Hearts of Iron 2: Doomsday (Koch Media Deutschland GmbH) geschrieben von Carsten Werner
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Der Zweite Weltkrieg ist Vergangenheit. Mit der Niederlage des Deutschen Reiches im Mai 1945 und der bedingungslosen Kapitulation Japans im August waren die Waffen endgültig verstummt und der Aufbau der zerstörten Städte und Länder konnte beginnen. Doch in der Ferne kündigte sich ein neuer Konflikt von gigantischen Ausmaßen an. Während die USA auf die Freiheit baute und einzelne Staaten durch wirtschaftliche Hilfen stärkte, schottete die stalinistische Sowjetunion alle Länder ab, die während des Zweiten Weltkrieges erobert worden waren. In den folgenden Jahren verschärfte sich der Konflikt weiter, bis er 1948 seinen vorläufigen Höhepunkt in der Blockade Westberlins fand. Nach der Gründung zweier deutscher Staaten verlagerte sich der Konflikt jedoch immer stärker ins Ausland, wo der Kampf des Kommunismus gegen den Kapitalismus die nächsten 40 Jahre bestimmen sollte. Was wie eine weitere langweilige Lektion in Geschichte klingt, ist in Wirklichkeit der Hintergrund zu "Doomsday", der offiziellen Erweiterung des Echtzeitstrategietitels "Hearts of Iron 2". Ging es in diesem Teil noch darum, als Herrscher einer Nation die Wirren des Zweiten Weltkrieges zu überleben oder sogar den Ausgang des Krieges zu verändern, ist es nun die Aufgabe des Spielers, von 1945 bis 1953 die Geschicke der beiden einzigen verbliebenen Supermächte zu bestimmen und endgültig die Weltherrschaft zu erlangen. Wer die Geschichte kennt, weiß jedoch, dass es nie zu einem offenen Krieg gekommen ist, daher versetzt Sie Paradox Interactive in einen fiktiven Konflikt, der nur wenige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges beginnt. Willkommen zurück auf dem Schlachtfeld, General! Wir leben in einer Zeit der Vereinfachungen und der visuellen Effekte. Komplexität, Strategie und Spieltiefe stehen heute in einem Konkurrenzkampf zur leichten Erlernbarkeit, grafischen Spezialeffekten und Massengeschmack. Wer die Veröffentlichungen der letzten Monate verfolgt hat, merkt schnell, welchen Weg die Spieleindustrie eingeschlagen hat. Doch es gibt noch Ausnahmen und Alternativen. Eine solche bietet seit dem ersten Teil die Serie "Hearts of Iron", die entgegen dem Trend an der Komplexität und der schieren Freiheit des Szenarios festhält. Nach der Installation des Spieles, die zumindest auf zwei Systemen von CRC - Fehlern begleitet wurde, wird das Spiel gestartet und man erreicht recht schnell das Hauptmenü. Hier kann man sich einen guten Überblick über die einzelnen Modi des Spieles holen. Neben einem Internet- und Netzwerkmodus stehen ein umfangreiches Tutorial und der Einzelspielermodus zur Verfügung. Herzstück sind die vielen Kampagnen und Szenarien, die zum Nachspielen einladen. Aus dem Vorgänger ist bereits die Möglichkeit, den Zweiten Weltkrieg oder diverse Schlachten wie die Invasion Russlands oder die Operation "Overlord" nachzuspielen, bekannt, neu ist jedoch der Kampf der beiden Supermächte. Dort hat man es auch nicht mehr mit dem Deutschen Reich zu tun, allerdings wird die DDR einen Gastauftritt als Marionette der Sowjetunion haben. Was macht "Hearts of Iron 2: Doomsday" so einzigartig? Ein erster Blick auf die Karte verrät es schon. Hier werden Sie keine hübsch animierten Panzer über detailliert gezeichnete Schlachtfelder führen und physikalisch korrekt Häuser zum Einsturz bringen. Vielmehr ähnelt das Spiel Klassikern wie "Battle Isle", "History Line 1914-1918" oder "Panzer General 3D". Herzstück ist eine riesige Weltkarte mit unzähligen Provinzen, Ländern und Gebieten, alle mit unterschiedlichem Terrain und natürlich Besitzern. Ziel ist es, durch den Einsatz des Militärs, der Diplomatie, des Handels und, in Doomsday neu, der Spionage andere Länder zu erobern, Allianzen zu schmieden und seine Gegner zu beherrschen. Schlacht zu Land, Luft, See ... Um andere Länder zu erobern, war es schon immer notwendig, eine starke Armee aufzustellen und die