Game Tycoon 1.5 (BEAT Games) Geschrieben von Jan-Tobias "Erdendonner" Kitzel
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Wir schreiben das Jahr 1982, alle Nobelpreise ziehen mal wieder meilenweit an Deutschland vorbei und das WM-Finale verlieren wir auch noch. Aber es gibt einen Lichtstreif am Horizont: Die Computerspielindustrie erwacht langsam, aber sicher zum Leben und bringt Freud und Leid in unsere Wohnzimmer. Story oder "Mama, kannst du mir mal eben 100.000 $ borgen?" In eben diesem Jahr 1982 werdet ihr in Game Tycoon zum Chef eines winzigen Computerspielherstellers berufen und es ist an euch, daraus eines der erfolgträchtigsten Spiele-Labels weltweit zu machen. So weit, so originell. Aller Anfang ist natürlich schwer und so beginnt ihr das Spiel mit gerade einmal 100.000 Dollar in der Tasche und habt noch keinen einzigen Angestellten und ein Spiel ist auch noch nicht in der Pipeline. Das Spiel lässt euch die Wahl, ob ihr entweder den Missionsmodus oder ein Endlosspiel bevorzugt. Die Zeit schreitet in beiden Varianten von 1982 an langsam vorwärts und geht auch über heutige Zeitgefilde hinaus. Der Missionsmodus stellt euch nach und nach verschiedene Aufgaben, die ihr im Spiel dann zu erfüllen habt, beispielsweise eine bestimmte Geldsumme mit euren Spielen zu scheffeln, eine vorgegebene Prozentbewertung für euer neuestes Spiel einzusacken oder möglichst viele (teure) Luxusgegenstände in eurer Privatwohnung aufzustellen. Das Endlosspiel hingegen lässt euch ohne Ziel auf die Menschheit los, hier ist es allein an euch zu sagen, wann ihr eure euch gesteckten Ziele erreicht habt. Gameplay oder "warum steht das nicht da?" Doch bis ihr euch endlich auf euren Lorbeeren ausruhen dürft, steht harte Arbeit als Unternehmenschef auf dem Plan. Zuallererst müsst ihr für euer neues Spiel eine Spieleengine erstellen, also vorgeben, über welche Features (2D-Grafik, textbasiert, Joystick-Steuerung, Multiplayer, ...) die Engine verfügen soll. Nachdem diese dann von eurem ersten Angestellten, den ihr über das schwarze Brett der Uni geworben habt, programmiert wurde, steht ein schwerer Gang an. Euer Weg führt euch nämlich zu Gustav Gauner, dem Lizenz- und Vertragsmakler. Hier besorgt ihr euch einen zum geplanten Spiel passenden Publisher-Vertrag, wobei hier Faktoren wie Fälligkeitsdatum, Vertragsstrafe und Gewinnbeteiligung eine Rolle spielen, und schon könnt ihr euer Team aus - nun anzuwerbenden - Programmierern, Grafikern und Komponisten auf das geplante Machwerk loslassen (das vorher von euch am Reißbrett entworfen wurde). Nach Abschluss des Projekts gilt es nun, die Verpackung des neuen Spiele-Hits zusammenzustellen (farbiges oder Schwarz-Weiß-Handbuch? Mit T-Shirt-Beilage oder lieber nur einen Aufkleber?) und die Produktion anlaufen zu lassen. Jetzt noch schnell den Preis festgelegt und das Spiel per Mausklick in den Handel gebracht und schon habt ihr euer erstes Spiel fertig! Durch die fortlaufende Zeit werden aufgrund der neuen PCs und Konsolen die Engines und Spiele stetig anspruchsvoller. Neben den gerade erwähnten Möglichkeiten stehen euch noch andere Optionen offen. So könnt ihr bei eurer Hausbank um Kredite und Aktien feilschen, eure Privatwohnung mit zu