Paradise

Paradise

(Anaconda)

geschrieben von Christiane Hamacher

 

Fans von Syberia werden sich sicher freuen, dass nun ein neues Spiel nach einer Vorlage des belgischen Comickünstlers Benoît Sokal, einem Veteranen des Adventuregenres, erschienen ist. Ort des Geschehens ist diesmal das fiktive Land Mauranien, mitten im Herzen des schwarzen Kontinents. Wenn man der Beschreibung des Fremdenverkehrsbüros Glauben schenken darf, ist es der ideale Ort für Urlauber, die Abwechslung und Abenteuer lieben. Dank der günstigen geografischen Lage scheint die Sonne 365 Tage im Jahr, malerisch windet sich der Maurane-Fluss durch das Land und lädt zu einer Kreuzfahrt ein und um ihn herum blüht das Leben. Für ausgedehnte Einkaufsbummel oder Zerstreuungen kann man sich tagelang in der großen, lebhaften Hauptstadt Madagarne und ihren Basaren herumtreiben. Doch auch Besucher, die Einsamkeit suchen und lieben, werden sich in Mauranien wohl fühlen, die Dünen der Wüste eignen sich ideal für ausgedehnte Ausritte auf den langbeinigen Gazellos und ruhige romantische Momente zu zweit.

Leider entspricht das malerische Bild, das man Touristen in Katalogen vermittelt, nicht der Realität: Der internationale Flughafen ist längst von Rebellen besetzt und Unruhen erschüttern das Land. König Rodon, der autoritäre Herrscher Mauraniens, hat sich ohne erkennbaren Grund auf sein Flagschiff zurückgezogen und ist geflüchtet. Die umliegenden Staaten spüren seine Schwäche und wollen sie nutzen, um das kleine Paradies an sich zu reißen. In seiner Verzweiflung hofft der alternde Monarch auf die Hilfe seiner Tochter, die er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hat. Sein letzter Wunsch ist es, sie noch einmal vor seinem Tod zu treffen, damit sie sein Erbe antreten kann. Denn er ist sich sicher, dass nur sie das Land einen kann und dass die Menschen ihr folgen werden, um so die Traditionen seiner Vorfahren zu bewahren. Nur zögernd willigt Ann ein, ihm den letzen Willen zu erfüllen und begibt sich auf den langen Flug von Genf in ihr Heimatland. Doch sie soll ihr Ziel nie erreichen – ihr Flugzeug wird über der Wüste von Rebellen abgeschossen. Wie durch ein Wunder überlebt Ann den Absturz unverletzt und kann gerettet werden; man bringt sie zur Erholung in den Harem der nah gelegenen Stadt Madargane. Doch auch wenn Ann äußerlich unversehrt scheint - als sie wieder zu sich gekommen ist, muss sie erschrocken feststellen, dass sie ihr Gedächtnis verloren hat - jede Erinnerung an den Grund ihrer Reise und an ihre Vergangenheit ist ausgelöscht. Um das Rätsel ihrer bisherigen Lebensgeschichte zu lösen, beschließt Ann, einen geheimnisvollen schwarzen Leoparden bis zu dem Ort seiner Geburt quer durch das Land zu begleiten. Und so beginnt das Abenteuer ...

Installation

Gewöhnlich ist es nicht notwendig, im Einzelnen auf die Installation eines Spiels einzugehen. Bei "Paradise" kommt es jedoch zu Schwierigkeiten, die im offiziellen ANACONDA-Forum schon öfter angesprochen wurden. Es ist nämlich nicht möglich, die Installation einfach über den beim Einlegen der DVD erscheinenden Autostart-Monitor zu beginnen. Zuerst ist es notwendig, die auf der DVD enthaltene DirectX-Version zu installieren, und zwar auch dann, wenn auf dem Rechner bereits eine neuere vorhanden ist. Danach müssen alle im Hintergrund laufenden Programme einschließlich Virenscanner und Firewall beendet werden. Nun erst ist es möglich, "Paradise" mit der auf der DVD enthaltenen Datei zu installieren und Mauranien zu erkunden.

