ÜberSoldier (CDV) geschrieben von Bernd Wolffgramm
| |||||||||||||||
"Endlich mal wieder ein missionsbasierter Singleplayer-Egoshooter!" werden sich die einen denken, die anderen fragen sich, wieso noch Spiele produziert werden, die ohne Internet-Flatrate auskommen und ohne TeamSpeak gezockt werden können. Obwohl "ÜberSoldier" wohl mit einem relativ kleinen Budget auskommen musste, ist es seit einiger Zeit in aller Munde. Das liegt zum einen an den Spekulationen, wie denn ein Spiel mit einem Wehrmachtssoldaten als Helden wohl ankommen würde und einer Art Guerilla-Marketing des Publishers, der diese Spekulationen durch martialische Werbung angeheizt hat. Hat man das Spiel dann in den Händen, dann fragt man sich wirklich, auf was man sich da eingelassen hat, denn auf der Verpackung ist nur ein Konterfei eines Soldaten zu sehen, der eine Gasmaske trägt. Und dann beschleicht den Spieler schon ein komisches Gefühl ... Wehrmacht ... Gasmaske ...na, ob das gut geht? Die Machenschaften des Dr. Schäfer Erzählt wird eine wilde Geschichte: Der deutsche Wissenschaftler Ernst Schäfer ist im Jahre 1938 Mitglied einer Expedition nach Tibet. Von dort aus bringt er ein Geheimnis mit, das er nutzen will, um für Nazi-Deutschland eine Armee von unverwundbaren und furchtlosen Killermaschinen zu schaffen, die ÜberSoldier. Das, was Schäfer im Fernen Osten entdeckte, war die Fähigkeit, Tote wieder ins Leben zurückzuholen. Das ganze Verfahren hatte auch noch den Nebeneffekt, dass der Todesschock den Wiederbelebten mit übernatürlichen Fähigkeiten ausstattete. Leider hatte das Prozedere auch einen entscheidenden Fehler: Der Neugeborene verliert die Bereiche seines Gehirns, die für Gehorsam und Unterordnung zuständig sind. Erst 1944 gelingt es Ernst Schäfer nach vielen Experimenten, diesen Mangel zu beheben und so ist er nun in der Lage, ÜberSoldaten zu "produzieren", die auch noch gehorchen. Die Killermaschinen müssen aber nach dem Erwachen erst konditioniert werden, sie werden jedem gehorchen, der ihnen den ersten Befehl gibt. Soweit die Vorgeschichte. Rolf Stolz ist deutscher Elitesoldat, trotz seiner erst 23 Jahre ist er schon Offizier der Wehrmacht. Seine Truppe reist 1944 zu einem Einsatz in Nordfrankreich, da wird der Konvoi von Widerstandskämpfern angegriffen. Alle Soldaten sterben und mit ihnen auch Rolf Stolz. Sein lebloser Körper wird geborgen und in das Labor von Ernst Schäfer gebracht. Dieser ergreift die Gelegenheit und erschafft mit Rolf Stolz den ersten ÜberSoldaten, der auch gehorchen wird. Nach der Operation wird er noch im Operationskoma in eine Zelle gebracht, niemand darf mit ihm sprechen, damit sichergestellt wird, dass nur Ernst Schäfer den ersten Befehl aussprechen darf. Und nun passiert etwas Unvorhersehbares. Einige Widerstandskämpfer schleichen sich in den Hochsicherheitstrakt, auf der Suche nach einer anderen Person. Da die Zellen nicht beschriftet sind, öffnen sie alle Türen und so steht die Rebellin Maria plötzlich im Verwahrraum von Rolf Stolz. Da er nicht gefährlich ist und sich noch sichtlich benommen verhält, fragt sie ihn nur aus, er kann sich aber an nichts erinnern. Irgendwie hat sie Mitleid mit ihm und spricht dann die verhängnisvollen Worte aus: "Ok, dann nichts wie raus hier ..." Der erste Befehl! Und so wird aus dem Wehrmachtsoffizier Rolf Stolz der Widerstandskämpfer Rolf Stolz. Und jetzt folgt die Geschichte, die vielen Egoshootern innewohnt: Super-Burschi rettet die Welt. In diesem Fall ist