richtigen strategischen Entscheidungen zu treffen. In "Hearts of Iron 2: Doomsday" ist dies nicht anders. Zur Durchsetzung seiner Ziele stehen dem Herrscher diverse Land-, Luft- und Seestreitkräfte zur Verfügung. Anders als bei den üblichen Strategietiteln werden hier jedoch keine einzelnen Panzer kommandiert, die kleinste Einheit ist die Division, eine Flottille oder ein Geschwader. Ausnahmen sind einzig die Brigaden, spezialisierte Verbände, die einzelnen Divisionen zugeteilt werden und deren Schlagkraft sie so erhöhen können. Während bei Landschlachten diverse Panzer-, Infanterie-, Kavallerie- und Milizdivisionen zum Einsatz kommen, stehen im Luftkrieg taktische, strategische oder Marinebomber, Abfangjäger, Mehrzweckflugzeuge und Transportflugzeuge zur Verfügung. Auf See hingegen greifen Schlachtschiffe, die neuen Hilfsträger, Flugzeugträger, Kreuzer, Zerstörer und U-Boote in die Schlachten ein. Jede dieser Einheiten hat unterschiedliche Werte, Vor- und Nachteile und Einsatzgebiete. So haben auch 20 Schlachtschiffe gegen Flugzeugträger und Unterseebote keine Chance. Da eine Armee jedoch kein unkoordinierter Haufen ist und Befehle befolgt werden müssen, wird jede Division und jede Armee von einem General befehligt, der ebenfalls bestimmte Vorteile und Spezialisierungen besitzt und erlernen kann. So wird es nichts bringen, einen Spezialisten im Winterkampf in die Wüste abzukommandieren. Wie auch die Einheiten gewinnen die Generäle während der Schlachten an Erfahrung und steigen langsam auf. Da es mühselig sein kann, 70 oder 80 einzelne Divisionen zu befehligen, hat man auch die Möglichkeit, diese zu Armeen zusammenzufassen und unter die Kontrolle eines höherrangigen Generals zu stellen. Jedoch ist Vorsicht angebracht, je nach Rang kann ein General nur eine bestimmte Anzahl Divisionen befehligen. Stehen mehr Divisionen unter seinem Kommando, werden diese bei Kämpfen schwer sanktioniert und müssen herbe Verluste hinnehmen. Kämpfe laufen in Doomsday auf den ersten Blick erstaunlich einfach ab. Man markiert die Armeen seiner Wahl und klickt auf die Provinz, die es zu erobern gilt. Jedoch ist die Sache ein ganzes Stück komplexer, als man sie von anderen Spielen kennt. Die Entwickler scheinen "Die Kunst des Krieges", ein uraltes chinesisches Werk über Kriegsführung, Taktik und Strategie, sehr genau gelesen zu haben, denn eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst den Ausgang eines Kampfes. Das Wetter, die Bodenbeschaffung, sogar die Uhrzeit wollen berücksichtigt werden. Doch auch Grundlagen der Strategie zu kennen, ist nicht falsch. Umfassungsangriffe, Kesselschlachten, die Unterbrechung des Nachschubes. All diese Faktoren müssen beachtet werden, möchte man einen Konflikt siegreich beenden. Zu diesem Zweck werden Bomber zur Senkung der Moral und Organisation die Provinz bombardieren, die Infrastruktur schädigen oder diverse Einrichtungen angreifen. Armeen werden zeitgenau zu Sonnenaufgang aus mehreren Provinzen angreifen, Luftlandedivisionen landen in unbewachten Provinzen des Feindes und schneiden den Nachschub aus der Hauptstadt ab und Invasionstruppen der Marineinfanterie nehmen feindliche Küstenstädte ein, während Flotten die Strände bombardieren oder feindliche Konvois abfangen und so die Wirtschaft schädigen. Die Möglichkeiten, die sich in diesem Spiel bieten, sind vielfältig und um alle Regeln des Kampfes zu befolgen, dauert es seine Zeit. ... und an der Heimatfront Was nützt die stärkste Armee, wenn die heimatliche Wirtschaft am Boden liegt oder die Armee technologisch veraltet ist? "Hearts of Iron 2: Doomsday" übergibt Ihnen nicht nur die Kontrolle über das Militär, die Diplomatie und die Spionage. Als Herrscher ist es auch Ihre Aufgabe, den Nachschub zu organisieren, Provinzen auszubauen, neue Truppen zu rekrutieren und bessere Waffen zu erforschen. Da der Hauptaspekt des Spieles jedoch nicht auf der Wirtschaft liegt, wurden viele Teile abstrahiert und vereinfacht, jedoch ist eine Menge zu tun. Während in Wirklichkeit eine Vielzahl an