Das Bourne Komplott

(Sierra)

geschrieben von Uwe Schöler

Wer ist Bourne?

Die Frage ist im Prinzip ganz einfach zu beantworten: Sie sind Bourne. Nur wissen Sie das nicht und ebenso haben Sie keine Ahnung, für wen Sie arbeiten. Im Spiel "The Bourne Conspiracy - Das Bourne Komplott" können Sie zum ersten Mal in die Rolle des Elite-Agenten Jason Bourne schlüpfen und auf eigene Faust herausfinden, wer Sie eigentlich sind. Kann "Sierra Entertainment" die Fans actiongeladener Filmstreifen, wie "Die Bourne Identität", "Die Bourne Verschwörung" oder "Das Bourne Ultimatum" von der Übersetzung des filmischen Themas auf die Konsole überzeugen? Immerhin befasst sich das Spiel lediglich mit einigen Ausschnitten aus dem ersten Teil der Filmreihe.

Wo bin ich?

Sie werden bewusstlos aus dem Wasser gezogen und können sich an nichts mehr erinnern. In Ihrem Rücken stecken zwei Kugeln und unter Ihrer Haut finden Sie die Nummer eines Schweizer Bankschließfaches. So beginnt nicht nur der Film "Die Bourne Identität", sondern auch das Spiel. Sie erlangen an Bord eines Kutters vor der Küste Marseilles das Bewusstsein wieder, und Ihre Erinnerungen sind wie ausgelöscht. Schnell merken Sie aber, dass Sie rund sechs Sprachen perfekt beherrschen und ganz genau wissen, wie Sie einen Gegner in kürzester Zeit unschädlich machen können. Nach und nach formen sich Bilder gefährlicher Missionen in Ihrem Bewusstsein, die Sie für Erinnerungen halten.

Die Handlung des Spiels spiegelt nicht den gesamten ersten Teil der Filmreihe wider, sondern wird nur in bestimmten Sequenzen dargestellt, was sich aber nicht nachteilig auswirkt; erzeugt doch die Geschichte eine enorme Spannung. Zum einen spielen Sie oft Szenen aus Ihrer Erinnerung, die Sie früher erlebt haben und zum anderen bleibt es Ihnen nicht erspart, sich auch in der Gegenwart mit ungeliebten Kontrahenten auseinanderzusetzen. So zum Beispiel müssen Sie auf Wambosis Yacht, um Ihn zu töten, wobei Sie das ja bereits fast geschafft hätten, bevor man Ihnen zwei Kugeln in den Rücken jagte. Interessante Gegenwartssituationen sind zum Beispiel die Verfolgungsjagd mit dem Rover Mini durch Paris oder der Kampf gegen Auftragskiller.

Die so erzeuge Spannung treibt Sie zu den Schauplätzen nach Marseille, Paris oder den Flughafen in Zürich, wo Sie sich ihrer Haut erwehren müssen. Natürlich in gewohnter Kämpfermanier, wie es sich für einen gut ausgebildeten Killer gehört. Sie können zum einen bis zu zwei Waffen tragen und sie abwechselnd benutzen; vorausgesetzt, Sie verfügen über genügend Munition. Diese finden Sie fast überall in verschiedenen Kisten. Zum anderen haben Sie ja Ihre Fäuste und Ihre Tritte, mit denen Sie dem Gegner zu Leibe rücken. Vor allem dann, wenn Sie sich nah genug an einem Gegner befinden, wird automatisch in den Nahkampfmodus umgeschaltet. Nun dürfen Sie sich prügelnderweise Ihrer Gegner entledigen. Natürlich spielt das Adrenalin eine große Rolle. Mit den sogenannten Takedowns haben Sie schnell wieder freie Sicht auf das Ziel beziehungsweise den Auftrag, denn Ihre Feinde liegen ruckzuck am Boden. Auch wenn die einzelnen Level absolut linear sind und Ihnen keinen Spielraum lassen, ist das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Flashbacks, also den Erinnerungen, genial umgesetzt und der "Bourne-Instinkt" hilft Ihnen, die Umgebung zu sondieren. Besonders in Szenen, die sehr dunkel sind, erweist er sich als hilfreich.

Bourne-Instinkt?

