John Woo Presents - Stranglehold (PS3) (Midway) geschrieben von Witali Blum
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1992 erschien unter der Regie von John Woo der Film "Hard Boiled", der den Kampf von Inspektor Yuen, auch genannt Tequila, gegen die Unterwelt Hongkongs actiongeladen in Szene setzte. Es war nicht nur die Geburtsstunde einer Kultfigur, die ihre Beliebtheit dem Schauspieler Chow Yun-Fat zu verdanken hat, sondern auch ein wichtiger Beitrag zum "Heroic Bloodshed"-Genre. Knapp 15 Jahre später lässt sich endlich eine Fortsetzung des Actionklassikers in interaktiver Form erleben, nämlich als Videospiel: "John Woo Presents - Stranglehold". Der Titel scheint auf den ersten Blick viel versprechend zu sein, da bei der Entwicklung sowohl der berühmte Regisseur als auch der Hauptdarsteller aktiv beteiligt waren. Im Würgegriff der Gangster "Stranglehold" beginnt wie "Hard Boiled" mit einem Bandenkrieg, dem der Machtkampf zwischen den herrschenden und aufstrebenden Gangs aus der Unterwelt Hongkongs zugrunde liegt. Wieder einmal steht die Polizei zwischen den Fronten und muss sich bemühen, eine Eskalation zu vermeiden. Die Lage spitzt sich jedoch zu, als ein Beamter entführt wird und ein Anrufer verlangt, dass zur Rettung ein Mitarbeiter des Hongkong Police Department erscheint. Die Bedingung ist natürlich, dass der Kontaktmann alleine kommt. Ohne jegliche Rückendeckung begibt sich Inspektor Yuen in eine offensichtliche Falle, mit der Hoffnung, seinen Kollegen vielleicht doch noch retten zu können. Leider ist alle Mühe vergebens und man findet den Beamten tot wieder. Die Hinrichtungsart, bei der man das Opfer durch die Polizeimarke erschoss, weist zunächst auf die Triaden als Täter hin, doch weitere Ermittlungen ergeben, dass jemand eine falsche Spur gelegt hat. Die Golden Kane, eine brutale Verbrecherorganisation ohne Prinzipien, will die alten Machthaber der Unterwelt ablösen und bedient sich dazu aller zur Verfügung stehenden Mittel. Leider kann Tequila das Problem nicht aus der Welt schaffen, indem er einfach alle Gangster mit massivem und stilvollem Einsatz von Feuerwaffen zur Strecke bringt, da ausgerechnet er von James Wong, einem Triadenboss, gebeten wird, nach Amerika zu reisen und Billie Wong, dessen Tochter, sowie seine Enkelin Teko aus den Händen der russischen Mafia zu befreien. Die Entführung verhindert nämlich, dass die chinesische Mafia ihre Angelegenheiten selbst bereinigen kann. Man mag sich fragen, warum ausgerechnet ein Polizist um Hilfe gebeten wird, anstatt eigene "Spezialisten" zu schicken. Die Antwort ist jedoch simpel: Billie ist Inspektor Yuens verflossene Geliebte und Teko das Kind, das aus dieser Verbindung hervorging. Als Außenseiter werden die Russen und das FBI ihn nicht näher beachten, sodass er unbemerkt seine Aufgabe erfüllen kann. Tequila begibt sich in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, um dort seine einzigen Verwandten zu befreien und dabei ordentlich die Unterwelt aufzumischen. Wird er seine Familie aus dem Würgegriff der Verbrecher befreien können? Die Ermittlungen In "Stranglehold" schlüpft der Spieler in die Rolle des furchtlosen Inspektors und bringt mit seinem berüchtigten "Knarrenballett" Gangster zur Strecke. Dabei gilt es, nicht nur die Gegner mit den zur Verfügung stehenden Waffen auszuschalten, sondern auch noch die Umgebung mit einzubeziehen. So kann man zum Beispiel Geländer hochlaufen oder hinuntergleiten, auf einen Rollwagen aufspringen und sich von einer Wand mit einem Rückwärtssprung abstoßen. Wenn man währenddessen Feinde tötet, wird man mit "Stilpunkten" belohnt, die später benutzt werden können, um Extras wie Videos oder Skins für das Onlinespiel freizuschalten. Natürlich wären alle