Armed Assault II (Peter Games) geschrieben von Jan-Tobias Kitzel
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Fans von Shootern, die eher auf Simulations- denn Arcade-Feeling setzen, haben wahrlich keine reichhaltige Palette zur Auswahl. Die direkten Vorgänger von "Armed Assault II", dem neuen Machwerk von Bohemia Interactive, wären da zu nennen, also "Operation Flashpoint" und "Armed Assault" . Und im Herbst wartet "Operation Flashpoint II", allerdings von einem anderen Hersteller. Ansonsten sind da von Independent-Titeln wie "Red Orchestra" abgesehen nicht allzu viele Spiele zu nennen. Vor diesem Hintergrund ist die fast anbetungsgleiche Vorfreude der Genrefans zu erklären, mit der sie auf "Armed Assault II" gewartet haben. Gilt der Spruch "Was lange währt, wird endlich gut" auch hier? Gameplay Eine erfundene post-sowjetische Republik, ein Bürgerkrieg und man als Teil der US-Armee mitten drin. Das sind die Rahmenbedingungen von "Armed Assault II". Zwar beschwören die Entwickler, dass sie sich nicht von den Ereignissen in Tschetschenien und Georgien haben beeinflussen lassen, aber so wirklich glauben mag man das nicht, sind die Parallelen doch unübersehbar. In der Republik Tschernarussland jedenfalls tobt ein Bürgerkrieg, eine neue Fraktion namens ChDKZ ist auf den Plan getreten und so bekriegen sich diverse Parteien, was mitunter zu der Frage führt, wer denn hier eigentlich der Gute ist. Als Spieler von "Armed Assault II" lernt man schnell, dass im Krieg diese Frage nie eindeutig beantwortet werden kann, wie einige Wendungen der Kampagnen-Story zeigen. "Armed Assault II" bietet eine gut 35-stündige Kampagne, einige Einzelspielerszenarien gemischter Qualität, ein Tutorial, eine "Waffenkammer", in der man jeden Gegenstand des Spiels in freier Wildbahn ausprobieren darf und den obligatorischen Multiplayermodus. Das Herzstück ist dabei ganz klar die Kampagne, in dieser schlüpft man in die Rolle eines Marines namens Cooper, der mit seinem Aufklärungssquad oft hinter den feindlichen Linien operiert und diverse Geheimaufträge durchführt. Diese reichen von simplen "Markiere das Zielgebäude mit einem Laser für unsere Bomber" bis hin zu einer verstrickten Kette von mehreren miteinander zusammenhängenden Aufträgen auf einer Riesenkarte. Dabei gibt sich "Armed Assault II" als Simulation: Eine Kugel kann töten, rennen ermüdet und heutige militärische Schusswechsel passieren vor allem auf Entfernung. Im Namen der Spielbarkeit sind die Mannen von Bohemia allerdings von dieser Maxime in einem Punkt etwas abgewichen. So ist es möglich, von seinem Sanitäter geheilt zu werden und fortan ohne Wundeinschränkungen weiter zu kämpfen. Keine Sorge: Man beißt in "Armed Assault II" dennoch oft in das hübsch animierte Gras. Allerdings auch liebend gerne in Tischplatten, Keyboards und Monitore. Denn "Armed Assault II" verbuggt zu nennen, wäre eine Beleidigung für alle anderen mit Spielfehlern verseuchten Titeln. "Armed Assault II" ist die Mutter aller Bugs und konkurriert mit "Gothic III" um den Titel "unspielbarstes Spiel bei Release". Nicht ohne Grund wurde zur Erstveröffentlichung direkt Patch 1.01 (erst Beta, dann Final) veröffentlicht, der allerdings nur marginale Verbesserungen brachte. So ärgert man sich auf dem Schlachtfeld über Grafikfehler, Soundschleifen, aber vor allem über Skriptaussetzer über eine Menge