Neverend (Frogster Interactive) geschrieben von Hans Thiel
| |||||||||||||||
Missliche Umstände zwingen den Protagonisten, von seinem bisherigem Lebensweg abzuweichen, er begibt sich auf eine langwierige Suche und entdeckt dabei, dass sein Schicksal auf merkwürdige Weise mit dem der ganzen bekannten Welt verstrickt ist. Unzählige Bücher, Filme und Spiele haben dieses Thema aufgegriffen und doch vermag es, ob seiner vielzähligen Variationen, immer wieder aufs Neue zu begeistern. "Neverend" von Frogster Interactive erzählt die Geschichte der gefallenen Fee Agavaen, die, auf der Jagd nach ihrer gestohlenen Räuberbeute, über viele merkwürdige Geschehnisse im Land und ihre eigene geheimnisvolle Geschichte stolpert. Spielsteuerung Ohne viel Vorrede wirft Neverend den Spieler direkt ins Geschehen und in den Körper der Fee Agavaen. Der kurze Vorspann zeigt Agavaen und ihre Räuberbande ausgelassen einen großen Beutezug feiernd, doch in der Nacht betrügen zwei ihrer Kumpanen sie und verschwinden mit der gesamten Beute. Anschließend kommt es zum Kampf mit dem erzürnten Anführer der Räuberbande, der Agavaen die Schuld an allem gibt. Nun gilt es, die Diebe zu verfolgen, um sie für ihren Verrat zu bestrafen. Gerade der Einstieg in das Spiel fällt schwer. Schon bald nach Verlassen des Räuberlagers in Richtung der nächstgrößeren Siedlung wird Agavaen das erste Mal angegriffen und eigenartigerweise geht die Verteidigung gegen Landstreicher oder Wölfe nicht so glatt von der Hand, wie es sich für eine gestandene Räuberbraut ziemen würde. Häufiges Speichern ist unbedingt empfehlenswert, gerade, wenn die Heiltränke knapp werden, zählt jeder Lebenspunkt, der nach dem Kampf übrig bleibt. Die eliminierten Gegner bringen dem Spieler die genretypischen Erfahrungspunkte und hinterlassen auch den ein oder anderen nützlichen Gegenstand, meist einige Münzen, Waffen, Rüstung oder Tränke. Mit der Zeit bessert sich das Kräfteverhältnis, bis schließlich ein Punkt erreicht ist, an dem die meisten Gegner keine wirkliche Herausforderung mehr darstellen. Kurze Zeit später geht das Spielchen von vorn los, mit einem Schlag haben die Gegner kräftemäßig zugelegt und treiben ungeduldigere Spieler mit irrwitzigen Schlagkombinationen zur Weißglut. Wie schon erwähnt, häufiges Speichern verspricht Linderung. Die Charakterentwicklung spielt eine große Rolle im Spielverlauf. Durch den Gewinn von Erfahrungspunkten bei den Kämpfen steigt Agavaen im Erfahrungslevel und erhält pro Stufe eine gewisse Anzahl Punkte, die der Spieler auf Attribute wie Kraft, Geschicklichkeit oder Wahrnehmung verteilen kann. Diese beeinflussen allein oder in Kombination weitere Eigenschaften der Fee, zum Beispiel, wie viel Schadenspunkte sie maximal bewirken kann oder wie schnell sie erschöpft ist. Bestimmte Gegenstände wie Kleidung, Waffen oder Amulette und Ringe können diese Werte weiter verbessern. Das Kampfsystem in Neverend ist etwas gewöhnungsbedürftig, entbehrt aber nicht einer gewissen Logik. Es stehen maximal drei Gegner der Fee gegenüber, die ihrerseits von maximal zwei Charakteren begleitet werden kann. Am Beginn eines Kampfes durchlaufen die Kontrahenten eine Aufwärmphase, in der erst einmal nichts geschieht, alle bereiten sich auf den bevorstehenden Schlagabtausch vor. Wie schnell jeder Kämpfer bereit ist, hängt von seinem Erfahrungslevel und seinen Wahrnehmungswerten ab, im ungünstigsten Fall greift der erste Gegner schon an, während Agavaen noch versucht, die Situation zu überblicken. Ist die Aufwärmphase abgeschlossen, gilt es, einen Gegner zu wählen und dann zu entscheiden, wie dieser angegriffen werden soll. Dabei wird dieser Angriffsbefehl auch nicht sofort ausgeführt, sondern benötigt seinerseits wieder eine gewisse Vorbereitungszeit. Je nach Komplexität des Angriffs mal mehr, mal weniger. Ein einfacher Hieb in Richtung Kopf ist natürlich schneller ausgeführt als ein komplizierter "Doppelter Fleischhauer", verursacht aber auch weniger Schaden. Dies bringt eine gewisse taktische Komponente in die Kämpfe. Ist es nun sinnvoll, zu Beginn des Kampfes die leichteren, aber eben auch schnelleren Unterstützungseinheiten auszuschalten, oder bringt es mehr, den langsameren Hauptgegner zuerst anzugehen, der pro Schlag ein Vielfaches an Schaden anrichten