The Longest Journey (Special Edition) (dtp) geschrieben von Matthias Lanwehr
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Es gibt Momente, in denen man sich ganz besonders darüber freut, Videospieler zu sein: In der Regel taucht ein Spiel auf, von dem man nichts Besonderes erwartet und gleich in den ersten Spielminuten explodiert eine atmosphärische Bombe, die mit links sämtliche Zweifel wegpustet. Eines der besten Beispiele für den oben genannten Verlauf ist "The Longest Journey". Adventure-Spezialist dtp hat April Ryans mittlerweile fünf Jahre alter Reise vor kurzem eine Special Edition spendiert, es für reibungslosen Ablauf unter Windows XP restauriert und einiges an Extras eingestreut. Diese Mischung ergibt ein fast perfektes Adventure, das Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung noch genau so erstklassig ist wie am ersten Tag. Story Eine der Grundregeln der Unterhaltungsindustrie ist, dass Träume in Filmen oder Computerspielen nicht einfach nur Nachrichten des Unterbewusstseins sind, sondern meistens auf die Rettung der Welt abzielen. Nachdem sich Gabriel Knight und Zak McKracken vor Jahren mit ihren prophetischen Visionen auseinander setzen mussten, liegt es jetzt an der jungen Studentin April Ryan, Sinn in ihre nächtlichen Ausflüge zu bringen. Eigentlich hat sie ihre Träume als eben diese abgetan, nachdem ihr allerdings einer ihrer Nachbarn genau das erzählt, was in ihrer letzten Traumphase passiert ist, wird April skeptisch. Als dann auch noch die Grenze zwischen Realität und Fiktion zu verschwimmen scheint, beginnt die Kunststudentin mit des Abenteurers liebstem Kind: Nachforschung. Und diese bringen Dinge ans Licht, die selbst die Jungs von LucasArts faszinieren würden. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, da die exzellente Story neben der großartigen Atmosphäre der deutlich stärkste Punkt des gesamten Spiels ist. Gameplay Nostalgiker werden vor Freude glucksen, wenn sie sich mit der klassischen und doch effektiven Steuerung befassen. Gesteuert wird April ganz traditionell mit der linken Maustaste, ein Klick rechts öffnet das Inventar. Sobald sich Gegenstände einsammeln oder manipulieren lassen, blinkt der Mauszeiger auf und die üblichen Befehle "benutzen", "ansehen" und ggf. "sprechen" sind in einem erscheinenden Menü anwählbar. Netterweise bleibt Freizeitknoblern der gefürchtete "ich kann das nicht benutzen"-Satz erspart, da kombinierbare Gegenstände anfangen zu leuchten, wenn sie im Inventar oder dem Spielbildschirm über benutzbare Dinge gezogen werden. Die gebotene Rätselkost ist zum Teil ziemlich knackig, im Gegensatz zu anderen Adventures aber immer logisch. Nur manchmal ein bisschen abstrakt zu denken, schadet bei so mancher Kopfnuss nicht. Ein bisschen pingeliger sollte man allerdings beim Weiterkommen in Gesprächen sein: Am Anfang des Spiels hängt z.B. an einer Pinwand eine Nachricht. Obwohl April den Zettel eingesteckt und gelesen hat, erscheint im Gespräch mit der Person keine Dialogoption über den Zettel. Dieser muss erst aus dem Inventar gekramt und mit der Person benutzt werden, um darüber zu sprechen. Wer bei den Rätseln gar nicht weiter kommt, greift einfach auf die in der Special Edition enthaltene Komplettlösung zurück. Grafik Sprachausgabe, Geschichte und Rätselqualität sind in Adventures zwar zeitlos, die Grafik allerdings nicht. Glücklicherweise lassen sich gerade in diesem Genre am ehesten grafische Mängel durch gute Ideen wieder ausgleichen, trotzdem merkt man "The Longest Journey" das Alter anhand der zum Teil pixeligen Figuren an. Die Auflösung des Spiels ist auf 640x480 Bildpunkte festgelegt und lässt sich nicht verändern. Eigentlich schade, denn die Neuauflage hätte neben der Kompatibilitätsverbesserung unter Windows XP wirklich ein paar mehr Pixel verdient. Zwar sind die gerenderten Hintergründe trotz der niedrigen Auflösung sehr hübsch und detailliert, doch sehen gerade die Hauptfiguren sehr grob aus, wenn sie im Vordergrund stehen. Zwar glättet die 3D-Karten-Unterstützung die Texturen der polygonalen Akteure, das macht aber nicht wirklich einen großen qualitativen Unterschied bei der Weltenerforschung. Sound Irgendetwas ist faul hier. Nicht nur die Geschichte macht das an allen Ecken deutlich, auch der Soundtrack liegt wie eine düstere Wolke über dem Geschehen. Teils sphärische Synthies, teils sehr schöne Melodien treffen den Spieler direkt am Atmosphäre-Nerv und ziehen Hörer mitten in Aprils Welt. Musikalische Untermalung wird zwar nicht durchgängig verwendet, ausgeblendet wird sie aber nur an Orten, die von vornherein über eine ausreichende Geräuschkulisse wie Verkehrslärm oder Kneipengespräche verfügen. Die deutschen Sprecher haben eine großartige Leistung abgelegt, nicht nur, dass die Stimmen zu den Charakteren passen und alles andere als hölzern klingen, die Crew hat auch eine der wichtigsten Aufgaben einer guten Vertonung geschafft: Sie haben den Figuren Persönlichkeit verliehen. "The Longest Journey" lässt sich ohne weiteres in die Reihe der großen Adventures aufnehmen, die auch heute nichts von ihrer Faszination verloren haben. In diesem Spiel stimmt wirklich alles, was das Rätselerherz begehrt. Allein die teils pixelige Grafik braucht etwas Eingewöhnungszeit, was dank der Atmosphäre und der sehr guten Story nach wenigen Minuten zur Nebensache wird. Ebenfalls können sich die Extras der Box sehen lassen: Neben einem Trailer zu "Dreamfall", welches ebenfalls in der Welt von "The Longest Journey" angesiedelt ist, finden sich Aprils Tagebuch, verschiedene Wallpaper, eine Fotostory zur Wahl des offiziellen April Models und ein Feature zu den Welten Arcadia und Stark, das man sich allerdings erst nach Beenden des Spiels ansehen sollte, auf der DVD. Zusammen mit der ebenfalls enthaltenen Komplettlösung und dem extrem guten Preis/Leistungsverhältnis gibt es für Fans des Genres keinen wirklichen Grund, "The Longest Journey" stehen zu lassen. (15.02.2006)
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