu einer Wand stehen, einen Tritt verpasst, sie danach einklemmt und ihnen den Rest gibt - alles ohne Tastenkombinationen, nur durch weiteres Drücken der Angriffstaste. Angriffsketten können zu beinahe jedem Zeitpunkt durch eine Rolle zum Ausweichen eines Schlages unterbrochen werden. Nach der ersten Begegnung mit Razia steht dem Spieler erneut beschränkte Macht über die Zeit zur Verfügung. Das ist nichts Neues, sehr wohl aber die später erhaltene Fähigkeit Wasser anzuhalten. Diese originelle Neuerung ermöglicht es, an Wasserfällen wie an Wänden entlang zu laufen, sich von ihnen abzustoßen und Wassersäulen, die aus Rohren laufen, emporzuklettern. Da der Palast jedoch nicht darauf ausgelegt ist, dass man von einer Wassersäule zur nächsten springt, sondern schön aussehen soll ist dabei Timing gefragt: Nicht selten befindet sich ein Wasserfall zwischen zwei herablaufenden Säulen, der dem Prinzen den Weg versperrt. Hier muss also das Wasser mit einem interessanten Effekt angehalten, an einem Strahl hinaufgeklettert, abgesprungen und im Sprung der Effekt aufgehoben und erneut aktiviert werden bevor man die andere Seite erreicht. Zu einfach wäre es gewesen könnte man das Nass unendlich lang aufhalten, doch alles hat seinen Preis. Eine Anzeige wie für das Zurückspulen der Zeit zeigt an, wie lang der Prinz mit Wasser wie mit einer festen Wand interagieren kann. Die Macht über die Elemente ist ebenfalls begrenzt. Bei jeder Benutzung von Steinrüstung, Flammenspur, Wirbelwind oder Eissturm wird Energie verbraucht, diese ist dargestellt durch blaue Kugeln, die genau wie ihre roten Gegenstücke von Feinden oder Gefäßen erhalten werden können. Mit der Flammenspur versetzt man begrenzte Zeit den Boden, den man berührt, in Brand, der wiederum umherlaufende Monster anstecken kann. Die Steinrüstung bewahrt vor Schaden, der Wirbelsturm lässt den Spieler Gegner innerhalb eines gewissen Radius' um ihn herum wegschieben und umwerfen. Bei Benutzung des Eissturms geht von der Waffe des Prinzen eine Zeit lang bei jedem Schlag ein zusätzlichen Schaden austeilender Eisbrocken aus. Der vollständigen Überarbeitung der Jade-Engine verdankt "Die vergessene Zeit" die Möglichkeit, bis zu fünfzig Gegner gleichzeitig darzustellen. Glücklicherweise wurde hier darauf verzichtet, den Prinzen einzelne Gegner fokussieren zu lassen, sodass er sich nun auch in Anwesenheit von fünfzig Sandkreaturen genau so frei bewegen kann wie sonst auch. Gegnermassen sind, egal wie leicht man einzelne Kreaturen besiegt, nicht zu unterschätzen, denn die K. I. sorgt dafür, dass, wenn mehrere Feinde auf den Protagonisten eindringen, sie versuchen, ihn zu umzingeln. Ausweichen muss man gegnerischen Attacken weitläufig, denn ein Feind, der das Ausweichmanöver bemerkt, wird seinen Schlag umlenken und dennoch treffen, sollte der Prinz noch in Reichweite sein. Doch nicht nur Positives bringt die Engine mit sich, denn "Die vergessene Zeit" ist geplagt von Clippingfehlern: Die gesamte Umwelt wird unter unbekannten Umständen plötzlich unsichtbar oder Böden, die man betreten möchte, sind zwar zu sehen aber dennoch fällt der Charakter durch sie hindurch. Frustrierend können auch einige Rätsel, die mitunter Mechaniken in Form von Zahnrädern, bewegte Plattformen und Schalter beinhalten, sein, da diese auch mal ohne Lösungsansatz daherkommen, wodurch man sich in der ansonsten gut dokumentierten Spielwelt etwas allein gelassen vorkommt und nach einigem Probieren selbst auf die Lösung kommen muss. Weiterhin