Manöver viel zu schnell, um zusätzlich noch Gegner bekämpfen zu können. Glücklicherweise besitzt Inspektor Yuen übermenschliche Reflexe, die seine Wahrnehmung so beschleunigen, dass er das Geschehene in Zeitlupe erleben kann. Die so genannte "Tequila-Zeit" ermöglicht es dem Spieler, Feinde aufs Korn zu nehmen. In den Standardeinstellungen von "Stranglehold" ist diese Fähigkeit automatisch, man kann sie alternativ aber auch mit der "R2-Taste auslösen. Allerdings verhindert ein abnehmender Balken am linken Bildschirmrand, der sich nur in der "Normal-Zeit" wieder auffüllt, den unbegrenzten Einsatz. Darüber hinaus erlangt Tequila im Laufe seiner Kämpfe vier Spezialfähigkeiten, die man mit dem Steuerkreuz des Playstation 3-Controllers einschaltet. Diese so genannten "Tequila-Bombs" besitzen eine Energieanzeige, die man durch das Töten von Feinden auffüllt. Der "Gesundheitsboost" füllt einen Teil der Lebensanzeige, während die "Zielgenauigkeit" den Spieler in den Scharfschützenmodus versetzt, um einzelne Körperteile des Gegners anzugreifen zu können. Mit dem "Sperrfeuer-Angriff" kann Tequila 20 Sekunden lang mit seiner aktuellen Waffe ohne Munitionsverbrauch einen Kugelhagel erzeugen und ist dabei unverwundbar. Schließlich tötet man mit dem "Drehangriff" in einem bestimmten Radius effektvoll alle Gegner. Kleinholz machen Eine Besonderheit des Spiels ist die Tatsache, dass man alle Objekte darin zerstören kann, sodass das "Knarrenballett" des Inspektors deutlich sichtbare Verwüstungen am Kampfplatz hinterlässt. Leider gehen Gegenstände wie Kisten oder Tische bei Beschuss immer wieder auf die gleiche Weise kaputt, was die Faszination der Zerstörung etwas dämpft. Dafür kann man zum Beispiel mit herunterfallenden Schildern, Kronleuchtern oder Felsbrocken ebenso Feinde töten wie mit Projektilen, wenn man auf bestimmte Stellen in der Umgebung, wie Stützpfeiler oder Seilzüge, schießt. Man muss jedoch bedenken, dass auch die vermeintliche Deckung, hinter der man sich versteckt, unter heftigem gegnerischen Beschuss nachgibt. Das Arsenal, das dem Helden zur Verfügung steht, erstreckt sich von einfachen Pistolen über Maschinenpistolen, einem Sturmgewehr und einer Pumpgun bis hin zu einem Raketenwerfer, wobei der Spieler immer zwei Waffen trägt. Darüber hinaus kann man viele Feinde mit Splittergranaten niederstrecken. Merkwürdigerweise leidet das Spiel an einem oft in Actionfilmen anzutreffenden Logikfehler: Tequila muss trotz begrenzter Magazinkapazität nie nachladen, dafür aber seine Gegner, was es besonders leicht macht, sie zu töten. Nur die zahlenmäßige Überlegenheit der Gangster gleicht den Schwierigkeitsgrad des Spiels etwas aus. Weitere vorkommende Gegenstände sind Erste-Hilfe-Kästen, die Verletzungen komplett heilen, und Origami-Kraniche, die den Energiebalken der Spezialangriffe auffüllen. Fans von "Hard Boiled" wissen, dass die Papiervögel eine Hommage an den Filmklassiker darstellen und Menschen repräsentieren, die Yuens ehemaliger Partner Alen während seiner Undercover-Mission töten musste. Außerdem findet man immer wieder explodierende Tanks oder Fässer, die mit einem gezielten Schuss massive Verwüstung anrichten. Einer gegen alle Das gegnerische Verhalten in "Stranglehold" besitzt Lemming-Charakter, da feindliche Schützen nur in Ausnahmefällen Deckung suchen und viel lieber im großen Haufen heranstürmen. Spieler, die taktisch vorgehen, werden lediglich mit den Levelbossen einige Schwierigkeiten haben, weil hier entweder Geschicklichkeit beim Ausweichen vor den Angriffen oder pure Feuerkraft gefragt sind. Beim Letzteren hat sich vor allem die Pumpgun in Kombination mit "Sperrfeuer" bewährt, die Inspektor Yuen zu einer Einmannarmee machen. Sollte mal keine Waffe zur Hand