es Rolf Stolz, der nun von seinen neuen Verbündeten für die heiklen Selbstmord-Kommandos eingesetzt wird. Ziel seines Kreuzzugs ist es, zu verhindern, dass noch mehr ÜberSoldaten seiner Güteklasse hergestellt werden können. Der Soldat reist dafür durch halb Europa, mit dem Ziel, zunächst die Herstellung der Droge zu unterbinden, die die ÜberSoldaten erschafft und dann natürlich, um seinen Schöpfer auszuschalten. Die Machenschaften des Rolf Stolz Muss man einen Egoshooter erklären? Die Kurzversion des Gameplays wird wohl ausreichen. Der Spieler bekommt zu Beginn jeder Mission gesagt, was er tun soll, die Aufgaben sind alle eher kurzfristiger Art und heißen auf die ein oder andere Weise immer "Gehe zu ...". Zwischen dem Ausgangspunkt und seinem Ziel stehen hordenweise Feinde, die es zu überleben gilt, in diesem Spiel ist es manchmal sogar explizit so, dass das Töten aller Feinde das Ziel ist. Um sein Mordhandwerk erfolgreich durchführen zu können, steht Stolz ein Arsenal von Waffen zur Verfügung, auf dessen Zusammensetzung er aber kaum Einfluss hat. Seine Erstausstattung zum Missionsbeginn kann er nur dadurch verändern, in dem er die herumliegenden Leichen fleddert und deren Waffen aufnimmt. Das Spiel erlaubt es, fünf Waffen mitzunehmen: eine Pistole, ein leichtes MG, eine panzerbrechende Waffe, Handgranaten und ein Spezialgewehr. Unter letzterem versteht man zum Beispiel die Sniper Rifle oder halbautomatische schwere MGs. Es sind aber nicht die Waffenkenntnisse und -fähigkeiten, die Rolf Stolz so stark machen, sondern eine Sonderfertigkeit, die er wohl bei seiner Wiederauferstehung erhalten hat. Er kann einen so genannten Zeitschild aktivieren, der zunächst erst einmal einfach alle auf ihn abgefeuerten Kugeln abfängt, er kann also temporär ungefährdet auf seine Gegner losstürmen und wird nicht von Kugeln getroffen. Der Zeitschild verbraucht aber Energie, die im Spiel immer dann aufgefüllt wird, wenn Stolz erfolgreich Feinde tötet. Der Zeitschild verfügt über zwei Modi: Ist er auf der Energieskala bis in den weißen Bereich aufgefüllt, dann fängt der Schild die Kugeln nicht nur ab, sondern er schießt sie nach einige Sekundenbruchteilen in Blickrichtung wieder ab. Reicht die Energie nur für den blauen Sektor der Skala, dann fallen die Patronen lediglich zu Boden. Das zweite Feature, das dem ÜberSoldaten eigen ist, wird als das Emotionensystem bezeichnet. Stolz kann zwei Gefühlsregungen in einen Vorteil ummünzen. Da wäre zunächst der Ärger, dieser setzt ein, wenn er drei Feinden innerhalb einer kurzen vorgegebenen Zeit einen Headshot verpasst. Sobald er den ersten Kopftreffer landet, läuft ein Statusbalken rückwärts, der die Zeit anzeigt, die ihm bleibt, um zwei weitere bedauernswerte Feinde auf die gleiche Weise zu töten. Schafft er dies, dann wird so das Energiefassungsvermögen seines Zeitschilds erhöht. Das andere Gefühl, das Stolz bekämpfen muss, ist Zorn. Auch hier muss er innerhalb einer bestimmten Zeit drei Feinde auf dieselbe Art und Weise erledigen, diesmal allerdings nicht mit einer Schusswaffe, sondern mit dem Messer. In der Praxis sieht das dann so aus, dass der ÜberSoldat wie ein Berserker durch die Massen pflügt. Hat er die drei Abstiche erfolgreich hinter sich gebracht, dann steigt sein Gesundheitsvolumen um zwei Einheiten. Damit man eine Chance bekommt, diese beiden Features auszunutzen, erscheinen Feind-Patrouillien in diesem Spiel immer zu dritt und nicht wie in anderen First-Person-Shootern im