Cargo! The Quest for Gravity (bitComposer) geschrieben von Kevin Krüger Grundlage für dieses Review: Preview-Version vom 30. März 2011
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"The Quest for Gravity", also "Die Suche nach der Schwerkraft", wirkt als Titel eines Videospiels etwas bizarr. In der Tat ist das russische Entwicklerstudio "Ice-Pick Lodge" wenn überhaupt für unkonventionelle Spiel-Ideen bekannt. Was sich die Entwickler des First-Person-Horror-Adventures "The Void" (2007 auf der russischen Game Developers Conference als originellstes Spiel ausgezeichnet) für dieses weniger düstere Third-Person-JumpnRun einfallen lassen haben, erfahren Sie in unserem Preview auf DLH.Net. Apokalypse Die Erde besteht nur noch aus einigen Inselgruppierungen im Ozean, denn "Dei ex Machina", also die Götter in Form einer Maschine mit drei Gesichtern, haben den laufenden Weltuntergang angehalten und die Schwerkraft aufgehoben. Das Resultat zeigt sich in Form von unzähligen Inseln, die durch die Stratosphäre driften. Um die scheinbar untauglichen Menschen zu ersetzen, schufen die Götter die so genannten "Kumpel". Diese dicken, kleinen und nackten Männchen besitzen eine entscheidende Fähigkeit: Haben sie Spaß, ist dieser so intensiv, dass er Gegenständen oder sogar ganzen Inseln ihr Gewicht zurückgeben kann. Um diesen Spaß haben zu können, orderten die Kumpel eine Lieferung verschiedener mechanischer Teile. Die zu den letzten Vertretern der Menschheit gehörenden Betreiber des Lieferunternehmens sind mit ihrem Luftschiff unterwegs, um die bestellten Waren zu überbringen, als sie abgeschossen werden. Versehentlich vom Himmel gepustet durch die Raketen, die von den Kumpeln im Zuge einer Freudenfeier in Erwartung ihrer Lieferung abgefeuert wurden. Die zwei Menschen an Bord Captain Borkin und der weibliche Ingenieurslehrling Flawkes taumeln also neben ihrer Fracht dem Erdboden entgegen. Der Kapitän ist aber nach Flawkes Landung verschollen, so dass die Lieferung an ihr hängen bleibt. Sie muss die Schuld bei den Kumpeln begleichen, indem sie dafür sorgt, dass die Kumpel genügend Spaß haben. Indem Flawkes diese anregt, die Schwerkraft wiederzuherstellen, möchte sie den Göttern zeigen, dass ihr Vorhaben, die Menschen zu ersetzen, falsch ist. Die Ingenieurin in spe ist schließlich ein Musterbeispiel dafür, dass nicht alle Menschen hoffnungslose Fälle sind. Wie weit fliegt ein Kumpel? Die Kumpel wollen Spaß, ob dabei das eigene Leben auf dem Spiel steht, ist ihnen einerlei. Sie lassen sich von der Protagonistin gern durch Tritte in den Hintern Flüge durch die Luft bescheren und halten sich an Fahrzeugen wie Autos, Helikoptern und Booten fest, die Flawkes in ihrer Eigenschaft als auszubildender Ingenieur gebaut hat. Auf diese Weise möchten die Kumpel dem Geschwindigkeitsrausch verfallen und durch abrupte Lenkmanöver umher geschleudert werden. Haben sie zu viel Spaß, zerplatzen sie auch gelegentlich, werden beim nächsten Ausbruch des auf der zentralen Insel gelegenen Vulkans neben Pianos und Kisten von diesem ausgespuckt und dürsten nach mehr. Tritte machen zwar Laune, aber Flawkes Maschinen lieben sie. Auch ein Ingenieur zaubert keine Fahrzeuge herbei Flawkes braucht also Maschinenteile und zwar eine Menge davon. Eine Methode zur Beschaffung dieser Bauteile ist das Einsammeln von herumliegenden Kisten, ansonsten bleibt ihr nur eine Shopping-Tour. In einem von den Göttern betriebenen Laden kann der Spieler für die örtliche Währung "FUN" alle Teile erwerben, die das Herz eines Ingenieurs höher schlagen lassen: Stahlplatten, Verbindungsstangen, Räder, unterschiedlich starke Motoren und vieles mehr. Bauen kann Flawkes ihre Fahrzeuge nach eingesammelten Bauplänen, die im entsprechenden Menü nur ausgewählt werden müssen und sofort fertiggestellt sind, oder nach den Vorstellungen des Spielers selbst. Der Baumodus, mit dem man selbst Hand an die Konstruktionen legen kann, ist einfach strukturiert und relativ intuitiv gestaltet; Genaueres, wie das Anbringen von Teilen, wird jedoch nur unzureichend erklärt. Man wählt als Basis eines der zur Verfügung stehenden Cockpits und kann gemäß dem Lego-Prinzip entsprechend passende Teile dazu stecken. Ebenfalls lassen sich so aus Bauplänen hergestellte Luft-, Land- und Wasserfahrzeuge erweitern oder verändern. Je größer die Fahrzeuge sind, desto höher ist das Gewicht, was die maximale Geschwindigkeit des Fahrzeugs negativ beeinflusst. Allerdings können sich an größeren Fahrzeugen mehr