kann? Lohnt es sich, wertvolle Zeit in einen komplexen Schlag zu investieren oder haben einige simple Hiebe auch die gewünschte Wirkung? Solche Fragen stellen sich während der Kämpfe und sind auch meist so pauschal nicht für alle Situationen zu beantworten. Somit bleibt der Schlagabtausch immer spannend bis hin zu frustrierenden Momenten, wenn ein einfacher Wolf einen Glückstreffer mit kritischem Schaden im zweistelligen Bereich landet und Agavaen in die ewigen Jagdgründe schickt. Aber dafür kann ja jederzeit auf den letzten Spielstand zurückgegriffen werden. Wie es sich für ein anständiges Fantasy-Spiel gehört, kommt auch die Magie nicht zu kurz. Agavaen verfügt im Laufe des Spiels über einen ansehnlichen Vorrat an Zaubersprüchen, die im Kampf entweder auf den Gegner, auf Verbündete oder Agavaen selbst angewendet werden können. Zauber gibt es als "Einmal-Versionen" in Form von Spruchrollen zu erwerben, die nach der Anwendung verschwunden sind, oder als Rezept, was die Zauber auf Agavaens Spruchrolle fest einträgt. Diese Zauber müssen mittels einer Kombination aus verschiedenen Runen einmal aktiviert werden und stehen dann immer zur Verfügung. Nach der Benutzung kann Agavaen die entsprechenden Zauber während der Nachtruhe wieder aufladen, so wie sich im Schlaf auch ihre Lebenspunkte regenerieren. Die Runen sind entweder Beute von gefallenen Gegnern oder lassen sich auch bei speziellen Händlern erwerben. Die Rezepte sind dabei nur eine Hilfestellung, es ist jederzeit möglich, selbst eine Kombination auszuprobieren, um so an einen Zauber zu kommen, von dem die Rezeptrolle nicht vorliegt. Dies wird aber sicher nur bei simplen Zaubern von Erfolg geprägt sein, es sei denn, der Spieler prägt sich die nötige Kombination in einem vorherigen Spiel ein. Auch wenn es zu Beginn des Spieles nicht so aussieht, die Beherrschung einiger Zauber ist durchaus von Bedeutung und kann über Sieg und Niederlage im Kampf entscheiden. Einige Gegner, wie etwa Geisterwesen, lassen sich von kaltem Stahl nur wenig beeindrucken und müssen auf magischem Wege erlegt werden. Den Spagat zwischen den handfesten Waffenfertigkeiten und den magischen Befähigungen zu meistern, ist eine der größten Herausforderungen des Spiels. Es ist ein übliches Stilmittel, dass sich die großen Umbrüche, vor denen das Land oder die Charaktere stehen, oft durch kleine, rätselhafte Ereignisse ankündigen, die den gewohnten Trott des Lebens durcheinander bringen und die alle Beteiligten zutiefst verstören. In Neverend sind dies gehäufte Sichtungen von Werwölfen, seltsame Geräusche und verschwundene Personen. Urplötzlich auftauchende, übermächtige Gegner, die, noch bevor sie den ersten und in dem Stadium für Agavaen wohl auch den letzten, Schlag ausgeführt haben, wieder verschwinden. Geheime Zirkel, die gegen Gefälligkeiten bereit sind, Wissensfetzen über den Zustand der Welt preiszugeben. All dies ist durchaus gewohnte Kost und dennoch in Präsentation und Umsetzung spannend. Agavaen hangelt sich von Auftrag zu Auftrag, löst Rätsel und sucht verschwundene Personen und Gegenstände. Verbunden ist dies meist mit viel Laufarbeit, immer wieder unterbrochen von Kämpfen, die das Vorankommen erschweren. Bei der Vielzahl der Aufträge gilt es den Überblick zu behalten, ein genaues Logbuch mit einer Aufzeichnung der Gespräche gibt es leider nicht, die Auftragsübersicht bietet später allenfalls noch rudimentäre Informationen zu den einzelnen Herausforderungen. Ein Kompass oder eine Karte ist im Spiel ebenfalls nicht verfügbar, glücklicherweise wurde mit dem ersten Patch ein Bild der Spielkarte zur Verfügung gestellt, falls einmal komplett die Orientierung verloren gehen sollte. Stabilität des Spiels Ohne viel zu beschönigen zu wollen: Die Stabilität von Neverend ist eine Katastrophe. Die empfohlenen kurzen Speicherintervalle haben noch einen zweiten Zweck - jederzeit den häufigen Spielfehlern mit Gelassenheit begegnen zu können. Das Spiel stürzt ab und an nicht reproduzierbar ab, ein Wechsel zur Windows-Oberfläche, etwa um kurz E-Mails zu checken oder die angesprochene Karte zurate zu ziehen, verbietet sich von selbst, hier verabschiedet sich das Spiel auch nach dem ersten Patch regelmäßig. Zu den Abstürzen gesellen sich weitere nervige Eigenheiten, Berichte von