sein, kann der Spieler Feinde mit einem Fausthieb niederstrecken. Für Abwechslung in den Schießereien bei "Stranglehold" sorgen so genannte "Standoffs", die man immer durch eine Videosequenz einleitet. Dabei wird Tequila von Gegnern umzingelt, die ihn bedrohen und anschließend angreifen. Während das Geschehen nur noch in Zeitlupe abläuft, muss Yuen Kugeln ausweichen und gleichzeitig sein Gegenüber mit gezielten Schüssen erledigen. Vorsicht ist geboten, da feindliche Treffer in diesem Minispiel schwere Verwundungen verursachen. Abgesehen davon gibt es noch Missionen, in denen man bestimmte Ziele wie "Bomben legen" oder "Drogentische zerstören" erfüllen muss. Ein Kritikpunkt des Spiels ist die Tatsache, dass manchmal Gegner an Stellen auftauchen können, an denen man logischerweise keine zu erwarten hat. So passiert es häufig, dass Gangster aus Hütten hervorspringen, die man zuvor mit einem Maschinengewehr in ein Sieb verwandelt hat. Ebenso können an manchen Missionsstellen im Hafenviertel unendlich oft Scharfschützen an Deck der zu sprengenden Schiffe erscheinen. Dies erhöht künstlich den Schwierigkeitsgrad und wird auf Dauer lästig, da der Spieler in solchen Situationen zu einem Sturmangriff gezwungen wird. Um die äußerst kurze Spielzeit von "Stranglehold" auszugleichen, haben die Entwickler neben drei Schwierigkeitsgraden einen Online-Spielmodus integriert, bei dem man sich theoretisch im "Deathmatch" oder "Team-Deathmatch" nach Herzenslust austoben kann. Praktisch stößt man allerdings auf einige Hürden, die langfristig den Spielspaß verderben. So hat man unter anderem versäumt, die "Tequila-Bombs" anzupassen, was zum Beispiel die "Zielgenauigkeit" unbrauchbar und den "Drehangriff" übermächtig macht. Außerdem bringt eine von einem beliebigen Spieler aktivierte "Tequila-Zeit" keinen Vorteil in Gefechten, weil dann die Zeitlupe für alle Mitspieler gilt. Feuer frei Die Steuerung des Helden erfolgt wie gewohnt mit den Analogsticks. Während der linke für die Beinarbeit zuständig ist, kontrolliert der rechte das Sichtfeld beziehungsweise das Fadenkreuz. Die "R"- und "L"-Knöpfe sind für die Interaktionen mit der Umwelt zuständig, zu denen auch das Schießen zählt. Ausnahmeweise spielen die Symboltasten des Playstation 3-Controllers eine untergeordnete Rolle, da man mit ihnen nur die Waffe wechselt oder Granaten wirft. Mit "Select" kann man die Missionsziele betrachten, falls man den aktuellen Auftrag vergessen hat. Interessanterweise haben die Entwickler nicht versucht, auf Teufel-komm-raus die Bewegungssensoren ins Spiel zu integrieren. Vermutlich liegt es daran, dass man dadurch in den actiongeladenen Schießereien ungewollt aktivierte Aktionen verhindern wollte. Obwohl die Steuerung nach einer gewissen Eingewöhnungsphase leicht zu handhaben ist, hätte man sich gewünscht, dass das Anvisieren der Feinde für Anfänger dem Schwierigkeitsgrad entsprechend automatisch von statten ginge. Unter der Lupe In keinem Spiel zuvor wurde eine Zerstörungsorgie so detailliert präsentiert wie in "Stranglehold". Fast jedes sichtbare Objekt lässt sich entweder physikalisch korrekt zerlegen oder zumindest sichtbar beschädigen. Unter einem Kugelhagel splittern Säulen, bersten Tische, explodieren Benzinfässer oder Autos, zerspringen Gläser und sterben Gegner. Dank der verbesserten "Unreal 3-Engine sowie der neu entwickelten "Massive D"-Engine (Massive Destructability/dt.: "massive Zerstörung) erlebt man ein Fest für die Sinne. Darüber hinaus bemühten sich die Entwickler, mit Motion-Capturing die Gesichtszüge von Chow Yun-Fat, der Inspektor Yuen spielt, einzufangen, sodass man den Stress in heftigen Feuergefechten deutlich in der Mimik und Gestik des digitalen Alter Egos ablesen kann. Ferner führte John