Skriptaussetzer. So kommt es, dass das Spiel seine mitreißenden, atmosphärischen Momente vor allem in den unkomplizierten Missionen hat, also solchen, wo ein, maximal zwei Unterpunkte zu erfüllen sind. In den großen Aufträgen hingegen, allen voran der Mega-Mission "Manhattan" mit vielen verschachtelten To-Dos, versagt "Armed Assault II" auf ganzer Linie. Immer wieder werden Skripte nicht ausgeführt und man weiß schlicht nicht warum. So steht man mit seinen Mannen immer wieder auf dem Schlachtfeld und es geht einfach nicht weiter, da ein wichtiger Gegner unerwarteterweise nicht auftaucht oder eine andere Sequenz nicht startet. Da hilft nur Laden oder Neustart, wieder und immer wieder. Nervig ist zudem, dass man selbst natürlich nicht durch feste Gegenstände wie Häuser und Bäume durchschauen kann, die gegnerischen Soldaten allerdings immer mal wieder (wenn die KI einen der zahlreichen Aussetzer hat) und man plötzlich bei völliger Dunkelheit, im Gras liegend, aus einem Kilometer Entfernung zielsicher beschossen wird. Dass die Spielengine dann noch Aussetzer in der Form hat, dass zum Beispiel Helikopterpiloten lieber abstürzen als aufzutanken, man oft nach wenigen Metern Joggen bereits völlig außer Atem ist (als durchtrainierter Marine trotz vorheriger Ruhezeit), die Übersetzung der englischen Funksprüche manchmal unfreiwillig komisch ist, passt ins Bild. Zudem hat man lediglich einen einzigen Speicherplatz zur Verfügung, was angesichts der zahlreichen Fehler zusätzlich frustrationsfördernd ist. Wenn dann noch die eigenen Mannen selten dämliche Feindrichtungsangaben wie "Gegner weit voraus" oder "Mann links" funken, die im Eifer des Gefechts für noch mehr Verwirrung sorgen, sieht man, wo Bohemia überall nachbessern muss. Im jetzigen Zustand ist "Armed Assault II" schlicht eine Frechheit, bei der die Spieler als Beta-Tester missbraucht werden, was angesichts der aufopferungsvollen Community mit ihren zahlreichen selbst gebastelten Missionen und Mods einfach nur eine Schande ist. Da fällt es kaum ins Gewicht, dass die letzten beiden Missionen der Kampagne auf einmal das Spiel völlig verändern: Aus dem Shooter, bei dem man maximal sein Squad befehligen muss, wird plötzlich ein Strategiespiel mit Basenbau und der Befehligung einer ganzen Armee. So weit, so ärgerlich. Zur völligen Katastrophe artet dies allerdings dadurch aus, dass dieser Modus und seine Möglichkeiten nirgends erklärt werden, weder im Handbuch noch im Tutorial. Viel Spaß beim Ausprobieren! An dieser Stelle noch ein Tipp: Sollte man in einer Mission derart festhängen, dass es partout nicht weitergeht und man vom ständigen Neuladen derart frustriert ist, dass man diesen Auftrag überspringen will, geht dies so: Linke Shift-Taste zusammen mit der Minus-Taste des Nummernpads drücken. Es erscheint zwar keine Eingabeaufforderung, aber "endmission" (ohne Anführungszeichen) einzugeben, funktioniert dennoch. Die zusätzlichen Einzelspielerszenarien sind soweit in Ordnung, wobei auch hier Skriptfehler an der Tagesordnung sind. Die "Waffenkammer" ist eine nette Idee, da hier jeder in der Kampagne freigeschaltete Gegenstand auf einer riesigen Karte einfach mal ausprobiert werden kann. So lernt man im Tutorial zwar, wie man Hubschrauber und Flugzeuge fliegt, in der Kampagne wird dies merkwürdigerweise aber nie benötigt. Also ab in die Waffenkammer und dort