Call of Duty: Modern Warfare 2 (PS3) (dt. Version) (Activision) geschrieben von Bernd Wolffgramm
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Im November 2009 hat Activision den lang erwarteten Nachfolger des mit Abstand kommerziell erfolgreichsten Ego-Shooters "Call of Duty 4: Modern Warfare" auf die Fangemeinde losgelassen. Das diese Aussage - wie häufig - nicht nur Werbegetrommel ist, zeigen die Verkaufszahlen der ersten Tage nach dem Verkaufsstart: Nach internen Kalkulationen von Activision wurden am Launch-Tag in Nordamerika und Großbritannien zusammen 4,7 Millionen Exemplare von "Modern Warfare abgesetzt und damit allein in diesen Ländern ein Umsatz von 310 Millionen US-Dollar generiert. An nur einem einzigen Tag! Nachdem sich die Hysterie um das Game nun etwas gelegt hat, soll nun einmal überprüft werden, ob das meistgebrauchte Wort in der Medienberichterstattung, nämlich "spektakulär", in diesem Fall wirklich seine Berechtigung hat. Außerdem sollen auch einige Worte zu teilweise sehr kontroversen Spielszenen geschrieben werden. Das Entwicklungsstudio Infinity Ward meldet sich nun also zurück und übernimmt die Serie von Treyarch, die den direkten Vorgänger aus dem Jahr 2008, "Call of Duty 5: World at War", programmiert haben. Während aber dieser Teil wieder ein klassischer Ego-Shooter aus dem Umfeld der Zweiten Weltkriegs war, ist das neue "Modern Warfare 2", oder wie es landläufig bei dem Gamern heißt, "MW2, in der Gegenwart angesiedelt und befasst sich mit den Verstrickungen des internationalen Terrorismus. Um die Verwirrung mit der Nummerierung nicht noch weiter zu steigern, werden sich wohl in Zukunft die Stränge trennen und der nächste Spross von Infinity Ward wird dann wohl einfach "Modern Warfare 3" heißen, während Treyarch seine "World at War"-Reihe vorantreibt. Es gibt Gerüchte, dass noch ein dritter Entwickler vom Publisher Activision mit einem "Call of Duty"-Spiel beauftragt werden soll und es gibt nicht wenige Fans auf der Welt, die hoffen, dass dies dann ein MMO-Spiel werden wird, schließlich gibt es noch kein brauchbares Massively Multiplayer Game in einem Ego-Shooter-Umfeld. Es schlaucht ganz schön In "Call of Duty: Modern Warfare 2" spielt man den ..., ach, eigentlich ist das völlig egal, denn im Spiel tauscht man die Charaktere wie die Zocker - hoffentlich - ihre Unterhosen. Man verliert schon mal leicht den Überblick, welchen Protagonisten man gerade führt, es ist ja auch nicht so wichtig, denn schließlich ist das Spiel ein Shooter und in einem solchen macht man vor allem eines: schießen. Oder vielmehr: schießen und laufen. In den Singleplayer-Missionen von "MW2 ist man abwechselnd in verschiedenen Rollen auf dem Globus unterwegs, um zu verhindern, dass ein russischer Terrorist den nächsten Weltkrieg auslöst. Dabei besucht man die entlegensten Ecken der Welt; man campiert in Sibirien, befreit die Favelas von Rio de Janeiro von Gesindel und annektiert einsame Bohrinseln mitten im Ozean. Der jeweilige Held ist dabei zumeist Teil eines Teams, das den Spuren des Bösewichts hinterherhechelt. Die gestellten Aufgaben sind dabei nicht neu: "Befreie die Geiseln", "Finde Soundso" und "Rette die amerikanische Kultur". Letztlich ist es wie in allen Shootern: der Held wird irgendwo auf der Karte ausgesetzt und muss sich unter Einsatz seines Arsenals zu einem Endpunkt durchkämpfen. Dabei wird vom Spiel eine Atmosphäre erzeugt, in der sich der Zocker ständig unter Druck sieht und deswegen das Gefühl hat, dass er dauernd gehetzt wird. Überall auf seinem Weg warten Heckenschützen, wild gewordene Feinde stürzen ballernd aus ihren Verstecken, immer explodiert irgendwo in der Nähe etwas oder ein Countdown drängt dazu, man möge sich doch bitte etwas bei der Ausführung seines Kriegshandwerks beeilen. Ein Übriges tragen auch die computergesteuerten Kameraden dazu bei, sie rufen den Helden ständig und erinnern ihn daran, sie doch zu unterstützen. Es wird dadurch eine sehr dichte Spielumgebung geschaffen, in der man Gewissensbisse bekommt, wenn man mal einen Moment lang nicht auf das Töten