müssen Sprünge zum Teil sehr genau abgepasst werden, was ebenfalls frustrierend wirken kann. Weitere beachtliche Neuerungen sind die Verknüpfung des Spiels mit dem Uplay-Service und freispielbare Extras. Der Spieler wird mit der Anmeldung bei Ubi.com automatisch auch bei Uplay angemeldet, festgelegte Ereignisse verschaffen dem Spieler Credits, die man gegen Prämien eintauschen kann. Im Fall von "Die vergessene Zeit" sind diese Prämien das Kostüm von Ezio, dem Helden aus "Assassins Creed 2", ein Wallpaper-Paket, ein einmaliger Erfahrungsboost für den Prinzen und ein Challenge Modus. Eine weitere Challenge kann durch das Durchspielen des Spieles freigeschaltet werden. Sand im Auge Der Prinz wirbelt Staub auf, nicht metaphorisch gesprochen, sondern wortwörtlich: Sprintet er los oder bewegen sich Gegner schnell genug werden am Boden liegender Sand und Staub aufgewirbelt. Das Spiel beginnt bereits mit einem sehr ansehnlichen Menüdesign und kinoreifen Videosequenzen und dieser Trend setzt sich über das gesamte Abenteuer fort, denn selbst auf niedrigsten Einstellungen macht die Grafik schon einiges her. Die Videosequenzen finden mit einigen Ausnahmen in der Spielgrafik statt, was den Übergang von Sequenz zu Spiel fließend gestaltet und sich grafisch dennoch mit den heutigen Spitzenreitern messen kann. Gigantische Zahnräder, von ihnen angetriebene Maschinen, wundervolle Wasserdarstellung und der Detailreichtum der gesamten Spielumgebung sind dabei nur einige beeindruckende Faktoren. Die Grafikeinstellungen sind leider nicht über das Spielinterface zugänglich, sondern müssen durchweg über ein externes Tool konfiguriert werden. Sand im Ohr Musikalisch hat "Die vergessene Zeit" ebenfalls einiges zu bieten. Die Hintergrundmusik ist stets passend und trägt zur Atmosphäre des Spiels einen maßgeblichen Teil bei. Eindrucksvolle Soundeffekte lassen Gegner und vor allem Bosse noch bedrohlicher wirken, einige Stimmen, wie beispielsweise die Razias, wirken aber durch eine eigenartige Betonung oder ähnliches etwas fehl am Platz. Die größten Mankos nehme ich direkt vorweg: Ich empfinde die nicht zoombare 3rd-Person-Perspektive als zu nah und störe mich hier und da an dem peinlich genauen Abpassen der Aktionen. Zwanzig Mal hintereinander mit wenig Energie von derselben Falle getötet zu werden, weil man den richtigen Moment einfach nicht erwischt, ist auf Dauer frustrierend; natürlich soll ein solches Spiel auch in gewisser Weise fordern aber hier wurde mir der Gurt etwas zu stark angezogen. Grafik und Sound sind klasse, das Kampfsystem actiongeladen und abwechslungsreich und die neuen Challenge-Modi, optionale Features und Extras wurden gut in das "Prince of Persia"-Spielprinzip integriert. Der Prinz ist hier eine gute Mischung der Darstellungen seiner selbst aus "The Sands of Time" und "Warrior Within", was die Lücke, die mit dem plötzlichen Charakterwandel vom einen zum anderen Titel entstand, hervorragend schließt. Rundum eine spitzenmäßige Ergänzung der Reihe, die mit ein paar Schwachstellen und Frustfaktoren daherkommt. Speziell die Clippingfehler sind dabei derart zahlreich aufgetreten, dass mir ein Durchspielen ohne einem einzigen größeren Fehler dieser Art zu begegnen, unwahrscheinlich erscheint. Davon abgesehen fühlte ich mich stellenweise an "Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs" mit größerem Adventure-Anteil und stark verbesserter Grafik erinnert. (23.07.2010)
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