Sonic und die geheimen Ringe

(Sega)

geschrieben von Oliver Domke

Rund 16 Jahre sind inzwischen vergangen, seit Sonic zum ersten Mal über die Bildschirme begeisterter Videospieler flitzte. Seit seinem Debüt im Sommer 1991 veröffentlichte Sega unzählige Spiele mit dem blauen Igel, selten jedoch erreichte einer der Nachfolger die Klasse der Originale auf dem Mega Drive. Mit "Sonic und die geheimen Ringe" für Nintendos Wii steht nun ein neues Abenteuer in den Startlöchern. Im folgenden Test erfahren Sie, ob es endlich das lang erhoffte 3D-Comeback des Firmenmaskottchens geworden ist.

Es war einmal ...

Sonic verschlägt es diesmal in die geheimnisvolle Welt von Tausendundeiner Nacht. Jäh aus seinen Träumen gerissen, wird er vom weiblichen Ringgeist Shahra in das Buch und somit direkt in die orientalische Geschichte befördert. Dort droht der böse Flaschengeist Erazor Djinn sämtliche Erzählungen um Ali Baba, Sindbad und Co. zu vernichten, um dadurch die Herrschaft über diese Welt zu erlangen. Hilfsbereit, wie Sonic nun mal ist, unterstützt er Shahra und unternimmt alles in seiner Macht stehende, um die sieben Weltenringe, die im weiten Morgenland verteilt sind, zurückzuerobern. Nur mit ihrer Macht können Erazors Pläne vereitelt werden.

The Fast And The Furious

Im Laufe des Spiels erforschen Sie insgesamt acht große Welten, von denen die erste das Tutorial darstellt. Hier erlernen Sie recht schnell die intuitive Steuerung. Sonic bewegt sich selbstständig vorwärts, durch Neigung der quer gehaltenen Wiimote lässt er sich dabei nach links und rechts lenken; die Steuerung entspricht somit der aktueller Rennspiele für diese Konsole. Der Igel hat jedoch einiges mehr auf Lager als die Blechkisten. Mit einem Druck auf "2" springt er - je länger die Taste gedrückt wird, desto höher. In der Luft kann er zudem Gegner und Gegenstände anvisieren und attackieren. Ersteres geschieht wiederum automatisch, den Angriff selbst führen Sie anschließend mit einer ruckartigen Bewegung der Wiimote nach vorne aus. Lediglich das Rückwärtslaufen wurde etwas ungeschickt gelöst: Nachdem Sie mit der "1" gebremst und angehalten haben, kippen Sie die Fernbedienung nach hinten. Hier ist die Steuerung etwas ungenau, weswegen Sie hin und wieder blindlings in einen Feind laufen werden.

Die acht Welten sind sehr abwechslungsreich. Sie rennen durch Paläste, flüchten in einer prähistorischen Landschaft vor wilden Dinosauriern, eilen durch eine riesige Fabrik, jagen Drachen in einer Himmelsfestung und sprinten durch eine heiße Wüste. Jede Welt ist dabei in mindestens zwölf Missionen aufgeteilt, die - sofern verfügbar - in beliebiger Reihenfolge bearbeitet werden dürfen. Auch hier waren die Entwickler sehr kreativ. Die einfachste Aufgabe besteht darin, lediglich das Ziel eines Abschnitts zu erreichen. In den meisten Fällen fordert das Spiel jedoch die Erfüllung von zusätzlichen Bedingungen. So müssen Sie beispielsweise eine vorgegebene Zeit unterbieten, unterwegs Gegner besiegen, Items einsammeln oder eine bestimmte Zahl an Ringen mit ins Ziel schleppen - der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Die erwähnten Ringe stellen aber - typisch für die Sonic-Reihe - ein weiteres wichtiges Spielelement dar. Solange er Ringe besitzt, kann Sonic nicht sterben (es sei denn, er fällt in einen Abgrund). Bei einem Treffer verliert er jedoch einige Exemplare. Ist sein Konto leer, befördert ihn der nächste Fehler zurück an den letzten Checkpoint. Diese sind zwar regelmäßig in den Levels verteilt, oft müssen Sie aber beim Ableben des Igels längere Sprungpassagen wiederholen. Dadurch offenbart sich in besonders kniffligen Abschnitten das Trial-and-Error-Prinzip des Spiels: Einige Missionen müssen sehr oft trainiert werden, bis Sie den Dreh raushaben und die Gefahren geschickt umgehen können oder den besten Weg durch die oftmals verzweigten Levels finden. Auch wenn einige Aufträge knallhart sind, wird es nie frustrierend, da das Spiel stets fair ist.