verschwindenden Lebenspunkten, blockierten Quests, nicht aktivierten Gesprächsoptionen und anderen Unzulänglichkeiten füllen das zuständige Forum zum Spiel. Es empfiehlt sich, den zur Verfügung stehenden Patch einzuspielen, zumindest bietet dieser eine modemnutzerfreundliche Dateigröße, behebt aber auch nur einige der genannten Fehler. Grafik Neverend ist von der Grafik her in drei Teile gegliedert: Einmal ist da die Karte, auf der Agavaen in einer extremen Vogelperspektive gesteuert wird und die grafisch nicht viel hermacht. Auch konzentrieren sich hier die hauptsächlichen Grafikfehler. Texturen von Bäumen und Sträuchern beginnen zu blinken oder werden durch vergrößerte Versionen von anderen Texturen ersetzt. Auch wenn dies sicher störend ist, mindert es aber nur wenig den Spielfluss, wenn Agavaen auf einmal unter einem überdimensionierten Fliegenpilz steht, der mit jedem Schritt die Farbe wechselt. Ein wenig psychedelisch vielleicht, aber zumindest mal ein Fehler, der zum Lachen anregt. Innenräume von Gebäuden oder Siedlungen sind grafisch wesentlich aufwendiger, auch wechselt hier die Perspektive zu fest definierten Kamerapunkten, Agavaen wandelt dann quasi wie in einem Gemälde. Große Teile dieser Szenerie sind statisch, einzelne Teile, wie etwa die Dorfbewohner, sind animiert. Optisch macht das natürlich viel mehr her, Licht- und Schatteneffekte sind schön anzusehen, die Gebäude, Gegenstände und Figuren sind detailliert und gut texturiert. Alle Personen haben aber recht kurze Bewegungszyklen, die sich rasch wiederholen. Der dritte grafisch eigenständige Part sind die Kämpfe. Diese finden an Orten statt, die einen gewissen Arena-Charakter besitzen. Einige Objekte schaffen einen fest definierten Kampfplatz, der je nach Gebiet, in dem sich Agavaen gerade aufhält, variiert. So gibt es zum Beispiel eine Waldlichtung oder ein Kampfgebiet inmitten eines Feldes. Der Hintergrund ist unscharf und als bloße Kulisse ausgeführt, Mittelpunkt und Hauptaugenmerk der Szenerie sind die sich gegenüberstehenden Kontrahenten. Von der Qualität der Grafik liegt diese Darstellung in der Mitte zwischen der abstrahierten Karte und den detaillierten Innenräumen. Die Animation der Kämpfer ist recht simpel, die Sequenzen wiederholen sich rasch und ähneln sich bei den verschiedenen Gegnern stark. Zudem ist auch dieser Teil nicht frei von Fehlern: Niedergeschlagene Feinde, die plötzlich wieder aufstehen oder Bluteffekte, die an der Position verharren, während der Gegner auf Agavaen zustürmt, trüben das Bild etwas. Insgesamt ist die gesamte grafische Aufmachung nicht mehr auf der Höhe der Zeit, bringt aber den Vorteil, auch älteren Rechnern noch den Genuss eines neuen Spiels zu verschaffen. Einige Sequenzen, die die Handlung vorantreiben und erklären, sind vorgerendert, aber von der Qualität her auch eher schlicht. Sound Die musikalische Untermalung ist mit längerer Spieldauer recht eintönig, vor allem bei den häufigen Kämpfen beginnt die immergleiche Musik schnell nervig zu werden. Der Sound ist der wohl schwächste Part des Spiels, die Waffengeräusche und auch Äußerungen der Gegner klingen allesamt blechern und unrealistisch, da reißt auch die EAX-Unterstützung nicht mehr viel raus. Bug oder Feature? Bei den Dialogen scheint eine Sprachausgabe dem Zufall unterworfen zu sein, manche Dialoge erfreuen durch Sprachausgabe, die dann auch ziemlich gut klingt, meistens bleiben die beteiligen Personen jedoch stumm. In einigen Fällen unterscheidet sich die Sprachausgabe vom geschriebenen Text, was die Verwirrung komplettiert. Es fällt schwer, Neverend zu beurteilen. Bei all den Schwächen, den häufigen Abstürzen, den Darstellungsfehlern und Soundproblemen entwickelt das Spiel dennoch einen gewissen Charme und eine Anziehungskraft, die der von großen Blockbustern teilweise in nichts nachsteht. Suchtähnliche Verzückung und lästerliches Fluchen liegen hier dicht beieinander. Leicht reizbare Naturen sollten sich den Kauf noch einmal überlegen oder es als Herausforderung an die eigene Geduld auffassen. Spieler, denen das häufige Speichern, die Abstürze und damit verbundenen Neustarts des Spiels nichts ausmacht und die einem guten Rollenspiel nicht abgeneigt sind, machen bei dem Preis mit Neverend wohl keinen Fehler. (02.01.2006)
|