Operation Flashpoint: Dragon Rising

Operation Flashpoint: Dragon Rising

(Codemasters)

geschrieben von René Gurlin

 

 
Entwickler: Codemasters
Publisher: Codemasters
Genre: Militär-Shooter
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Operation Flashpoint: Dragon Rising
Preis: ca. 45 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

"Operation Flashpoint: Cold War Crisis" setzte 2001 Maßstäbe in Sachen Realismus und Authentizität und galt für viele Simulationsfans als die Referenz im Genre Militär-Shooter. Der offizielle Nachfolger versucht, in diese Fußstapfen zu treten, und gilt als eines der heiß erwarteten Spiele des Jahres. Ob der Hype gerechtfertigt ist, erfahrt Ihr hier.

Der Drache erwacht

Die Welt im Jahr 2011: Die Wirtschaftskrise hat China arg gebeutelt und zu Massenarbeitslosigkeit und inneren Spannungen geführt. Um den weiteren Zerfall zu stoppen und die gescheiterten Reformer an der Staatsspitze abzulösen, befehlen kommunistische Hardliner die Besetzung der russische Insel Skira, denn dort befindet sich eines der letzten großen Ölvorkommen. Die russische Armee kann diese Offensive nicht abwehren, da sie hat alle Hände voll damit zu tun, die vorrückende chinesische Volksbefreiungsarmee auf dem Festland in Schach zu halten. Aus diesem Grund bittet Russland die Vereinigten Staaten um Beistand bei der Befreiung von Skira.

Jawohl, Sir!

Eines sei vorweg gesagt: Absolute Hardcore-Simulationsfans werden von diesem Spiel enttäuscht sein. Zwar bemühen sich die Entwickler um Glaubwürdigkeit und Realismus, allerdings bewegt sich das im Vergleich mit "Operation Flashpoint" in deutlich engerem Rahmen. Als Zielgruppe wurden eindeutig der normale Shooter-Spieler und weniger die Militärexperten anvisiert, weswegen das Gameplay spürbar arcadelastiger geworden ist. Ein weiterer Grund ist sicherlich auch der Wechsel des Entwicklerstudios, denn die die Programmierer von Bohemia Interactive arbeiten mittlerweile an der "Armed Assault"-Reihe.

Der Spieler schlüpft im Laufe der Kampagne in die Rolle verschiedener US-Soldaten und drängt nach und nach die kommunistischen Invasoren zurück. Das Ganze beginnt mit der Neutralisierung feindlicher Abwehranlagen, führt zur Sicherung eines Brückenkopfes und dem ersten Vorrücken gegen feindliche Einheiten bis hin zur finalen Entscheidungsschlacht. Natürlich muss man das nicht allein vollbringen, denn man wird stets von einem ganzen Squad begleitet, über das man die Befehlsgewalt hat.

Kommandos werden mittels des sogenannten Befehlskreises erteilt, den man per Knopfdruck aufruft und in dem man mittels "WASD"-Tasten das Gewünschte selektiert. Dieser präsentiert, abhängig vom ausgewählten Soldaten und dem anvisierten Ziel, verschiedene Auswahlmöglichkeiten, die wiederum verschiedene Unterkategorien haben. Leider ist die Befehlserteilung auf diese Art mit der Zeit sehr nervig, zumal man sich in der Zwischenzeit nicht bewegen kann. Dynamisches Kommandieren während eines Feuergefechts wird dadurch enorm erschwert.

Extrem negativ hervorzuheben ist außerdem das komplette Fehlen eines Tutorials. Die Spieler, und insbesondere Neulinge im Genre Taktik-Shooter, werden ins kalte Wasser gestoßen und müssen sich allein zurechtfinden. Zwar werden während der ersten Mission ein paar Tipps eingeblendet, aber diese bleiben zu vage und ungenau, um wirklich hilfreich zu sein. Auch das Studium des Handbuchs hilft kaum weiter. Dies ist ärgerlich und frustrierend, denn gerade die vielfältigen Optionen des Befehlskreises hätten eine ausführliche Erläuterung verdient. So bleibt dem Spieler nichts anderes übrig, als dem Spiel durch "Try and Error" seine Geheimnisse zu entlocken.