Wer bin ich?

Das Spiel beginnt im Harem des Prinzen von Madagarne. Ann erwacht dort in einem kleinen Zimmer und stellt mit Schrecken fest, dass ihre Erinnerungen vollständig im Dunkeln liegen. Sie weiß weder, wo sie sich befindet, noch wie sie dort hingekommen ist oder wie ihr Name lautet. Erste Hinweise erhält sie von einem Mädchen, das im Palast als Dienerin arbeitet; sie gibt ihr die Gegenstände wieder, die man noch aus den Trümmern bergen konnte und so erfährt die Protagonistin, dass ihr Name wahrscheinlich Ann Smith ist. Doch weitere Informationen wird sie innerhalb der heilen Palastwelt wohl kaum finden, also beginnt die Suche nach einem Ausweg, und der scheint einzig und allein über eine Audienz beim Prinzen zu führen. Dass dies nicht so einfach zu erreichen ist, versteht sich von selbst. Es gilt, eine Reihe von Rätseln zu lösen und mit den richtigen Leuten zu sprechen, um ihnen Hinweise zu entlocken. Auch wenn die verworrene und spannende Geschichte deutlich im Vordergrund steht, ist "Paradise" ein klassisches Point-and-Click-Adventure: Es gilt, einzusammeln, was nur möglich ist, und jeden Ort genaustens zu erkunden; vor allem muss jede gesprächsbereite Person ausgequetscht werden, um an die nötigen Fingerzeige zu kommen. Angenehm fällt dabei auf, dass man nicht einen Satz mit festgelegtem Wortlaut auswählen muss, sondern lediglich eines der vorgegebenen Themen. Sobald Ihr Gegenüber nicht mehr bereit ist, Auskunft zu geben, verschwindet das betreffende Thema aus der Liste der Auswahlmöglichkeiten. Man hat auch jederzeit die Option, das Gespräch zu beenden, denn nicht alle Dialoge sind wichtig für den Fortgang der Geschichte, einige erzählen einfach nur mehr über die Geschichte Mauraniens oder klären über die Hintergründe der handelnden Personen auf. Wie jedes Adventure besteht auch "Paradise" neben Gesprächen zu einem Großteil aus mechanischen Rätseln; es gilt zu kombinieren, wie man einen Boiler anheizt oder ein Parfüm destilliert. Die Rätsel sind logisch aufgebaut, fügen sich gut in den Verlauf der Geschichte ein und sind auch vom Schwierigkeitsniveau her nicht allzu hoch angesiedelt. Allerdings gibt es auch kleine Ausnahmen: Warum man eine Lochkarte braucht, um ein Dampfbad anzuheizen, wird sich wohl den wenigsten erschließen.

Ein Nachteil beim Absuchen von Räumen besteht darin, dass einige Hebel oder Seile oft mit dem Hintergrund verschmelzen und mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen sind. Hier hilft nur die animierte Kugel weiter, die als Cursor dient, sie verändert sich und zeigt so an, wo Aktionen ausgeführt werden können oder was man in die eigene Tasche stecken kann. Manchen ärger kann man sich ersparen, wenn man schön langsam mit der Kugel über den Bildschirm fährt. Es dauert nämlich eine ganze Weile, bis die Animation in Gang kommt, so dass man sich oft schon am anderen Ende der Szene befindet, ohne den Hot Spot entdeckt zu haben. Es bleibt dann nichts anderes übrig, als die Suche geduldig von Neuem zu beginnen. ähnlich langsam ist das Menü selbst, es dauert oft lange, bis es vollständig geöffnet ist oder Gegenstände aus dem Inventar aktiviert werden können. Ein weiterer Minuspunkt sind die ungenauen Wegpunkte und der Pfeil, der eigentlich den Weg zu nächsten Szene weisen soll, ist nicht immer verlässlich und so läuft Ann manchmal nicht in die gewünschte Richtung.