erwerbenden Luxusgegenständen aufwerten, beim Lizenzmakler eine prestigeträchtige Filmlizenz für euer nächstes Spiel ersteigern oder beim Werbefachmann für eine Umsatz- und Imagesteigerung sorgen und über den Kauf einer Spielezeitschrift erfahrt ihr die Bewertung eures neuesten Machwerks und dem der Konkurrenz. Apropos Gegenspieler: Neben euch versuchen sich zwei weitere Unternehmen daran, den Spielemarkt zu erobern und kommen euch dabei regelmäßig in die Quere. Sei es, dass sie ein ähnliches Spiel wie eures zwei Wochen früher in den Handel bringen oder sei es, dass sie mit ihrer Werbung das Land bepflastern, die Konkurrenz sitzt euch im Nacken (ihr könnt sie allerdings über Aktienerwerb übernehmen und so aus dem Spiel drängen, genügend Kleingeld vorausgesetzt). Game Tycoon nimmt sich selbst nicht immer ganz ernst, dies fängt bei der Benennung der Figuren an (Gustav Gauner), führt über die Titel der zu ersteigernden Lizenzen (Beat´Em-Up-Spiel: Rus Li) und geht auch über lustige Zeitschriftentitel (Deo) hinaus. Für den ein oder anderen Schmunzler sorgt Game Tycoon auf jeden Fall, auch wenn man auf der Jagd nach dem Verkaufsschlager den humorigen Part schnell vor dem geistigen Auge ausblendet. Klingt spannend, oder? Ja, das hätte es werden können, aber leider schießt Game Tycoon treffsicher am Ziel vorbei. Die Vorgänge gleichen sich jedes Mal wie ein Ei dem anderen und nach circa einer Viertelstunde Spielzeit habt ihr fast alle Optionen mindestens einmal ausprobiert, sodass ab dann kaum Neues mehr auf euch wartet. Wirklich enttäuscht haben mich die statistischen Auswertungen, mit denen das Spiel euch, zwecks besserer Spieleplanung, versorgt. Gerade einmal eine Jahresein- und -Ausgabenrechnung und eine Umsatzauswertung der einzelnen Spiele wird euch gegönnt. Doch wenn ihr beispielsweise erfahren wollt, wie in den einzelnen Monaten die Zahlen aussahen (Einnahmen, Ausgaben, Absatz), wird euch der statistische Part von Game Tycoon ebenso enttäuschen, wie wenn ihr euch für Planzahlen interessiert. So lässt sich nirgendwo erfahren, wie die Umsatzprognosen bei einem bestimmten Verkaufspreis stehen oder welche Auswirkung eine ausgewählte Werbeart auf euren Umsatz haben wird (Stichwort: Werbemittelerfolgskontrolle). Dass sich diese Effekte nicht haargenau voraussagen lassen, ist vollkommen verständlich, aber in der freien Wirtschaft würde niemand ohne vernünftige Prognosen arbeiten, geschweige denn investieren. Auf der Verpackung steht vollmundig "Wirtschaftssimulation", doch diesen Anspruch erfüllt Game Tycoon durch den extrem schwachen Statistik-Part kaum, fast alle anderen Mitbewerber zeigen hier, wie es geht und es dennoch übersichtlich bleibt. Auch kommt nach einer gewissen Zeit eine Klickverdrossenheit auf. Da die einzelnen zu erledigenden Schritte auf dem Weg zum fertigen Spiel in verschiedenen, weit verstreuten Untermenüs versteckt wurden, artet die Spielherstellung mancherorts in eine Klickorgie aus. Durch diese Kritikpunkte geht die Begeisterungskurve für Game Tycoon schnell bergab: Will man ein erfolgreiches Spiel produzieren, hilft nur die Trial&Error-Methode, da euch die Statistikfeatures des Spiels, die an einer Hand abzählbar sind, vollkommen im Stich