Ansonsten gestaltet sich die Steuerung wie bei anderen Shootern auch. Umsehen und Feuern erfolgen mit der Maus, Bewegungen und andere Kommandos werden mittels Tastatur abgesetzt. Im Übrigen ist das wahrscheinlich der einzige Militär-Shooter, in dem man sich nicht zur Seite lehnen oder springen kann. Der Grund dafür ist recht simpel: Das Spiel erscheint gleichzeitig auch auf PS3 und Xbox 360, und auf deren Controllern war schlicht kein Platz mehr für diese Bewegungen. Während man auf das Seitwärtslehnen noch einigermaßen verzichten kann, vermisst man die Sprungfunktion ziemlich schnell.

Als interessante Zusatzidee kann man über Bonuscodes weitere Zusatzmissionen freischalten, wenn man im "Eignungstest" auf der offiziellen Webseite bestimmte Punktzahlen erreicht. Vier weitere Codes waren Vorbestellern vorbehalten, aber mit etwas Glück findet man sie frei im Internet.

Gigantisches Schlachtfeld

Die Insel Skira ist eine Erfindung von Codemasters, aber sie basiert auf einem realen Vorbild, denn als Vorlage diente die Aleuten-Insel Kiska, deren Topografie und Landschaft sehr überzeugend kopiert wurden. Knappe 278.000 Quadratkilometer wurden digital nachgebaut und wirken mitsamt Wäldern, Wiesen und Bergen sehr realistisch. Während andere Spiele nur generische und beliebige Landschaften bieten, vermittelt "Operation Flashpoint: Dragon Rising" tatsächlich das Gefühl, durch Flora und Fauna einer echten Insel zu marschieren.

Allerdings wirkt das Eiland streckenweise etwas leblos und gerade die kleinen Siedlungen wirken wie seit Jahren verlassene Geisterorte. Zivilisten oder wenigstens Tiere wie Kühe oder Schafe sucht man vergebens. Überhaupt vermittelt das Spiel nicht wirklich, dass man im Rahmen eines massiven Feldzuges unterwegs ist, sondern hat eher das Gefühl, an isolierten Einzelmissionen teilzunehmen. Szenen mit großen Kampfverbänden sind leider viel selten.

Die riesige Umgebung will natürlich trotzdem ausgenutzt werden und bietet während der Kampagne vielfältige Möglichkeiten, das Missionsziel zu erreichen. Das Spiel stellt es dem virtuellen Soldaten frei, ob er lieber den direkten Weg geht oder doch besser einen Abstecher durch Wälder und Hügelketten macht. Eine taktische Karte hilft bei der Orientierung und zeigt neben dem eigenen Standort und dem Missionsziel auch andere hilfreiche Informationen wie Wegpunkte, verbündete Einheiten und Ortschaften. Durch die zum Teil sehr großen Distanzen zwischen den Wegpunkten und Missionszielen ist es keine Seltenheit, dass eine Mission mehr 45 Minuten dauert.

Dummerweise erlaubt das Spiel kein freies Speichern, sondern sichert den aktuellen Spielstand nach dem Erreichen von Checkpoints. Leider kann es passieren, dass das System zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt speichert, zum Beispiel just in dem Moment, in dem der feindliche Panzer feuert und den Spieler tötet. Neu laden des Spielstandes ist damit nutzlos und es bleibt nur das Wiederholen der gesamten Mission. Dies kann des Öfteren passieren, denn der Schwierigkeitsgrad ist zeitweise ganz schön knackig, auch in der Einstellung "Normal".

Im höchsten Schweregrad werden alle grafischen Einblendungen im Spiel, zum Beispiel Munitionsanzeige, Zielpunkte oder Kompass deaktiviert, und der Spieler muss sich dann auf die Karte und eigene Beobachtungsgabe verlassen.