von Feinden konzentriert ist oder zum Beispiel nach denen im Spiel versteckten Geheimnissen sucht. Alles wirkt wie aus einem Film, der eine Dramaturgie festlegt und den Zocker deswegen zwingt, sich genau an das Drehbuch zu halten. Es steht dem Spieler zwar frei, zum Beispiel links oder rechts um ein Haus im Armenviertel von Rio de Janeiro herumzugehen, aber dennoch hat man keine große Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit. Der Spieletester spricht dann von Schlauchmissionen, weil man eben das Gefühl hat, vom Anfangs- zum Endpunkt durch einen Schlauch zu laufen oder in diesem Fall, getrieben zu werden. Diese Aussage soll aber die Brillanz des Spiels kein bisschen schmälern, denn nur so war es Infinity Ward möglich, diesen Weg großartig auszustaffieren. Die alten Feinde sind die neuen Feinde Im Gegensatz zu "World at War" ist "Modern Warfare 2" kein Weltkriegs-Shooter, sondern spielt in der Gegenwart. Und da sind die Feinde etwas schwerer zu definieren, also noch zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs, wo ganz klar war, wer die Bösewichte sind: Wenn jemand ein Hakenkreuz auf der Armbinde oder eine SS-Rune auf dem Revers trägt, dann war er die Ausgeburt des Bösen und durfte ohne erneute Überprüfung des Gewissens beschossen werden. Schwieriger wurde es dann in der Zeit des Kalten Krieges. Da gab es aber diese finsteren Mächte auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, die sich deswegen als Feinde eigneten, weil man eben wegen der Undurchlässigkeit eben dieser Grenze niemals mit ihnen zu tun bekommen würde. Heutzutage ist die Welt nicht mehr so leicht in zwei Lager aufzuteilen, wo sich automatisch die Mitglieder der jeweils anderen Gruppe auch als Feinde in Computerspielen eignen. Deswegen greift auch "Call of Duty: Modern Warfare 2" die Feindbilder auf, die sich heute in lokalen Konflikten widerspiegeln: arabische Extremisten, südamerikanische Drogenbarone und - siehe da - auch wieder russische Terroristen. Dabei geht das Spiel kein bisschen differenziert vor, so dass weitestgehend Schwarz-Weiß-Malerei vorherrscht. Am deutlichsten ist dies wohl in der Szene, in der suggeriert wird, dass ab jetzt in Computerspielen alles erlaubt zu sein scheint: Als Angehöriger eines Trupps des Terroristen Makarov, den der "Gute" in dieser Sequenz unterwandern will, verrichtet er auf dem fiktiven russischen Flughafen Zakhaev International Airport eine wahllose Massenhinrichtung an umherstehenden Fluggästen, nur um die russische Regierung zu provozieren und zu Rachemaßnahmen zu verleiten. In der in Deutschland verkauften Version darf man sich als Teilnehmer dieser Szene am Massaker selbst nicht beteiligen, ansonsten ist das Spiel beendet. Jedenfalls fragen sich doch viele Spieler, was Entwickler Infinity Ward und Publisher Activision wohl bewogen haben möge, diese und ähnliche Passagen in das Spiel zu schreiben. Denn dass damit zumindest in vielen Ländern Europas die moralischen Grenzen ausgetestet werden, dürfte wohl jedem klar sein. Das eben beschriebene Kapitel "Kein Russisch" ist ja nicht die wild gewordene Fantasie eines der Programmierer, wie man dies noch der berühmten "Hot Coffee"-Szene aus "Grand Theft Auto - San Andreas" unterstellen konnte, sondern wurde ganz bewusst in das Spiel genommen. Dramaturgisch hätte man auch einfach eine Zeitungsschlagzeile "Massaker auf dem Zakhaev International Airport - Amerikanischer Attentäter stirbt nach Feuergefecht" einblenden können, das hätte die angestrebte Handlung auch vorantreiben können. Es fällt dem Betrachter auch schwer zu glauben, dass es den Entwicklern wichtig war, dem Spieler die Ästhetik eines Massakers nahezubringen. Blutlachen, in Panik umherlaufende Fluggäste, Passagiere, die um ihr Leben betteln, all dies kann man sich auch ohne die filmreife Inszenierung vorstellen. Um nun einfach der Erkenntnis auszuweichen, dass Activision diese Szene bestellt hat, damit die Spieletester und Betreiber von Foren und Blogs im Internet weltweit sich länger - und damit absatzfördernd - über dieses Spiel unterhalten, soll