ausprobieren. Spaßig wird dies dadurch, dass man auf der dortigen Karte regelmäßig Mini-Aufträge wie "Töte den General an der Straßenkreuzung" angeboten bekommt. Hier macht "Armed Assault II" richtig Spaß, da die Aufträge einfach gehalten sind und die ansonsten ja wirklich gute Engine einfach werkeln darf: Die Schusswechsel sind simulationsgerecht durchführbar, Explosionen funktionieren nachvollziehbar und auch Nachtaufträge verbreiten besondere Atmosphäre. In der Waffenkammer und den Kurzaufträgen der Kampagne sieht man, was aus "Armed Assault II" hätte werden können, wenn eine vernünftige Qualitätssicherung durchgeführt worden wäre: Eine mitreißende Militärsimulation, die nachvollziehbar das Schlachtengefühl herstellt und einem oft das "Mittendrin"-Gefühl beschert. Der Multiplayermodus ist schließlich nicht allzu erwähnenswert. Neben den üblichen Spielmodi wie Deathmatch und Gebietsverteidigung gibt es noch den Basenbau-Modus "Warfare" der aus den genannten Gründen einfach nicht funktioniert, wie er sollte. Echte Schlachtenatmosphäre will im Multiplayer auch deshalb nicht aufkommen, da wie oft bei Mehrspielertiteln sich die einzelnen Spieler zu wenig absprechen und jeder seinen eigenen Ideen folgt, anstatt gemeinsam taktisch vorzugehen. In entsprechend eingespielten Teams (also vor allem mit einem Clan) kann dies durchaus Spaß machen, auf Public-Servern endet es oft im Chaos. Grafik "Armed Assault II" kann grafisch durch zahlreiche Optionen fein eingestellt werden, so dass es selbst auf schwächeren Rechnern läuft. Aber Achtung: Eine Dualcore-CPU und eine Shader-3-Grafikkarte sind Pflicht. In den höchsten Einstellungen ist "Armed Assault II" eine wahre Pracht, in den mittleren dann ordentliches Mittelmaß. Die Grafik leider ebenfalls unter Bugs: Texturenflackern (selten), körnige Darstellungen nach Gebrauch der UAV-Drohne (oft) und plötzliche Verschwommenheit (aus dem Ruder gelaufener Bloom-Effekt). Auch hier hilft nur Laden oder Neustarten der Mission. Sound Der Bereich Sound ist bei "Armed Assault II" kein Ruhmesblatt. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen haben die Entwickler von Bohemia dem Spiel reinen Software-Sound "spendiert". Ob man also eine echte Gaming-Soundkarte à la X-Fi im Rechner werkeln hat, oder eine billige Onboard-Lösung: "Armed Assault II" hört sich immer gleich blechern an, selbst wenn man per Hand in den Konfigurationsdateien herumspielt. Explosionen hören sich mehr nach Chinaböllern denn Artillerie an, die meisten Gewehre klingen ähnlich und Fahrzeuge gleichen dem kleinen Bruder auf seinem Kettcar. Hier hat "Armed Assault II" einiges an atmosphärischem Potenzial verschenkt. "Armed Assault II" könnte irgendwann mal ein vernünftiges Spiel werden, bis dahin werden aber einige Patches nötig sein. Im jetzigen Zustand kann man von einem Kauf nur klar abraten. Dabei hat "Armed Assault II" durchaus das Potenzial dazu, mitzureißen: Die Simulationsaspekte sind gut gemacht, die Kämpfe (wenn sie durch Bugs nicht verhindert werden) spannend und die Grafik bei entsprechender Hardware ansehnlich. Alle Interessierten sollten noch ein paar Monate warten und sich dann in den entsprechenden Fan-Foren einlesen, ob die bis dahin erschienenen Patches "Armed Assault II" endlich zu dem gemacht haben, was es sein könnte. (22.06.2009)
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