Materialien und Rohstoffen benötigt wird, wurden diese im Spiel zu Energie, Metall, Öl, seltenen Materialien und Geld zusammengefasst. Aus diesen Ressourcen wird Industriekapazität hergestellt, die zum Bau der Einheiten benutzt wird. Ebenfalls werden mit diesem Wert der Nachschub, die Verstärkung für beschädigte Truppen und die Modernisierung gesteuert. Durch Schieberegler wird jedem Gebiet ein bestimmter Wert zugewiesen, sollte dieser nicht ausreichen, ist mit Verzögerungen zu rechnen. Öl selbst ist ebenfalls die Grundlage für den Treibstoff und sollte Ihnen dieser ausgehen, stehen die Panzer, Flugzeuge und Schiffe still und sind ein leichtes Opfer für den Gegner. Geld hingegen benötigen Sie für die Diplomatie, die Spionage und die Forschung. Jede diplomatische Aktion und jeder Versuch der Spionage kostet Geld, das nur durch Handel und die Konsumgier des eigenen Volkes gesteigert wird. Auch in der Forschung spielt das Geld eine entscheidende Rolle, denn ohne Bezahlung weigern sich die Firmen und Privatpersonen, für Sie zu arbeiten. Dies ist jedoch entscheidend, um im technologischen Wettrennen bestehen zu können. Jedes Volk hat diverse Forschungsteams, die sich auf verschiedene Forschungen spezialisiert haben. So stehen den Deutschen beispielsweise Rheinmetall, die IG Farben, Messerschmitt, Conrad Zuse und diverse andere Personen und Firmen zur Verfügung. Diese können nun nach und nach immer moderne Waffen, Computer, Geheimwaffen oder Doktrinen erforschen, die benötigt werden, um den Krieg zu gewinnen. Eine Doktrin bezeichnet in diesem Falle eine bestimmte Strategie, die die Eigenschaften der Truppen verbessern kann. So fällt beispielsweise der Blitzkrieg unter diese Sparte. Neue Möglichkeiten - modernere Waffen Doch was hat sich nun in "Hearts of Iron 2: Doomsday" im Vergleich zum Hauptspiel geändert? Die auffälligste Änderung ist mit Sicherheit die Spionage. Nun hat man die Möglichkeit, gegen bares Geld bei seinen Freunden und Feinden Spione einzuschleusen. Aber Vorsicht, in den meisten Fällen bekommt das "Opfer" Wind von der Einschleusung und die Sympathiewerte fallen ins Bodenlose. Einmal eingeschleust, bieten sich dem Spion jedoch vielfältige Betätigungsmöglichkeiten. Neben dem Diebstahl von Bauplänen kann er Partisanen unterstützen, Propaganda betreiben und sogar versuchen, Minister umzubringen oder die Regierung zu stürzen. Jeder Versuch birgt jedoch die Gefahr der Entdeckung oder des Scheiterns, was auch das Ende des Spions bedeutet. Hier befindet sich auch einer der größten Kritikpunkte an diesem System, denn durch die extrem hohe Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung ist eine vernünftige Diplomatie kaum noch möglich. Vor allem die Computergegner setzen Spione sehr oft ein und so ist es nicht verwunderlich, wenn manche Länder ohne die geringste Aggression bereits feindselig sind und den Krieg erklären. Eine weitere interessante Neuerung ist der Editor, der es endlich ermöglicht, das Spielfeld seinen Wünschen anzupassen und dabei fast keine Grenzen gibt. Jedes Volk, einzelne Einheiten und sogar die Provinzen lassen sich verändern und manipulieren. Mit ein bisschen Arbeit lassen sich so komplett neue Voraussetzungen und Szenarien schaffen. Ebenfalls neu sind Upgrades für Einheiten, die auch über das Jahr 1945 hinausgehen. Neben moderner Infanterie, Panzern oder Raketenartillerie hat der Herrscher nun die Möglichkeit, Helikopter zu erforschen oder Düsenflugzeuge zu bauen, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Auch die Atombombentechnologie hat einige Neuerungen erfahren, nun können sogar mächtige Wasserstoffbomben gebaut werden. Vollkommen neu sind hingegen Hilfsträger, die die Marine ergänzen und als Hybrid zwischen den reinen Trägern und Kampfschiffen dienen. Die Technik des 20. Jahrhunderts Obwohl Spiele ohne die Unterstützung modernster Technologien heutzutage nicht mehr interessant zu sein scheinen, entzieht sich "Hearts of Iron 2: Doomsday" ganz bewusst diesem Schönheitswahn im Genre und konzentriert sich auf den