unterstellt werden, dass mit "Call of Duty: Modern Warfare 2" nun auch bei Computerspielen der Punkt erreicht ist, den Spielfilme schon vor einiger Zeit erreicht haben: Die Darstellung von Gewalt als Mittel dazu, den Betrachter ganz klar auf seine Seite zu ziehen und ihm keine Möglichkeit zu lassen, sich emotional für jemand anderen als den Helden des Films zu engagieren. Es gibt bestimmt noch bessere Beispiele, aber hier soll an einen Film erinnert werden: "Tränen der Sonne (2003) mit Bruce Willis in der Rolle des Leutnants A. K. Waters, der in Nigeria in sogenannte ethnische Säuberungen gerät und in dem die Darstellung der maßlosen Gewalt (Babys werden schwangeren Müttern aus dem Leib gerissen) jegliche Legitimation liefert, dass diese menschlichen Monster liquidiert werden müssen. Ähnliches widerfährt dem Betrachter auch bei der Flughafen-Szene in "MW2: Wem danach noch nicht klar ist, warum der Terrorist Makarov mit allen erdenklichen Mitteln getötet werden muss, dem ist wahrscheinlich nicht mehr zu helfen. Aber wie gesagt, vielleicht ist es auch nur der Marketing-Effekt ... Aber unabhängig davon Es wäre nun unfair, das Spiel auf die eben beschriebene Diskussion zu reduzieren. "Call of Duty: Modern Warfare 2" ist ein brillanter Ego-Shooter, der auch auf der Playstation 3 eine sehr gute Figur macht. Dabei gelingt es den Entwicklern auch, das Problem des genauen Zielens auf Konsolensystemen in den Griff zu bekommen. Bereits in der Einführungsmission bekommt der Spieler gesagt und gezeigt, was er tun muss, um auch in dem ganzen Wirrwarr des Games nicht die Übersicht zu verlieren und erfolgreich zu sein. Bereits in der Übungsgrube ist klar, dass Feinde nur dann zur Strecke gebracht werden können, wenn dem Schießen ein Anvisieren vorausgeht, der Ausbilder erklärt, dass ein Ballern "aus der Hüfte" heraus keinen Erfolg haben wird. Das Spiel stellt also sicher, dass ein Treffer abgegeben wird, wenn der Zocker das Fadenkreuz in die Richtung des Feindes hält, in den Zielmodus geht und abdrückt. Dieses sogenannte "Auto-Aiming" mag für den PC-Spieler die größtmögliche Schande sein, für den Konsolero ist es aber die Rettung. Sein größtes Problem ist es, dass bewegliche Ziele fast unmöglich zu treffen sind, weil das Zielen mit dem Gamepad, anders als mit der Maus, extrem schwer ist. Möchte man also einen actiongeladenen Shooter für Spielekonsolen programmieren, dann muss man sicherstellen, dass man die nicht-passiven Ziele auch trifft und nicht sekundenlang nachjustieren muss. Dass selbst Sony dieses Problem unterschätzt hat, zeigt das hauseigene PS3-Spiel "Killzone 2". Letztlich hat dort die schlechte Anvisierung eines Ziels dazu geführt, dass das Spiel trotz exzellenter Grafik wieder kein "Halo"-Killer wurde. Über die Grafik in "Call of Duty: Modern Warfare 2" ist in diesem Text schon Verschiedenes angeklungen. Es macht eigentlich gar keinen Sinn mehr, die optischen Bestandteile einzeln zu beurteilen. Während man in anderen Spielen herausarbeitet, ob die Texturen der Hintergrundumgebung gelungen sind, wie sich der Protagonist oder die Non Playing Characters bewegen, ob Effekte gut in das Spiel eingebaut wurden, ob die Sequenzen mit den Fahrzeugen passen, kann man dies in "MW2 getrost mit einem Satz beschreiben: Es ist so, als befände man sich in einem Film. Alle Bestandteile wurden perfekt aufeinander abgestimmt, die Liebe zum einzelnen Element wurde groß geschrieben. Natürlich unterliegt auch die Grafik eines Computerspiels manchmal der Dramaturgie und deswegen ist es schwer zu beurteilen, ob ein Blutbad detailreich und realitätsnah oder überspitzt und effektheischend dargestellt wurde. Der Autor dieses Tests ist jedenfalls bisher bei keinem Massaker dabei gewesen und kann dieses deswegen nicht abschließend beurteilen. Es liegt aber die Vermutung nahe, dass auch die Grafik nicht frei von Manipulation ist. Jedem, dem bisher noch nicht klar geworden ist, dass der Singleplayer-Modus von "Call of Duty: Modern Warfare 2" eigentlich ein interaktiver Film ist, den kann vielleicht der Name des Komponisten des