Die Siedler V: Das Erbe der Könige Geschrieben von Sebastian Hör
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Lange Zeit war es still um die erfolgreiche Wirtschaftssimulation „Die Siedler“ aus dem Hause Blue Byte. Nach dem vierten Teil, der zwar, ebenso wie die vorangegangen Teile, dem kultigen Wusel-Faktor, dem die „Siedler“-Reihe ihre Faszination verdankt, gerecht wurde, sonst aber in Sachen Innovation enttäuschte und obendrein sehr verbugt war, legten die Entwickler eine fast vierjährige Pause ein. Nun steht mit „Das Erbe der Könige“ endlich der von vielen Fans herbeigesehnte fünfte Teil in den Regalen der Händler. Aber wird er den hohen Ansprüchen seiner Vorgänger gerecht? Der Modergeruch von Warcraft III… …hängt auch, wie leider bei fast allen Spielen, die im letzten Jahr erschienen sind und im Mittelalter spielen, auch über „Siedler V“. Die Story ist dementsprechend in ihren Anfängen nicht wesentlich anders, als wir das schon vom Genre-Krösus gewohnt sind. Der junge Prinz Dario, Held der 15 Missionen umfassenden Kampagne, spielt in der Anfangssequenz noch übermütig und nichts ahnend mit seinem zahmen Falken, als ihn die schreckliche Kunde erreicht: Sein Heimatdorf Thalheim wird von finsteren schwarzen Räubern angegriffen, die ein bestimmtes Artefakt zu suchen scheinen. Natürlich nimmt Dario es sofort auf sich, sich den sengenden und plündernden Horden in den Weg zu stellen. Hier steigt nun der Spieler ein und übernimmt die Kontrolle über Dario und einige Leibeigene, die den Wiederaufbau Thalheims vorantreiben sollen. Ein königliches Vergnügen Wer sich mit den Wirtschaftszyklen und der Steuerung von „Siedler V“ nicht auskennt bzw. sich damit vertraut machen will, dem steht ein kleines, in die Handlung eingebundenes Tutorial zur Verfügung, in dem alle einzelnen Schritte zum Aufbau einer funktionierenden Wirtschafts- und Militärsiedlung erläutert werden. Beginnt das Tutorial am Anfang noch mit den elementaren Dingen wie Einheiten selektieren, die Maus bewegen und derlei Dinge mehr, die jeder, der einmal ein Echtzeit- oder Rundenstrategiespiel gespielt hat, im Schlaf beherrscht, so geht es alsbald ans Eingemachte: Schritt für Schritt werden dem Spieler die einzelnen Ausbaustufen einer funktionierenden Siedlung erklärt. Den Anfang machen – selbstverständlich – Dorfzentrum und Burg. Während das Dorfzentrum für das Bevölkerungslimit sorgt und in drei Entwicklungsstufen zur Verfügung steht, kann man in der Burg – und nur dort – Leibeigene anwerben, die sich um die elementaren Tätigkeiten in einer Siedlung kümmern. So sind sie als einzige zivile Einheit direkt steuerbar und können theoretisch alle Aufgaben übernehmen, die auch Spezialisten ausführen können, jedoch mit einem gravierenden Unterschied: Zwar können die Leibeigenen Bäume fällen oder mit Pickeln Steine, Eisen, Schwefel oder Lehm, d.h. sämtliche in Siedler V benötigten Ressourcen, fördern, jedoch können sie nicht in den Gebäuden arbeiten, die den Ausstoß selbiger erhöhen; hierzu sind Spezialisten erforderlich, die sich wiederum aus dem Dorfzentrum rekrutieren und erst dann zur Verfügung stehen, wenn genügend Wohnraum in Form von Häusern und Nahrung in Form von Bauernhöfen zur Verfügung steht. Ferner zahlen die Spezialisten – im Gegensatz zu den Leibeigenen – Steuern und füllen damit Ihre Staatskasse, damit Sie im späteren Spielverlauf neue Technologien erwerben können, die wiederum für höhere Einnahmen bei Ressourcen oder eben direkt beim Gold führen. Außerdem können Sie in Zeiten von