Wie bereits erwähnt, besteht die Handlung aus Erinnerungen und Gegenwartssituationen, in denen Sie sich beweisen können. Sehr oft werden Sie wohl im Nahkampf auf Ihre Gegner treffen, denen Sie mit Faustschlägen oder Fußtritten entgegentreten. Dazu bedarf es lediglich zweier Tasten, mit denen Sie Ihre Kampfkünste zeigen. So beginnen Sie einen leichten Angriff mit Drücken der Viereck-Taste beziehungsweise einem leichten Tritt, wenn Sie die Taste länger gedrückt halten. Einen schweren Angriff hingegen erreichen Sie durch Betätigen der Dreiecks-Taste. Sie werden es erraten haben: Halten Sie die Taste länger gedrückt, bewirkt das einen starken Tritt. Mit der Kreuz-Taste können Sie Schläge Ihres Gegners abblocken, sodass diese ins Leere laufen.

Die Steuerung ändert sich allerdings in Abhängigkeit von der Situation. Halten Sie gerade eine Knarre in der Hand, schießen Sie mit der "R1-Taste" und zielen mit dem rechten Joystick. Ähnlich ist es bei der Steuerung der Fahrzeuge. Dabei beschleunigen Sie den Wagen mit Drücken der "R1"-Taste. Es lohnt also der Blick in das Handbuch, das - nebenbei erwähnt - kurz, aber ausreichend ist. Haben Sie einmal keinen Feindkontakt, können Sie mit der Dreiecks-Taste den Bourne-Instinkt auslösen, der Ihren Blick auf das Wesentliche schärft. So werden ausschließlich Objekte hervorgehoben, die für die Mission bedeutsam sind. Das heißt, Feinde, Türen, Schlösser und Munitionskisten heben sich deutlich von der Umgebung ab, indem sie aufleuchten. Solange Sie in der Schwierigkeitsstufe "Rekrut" spielen, ist das Benutzen des Bourne-Instinktes kein Problem. Sie sollten allerdings vorsichtig damit umgehen, wenn Sie die Stufe "Agent" oder "Attentäter" gewählt haben. Auf ihnen verbraucht der Instinkt wertvolles Adrenalin.

Adrenalin ist der Schlüssel zum Erfolg. Jeder Schlag, Tritt oder Treffer lässt Ihren Adrenalinspiegel steigen, der sich in drei Stufen aufbaut. Die Anzeige dafür ist unten rechts am Bildschirm angeordnet. Sobald Sie die erste Stufe erreicht haben, können Sie die Takedowns ausführen, bei denen die Kampfszenen meist in Zeitlupe über den Bildschirm flimmern. Bis es soweit ist, sollten Sie Schläge und Tritte kombinieren, um wirkungsvolle Combos auszuführen. Damit können Sie Ihre Kontrahenten schnell betäuben und kampfunfähig machen. Da sich Ihr Adrenalin in drei Stufen aufbaut, sollten Sie nicht gleich bei der erstbesten Situation darauf zurückgreifen. Gerade wenn Sie von mehreren Gegnern umringt werden, ist Stufe zwei oder drei besser; denn dann werden Sie mit mehr als nur einem Gegner fertig. Mit der dritten Stufe können Sie drei Feinde gleichzeitig ausschalten.

Takedowns gibt es für viele Situationen. Sie können sie im Nahkampf, Sprint oder in Verbindung mit einer Waffe benutzen. Hat Ihr Adrenalin die erste Stufe erreicht und sind Sie dadurch in der Lage, einen Takedown auszuführen, wird dies durch ein entsprechendes Symbol angezeigt. Manchmal sind sogenannte Schnellaktionen von Ihnen gefordert, die nicht immer leicht zu sehen sind. Eine Schnellaktion erfordert von Ihnen sofortige Reaktionen durch Drücken der auf dem Bildschirm angezeigten Taste. Das ist nicht immer einfach, denn gerade wenn Sie sich im Nahkampf einen Bossfight liefern und mit der "Dreiecks-" und "Vierecks-Taste" zugange sind, taucht manchmal das Symbol für die Schnellaktion auf, und schon haben Sie unbeabsichtigt gerade die falsche Taste gedrückt. Das ist aber nicht weiter schlimm, außer, dass der Kampf etwas länger dauert, denn gerade ein Level-Endgegner geht nicht mit einem einzigen Tritt oder Fausthieb zu Boden. Neben den Takedowns müssen Sie die Schnellaktion auch in bestimmten Level-bezogenen Situationen drücken; zum Beispiel dann, wenn Sie der Polizei entkommen müssen.

