Die große Abenteuer-Box (dtp) geschrieben von Bernd Wolffgramm
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Früher gab es sie massenweise, heute fristen sie ein Schattendasein. Adventure- Games sind irgendwie in Vergessenheit geraten und dabei mag sie doch eigentlich jeder. Oder ist dieser Satz nur eine Art "Self-fulfilling Prophecy", es wird einfach solange behauptet, dass Adventures tot sind, bis jeder das dann auch glaubt. An dieser Aussage könnte etwas dran sein, denn dieses Jahr sind doch eine Reihe wirklich gute Abenteuer-Spiele erschienen und fanden ihre Käufer. Dazu hat auch der deutsche Publisher dtp einen entscheidenden Teil geleistet, der im Marktsegment Adventure-Games in Deutschland zum Marktführer aufgestiegen ist. Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft hat nun dtp noch einmal sechs, mit vielen Awards ausgezeichnete, Adventures auf zwei DVDs gepackt und bietet diese nun als "Die große Abenteuer-Box" an. Runaway - A Road Adventure (Pendulo Studios, 11/2002) Der junge New Yorker Physiker Brian Basco hat gerade seine Diplomprüfung bestanden und hat auch schon eine Doktorandenstelle im fernen und sonnigen Kalifornien so gut wie in der Tasche. Er packt also sein ganzes Hab und Gut in sein kleines Auto und will sich auf den Weg quer durch die USA machen, um die neue Stelle antreten zu können. Bis jetzt ist Brians Leben sehr ruhig verlaufen, doch alles ändert sich, als er noch einmal in die Zentralbibliothek will, um ein vorbestelltes Buch abzuholen. Auf dem Weg zur Bücherei läuft ihm eine junge Frau in das Auto und Brian bringt die bewusstlose Schöne ins Krankenhaus. Das Mädchen heißt Gina und ist Nachtclub-Sängerin. Nachdem sie erwacht ist, erzählt sie Brian eine Geschichte, die sein Leben aus den Bahnen geraten lässt. Gina besitzt ein Kruzifix, das ihr von ihrem Vater anvertraut wurde, der vor einiger Zeit von Mafiosi umgebracht wurde. Und jetzt sind diese Bösewichte hinter Gina her und auf der Flucht ist sie Brian vor das Auto gelaufen. Was nun kommt, ist vorhersehbar: Brian will der schönen Gina helfen und gerät dabei selbst in das Fadenkreuz der Mafia. Es entwickelt sich eine wilde Jagd quer durch die USA und für Brian Basco gilt es, das Geheimnis des Kruzifixes zu entschlüsseln und natürlich auch Ginas Herz zu erobern. In "Runaway - A Road Adventure" geht es um Sex and Crime, wobei es sich beim Sex mehr um Verbalerotik als um Befriedigung voyeuristischer Bedürfnisse handelt. Jedenfalls war die rüde Sprache und die angedeuteten sexuellen Ausschweifungen zum Beispiel der spanischen Jugendschutzbehörde einen "Ab 18"-Sticker wert, in Deutschland sieht man das nicht so eng, hier dürfen sich bereits Zwölfjährige legal Zugang zu dem Spiel verschaffen. Das Spiel ist ein klassisches Point&Click-Adventure: In 2D-Darstellung, mit der Maus steuert man das ganze Spiel, der Zeiger verändert sich, wenn er auf einen benutzbaren Gegenstand zeigt, im Inventar kann man Items lagern, kombinieren usw. Die Kombinations-, Gesprächs- und Logikrätsel sind nicht zu leicht und allesamt logisch aufgebaut, sie erstrecken sich oft über mehrere Screens und das macht das Ganze für Einsteiger ziemlich knifflig. Während des ganzen Spiels ist die Stimmung jederzeit situationsangemessen, dazu tragen die wunderschöne Grafik und die passende Musik bei. Wie bei dtp eigentlich immer, wurde besonders Wert auf die deutsche Synchronisierung gelegt, die es schafft, die spritzige Atmosphäre des Originals verlustfrei zu übertragen. Dieses Spiel ist vier Jahre nach dem Erscheinen (2001 in Spanien) immer noch eine echte Referenz. Homepage: Runaway - A Road Adventure
