Super Street Fighter IV (Xbox 360) (Capcom) geschrieben von René Gurlin
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Ressourcenknappheit ist derzeit in aller Munde, und kaum jemand kennt sich so gut mit Recycling aus wie die Entwickler der "Street Fighter"-Reihe. In den letzten 20 Jahren erschienen von jedem Haupttitel Dutzende "Super-", "Extrem-" und "Alpha-"Versionen, jede versprach noch mehr Action und Inhalt als die vorherige. So wundert es nicht, dass auch "Street Fighter IV" als "Super"-Variante daherkommt und Fans mit neuen Kämpfern und Spielmodi locken möchte. Aber lohnt sich die Anschaffung der Neuauflage überhaupt? Sinnfrei prügeln Seien wir ehrlich: Kampfspiele zeichnen sich nur in den seltensten Fällen durch eine ausgeklügelte Hintergrundgeschichte und Tiefgang aus; bei der überwiegenden Mehrheit aller Titel dient sie als mehr oder weniger hanebüchene Begründung, warum sich die Männer und Frauen gegenseitig die Köpfe einschlagen. "Super Street Fighter IV bildet absolut keine Ausnahme und befindet damit sich in bester Gesellschaft von "Tekken" und "Dead or Alive". Zeitlich zwischen Teil 2 und 3 angesiedelt, versucht (mal wieder) ein bösartiges Verbrechersyndikat (diesmal S.I.N.) die Welt zu erobern und veranstaltet ein Kampfturnier, um neue Handlanger zu rekrutieren. Die insgesamt 35 Kämpfer nehmen aus den unterschiedlichsten Gründen an dem Wettbewerb teil, sei es etwa aus reiner Lust am Kampf, persönlichen Motiven (zum Beispiel Rache an einem Konkurrenten) oder der Absicht, die Welt von allem Bösen zu befreien oder um genau das Gegenteil zu erreichen. Die Einzelschicksale werden in kleinen Anime-Sequenzen zwischen den Kämpfen erzählt und versuchen zumindest den Charakteren etwas mehr Tiefe zu geben, dies aber mit eher mäßigem Erfolg. Ready! Zu den 25 Recken des Basisspiels gesellen sich in "Super Street Fighter IV" zehn weitere Akteure, darunter acht Bekannte aus vorherigen Teilen (etwa T. Hawk und Dee Jay) und die zwei Neukreationen Juri und Hakan. Alle 35 stehen direkt von Spielbeginn an zur Verfügung, mühsames Freischalten entfällt damit. Gleichzeitig entfällt damit auch ein Stück Langzeitmotivation, denn normalerweise verführt uns die Aussicht auf neue Figuren stets dazu, jeden Spielmodus bis zum letzten auszureizen. Als Ersatz hat man immerhin die Möglichkeit, diverse neue Kostüme und Abzeichen zu erhaschen, ähnlich den Player-Tags bei "Call of Duty: Modern Warfare 2" mitsamt Icon und Callsign, die man dann stolz in Online-Matches präsentieren kann. Aber sehen wir uns die zur Auswahl stehenden Modi etwas näher an: Ganz klassisch tritt man im "Arcade"-Modus etappenweise und mit steigender Schwierigkeit gegen CPU-Kontrahenten an und kämpft sich bis zum Endboss durch. Dabei wird die Geschichte des ausgewählten Kämpfers in den bereits beschriebenen Zeichentrickfilmen nähergebracht. Auf Wunsch können menschliche Gegner per Xbox Live die Rolle des Computers übernehmen und die Herausforderung zusätzlich steigern. Ein nettes Detail am Rande: Die Bonus-Stages aus Teil 2 sind wieder da, ab sofort können wieder im Kampf gegen die Uhr Autos zu Schrott geschlagen oder möglichst viele Ölfässer zertrümmert werden. Schnelle Einzelkämpfe gegen die CPU oder Freunde bietet der "Versus"-Modus. Charakter aussuchen, eine von mittlerweile 19 Arenen wählen und schon fliegen die Fäuste. Schwierigkeitsgrad, Rundenanzahl und Zeitlimit pro Runde können nach Belieben angepasst werden. Zum "Trainings"-Modus braucht kaum etwas gesagt werden. Hier hat man die Möglichkeit, die vielzähligen Combos zu erlernen oder bis zur Perfektion zu verfeinern. Den Trainingserfolg kann man direkt im "Challenge"-Modus prüfen, denn das Spiel stellt in 24 Levels pro Kämpfer verschiedene, in Komplexität und Anspruch steigende Aufgaben (zum Beispiel die Ausführung verschiedener Combos). Als Belohnung winken Icons und Abzeichen. Das wahre Herzstück des Spiels stellt zweifelsohne der "Xbox Live Battle" über das Internet dar, in dem man sich an Mitspielern aus aller Welt messen und in Bestenlisten verewigen kann. Die Teilnahme an "Ranked Matches" verschafft die notwendigen Punkte, um aufzusteigen. Egal, ob blutiger Anfänger oder Profi, man findet recht schnell einen ebenbürtigen Gegner. Ohne Punkte, aber genauso spaßig sind die beiden neuen Modi "Endless Battle" und der "Team Battle". Im Ersteren kämpft man ohne Pause nacheinander gegen bis zu acht Spieler, bis man selbst verliert, in Letzterem treten zwei bis vier Akteure pro Team gegeneinander an. Damit nicht genug, es können im "Replay Channel" Wiederholungen sehenswerter Matches hochgeladen und mit der Welt geteilt werden. Umgekehrt kann man sich die Aufzeichnungen anderer Spieler herunterladen und neue