lassen. Und wenn man sich dabei noch durch derart viele Untermenüs klicken muss, dann vergeht die Lust noch einen Tacken schneller. Grafik oder "Geh da mal weg, Bugs Bunny" Game Tycoon präsentiert sich gänzlich anders als viele Mitbewerber, nämlich im Comicstil. Die Landschaft wird euch in 2D präsentiert und euer gezeichnetes Alter Ego läuft durch eine farbenfrohe Comicwelt. Wie bereits beschrieben, haben die Entwickler die Funktionen in zahlreichen Untermenüs versteckt. Diese Menüs sind aber beileibe keine einfachen Symbole am Bildschirmrand, das wäre ja eine zu einfache Bedienung gewesen. Stattdessen lauft ihr mit eurer Comicfigur wahrhaftig zu den einzelnen Locations hin, beispielsweise zur Uni um Leute anzuwerben und setzt euch mit eurem Alter Ego in einen gemütlichen Comicsessel, wenn bei Gustav Gauner mal wieder Lizenzen versteigert werden. Die Comicgrafik ist nett anzusehen und man sieht den Grafikern ihren Spaß an kleinen Details an, die Büros sind liebevoll gestaltet und auch die Privatwohnung weiß zu überzeugen. Die Spielfigur bewegt sich allerdings arg hölzern, was bei einer "Wirtschaftssimulation" (so die Eigenbezeichnung) allerdings zu verschmerzen ist. Insgesamt ist die Grafik erfrischend anders in ihrem Comicstil und fügt sich gut in den gewollt-lustigen Gesamteindruck des Spiels ein. Sound oder "Dudeldudeldu" Während die gesprochenen Kommentare der einzelnen Figuren noch halbwegs erträglich sind, dudelt der Soundtrack auf dem Niveau von Fahrstuhlmusik von einem Hörsturz zum nächsten und ist nach wenigen Minuten per Klick ausgeschaltet. Dazu trägt auch bei, dass viele Büros unterschiedliche Soundtracks spendiert bekommen haben. An sich eine nette Idee, da man aber im Sekundentakt die Büros wechseln muss, um ein Spiel zu produzieren (vom Büro ins Entwicklerbüro, von dort aus zum Lizenzmakler, zurück zum Büro, ab zur Uni, ...), springt die Musik ständig um und zerrt so extrem an den Nerven. Wenigstens kann man sie ausstellen. Auch die Abstimmung ist den Soundtechnikern von BEAT Games nicht gut gelungen: Im Tutorial (erste Mission) übertönt die Musik die Stimme des Beraters, ein vernünftiges Playtesting hätte dies sicherlich ans Tageslicht gebracht. So bleibt selbst dem Einsteiger nur, sofort die Musik herunter zu drehen, da ansonsten das Tutorial für ihn leerreich statt lehrreich wird. Die Idee, eine sich selbst nicht allzu ernst nehmende Wirtschaftssimulation rund um die Spieleindustrie zu spielen, hat definitiv etwas für sich. Durch die Schwächen im Tiefgang und der geringen Bandbreite der Möglichkeiten ist Game Tycoon zwar "nur" ein nettes Spiel für Zwischendurch geworden, dafür allerdings mit 15 Euro sehr freundlich zu euren Geldbörsen. All denjenigen, die wissen wollen, ob Game Tycoon ihren Ansprüchen genügt, sei allerdings trotzdem ein Anspielen der Demo (www.gametycoon.de) wärmstens ans Herz gelegt. P.S.: Auf www.gametycoon.de steht der aktuelle Patch auf Version 1.5.03 bereit, der einige kleinere Bugs gegenüber der Verkaufsversion 1.5.00 beseitigt. Besitzer der Vorversion aus dem Jahre 2003 (Version 1.24) erhalten dort kostenlos einen größeren Patch, um ihr Spiel ebenfalls auf Version 1.5.03 zu bringen. |
Fazit
oder "Kaum da, schon weg"
lol