Kumpel gleichzeitig festhalten, um den maximalen FUN herauszuholen. Leider gibt es kaum Motivation, den gut umgesetzten Baumodus zu nutzen, denn alle Aufträge können mit den Fahrzeugen bewältigt werden, die auf der Grundlage der vorhandenen Baupläne konstruiert werden. Boni für Selbstgebautes gibt es nämlich nicht. Das universelle Zahlungsmittel FUN materialisiert sich, wenn die Kumpel Spaß haben, und kann dann vom Spieler eingesammelt werden. Neben Einkäufen im Bauteile-Laden kann FUN auch genutzt werden, um die in der Stratosphäre schwebenden Inseln auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Was aus der Stratosphäre geholt wird, bringt neue Kumpel mit, von denen nur eine begrenzte Anzahl vorhanden ist. Ihr Begehren, Spaß um jeden Preis zu haben, verleitet die nackten Männchen leider dazu, sich in lebensbedrohliche Situationen zu begeben. Sterben sie bei einer dieser Unternehmungen, verhält es sich nicht wie beim Bersten durch zu viel Spaß sie sind endgültig verloren und genau das sollte verhindert werden. Denn Flawkes braucht den FUN, um schließlich die Schwerkraft auf der Erde wiederherzustellen. Um den Kumpeln FUN abzuringen, kann der Spieler sie auch, sobald er genügend von den überall herumliegenden Musiknoten gesammelt hat, auf Knopfdruck zum Tanz einladen. Dabei sammeln sich alle Kumpel in Sichtweite um einen hüpfenden Notenschlüssel, der Musik spielt. Ein weiteres Feature des Spiels ist der Sandbox-Modus, in dem man sich ohne Aufträge nur auf das Bauen von Fahrzeugen konzentrieren kann. Ein erfrischend andersartiges Spielprinzip, gut umgesetzte, bizarre Atmosphäre, Humor und Stil machen "Cargo" einzigartig. Die gelungene Spielwelt wird jedoch von eigenartigen Äußerungen der Charaktere, anstrengender Steuerung sowie unsinnigen und sich ständig wiederholenden Aufträgen in den Hintergrund gedrängt. Die Preise im Teile-Shop sind so hoch, dass man des Öfteren ein Fahrzeug bauen und damit einige Zeit herumfahren muss, um ausreichend FUN zu sammeln. Das Herumbrausen mit den abenteuerlichen Apparaturen könnte durchaus Freude bereiten, wenn die Fahrphysik nicht so träge wäre. Neben der eigenwilligen Steuerung fällt negativ auf, dass ein Titel wie Cargo, der stark an Konsolenklassiker wie die "Banjo-Kazooie"-Reihe erinnert und wie dafür gemacht scheint, keine Gamepads unterstützt. Clippingfehler in Form von halb bis ganz im Boden befindlichen Kumpeln und Kisten stören den Spielspaß zusätzlich. Was als Nächstes zu tun ist, wird oft missverständlich oder schlicht falsch erklärt. Neben der Story gibt es leider überhaupt nichts zu entdecken oder zu tun. Bizarre Comicwelt Der comicartige Grafikstil von "Cargo" erzeugt zwar keine beeindruckenden Bilder, fügt sich aber gut in das Gesamtbild des Spiels ein. Die Texte auf den Ladebildschirmen, die die Geschichte um Flawkes' Abenteuer erzählen, sind wegen des Hintergrundes oft schwer zu entziffern. Einstellungsmöglichkeiten sind ausreichend vorhanden, um das Spiel auf langsameren Computern zum Laufen zu bekommen und auf Rechenmonstern mit Anti-Aliasing und HD-Auflösung erstrahlen zu lassen. Wie klingen nackte, anatomisch inkorrekte Zwerge? Die Musik ist schon von Haus aus peppig und einladend, "Cargo" kommt jedoch mit einem kleinen Zusatzprogramm, das dem Spieler als netten Bonus ermöglicht, seine eigene Musik in Form von MP3-Dateien für die Partie mit den Kumpeln zu verwenden. Es mag an der deutschen Lokalisation liegen, aber die Sprachausgabe in "Cargo" wirkt sehr eigenartig und unnatürlich. Die wohl lustig gemeinten Kommentare der Protagonistin scheinen wirr, inhaltslos und wiederholen sich ständig. "Cargo! The Quest for Gravity" glänzt mit einer ungewöhnlichen Story und neuartigem Spielprinzip. Dieses eigentlich weit überdurchschnittliche Spiel mit Innovationen und einnehmender Atmosphäre hat jedoch zu viele Schwachstellen, um sich selbst gerecht zu werden. Wirre Äußerungen der Charaktere, Clippingfehler und unklar formulierte oder gar völlig falsch erklärte Aufträge schwächen den Spielspaß unglücklicherweise zu stark ab. Die widersprüchliche und lückenhafte Story trägt ihren Teil dazu bei, sodass ich dringend empfehle, die auf der Webseite des Spiels erhältliche Demo zu testen, bevor man sich für den Kauf entscheidet. Durch die Problemzonen von "Cargo" wirkt auch der Ladenpreis von 19,99 etwas weit hergeholt und lässt wohl nur echte Fans des Bizarren und Unwirklichen zugreifen. (26.05.2011)
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