Taktiken für sich entdecken. Ein Turniermodus wurde bereits angekündigt und soll in Kürze per Download nachgeliefert werden. Fight! "Super Street Fighter IV" präsentiert sich zwar in hübscher 3D-Grafik, die Action findet aber ausschließlich in zwei Dimensionen statt. Eigentlich gehört es heutzutage zum guten Ton, dass sich die Figuren frei in alle Richtungen bewegen können, da mag es von manchem durchaus als Rückschritt betrachtet werden. Im diesem Fall ist die Reduktion der Spielfläche aber ein echter Glücksgriff, das Spiel verlagert den Fokus weg von raumgreifenden Schlägereinen zurück auf schnelle, abwechslungsreiche Schlagabtausche. In gewisser Weise erinnert es damit sehr an "Super Street Fighter II", den alten SNES-Klassiker - und gilt Retro im Moment nicht sowieso als chic?. Durch die beachtliche Anzahl von 35 Charakteren ist für Abwechslung in Sachen Kampfstil und Combos gesorgt, Langeweile hat keine Chance und jeder sollte den zu ihm passenden Kämpfer finden. Egal ob Kung-Fu, Karate, Sumo oder Boxen, so ziemlich jeder bekannte und unbekannte Kampfstil ist vertreten. Zwar existiert kein Tutorial, aber auch Neueinsteiger in die Welt der Beat'em Ups finden sich schnell zurecht, gelingen erste Spezialangriffe bereits mit wenigen Tasten. Profis widmen sich den komplexeren Attacken und erzeugen damit bildschirmfüllende Angriffe. Dadurch eignet sich "Super Street Fighter IV" als Titel für alle Leistungsklassen. Combos lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Einfache Combos kommen mit wenigen Tastendrücken aus und können jederzeit ausgeführt werden. Super Combos sind schon deutlich anspruchsvoller und erfordern zusätzlich "Super Combo Energie", erkennbar an einer blauen Leiste am Bildschirmrand, die sich bei jedem erfolgreichen ausgeteilten Treffer auflädt. Ultra Combos bilden die letzte Gruppe. Ihre Ausführung ist nochmals schwerer, und sie ziehen Energie von der Rache -Leiste, die sich mit jedem eingestecktem Schlag füllt. Dafür teilen sie fatalen Schaden aus, kommen mit bombastischen Effekten daher und sind ungleich schwieriger zu blocken oder gar zu kontern. Mit der "Super"-Ausgabe sind die nochmals aufgebohrten Ultra Combos der Stufe 2 hinzugekommen, die dem Gegner noch mehr zusetzen, dafür aber umso mehr Energie verbrauchen. Vor dem Kampfbeginn muss man sich zwischen Stufe 1 und 2 entscheiden, je persönlichem Geschmack und Taktik. Bereits im Grundspiel vorhanden, sind die Fokus-Attacken eine Erwähnung wert. Durch gleichzeitiges Drücken der mittleren Schlag- und Tritttasten startet die Figur einen Angriff, der mehr Schaden austeilt, je länger die beiden Tasten gehalten werden, und nicht blockbar ist. Zusätzlich wird der Schaden eines eventuellen Gegenangriffes einfach absorbiert. Sie eignen sich ideal als Combobreaker, und erfordern, dass man den Kontrahenten aufmerksam studiert und auf seine Aktionen reagiert, anstatt sich einfach nur auf die eigenen Spezialangriffe zu konzentrieren, was dem Gameplay sehr zugutekommt. Ein Wort sei noch über die Spielcontroller gesagt: Die Tasten- und Bewegungskombinationen lassen sich auf dem Standardcontroller der Xbox 360 am besten noch mit dem D-Pad ausführen, die Analogsticks sind für die erforderlichen zackigen Bewegungen wenig geeignet; trotzdem kam uns die Bedienung mittels Pfeiltasten zeitweise sehr schwammig vor. Echte Enthusiasten sollten zu einem der Spezialcontroller, genannt Arcade Sticks, greifen, die von verschiedenen Herstellern im Handel angeboten werden. Grafik Wir erwähnten es bereits, das Spiel zeigt sich in moderner 3D-Grafik. Mittels Cell-Shading wirkt alles fast wie handgezeichnet, Linienstriche und Tintenflecke erwecken den Eindruck eines lebendig gewordenen Comics, ein weiteres Merkmal, das es von den betont fotorealistischen Konkurrenztiteln abhebt. Das beginnt bei den überzeichneten Charakteren und endet bei den detaillierten Arenen, die voller Leben stecken. Überall bewegt und regt sich etwas, was den Spielfluss fördert. Sound Soundtechnisch bleibt "Super Street Fighter IV" vergleichsweise unauffällig. Kampf- und Schmerzensschreie, Schläge und Combos klingen ordentlich, die Hintermusik passt ebenfalls, setzt aber keine neuen Akzente. Fazit "Super Street Fighter IV" ist zweifelsfrei eines der besten Beat'em Ups der Gegenwart. Es verzichtet auf unnötigen Schnickschnack, fühlt sich dadurch richtig "Old School" an und weckt Erinnerungen an stundenlange Spielesitzung mit dem SNES. Wer "Street Fighter IV" bislang nicht sein Eigen nennen konnte, sollte sich unbedingt die Super-Neuauflage zulegen. Besitzer des Vorgängers sollten dringend darüber nachdenken, zumal der Preis recht moderat ist. Und für Hardcore-Fans ist es ohnehin ein Pflichtkauf. (26.05.2010) |