Rohstoffknappheit oder in Mehrspielerpartien Ihre Siedler zu Überstunden zwingen, um den Ressourcenausstoß zu erhöhen und sich so einen Vorteil gegenüber Ihren Konkurrenten zu verschaffen. Das geht zwar, ebenso wie eine Steuererhöhung in der Burg, auf Kosten der Moral, aber ist ein durchaus probates Mittel, um kurzfristige Erfolge zu erzielen. Im Unterschied zu den Vorgängerteilen ist es bei „Das Erbe der Könige“ nun nicht mehr nötig, dezidiert Straßen zu errichten, um den Rohstofftransport zwischen Produktionsstätte und zentralem Lager abzuwickeln. Sobald Ihre Arbeiter etwas fördern, wandert das Produktionsgut direkt in ihr Lager. Sie sehen schon jetzt: Die Warenkreisläufe von Siedler V sind wie gewohnt sehr ausgeklügelt, alles hängt in irgendeiner Form voneinander ab, wobei alles nichtsdestotrotz immer überschaubar und transparent bleibt. Ein wichtiger Garant hierfür ist unter anderem das Navigationsmenü: Hier werden alle essentiellen Informationen auf einen Blick angezeigt. Am linken unteren Bildschirmrand befindet sich die Minikarte, die – nach Erforschung bestimmter Technologien – verschiedene Informationen anzeigt, etwa größere Ressourcenansammlungen, Militäreinheiten oder eben die Standardkarte. Rechts davon werden die Ressourcen angezeigt, zuerst die Steuern und die Zuwachsrate bis zum nächsten Zahltag, dann Lehm, Holz, Steine, Eisen und Schwefel. Darunter finden Sie Informationen über die Zufriedenheit der Siedler, die Verfügbarkeit von Wohnraum in Ihren Dorfzentren und die Anzahl an Siedlern ohne Schlafplatz oder Nahrung. Am oberen Bildschirmrand sieht man im Zentrum eine Anzeige, die über den nächsten Zahltag informiert und rechts daneben eine Schnellzugriffsleiste für einzelne Waffengattungen und Helden. Alles in Allem ist das Navigationsmenü also fast perfekt, man hat schnell Zugriff auf alle gewünschten Informationen – bis auf eine einzige, die ich mir hier gewünscht hätte und die es beispielsweise bei Rise of Nations gibt: Wenn man eine Technologie erforscht, muss man über dem Gebäude bleiben, welches diese Technologie erforscht, um deren Fortschritt zu sehen oder das Gebäude anklicken, um sie abzubrechen. Es wäre sinnvoll gewesen, am linken Bildschirmrand über der Minikarte, wo Sie regelmäßig über Schlafplatz- bzw. Nahrungsmangel informiert werden, auch den Fortschritt der gerade erforschten Technologien einzublenden. Ein Makel, der jedoch nicht sonderlich stört. Die Fülle an Gebäuden, Technologien und Ausbaustufen ist überwältigend und Einsteiger werden sicherlich einige Zeit brauchen, um sich in Siedler V zurechtzufinden, aber wenn dies erst einmal geschafft ist, entfaltet sich die ganze Faszination des Siedler-Universums. Es macht riesigen Spaß, einzelne Warenkreisläufe zu verfeinern, Gebäude auszubauen und zu verbessern oder einfach mal auf einzelne Facharbeiter zu klicken und sich ihre Kommentare anzuhören. Außerdem sehr nützlich: Fährt man mit der Maus über einen Siedler, sieht man eine Gedankenblase, in dem sich Moral und Tätigkeit ablesen lassen. Militär? Der Militärpart, einer der Bereiche, die von Blue Byte intensiv ausgebaut wurden, zeigt sich in der Tat in einem sehr überzeugenden Gewand, das allerdings Echtzeitstrategen reinsten Wassers nur ein müdes Lächeln abnötigen wird. Jedoch, für ein Aufbau-Strategiespiel ist er hervorragend gestaltet, die Einheiten sind durchdacht und die Upgrades exzellent eingebunden. Zunächst einmal gibt es vier Einheitengattungen: Infanterie (Schwert- und Lanzenkämpfer), Fernkämpfer (Bogenschützen), Kavallerie (leichte und schwere) und Belagerungswaffen (leichte und schwere), die man zu einer gesunden Mischung zusammenstellen sollte, um erfolgreich anzugreifen. Jede Einheitengattung kann man zudem mit einem oder mehreren Upgrades versehen, um sie effektiver zu machen. Das Interessante daran ist sicherlich, dass die Einheiten zum einen sofort erstellt werden und zum anderen mehrere Soldaten umfassen. Diese kleinen Gruppen werden von einem Hauptmann angeführt, der für seine Dienste aus den Schatzkammern des Reiches bezahlt wird, demzufolge also Sold verlangt. Die Einheiten können außerdem verschiedene Formationen einnehmen und diverse Befehle, die man auch aus anderen Strategiespielen kennt, wie beispielsweise „Patroullieren“, ausführen. Die KI arbeitet hier größtenteils fehlerfrei, die Einheiten befolgen Ihre Befehle präzise, jedoch ziehen sich die Truppen bisweilen sehr weit auseinander, wenn es durch unwegsames Gelände geht. Außerdem gibt es – wie mittlerweile leider in fast jedem Strategiespiel – Helden mit besonderen Fähigkeiten, die ein Heer unterstützen und anführen. So kann beispielsweise Dario seinen Adler vorausschicken, um unerkundetes Territorium aufzudecken oder Feinde in einem bestimmten Radius in die Flucht zu schlagen. Die Fähigkeiten der Helden können allerdings nicht frei belegt werden und sind teilweise völlig nutzlos, beispielsweise braucht man Darios Falken nicht wirklich, man kann genauso gut mit seinen Einheiten durch den Gegner hindurchstürmen. Dennoch, die große Stärke von „Das Erbe der Könige“ liegt eindeutig im Wirtschaftsbereich, für richtige Schlachten im Multiplayermodus gibt es einfach zu wenige Einheitentypen, meistens gewinnt derjenige, der mehr Gold in seinem Staatssäckel hat, komplexe Strategien sind kaum umzusetzen. Spaßig ist der Militärteil trotzdem. Putzig, lebendig – man muss sie einfach lieben! Die Grafik von „Die Siedler V“, basierend auf einer optimierten Criterion RenderWare-Technik, macht einen hervorragenden Eindruck. Nie wuselten die Siedler schöner durcheinander als in „Das Erbe der Könige“. Die Größe der Karten ist beeindruckend, die Detailverliebtheit ohne Gleichen: Überall tummeln sich Tiere wie Wölfe, Hunde, Vögel und vieles mehr, hier und da finden sich Ruinen, Bäume wanken im Wind, der Regen peitscht über die Karte und im Winter fallen Schneeflocken zu Boden und bedecken die Dächer der Gebäude mit einer weißen Decke. Die Wechel der Jahreszeiten sind gut gelungen, plötzlich einsetzender Regen kündigt sich mit einer leichten Verdunkelung an, die Einheiten werfen einen Schatten und sind zudem hervorragend animiert. So treten sie, wenn sie nichts zu tun haben, schon mal ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, legen ihre Schilde zu Boden und ihre Schwerter über die Schulter. Majestätischer Sound Der Sound von „Das Erbe der Könige“ ist ebenfalls sehr gut gelungen. Die musikalische Untermalung ist stets passend und absolut stimmungsvoll, jedoch in der Standardeinstellung etwas zu laut, sodass man sich nach einigen Minuten genötigt sieht, sie leiser zu stellen oder ganz abzuschalten. Die Kommentare der einzelnen Siedler sind erste Sahne und zaubern dem Spieler des Öfteren ein Lächeln auf die Lippen. Herrlich gelungen ist auch die Stimme des Mentors, gesprochen von Comedian Oliver Kalkofe, der teilweise bärbeißig, manchmal aber auch sehr tuntig klingt. Köstlich!
Win98/Me/2000/XP 1.0 GHz 256Mb RAM 32 Mb, Dx 9.0c-kompatibel DVD-Laufwerk 1 GB Festplattenplatz
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