Doppelpack. Die Machenschaften der Spieldesigner Das Spiel ist ziemlich linear und es gibt überhaupt keine Rätsel zu lösen, die für das Spiel wichtig wären. Zwar schickt die Handlung den Spieler ab und zu mal auf Terrain zurück, das er aus dem Spielverlauf schon kennt, aber auch hier gibt es keine Überraschungen, nur - wie üblich - sind plötzlich Türen passierbar, die vorher verschlossen waren. Außerdem steht dem Spieler ein Kompass zur Verfügung, der neben der aktuellen Position auch die Marschrichtung anzeigt, die eingeschlagen werden muss, um zum nächsten Ziel zu kommen. Das macht die Orientierung sehr leicht, fast zu leicht. Dafür hat der Spieler dann die Zeit, sich die Levels mal genau anzusehen. Die Umgebungs- und Himmelsgrafiken sind erstklassig, geradezu schön, wenn man bei diesem düsteren Umfeld von "schön" sprechen kann. Gleiches gibt für die Charaktere und Feinde, hier haben die Programmierer von "Burut Creative Team" wirklich hervorragende Arbeit geleistet, vor allem wenn man im Hinterkopf hat, dass es sich hierbei sicher nicht um eine Mehrere-Millionen-Dollar-Produktion handelt. Die Levelauswahl entspricht dem, was man erwartet, es geht um Fabriken, Kasernen, Höfe und Gefängnisse. Eine Überraschung ist dann allerdings doch noch dabei, ein Level spielt auf einem U-Boot. Nachdem Karl Stolz das U-Boot unter seine Kontrolle gebracht hat, muss er zunächst per Torpedo die umliegenden Kriegsschiffe versenken und sich dann per Flak Massen von Flugzeugen erwehren. Vor allem Letzteres ist eine große Herausforderung und eine schöne Abwechselung. Ansonsten verfügt das Spiel über alles, was heutzutage auf dem Designmarkt "State of the Art" ist: Shader-Effekte, ein Ragdoll-System und eine Physik-Engine. Kommen wir zum Hinkefuß des Spiels, dem Sound. So gut die Grafik und das Leveldesign sind, so schlecht ist die Gesamtnote des Sounds. Die Hintergrundmusik ist zwar von der Komposition her ok, aber derart langweilig, dass man sie bald nicht mehr hören kann. Etwas mehr Abwechslung und Tempiwechsel passend zum Spiel täten hier dringend Not. Noch eintöniger als das Hintergrundgedudel sind allerdings die Sprüche der NPCs. Wenn im Spiel ein Widerstandskämpfer einen deutschen Soldaten sieht, ruft er immer "Ich kann Nazis sehen!" und die Wehrmachtsangestellten rufen immer "Die Widerstandskämpfer sind hier!" Beides kommt ein paar hundert Mal vor und ist wirklich zu einfältig. Nicht viel besser ist die Konversation der handelnden Personen, die Führer der Widerständler, Maria und vor allem Karl Stolz selbst sprechen so emotionslos, als würde sie das ganze Geschehen nichts angehen. Es gibt einen Grund, warum andere Publisher bei der Lokalisierung professionelle Schauspieler oder Synchronsprecher für die Vertonung verpflichten. Lediglich zwei Lichtblicke gibt es beim Ton, die Schussgeräusche der Waffen sind realitätsgerecht wiedergegeben und der Titelsong hat auch seinen Reiz. Eingespielt wurde "Save me" von Emkay, dahinter verbirgt sich die Band von Martin Kesici, das ist der Typ, irgendwann mal "Star Search" auf Sat-1 gewonnen hat. Hier allerdings ist er nicht mit Weichspülermusik vertreten, sondern kommt ziemlich beinhart rockig daher. Die Machenschaften von CDV Relativ lange habe ich überlegt: Wie baue ich dieses Review auf? Schreibe ich es genau wie alle Testberichte vorher, einfach frei von der Leber weg und versuche, ab und zu etwas Wortwitz einzubauen, damit die Leute nicht einschlafen? Das habe ich nicht getan, sondern