Sid Meier’s Railroads

Sid Meier’s Railroads

(2K Games)

geschrieben von Carlos Carvalho

 

 
Entwickler: Firaxis
Publisher: 2K Games
Genre: Wirtschaftssimulation
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Sid Meier’s Railroads
Preis: 35,89 €
Altersfreigabe: Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß §14 JuSchG

Sid Meier ist der vielleicht bekannteste Programmierer von Computerspielen aller Zeiten. Er brachte 1984 sein erstes Werk auf den Markt, lernte aus der Erfahrung und entwickelte anschließend fast zwei Spiele pro Jahr, bis er 1991 sein Meisterwerk schuf: "Civilization". Doch bereits ein Jahr zuvor, nachdem er mehrere Flugsimulatoren entwickelt hatte, publizierte er bei Microprose ein Spiel, das dem Genre der Wirtschaftssimulation angehörte: "Railroad Tycoon". Seitdem bringt Meier mit seiner Firma Firaxis etwa ein Spiel pro Jahr heraus. Darunter befinden sich eine große Anzahl sehr erfolgreicher Remakes; die wichtigsten davon sind "Pirates" und natürlich "Civilization" II bis IV. Dieses Jahr erscheint zwar nicht das erste Remake von "Railroad Tycoon", wohl aber das erste, an dem auch Meier mitgearbeitet hat.

Das originelle Spiel

Mit einer rein zweidimensionalen Ansicht direkt von oben baute das originale "Railroad Tycoon" darauf auf, Passagiere, Post und sonstige Waren zwischen Städten und Industriestätten zu transportieren. Der Zeitraum der Simulation erstreckte sich von den ersten kommerziellen Dampflokomotiven bis hin zu modernen Elektrozügen unter Benutzung verschiedener Szenarien in den USA und Europa. Das Sandbox-Prinzip, also das Spielen ohne ersichtliches Ziel oder Ende, war zu jener Zeit noch nicht üblich - die Stärke von "Railroad Tycoon" bestand darin, dass man mit mehreren computergesteuerten Gegenspielern konkurrieren musste. Sie beruhte darauf, das Geschäft der anderen Spieler durch bessere Verbindungen und Angebote zu untermauern oder die Konkurrenz durch Aktienkauf zu übernehmen.

"Railroad Tycoon" blieb ganze vier Jahre ungeschlagener Favorit des Genres, bis der britische Programmierer Chris Sawyer ebenfalls bei Microprose das Spiel "Transporter Tycoon" publizierte und dem Bestseller von Meier mit einer dimetrischen Projektion, 8-Bit-Graphik und ausgebautem Gameplay mit Flugzeugen, Booten, Bussen und deutlich größeren Welten in kürzester Zeit das Rampenlicht streitig machte. Seitdem waren andere Spiele in den Regalen der Kaufhäuser zu finden wie "Schiene und Straße", "Transport Gigant" und der Nachfolger zu "Transporter Tycoon", "Chris Sawyer's Locomotion". Doch selbst er konnte nicht an den Erfolg von "Transporter Tycoon Deluxe" in Verbindung mit dem enormen Fanprojekt "TTDPatch" heranreichen.

Der erste Eindruck

Was "Railroads" aus all seinen Vorgängern auf den ersten Blick herausragen lässt, ist die völlig dreidimensionale Welt. Sie ist durch Drücken der mittleren Maustaste frei drehbar; Berge und Täler sind aus jeder Richtung und jedem Winkel beobachtbar und man kann mit dem Scrollrad begrenzt hinein- und herauszoomen. Doch die Grafikengine des Spiels ist nicht Selbstzweck; sie hat vielmehr eine besondere Wirkung auf "Railroads": Das Bauen von Schienen ist nicht durch virtuelle, hexagonale Felder begrenzt, wie man es von den Vorgängern kennt, sondern sie lassen sich in jedem Winkel punktgenau auf der Spielkarte erstellen. Das gibt dem Spieler eine enorme Freiheit bei der Planung neuer Strecken.

Ein Drittel Aufbaustrategie

Die Welt, die "Railroads" dem Spieler beschert, kann man am besten als karikaturartig beschreiben. Gebäude sind größer als Berge, Städte breiter als Meere und Züge länger als Flüsse. Dafür braucht man keine Zeit zu verschwenden, um etwas zu suchen, denn alle brauchbaren Ressourcen sind für den Spieler klar ersichtlich. Um die Waren und Passagiere der einzelnen Städte nutzbringend verwenden zu können, muss man einen Bahnhof nahe genug im Zentrum bauen. Es wird im Spiel durch einen grünen Kreis um den Mittelpunkt der Stadt oder der Industriestätte in der Nähe dargestellt. Baut man Schienen auf diesen Kreis, so kann man dort anschließend einen Bahnhof errichten, der von den angebotenen Ressourcen profitiert und an dem benötigte Ressourcen erwartet werden.