Eine Besonderheit sind die kleinen Szenen, in denen man den schwarzen Panther, den man durch das Land begleitet, steuern kann, während die Protagonistin friedlich schlummert. Die Ansicht wechselt dann in 3D-Echtzeit: Nach einem Klick mit der rechten Maustaste setzt das Raubtier zum Sprung an und kann so auch entlegene Winkel erkunden, auch wenn die Steuerung ansonsten nicht einfach ist. Diese kleinen Einlagen tragen zwar sehr zur Abwechslung für den Verlauf der Geschichte bei, sind jedoch nicht entscheidend und es ist möglich, diese Episoden jederzeit zu beenden.

Grafik und Sound

Grafisch zieht "Paradise" den Spieler sofort in seinen Bann. Die Hintergründe sind wunderschön gerendert und das Licht zaubert faszinierende Schatten und schimmernden Glanz auf Seen und kleinen Brunnen. Vögel und Mückenschwärme bevölkern die Gärten und beleben die Szenerie, die schwere Luft des Harems kann man fast selbst riechen und man möchte gelegentlich einfach verweilen, um sich die Szenerie genauer anzusehen. Kinoreife Renderfilme tragen zusätzlich dazu bei, das Geschehen zu beleben und die Story voranzutreiben. Da sie wirklich hervorragend programmiert sind, ist es schön, dass man sie sich über das Startmenü immer wieder ansehen kann. Einziger Wermutstropfen sind die Charaktere: Sie wirken gegen die Hintergründe sehr detailarm und sind lieblos animiert. Ihre Bewegungsabläufe wirken oft unnatürlich und starr, so passiert es auch immer wieder, dass Ann direkt durch die kleine Palastdienerin hindurchsprintet, anstatt sie zu umrunden.

Der Sound ist wie die Grafik ein Leckerbissen, die Musik passt sich stimmungsvoll den Handlungsorten an, ohne dabei zu sehr in den Vordergrund zu drängen; sie wird nie störend, sondern unterstreicht die Stimmung perfekt. Auch die Synchronisation der Charaktere ist gelungen, die deutschen Stimmen sind passend und glaubwürdig. Bei Bedarf können auch Untertitel hinzugeschaltet werden, deren Farbe man sogar separat einstellen kann, so dass sie in jeder Szenerie gut lesbar sind. Bis auf einige kleine übersetzungsfehler stimmen die Texte auch meistens mit dem überein, was die Charaktere von sich geben. Es wäre allerdings wirklich schade, "Paradise" ohne Ton zu spielen und sich stattdessen lediglich auf die Texte zu stützen; man kann nur empfehlen, die eigenen Boxen ordentlich aufzudrehen.

"Paradise" ist dank seiner tiefgehenden Geschichte und der wundervollen Grafik sicher ein gelungenes Adventure. Auch wenn es zeitweise etwas verwirrend oder überraschend war, welche Logik hinter einigen Rätseln steckt - ich muss zugeben, dass ich zeitweise froh war, im Internet eine gute Komplettlösung entdeckt zu haben, sind die Puzzles ansonsten spannend, nicht zu simpel und abwechslungsreich. "Paradise" bietet somit einiges an Spielspaß, jedoch ist die Spieldauer für meinen Geschmack etwas zu kurz geraten. Eine gute Idee wäre es auch gewesen, dem Spieler die Möglichkeit zu geben, direkt von Bild zu Bild zu springen. Ann ist zwar in der Lage, langsam zu sprinten, doch bei großen Räumen, die oft mehrmals durchquert werden müssen, hilft das nicht viel, zumal jede Art von Treppe grundsätzlich sehr gemütlich genommen wird. Doch die Grafik mit ihren vielfältigen Details und stimmungsvollen Lichteffekten, die gute deutsche Synchronisation und die fesselnde Geschichte lassen über derartige Mängel leicht hinwegsehen. An die Klasse von "Syberia" kommt "Paradise" nach meiner Meinung nicht heran, dennoch ist das Adventure für Fans des Genres oder Benoît-Sokal-Spielen sicher den ein oder anderen Blick wert.

(23.08.2006)

Entwickler: White Birds Productions
Publisher: dtp/ANACONDA
Genre: Adventure
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Paradise
Preis: 39,99 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG

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