Skillen im Morgenland

Sollte Ihr Geschick dennoch nicht ausreichen, um eine Mission erfolgreich zu beenden, haben Sie die Möglichkeit, Sonic mit einer Vielzahl von Spezialfähigkeiten auszurüsten. Für jede gelöste Aufgabe erhält der Protagonist wie in einem "richtigen" Rollenspiel Erfahrungspunkte; wenn Sie genügend davon gesammelt haben, steigt Sonic einen Level auf und verfügt somit über mehr Fertigkeitspunkte. Diese wiederum bestimmen, wie viele Ihrer bereits erspielten besonderen Fähigkeiten Sie gleichzeitig verwenden dürfen. Insgesamt können Sie bis zu vier Fertigkeits-Sets anlegen, um auf jeden Missionstyp gut vorbereitet zu sein. So spendieren Sie ihrem Schützling unter anderem einen Geschwindigkeitsschub, höhere Sprung-, Angriffs- oder Verteidigungskraft, einen Ringbonus oder eine ausgeglichenere Bewegung. Wenn Sie den finalen Abspann gesehen haben, dürften Ihnen rund 100 dieser Fähigkeiten zur Verfügung stehen.

Im späteren Verlauf des Spiels erlangt Sonic sogar die Macht der Zeitmanipulation. Ähnlich wie bei Ubisofts persischem Prinzen können Sie dann durch einen kurzen Druck auf das Steuerkreuz das Spielgeschehen verlangsamen oder enorm beschleunigen, um heiklen Situationen aus dem Weg zu gehen. Beides verbraucht aber Energie aus dem sogenannten Seelenpegel, den Sie durch das Einsammeln von Perlen oder das Besiegen von Gegnern ansteigen lassen. Auf diesem Wege verbringen Sie etwa zwölf Stunden Spielzeit, bis Sie zum ersten Mal dem Boss gegenüberstehen. Aber denken Sie ja nicht, dass danach das Spiel zu Ende sei: Sie haben zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Missionen gelöst, sich durch besondere Leistungen alle Goldmedaillen verdient oder in jedem Level die drei versteckten "Feuerseelen" gefunden. Es können unzählige Boni wie Filmclips, Artworks, Soundtracks, Minispiele oder Infos zu früheren Sonic-Spielen freigeschaltet werden; der Wiederspielwert ist durch diese Goodies und das ständige Verlangen, den Highscore zu erreichen und alle Geheimnisse aufzuspüren, enorm hoch.

Das Duell der Helden

Als wäre das nicht schon genug, hat das Spiel auch noch etwas für alle Fans von Multiplayer-Sessions zu bieten: Bis zu vier Spieler treten in 40 Minispielen und fünf verschiedenen Spielmodi gegeneinander an. Die Spiele lassen sich allesamt sehr einfach mit der Wiimote steuern; zu Beginn gibt es immer eine kurze Anleitung. So können Sie mit Ihren Freunden (oder Feinden) um die Wette rudern, rollen, schwimmen, musizieren, fahren oder angeln. Alles in allem erinnert das Spielprinzip des Mehrspielermodus sehr an Nintendos "Mario Party"-Reihe, wobei Segas Spielchen in puncto Qualität und Unterhaltungswert im Vergleich etwas abfallen. Spaß macht der Wettkampf um den ersten Platz aber allemal.

Märchenhafte Technik

Technisch gehört "Sonic und die geheimen Ringe" derzeit zu den besten Titeln für den Wii. Die anfangs etwas triste Optik legt im Verlauf des Spiels ordentlich zu; die weitläufigen Areale sind hervorragend ausgearbeitet, vor allem die letzte Welt ist grafisch beeindruckend gelungen. Die Story (in der auch alte Bekannte von Sonic eine Rolle spielen) wird lediglich in leicht verblassten, comichaften Bildern erzählt: Da die Geschehnisse aber ohnehin in einem Buch spielen, kann dies als bewusst gewähltes Stilmittel angesehen werden. Sehr positiv ist die Tatsache, dass das Spielgeschehen trotz des sehr rasanten Gameplays nie ins Ruckeln gerät. Die aus vielen dreidimensionalen Vorgängern gefürchteten Kameraprobleme gibt es hier glücklicherweise nicht mehr, nur in ganz seltenen Fällen verliert man für kurze Zeit den Überblick. So lassen sich auch die Abschnitte gut meistern, in denen Sie den festen Boden unter den Füßen verlieren und auf einer Kanonenkugel den Himmel hinauf oder auf einem Baumstamm einen reißenden Fluss hinab flitzen.

Der Soundtrack unterstützt das Gameplay mit seinen treibenden Rhythmen und den Melodien, die den verschiedenen Welten entsprechend angepasst wurden, sehr gut. Die Charaktere wurden mit englischer Sprachausgabe versehen, die Texte werden aber auf Wunsch deutsch untertitelt. Während des Spiels sollte man sich jedoch auf seine Englischkenntnisse verlassen, da es nahezu unmöglich ist, sich gleichzeitig auf Sonic und die deutschen Texte zu konzentrieren. Die Steuerung reagiert (bis auf wenige Ausnahmen wie den Rückwärtsgang) sehr genau und ist leicht zu erlernen. Schon nach kurzer Eingewöhnungsphase rasen Sie mit dem wilden Igel durch den Orient.