ich habe ziemlich nüchtern beschrieben, was genau in dem Spiel passiert und diese Nüchternheit zeigt, was in dem Spiel passiert: Es geht nur ums Morden und das möglichst brutal, dann bekommt der Spieler viele Bonuspunkte. Das Setting ist eigentlich wie in jedem anderen Egoshooter auch: Rette die Welt und wenn es sein muss, bringe alle um, die dir im Weg stehen. Nur im Gegensatz zu den anderen FPS ist diese Story so nahe in die echte Geschichte eingebettet, dass sich die Grenze zwischen Fiktion und Realität leichter verwischt als bei Fantasiespielen. Widerstandskampf gegen Hitler-Deutschland, Wehrmacht, von Deutschland besetzte Länder, alles das sind Themen, die man unbedingt besprechen und im Gedächtnis behalten sollte. Aber muss man daraus einen Egoshooter machen, zumal einen, der derart mit martialischer Gewalt und überzeichneten Mordgelüsten kokettiert? Es gibt viele FPS, die den Zweiten Weltkrieg oder den Kampf gegen Nazi-Deutschland als äußere Handlung benutzen, aber bei keinem versucht ein Publisher so direkt, den Gewaltfaktor zum Absatzförderungsmittel Nummer eins zu machen. Es geht hier darum, so lange mit dem Säbel zu rasseln, bis alle aufgeschreckt über das Spiel berichten. Die Vermutung liegt nahe, dass die Rechnung aufgehen wird, nennen wir es mal Guerilla-Marketing, was CDV hier betrieben hat. Nur das mich niemand falsch versteht, ich bin als Moralapostel denkbar ungeeignet, wenn man überlegt, wie viele Millionen Computergegner ich schon freudestrahlend umgelegt habe, nur fühle ich mich dazu berufen, zumindest darauf hinzuweisen, welche Verkaufsmachenschaften dem Spieler hier untergejubelt werden. Es bleibt einfach zu hoffen, dass dieses Spiel vor allem deswegen verkauft wird, weil die Leute mal wieder einen brauchbaren Egoshooter spielen wollen und nicht deswegen, weil die Grundhaltung, die hinter dem ganzen Game steht, dem entspricht, wie der Spieler sich selbst sieht. Das ist aber bei einem Lifestyle-Produkt wie einem Computerspiel doch zu befürchten. Es gab vor einigen Tagen im DLH.Net-Forum die von mir angeregte Diskussion, ob man ein Game losgelöst vom Inhalt betrachten könnte. Das Ergebnis lässt sich in etwa so beschreiben: Die Leute mögen nur dann ein Spiel, wenn die Story/der Inhalt zum Game passt. Über Moral braucht man sich keine Gedanken zu machen, solange moralische Fragen im Spiel bleiben. Der Ansatz zur Präsentation von "ÜberSoldier" sollte auf jeden Fall hinterfragt werden, über das Spiel selbst kann man aber - außer dem müden Sound - wirklich nichts Schlechtes sagen. Die Grafik ist wirklich überzeugend und kann durchaus mit den Platzhirschen des Genres mithalten, die KI der Gegner ist auch nicht zu kritisieren. Insgesamt erscheint mir "ÜberSoldier" vielleicht ein wenig zu anspruchslos, da das Feature "Zeitschild" zu einer dominanten Cowboy-Strategie verführt. "ÜberSoldier" nimmt sich einige Anleihen bei "Half-Life 2", zum Beispiel sind die Parallelen der beiden Rebellinnen Maria und Alyx schon sehr auffällig. Mir selbst hat das Spiel gut gefallen und ich habe festgestellt, dass alle meine Bedenken nicht mehr vorhanden waren, nachdem ich angefangen habe, zu spielen.
(11.04.2006) Minimum: - Pentium 4 2,4 GHz / AMD Athlon XP 2000 - Windows 2000/XP - 512 MB RAM - ATI Radeon 9600, 128 MB nVidia FX5700, 128 MB oder Vergleichbares - 4-Fach-CD-ROM Laufwerk oder schneller - DirectX 9.0 kompatible Soundkarte - Windows kompatible Maus und Tastatur - 3 GB freien Festplattenspeicher
|