Tony Tough and the Night of the Roasted Moths (Nayma Software / PROtonic, 11/2003) Der Held der Story, Tony Tough, verdient seinen Lebensunterhalt als Privatdetektiv bei der Detektei Wallen & Wallen. Er hat sich dabei auf einen Fall eingeschossen, der für Verwirrung sorgt: In der Stadt geht ein Zuckerwaren- Dieb um, der die Kinder um ihre Süßwaren erleichtert. Tony hat sofort den Verdacht geäußert, dass dies nur Aliens sein könnten, die eine Invasion vorbereiten. Bei seiner Arbeit wird er unterstützt von seinem "Hund" Pantagruel, der eigentlich ein Tapir ist und auch für sein Leben gern Süßigkeiten nascht. Diese Leidenschaft wird dem "Hund" zum Verhängnis, denn ausgerechnet zu Halloween wird er entführt. Die Spur der Entführer führt in einen Freizeitpark und Tony versucht seinen tierischen Freund wiederzufinden und der Süßigkeitenklauerfall scheint sich hier ebenfalls zu lösen. Es hat sehr lange gedauert, bis Tony Tough auch in Deutschland auf den Markt kam. Bereits 1999 war es in Italien erschienen und es dauerte noch vier Jahre, bis das Spiel von dtp veröffentlicht wurde. Im Wesentlichen ist es ein klassisches Point&Click-Adventure im 2D-Stil ohne jeglichen Schnickschnack und Effekte. Für die deutsche Version wurden bekannte Synchronsprecher wie Monty Arnold und Markus Maria Profitlich verpflichtet, die dem Spiel einen besonderen Charme verleihen. Das Spiel verfügt über zwei Schwierigkeitsstufen, was vor allem Anfängern zugute kommt, die mit knackigen Rätseln überfordert sind. Die Grafik ist im Vergleich zu den zeitgleich erschienenen anderen Abenteuer-Spielen eher unterdurchschnittlich, zum Beispiel im Vergleich zum oben beschriebenen "Runaway - A Road Adventure". Wegen der gelungenen Story und dem Witz ist "Tony Tough and the Night of the Roasted Moths" aber auch heute noch eine kurzweilige Unterhaltung für 30 bis 40 Stunden. Homepage: Tony Tough and the Night of the Roasted Moths
Fenimore Fillmore - The Westerner (Revistronic, 03/2004) Im Jahre 1996 erschien das Spiel "3 Skulls of the Toltecs" mit dem Helden Fenimore Fillmore, das aufgrund seiner netten Handlung und seiner Abwechslung viele Auszeichnungen bekam. Ganze acht Jahre später stürzt sich der Cowboy in sein nächstes Abenteuer, wenn auch ziemlich zufällig. Fenimore Fillmore reitet durch die Nacht und als er an einer Ranch vorbei kommt, beobachtet er, wie einige Gestalten den Farmbesitzern zu schaffen machen. Da er neugierig ist, schleicht er sich an den Schauplatz heran und belauscht die Szenerie. Tollpatschig wie er ist, wird er bemerkt und es bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Bösewichte zu überwältigen. Das macht ihn nun leider zu einem Helden und die Farmer erwarten, dass Fenimore Fillmore sie auch in Zukunft vor dem Oberschurken Starek - der sich alle Ländereien der Gegend unter den Nagel reißen will - und seinen Spießgesellen beschützt. Natürlich kann er sich dieser Erwartung nicht entziehen, denn das will er auch gar nicht, denn schließlich kann er durch seine Heldentaten eventuell das Herz der schönen Lehrerin Rhiannon gewinnen. Die wohl wesentlichste Änderung zum Klassiker "3 Skulls of the Toltecs" ist leicht erkennbar: "Fenimore Fillmore - The Westerner" ist ein Adventure im 3D- Stil. Aber dennoch unterliegt "The Westener" nicht der Versuchung, den Spielverlauf durch häufige Action-Szenen aufzupeppen. Es kommt zwar auch zu kleinen Action-Einlagen, aber diese sind ziemlich leicht zu bewältigen, der Spieler braucht also nicht dauernd gefrustet Ballereien von Neuem beginnen, weil die Duelle zu schwierig sind. Leider wurden in der Anfangszeit des 3D-Adventures einige Spiele durch die neue Grafik verhunzt, bei "Fenimore Fillmore - The Westerner" ist aber genau das Gegenteil der Fall: Das gesamte Szenario wurde stilecht wiedergeben, Mimik und Gestik der Figuren wurden sehr schön animiert. Angenehm fällt auch auf, das Fenimore - anders als in manch anderen 3D- Abenteuern - leicht mit der Maus zu steuern ist, er bleibt also nicht alle Nase lang irgendwo hängen. "Fenimore Fillmore - The Westerner" hat bis heute nichts von seinem Comic-Charme verloren. Homepage: Fenimore Fillmore - The Westerner
Das Geheimnis der Druiden (House of Tales, 03/2001) Wer bei dem Wort "Druide" vor allem an Miraculix aus den Asterix-Comics denkt, der muss bei diesem Spiel etwas umdenken. Denn ganz im Gegensatz zu dem liebenswerten Zaubertrankbrauer aus Gallien sind die Druiden in diesem Spiel gar nicht freundlich. Das muss auch Brent Halligan, Detective bei Scotland Yard, erfahren, der von seinem Chef den Fall der Skelettmorde aufgebrummt kommt. Halligan ist aber hier nicht der strahlende Held oder das beste Pferd im Stall, sondern er ist eher so eine Art englischer Inspektor Columbo, unscheinbar mit grauem Trenchcoat. Leider hat er nach dem Tod von Lady Di Prinz Charles zur Fahndung ausgeschrieben und seitdem bekommt er nur noch die unansehnlichen Fälle, wie in diesem Fall die Skelettmorde. Seit einiger Zeit werden öfters Leichen gefunden, die bis auf die Knochen abgenagt worden sind. Brent Halligan glaubt schnell an Ritualmorde und kann Dr. Melanie Turner, eine 29-jährige Anthropologin, dafür gewinnen, mit ihm auf die Jagd nach den Mördern zu gehen. Die Wissenschaftlerin stellt den Kontakt zu Professor Blake, einem Druidenexperten, her und von diesem erfährt der Ermittler von einem über eintausend Jahre alten Ritual, das die Herrschaft der Druiden über die Menschheit zum Ziel hat. Und Halligan erfährt auch noch, dass dieses Ritual bald abgeschlossen sein wird. "Das Geheimnis der Druiden" spielt zu zwei Zeiten, in der Gegenwart und in der Vergangenheit. Der Held der Story muss in der Jetztzeit die richtigen Handlungen vornehmen, damit er in die Vergangenheit reisen darf, um das Druidenproblem an der Wuzel zu packen. Die Rätseldichte ist sehr hoch und immer sind alle Knobeleien logisch aufgebaut. Dass dabei manchmal im Ablauf der Vorgänge etwas übertrieben wurde, ist nicht weiter schlimm. Doch sollte man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, wenn man nicht genau weiß, wie man telefoniert: Erst den Hörer abnehmen, dann das Geld einwerfen, dann erst einmal versuchen zu wählen und schließlich im Telefonbuch die Nummer nachschlagen! Auch die Leute, die vor dem Wählen die Nummer ermittelt haben, kommen an dem beschriebenen Vorgang nicht vorbei. Solche und ähnliche Spitzfindigkeiten nerven etwas, aber das Spiel entschädigt von Anfang an mit einer spannenden und abwechslungsreichen Mystery- Detektiv-Geschichte, die Einsteigern und Adventure-Profis gefallen wird. Homepage: Das Geheimnis der Druiden