Woo Regie über die Zwischensequenzen und legte persönlich die optimalen Kameraeinstellungen fest, die dem Spieler den Eindruck vermitteln, selbst im Film mitzuspielen. Auf diese Weise wird selbst die leicht voraussehbare Story spannend inszeniert. Leider besitzt "Stranglehold" auch einige optische Schwächen: Die Licht- und Reflexionseffekte sind nicht so stark ausgereift wie bei einigen anderen Spieletiteln für die Playstation 3, und manche Objekte erscheinen viel zu kantig für ihre Form. Nur die Tatsache, dass sie ohnehin im Kugelhagel zerbröseln, lässt darüber hinwegsehen. Außerdem ist das Leveldesign sehr linear und erlaubt keine Umwege. Fragwürdig ist auch die Tatsache, dass in der "Tequila-Zeit" das Sichtfeld eine rosa Farbe annimmt. Man hätte die Wahrnehmung des Inspektors bei aktivierter Zeitlupe genauso belassen können wie im normalen Modus. Einer der größten Kritikpunkte ist jedoch ausschließlich in der deutschen Version von "Stranglehold" anzutreffen. Trotz fehlender Jugendfreigabe hat man die Version für erwachsene Spieler stark entschärft, sodass Blut höchstens in den Zwischensequenzen fließt. Die Leichen der getöteten Gangster lösen sich auf wundersame Weise in Nichts auf und selbst die filmreifen Sterbeszenen von mit "Zielgenauigkeit" erledigten Gegnern enthalten keinen Tropfen roter Farbe. Damit unterliegt das Spiel ebenso wie der Film "Hard Boiled" der Geißel der Zensur. Wenn man schon knapp 70 Euro für "Stranglehold" ausgibt und beim Kauf seinen Personalausweis zückt, möchte man doch erwarten, dass wenigstens der Inhalt derselbe ist, wie zum Beispiel bei den amerikanischen Bürgern, die ja sogar das Recht haben, Waffen zu tragen. Sobald ein Spiel so stark auf "sinnloser Gewalt" aufgebaut ist wie "Stranglehold", erscheint das Fehlen von Blut und Leichen als eine Art Euphemismus. Eine solche Kastration sollte zumindest auf der Spielpackung vermerkt werden, damit erwachsene Bürger den Originaltitel aus dem Ausland beziehen können. Horchposten Die deutsche Synchronisation des Spiels ist gut gelungen, zumal die Sprecher der Hauptfiguren wie Tequila oder seines Vorgesetzten Kapitän Ed Lee die gleichen Stimmen haben, wie im Film "Hard Boiled". Spielt man "Stranglehold" auf Englisch, so bekommt der Spieler sogar die Originalstimme von Chow Yun-Fat inklusive Akzent zu hören. Die Gestik und Mimik in den Zwischensequenzen stimmt größtenteils mit dem gesprochenen Text überein, so dass man oft das Gefühl hat, einen Film vor sich zu haben. Der Soundtrack ist der Situation entsprechend gut gewählt, so dass zum Beispiel bei Feuergefechten die Dramatik der Situation betont wird. Alle Schüsse, Explosionen oder andere Geräusche der Zerstörung wirken glaubwürdig. Zusätzliche Details wie zum Beispiel die Tatsache, dass chinesische Gangster sich gegenseitig im Kampf in ihrer Muttersprache etwas zurufen, runden die Geräuschkulisse positiv ab. Besitzer von Mehrkanaltonanlagen haben außerdem den Vorteil, das Spiel in Kinoqualität erleben zu können. Fazit Wer ein Spiel erwirbt, das eine Fortsetzung eines Films aus dem "Heroic Bloodshed"-Genre darstellt, sollte sich keine Illusionen über den Inhalt machen, denn dieser besteht zu 99,99 Prozent aus Schießereien und Explosionen. Die beiden Hauptelemente werden jedoch sehr gekonnt in Szene gesetzt, sodass die massive Zerstörung ein Erlebnis für die Sinne wird. Mit seiner kurzen Story und einfachen Steuerung taugt "John Woo Presents - Stranglehold" sehr gut dazu, Dampf abzulassen, wenn man die Finger vom Online-Spielmodus lässt, der eher frustrierend ist. Auf jeden Fall ist das Spiel ein Muss für alle Fans, die schon lange auf eine Fortsetzung des Films "Hard Boiled" mit der Kultfigur Inspektor Yuen Tequila gehofft haben. (10.01.2008) |