Der Bau von Schienen wurde sehr simpel gestaltet: Wählt man das Ende einer existierende Schiene, kann man daran bis zu dem erwünschten Ziel anbauen. Die künstliche Intelligenz von "Railroads" übernimmt Details wie Brücken oder Tunnels. Diese werden automatisch gebaut und der kürzeste Weg zwischen beiden Punkten wird ausgewählt. Doch oft ist der direkte Weg über einen Berg nicht der schnellste und es würde sich eher anbieten, außen herumzufahren. Hier muss der Spieler genauer eingreifen und Stück um Stück den Weg zwischen beiden Bahnhöfen genau definieren. Will man parallele Schienen bauen, gibt es eine eigene Funktion im Spiel, die das sehr erleichtert. Kreuzungen und Seitenschienen werden ebenfalls automatisch von der künstlichen Intelligenz mit Signalen bestückt. Es ist deshalb unmöglich, Lokführer und Passagiere unbeabsichtigt in den feurigen Tod zu schicken.

Man kann zwischen vier Ausbaustufen der Bahnhöfe auswählen: In Industriestätten lassen sich lediglich Depots einrichten; in den Städten fängt jeder Bahnhof klein an und lässt sich leicht über das Bahnhofmenü ausbauen, was zu Boni für Fahrpreise und Entladungszeiten führt. Die maximale Größe eines Bahnhofs ist jedoch auf drei Gleise beschränkt; Städte mit viel Verkehr müssen also über gut durchdachte Schienensysteme verfügen, damit ankommende Züge so wenig Wartezeit vertun wie irgend möglich und abfahrende immer noch zu ihren korrekten Zielen gelangen.

Ein Drittel Transportmanager

Fast 50 Lokomotiven für alle Szenarien stehen im Spiel mit historischer und technischer Genauigkeit (bis auf ein paar Erscheinungsjahre) zur Verfügung. Die Auswahl der Lokomotive ist, wie auch alles andere im Spiel, anschaulich grafisch dargestellt. Ausgehend von der Routenplanungskarte sieht man das Innere eines Zugdepots, aus dem man das gewünschte Modell auswählen kann. Bei der Auswahl erkennt man nicht nur Preis und Gesamtleistung, sondern erfährt auch in einer Kurvengrafik, wie schnell der Zug in Abhängigkeit von der Art und Anzahl der gezogenen Wagen ist. Zurück auf der Routenplanungskarte klickt man mit der linken Maustaste auf einen Bahnhof, wählt hier die gewünschten Waggons, setzt den zweiten Bahnhof, ändert die Waggonauswahl wenn nötig und fährt damit so lange fort, bis die Strecke den eigenen Vorstellungen entspricht. Für jede Haltestelle lässt sich auswählen, ob der Zug auf eine volle Ladung warten soll (unabhängig von der Art der Waggons, denn der Zug wartet tatsächlich, bis alle voll sind). Rechts oben wird genau angezeigt, wie schnell der Zug auf der Strecke samt der Anzahl der eingeplanten Wagen ist. Dadurch wird es für den Spieler einfacher, eine Entscheidung zwischen zwei vergleichbar guten Lokomotiven zu treffen.

Während in Städten zunächst nur Passagiere und Post angeboten werden, kann man aus nahelegenden Industrieanlagen weitere Ressourcen transportieren, die in entsprechenden Werkstätten in den Städten zu neuen Produkten umgewandelt werden, die andere Orte benötigen. Was gebraucht und was angeboten wird, erkennt man sofort, wenn man die Maus über eine Siedlung oder Industriestätte hält. Ebenfalls wird man so darüber informiert, welche Mengen dort in den Bahnhöfen gelagert sind und auf ihren Transport warten. Mehr als zehn Ladungen werden aber nicht aufbewahrt, was zu Verlusten führen kann. Es ist deshalb manchmal sinnvoller, mit mehreren Zügen zu einem Ort zu fahren, als wenige und langsamere mit vollen Waggons durch die Kontinente zu befehligen.

Der Preis der eingetroffenen Waren unterscheidet sich voneinander. Auf der einen Seite gilt die goldene Regel von Angebot und Nachfrage, auf der anderen Seite bezahlen Passagiere und Post mehr, wenn sie schnell ans Ziel kommen, während alle anderen Waren keine merkbaren Verluste bei längeren Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Deshalb lassen sich für Züge Prioritäten setzen, damit sie in Kreuzungen und Bahnhöfen leichter die Vorfahrt erhalten.

Ein Drittel Wirtschaftssimulation

Was man verdient, wird im Spiel als grüne Zahl angezeigt, die vom Bahnhof Richtung Himmel steigt - wie schon im alten "Railroad Tycoon". Es gibt aber auch Kosten, wobei die wichtigsten davon die Baukosten und die Betriebskosten für die Züge sind. Diese steigen als rote Zahlen von den entsprechenden Stellen auf. Eine Weiterentwicklung der alten Spiele besteht darin, dass die Betriebskosten für Züge mit deren Alter steigen. So muss man die Lokomotiven ungefähr alle 20 bis 30 Jahre ersetzen, um solche Ausgaben konstant zu halten.