Inhalt und die Spieltiefe. Dementsprechend fällt auch die Grafik aus. Hier finden sich keine Schlachtfelder, keine hübschen Panzer, einzig eine Weltkarte, auf der Sie Einheiten verschieben und Diplomatie betreiben. Kampfanimationen sind, bis auf angedeutete Fahrtbewegungen, nicht zu erkennen. Einzig bei Bomberangriffen, Flakbeschuss und Atombombenabwürfen sind kleine Explosionen über der Provinz zu erkennen. Ist die Grafik selbst zweckdienlich und keinesfalls störend, ist es die Auflösung auf jeden Fall. Das Spiel bietet einzig die Möglichkeit, das Spiel mit 1024x768 Bildpunkten zu spielen, was aus heutiger Sicht vollkommen veraltet ist. Vor allem auf TFT-Displays wird das Spiel unansehnlich und die Übersicht über die Ländereien schwindet. War es der deutschen Community im Vorgängertitel "Hearts of Iron 2" noch möglich gewesen, durch ein kleines Programm die Auflösung auf 1280x1024 Bildpunkte zu erhöhen, stürzt "Doomsday" beim Einsatz dieses kleinen Programms kommentarlos ab. Es ist unverständlich, warum Paradox Interactive hier nicht auf die Wünsche der Fans gehört hat und auch andere Auflösungen anbietet. Keine Schwächen leistet sich die Akustik. Während des gesamten Spieles wird man von militärisch klingender Musik begleitet, die sich zwar recht oft wiederholt, jedoch den angehenden Weltbeherrscher zu motivieren weiß. Kenner des Vorgängers sollten jedoch keine neuen Titel erwarten, die Musikstücke wurden komplett übernommen. Gänzlich unspektakulär sind hingegen die Soundeffekte - sie sind nämlich so gut wie nicht vorhanden. Bis auf Geräusche beim Anwählen oder beim Verschieben der Einheiten scheint ein Krieg ein recht stilles Ereignis zu sein, was bei der Fülle der Kämpfe jedoch nicht wirklich störend ist. Gemeinsam sind wir stark Auch der Mehrspielerpart wurde aus "Hearts of Iron 2" übernommen und nicht weiter verändert. Weiterhin ist es möglich, mit bis zu 19 weiteren Spielern zusammen oder gegeneinander die einzelnen Szenarien zu spielen und beispielsweise als Amerikaner oder Sowjet den Dritten Weltkrieg zu beginnen. Da diese Spiele, vor allem mit mehreren Mitspielern, jedoch auch mal Stunden dauern können, ist es dem Host jederzeit möglich, den Spielstand zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Und wenn sich Teilnehmer nicht einigen können, wer denn nun welches Land steuern darf, bietet das Spiel die Option, jenes Land zu teilen und gemeinsam in die Schlacht zu führen. Anfangs erwähnte ich Klassiker wie "Battle Isle" oder "Panzer General 3D". Spiele, die sich nur durch ihren Rundenmodus von "Hearts of Iron 2: Doomsday" unterschieden und ähnlich komplex und herausfordernd waren. Doch wo sind diese Spiele heute? Rundenstrategietitel sind, mit Ausnahme von "Civilization" vielleicht, vom Erdboden verschwunden und auch im Echtzeitbereich wird Grafik heutzutage als wichtiger erachtet, als Spielbarkeit und Inhalt. Hier geht Paradox Interactive einen mutigen Weg und bietet ein Spiel an, das sich einzig auf den Inhalt verlässt und kaum den Geschmack des Massenmarktes zu treffen scheint. Und doch ist "Hearts of Iron 2: Doomsday" eine sehr gute und würdige Weiterführung der Serie. Alte Fehler wurden ausgemerzt und neue Features hinzugefügt, an der Komplexität des Spieles wurde jedoch nichts geändert und nach einigen Stunden Einspielzeit, die man benötigt, um annähernd die Feinheiten des Spiels zu erkennen, übersieht man die schwache Grafik oder einige Bugs, die noch beseitigt werden müssen. Nur zwei wirkliche Kritikpunkte bleiben übrig, zum einen die nicht akzeptable Auflösung und die Fehler im Spionagesystem, die die Diplomatie ad absurdum führen. Spieler und "Hardcorestrategen", die einen Titel erwarten, der auch nach 40 Stunden noch Spaß bietet, sollten zuschlagen. Wer jedoch mehr auf Optik als auf Inhalt fixiert ist, sollte sich doch lieber bei Titeln der großen Entwicklungsfabriken umschauen, denn eines ist klar: Für Gelegenheitsspieler ist der Einstieg alles andere als leicht. (04.05.2006)
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