Obwohl die Areale absolut linear sind und Ihnen der Weg von A nach B wie in Stein gemeißelt vorkommt, entdecken Sie dennoch viele Dinge, die alles andere als langweilig sind. Vor allem die Interaktion mit der Umgebung ist überzeugend umgesetzt. So können Sie Ihren Gegnern die Deckung zerschießen, zumal dann, wenn sie sich hinter Kisten aufhalten. Scheiben gehen zu Bruch, Gasometer fliegen in die Luft oder Feuerlöscher fallen aus ihrer Verankerung. Sobald Sie selbst mit der Umgebung interagieren können, wird unten rechts ein entsprechendes Symbol eingeblendet. Für Sie heißt es dann, entweder etwas zu öffnen, ein Schloss zu knacken, Türen aufzumachen, zu klettern oder zu springen. Natürlich können Sie auch immer selbst in Deckung gehen, wenn Sie sich in der Nähe von etwas befinden, das Ihnen den nötigen Schutz bietet.

Wenn Sie selbst als Rekrut einmal Ihr Leben lassen müssen, speichert das Spiel den Fortschritt Ihrer Mission in bestimmten Zyklen und bietet Ihnen damit die Möglichkeit, nicht immer den jeweiligen Level neu durchkämmen zu müssen. Sie steigen sofort am letzten Kontrollpunkt wieder in das Geschehen ein und versuchen einfach eine andere Taktik, um Ihren Gegnern den Garaus zu machen. Werden Sie getroffen, sei es im Nahkampf oder durch Schüsse, aktiviert sich die Anzeige Ihrer Lebensenergie, die durch jeden weiteren Treffer sinkt. Haben Sie ihr Leben fast ausgehaucht, färbt sich zudem noch das Bild auf dem Fernsehschirm rot. Das sollte für Sie das Zeichen sein, sich schnell Deckung zu verschaffen, um kurz zu verschnaufen. Sie werden sehen, wie schnell Sie dank Selbstheilung wieder fit sind.

Kinoreifer Filmschnitt?

Das "Bourne-Komplott" kann mit seiner Darstellung und den kinoreifen Videosequenzen durchaus an die drei Filme anknüpfen, auch wenn die Geschichte nur Schlüsselszenen bietet. Detaillierte Charaktere, eine interaktive Umgebung und der nahtlose Wechsel zwischen Video- und Kampfsequenzen sprechen uneingeschränkt für sich. Flüssige Kampfbewegungen, die realistischer kaum sein könnten, sowie der ständige Wechsel der Kameraperspektive werden Sie in den Bann ziehen. Vor allem die dramatischen Zeitlupenkämpfe sind sehr gut anzuschauen.

Dennoch muss man ein paar Abstriche bei der Grafik machen, denn manchmal fragt man sich, wer die Kamera in solch bizarre Positionen bringt. Einmal sehen Sie den Kampf aus der Vogelperspektive, ein anderes Mal gar nicht, weil eine Wand dazwischen ist. Die Umgebung ist bisweilen zu arm an Details; zudem wirken Autoreifen immer noch reichlich kantig und zu allem Überfluss stockt der Bildablauf ab und zu in sehr störender Weise. An der Grafik-Engine bleibt also noch einiges zu feilen.

Der Sound hingegen ist eindrucksvoll und wirklich passend zu den einzelnen Geschehnissen. Eine optimale Geräuschuntermalung ist da zu vernehmen, wo es auf sie ankommt und zwischendrin sind perfekte Effekte zu hören, die das Spiel noch realistischer erscheinen lassen. Dazu kommt eine sehr gute Sprachausgabe, die auf Deutsch ebenso wie auf Englisch einfach super anzuhören ist. Interessant ist, dass in der deutschen Fassung der Synchronsprecher von Matt Damon zu hören ist, auch wenn der grafische Charakter im Spiel ihm nicht einmal ansatzweise ähnelt. Das tut dem Ganzen aber keinen Abbruch.