Sherlock Holmes - Das Geheimnis der Mumie (Frogwares, 12/2002) Auch der gute Sherlock Holmes hat sich mit einem Geheimnis herumzuschlagen: Bei ihm handelt es sich aber nicht um Druiden, sondern um eine Mumie, die sich scheinbar selbstständig gemacht hat. Der berühmte Detektiv wird von Elizabeth Montcalfe, der Tochter eines berühmten Ägyptologen und Sammlers schriftlich gebeten, sich um das Verbleiben ihres Vater zu kümmern, den die Polizei seit sechs Monaten als vermisst führt. Gerüchten zufolge soll er Selbstmord verübt haben, doch daran glaubt seine Tochter nicht. Also reist Sherlock Holmes nach Montcalfe Manor, um dort seine Ermittlungen zu beginnen. Auch ohne seinen Freund Watson findet Holmes schnell heraus, dass irgendetwas an der ganzen Geschichte faul ist. "Das Geheimnis der Mumie" ist ein Adventure aus der First-Person-Sicht, das in fünf Kapitel unterteilt ist. Der Schwierigkeitsgrad des Games nimmt mit jedem Kapitel weiter zu und der Spieler sieht sich oftmals ziemlich schweren Rätseln ausgesetzt, die etwas deplatziert wirken. Man hat eher das Gefühl, das einige Rätsel in den Ablauf eingefügt wurden, ohne dass sie so recht im Zusammenhang mit der Story stehen. Auch muss sich das Spiel vorwerfen lassen, dass sich für den Fortschritt notwendige Gegenstände manchmal nur sehr schwer finden lassen, vor allem Genre-Anfänger werden dadurch schnell frustriert. Leider wird auch die magere Story dem großen Sherlock Holmes nicht gerecht und wenn man "Das Geheimnis der Mumie" im Vergleich mit den anderen Spielen der Abenteuer-Box sieht, dann ist es auch noch eindeutig das Spiel mit der schlechtesten Grafik und Musikuntermalung. Homepage: Sherlock Holmes - Das Geheimnis der Mumie
Gilbert Goodmate (Prelusion Software, 06/2001) In "Gilbert Goodmate und der Pilz von Phungoria" - so heißt das Spiel eigentlich genau - lernt man die Geschichte des jungen Gilbert Goodmate kennen, der seinem Großvater zu Hilfe kommt. Der Großvater ist eigentlich der Bewacher des Pilzes, doch leider wurde der gestohlen und so gerät der Vorfahr in Todesgefahr. Der Pilz spielt für das Städtchen eine wichtige Rolle, symbolisiert er doch den Sieg über den bösen Zauberer Karn, der das ganze Land unterwerfen wollte. Seit jenem Sieg wird jedes Jahr ein neuer Wächter für diesen Pilz bestimmt und dieses Jahr war dann der Großvater von Gilbert Goodmate dran. Und der hat es vergeigt. Nun hat also der Held der Story eine Woche Zeit, um den Pilz wiederzubeschaffen oder der Opa stirbt schmachvoll. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel des Spiels steigert sich zunächst langsam, erreicht aber später durchaus Fortgeschrittenen- und Experten-Niveau. Die Knobeleien sind meistens objekt- oder inventarbezogen, aber immer ziemlich logisch herleitbar. Durch die große Anzahl an Rätseln, die durch Kombination von Objekten gelöst werden müssen, nimmt das Inventar schnell den Platz von drei Bildschirmen ein und man muss sehr viel herumklicken. Das ist nicht nur etwas unübersichtlich, sondern auch sehr zeitintensiv. Das ganze 2D-Adventure findet in sehr schön handgemalten Grafiken statt, die wenigen Cutscenes fallen allerdings etwas in der Qualität ab. Ansonsten ist das Spiel ein klassisches Adventure, das auf allen Schickschnack verzichtet. Homepage: Gilbert Goodmate
Fazit (14.12.2005)
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