Soundtracks überzeugen: Hans Zimmer. Der vielfach ausgezeichnete deutsche Musiker zeichnete sich schon für die Soundtracks vieler Hollywood-Produktionen verantwortlich, für seine Musik zu "König der Löwen" erhielt er den Oscar. Eine seine bekanntesten Arbeiten ist auch die Mitarbeit in "Black Hawk Down", einem Film, der problemlos als die Filmvorlage zu den "Modern Warfare"-Spielen herhalten kann. In der PS3-Version des Spiels gibt es den hier schon langwierig beschriebenen Karrieremodus, den man als Einzelspieler auswählen kann. Der Held versucht, die Welt vor den bösen Terroristen zu beschützen, meist tut er das im Team mit einigen PS3-Schergen. Ist er mal allein unterwegs, so hat er "einen kleinen Mann im Ohr", der ihm sagt, worauf er achten muss. Auf diesen ist er auch im Spezialmissionen-Modus angewiesen, hier muss man die Aufgaben aus der Karriere allein bewältigen und das Auto-Aiming ist etwas eingeschränkt. Hier merkt man, wie stark der Schwierigkeitsgrad in der Karriere abgeschwächt wurde, die Spezialmissionen sind die wahre Herausforderung für Einzelspieler, in ihnen bleibt die Motivation für ein Wiederspielen erhalten, zumal verschiedene Schwierigkeitsstufen durchlaufen werden können. Eine einfache Mission auf der Stufe Veteran dauert so nicht selten auch mal 30 Minuten ... beim zehnten oder zwanzigsten Anlauf. Wie aber auch schon in "Call of Duty 4" wurde in dieser Ausgabe von "MW auch wieder viel Wert auf den Mehrspielerbereich gelegt. Allein, aber doch nicht allein Neben dem klassischen LAN-Spiel oder dem Zocken auf dem geteiltem Bildschirm gibt es bei "Call of Duty: Modern Warfare 2" auf der Playstation 3 eine Reihe verschiedener Internet-Angebote, die das Spiel noch bis zum Nachfolger am Leben erhalten werden. Insgesamt gibt es 14 Multiplayer-Modi, von denen einige erst nach und nach freigeschaltet werden können, je nachdem, welchen Rang der Spieler bisher erreicht hat. Je nach Einstufung wird ihm dann ein Spiel zugeteilt; dieses sogenannte Match-Making funktioniert auf der PS3 ohne Probleme. Wie schon bei "Modern Warfare" sind es vor allem wieder die Modi "Frei für alle", also das klassische "Jeder gegen Jeden", und das Team-Deathmatch, mit denen sich die meisten Spieler beschäftigen. Obwohl es sich bei diesem Test um die Playstation 3-Version dreht, soll auch kurz die Situation der PC-Spieler betrachtet werden. Viele Online-Zocker hatten sich gewünscht, dass es doch endlich ein Game geben möge, dass das gute alte, aber eben langsam in die Jahre gekommene, "Counterstrike" ablösen soll. Activision hat auch einigermaßen viel Energie darin investiert, "CoD4 als eSport-Titel zu etablieren. So wurde zum Beispiel die ESL bei der Ausrichtung einer Electronic Pro Season zumindest inoffiziell unterstützt und ein Preisgeld von immerhin 10.000 zur Verfügung gestellt. Dass Activision bereits zur zweiten Saison seine Unterstützung aufgab und Intel als Hauptsponsor eingesprungen ist, lies bereits darauf hindeuten, dass bei "Call of Duty: Modern Warfare 2" der Fokus nicht mehr auf die Hardcore-Gamer gesetzt wurde. Und so sickerte dann auch bereits vor dem Erscheinen des Spiels durch, dass wichtige Elemente zum erfolgreichen Betreiben einer Liga aus dem Spiel gestrichen wurden: Es gibt keine dedizierten Server mehr, die zu einem verzögerungsfreien Spiel und zum Festlegen und Überprüfen von Regeln wichtig sind. Auch die Möglichkeit, Demos aufzunehmen, wurde gestrichen - dies ist vor allem zur Überprüfung von Streitigkeiten nötig. In einer idealen Online-Welt ist es natürlich wünschenswert, dass es keine Spieleserver mehr gibt und dass alle Matches auf einem der teilnehmenden PCs stattfinden können. Aber in einer Zeit der Multiplayercheats und Verbingungslags ist dies schlichtweg Wunschdenken. Damit war klar, wo Activision die Zukunft seiner "Modern Warfare"-Reihe sieht: beim Casual-Gamer. Betrachtet man die in der Einleitung zu diesem Test gemachten Verkaufszahlen, dann hat der Publisher, zumindest kommerziell, die richtige Entscheidung getroffen.
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