Ebenfalls schon im ersten Spiel war das Bauen von Industrieanlagen möglich. Auch in "Railroads" kann man Industrien in Städten errichten, allerdings sind nur drei Verarbeitungsfabriken pro Stadt erlaubt. Mehr würde man ohnehin nicht vernünftig beliefern können, da man nur einen Bahnhof pro Stadt besitzen darf, der, wie oben beschrieben, maximal drei Gleise aufweist. Aber die Industrie in den Städten hat ebenfalls eine Weiterentwicklung erfahren: Errichtet man ein Gebäude, so bekommt der Spieler den Profit, der beim Verkauf der verarbeiteten Ware entsteht. Er ist aber dann unabhängig davon, wer die Stadt mit den unverarbeiteten Ressourcen beliefert hat, d.h. man bekommt auch Geld, wenn die Gegner die Stadt anfahren.

Bereits existierende Industrie in Städten kann man auf einer Auktion erwerben. Hier können alle Spieler ihr Glück versuchen und durch geschicktes Handeln ein paar Schnäppchen machen. Ebenfalls durch Auktionen versteigert werden Patentrechte. Solche technischen Neuerungen für Lokomotiven, die höhere Geschwindigkeit, bessere Beschleunigung oder niedrigere Betriebskosten bewirken, können für zehn Jahre exklusiv betrieben werden und so zu einem Vorteil gegenüber den anderen Spielern führen. Schließlich, um die Wirtschaft anzukurbeln, schreiben Städte Prämien für bestimmte Waren und für begrenzte Zeiten aus.

Der Aktienkauf und somit die feindliche Übernahme der Gegner ist nach wie vor im Spiel enthalten. Man kann selbst durch Aktienerwerb die eigene Kasse füllen, doch sobald ein Gegner 100% der Aktien besitzt, wird er zum Geschäftsführer. Es wird deshalb schon im Tutorial davor gewarnt, mehr als 50% der Aktien öffentlich anzubieten. Bei Gegnern, die man übernehmen möchte und die selbst noch Aktien besitzen, kann man alle restlichen Aktien zugleich zum doppelten Marktpreis erwerben.

Grafik und Sound

Sowohl das Intro-Video als auch das Hauptemenü-Hintergrundsvideo deuten bereits darauf hin: Wer Videos ruckelfrei sehen möchte, muss Rechner besitzen, die weit über den minimalen Systemanforderungen liegen. Im Spiel selbst reichen jedoch die angegebenen Mindestvoraussetzungen für flüssige Bewegungen aus. Die Welt ist, wie bereits erwähnt, eher karikaturartig dargestellt, doch an Details wurde nicht gespart: Alle Lokomotiven unterscheiden sich untereinander und vielfältige Animationen zum Beladen der Waggons sind im Spiel vorhanden. Leider sind auch ein paar seltene Bugs zu sehen (etwa wenn sich Schienen kreuzen oder sehr nah aneinander liegen), die hoffentlich im ersten Patch korrigiert werden. Die musikalische Untermalung passt sehr gut zum Spiel und wird selbst über einen längeren Zeitraum hinweg nicht eintönig.

 


Fazit

   Ganz groß auf der Verpackung von "Sid Meier’s Railroads" sieht man den Stempel "empfohlen von Märklin". Tatsächlich findet man in "Railroads" die perfekte Umsetzung einer Modelleisenbahn, ohne dass man dafür Tausende von Euros beim nächstliegenden Spielwarenladen lassen oder ein ganzes Zimmer für die selbst erschaffene Welt reservieren muss. Doch das Spiel hat zu wenig Entwicklung hinter sich und wurde in sehr vielen Bereichen sogar seinem 15 Jahre alten Vorgänger gegenüber vereinfacht. Es entfernt sich daher vom Genre der Wirtschaftssimulationen und geht eher in Richtung Aufbaustrategie. Für erfahrene Spieler, besonders diejenigen, die seit Jahren an das Mikromanagement von "Transporter Tycoon Deluxe" gewöhnt sind, ist "Railroads" viel zu simpel gestrickt. Für Anfänger ist es jedoch ohne Frage das beste Spiel auf dem Markt und wird sicherlich diejenigen, die sich im Multiplayer mit ihren Freunden messen möchten, durchaus interessieren.

Die größte Enttäuschung im Spiel sind die ständigen Abstürze zurück zum Desktop. Obwohl die Zeit im Spiel schnell vergeht (für manche Spieler viel zu schnell), benötigt "Railroads" nach wie vor Stunden, wenn nicht Tage, um durchgespielt zu werden. Die Lust geht aber bald verloren, wenn man einmal pro Stunde aus dem Spiel unwillentlich rausgeschmissen wird. Eine minütliche Auto-Save-Funktion im Spiel verhindert zwar den Verlust bislang erzielter Fortschritte, doch das kann nicht die Lösung des Problems sein. "Railroads" wird sicherlich ein suchtgefährdendes Spiel werden, aber erst dann, wenn der erste Patch die schlimmsten Fehler der bisherigen Kaufversion korrigiert hat. (14.11.2206)


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