Aufsitzen!

Auch die Art der Fortbewegung ist häufig frei wählbar. Egal ob Jeep, Panzer oder Hubschrauber, fast jedes Vehikel, das der Spieler unterwegs findet, lässt sich steuern und zum eigenen Vorteil einsetzen. So kann man etwa eine feindliche Stellung zu Fuß angreifen oder mittels Helikopter von oben dem Erdboden gleichmachen. Die Transportmittel verfügen über verschiedene Sitzplätze, die von dem Spieler und seinen Kameraden besetzt werden können. So finden als kleines Beispiel in einem Schützenpanzer Fahrer, Bordschütze, Kommandant und Passagiere Platz.

Allerdings ist die Steuerung der Fahrzeuge eine der großen Schwächen des Spiels. Bodenfahrzeuge lenken sich träge und schwammig und verhalten sich bei Kollisionen gelegentlich ziemlich unrealistisch. So prallen zum Beispiel Jeeps mit extremen Sprüngen von kleinen Felsbrocken ab, während ein frontaler Zusammenstoß mit einem kleinen Zaun zu einem abrupten Stillstand führt. Auch sind Hubschrauber nicht gerade einfach zu bedienen und erfordern viel Feingefühl, was durch die ungenaue Spielmechanik nicht gerade erleichtert wird. Und wenn die KI-Kollegen am Lenkrad sind, artet das Ganze zu einer Lachnummer aus, denn der Computer rast stets kerzengerade zum befohlenen Ziel und kommt mit Hindernissen kaum zurecht. So ist es nicht selten, dass er mehrere Anläufe braucht, um eine kleine Mauer zu umfahren. Und Fluggeräte sollte man ihm am besten gar nicht erst anvertrauen. Das alles kann gerade in einem Titel mit Realitätsanspruch zu einigem Frust führen und vermindert die Spielfreude deutlich.

Anlegen, zielen und …

Im Gegensatz zur Integration der Fahrzeuge ist den Entwicklern die Ausarbeitung der Waffen deutlich besser gelungen. Wie es sich für ein Militärspiel gehört, ist die Waffenauswahl groß und das Verhalten sehr realistisch. Kampfreichweite, Entfernung zum Ziel, Schusseinstellung, Zielvorrichten etc. bestimmen die Genauigkeit der eigenen Feuerstöße und vermitteln ein authentisches Spielgefühl. Technische Gerätschaften wie Infrarotbrillen oder Wärmebildvisiere runden das militärische Equipment ab. Gefallene Kameraden und feindlichen Soldaten können durchsucht und deren Ausrüstung mitgenommen werden. Auf diese Weise kommt der Spieler auch in den Besitz chinesischer Waffen und kann die eigene Munition, Granaten oder Minen aufstocken.

Wird der Spieler getroffen, muss er sich umgehend um blutende Wunden kümmern, andernfalls wird er bewusstlos und muss auf rettende Hilfe durch den Sanitäter hoffen. Aber die Zeit für rettende Maßnahmen ist knapp bemessen, Eile ist also geboten.

Künstliches Kanonenfutter

Generell kann man sagen, dass die KI nicht gerade von der hellsten Sorte ist und die eigenen Kameraden sind viel zu oft ein Ärgernis anstatt wertvoller Hilfe. Sie suchen oft hinter völlig ungeeigneten Objekten Deckung oder bleiben einfach im Schussfeld des Gegners stehen. Auch reagieren sie teilweise sehr eigenwillig auf Befehle: So führte während des Tests die Stürmung eines Hauses dazu, dass nur ein Soldat in das Gebäude eindrang, der zweite in der Tür stehen blieb und der dritte sich gar nicht erst in Bewegung setzte. Bei anderer Gelegenheit wurde das Squad angewiesen, einen bestimmten Bereich zu verteidigen, was die Kameraden mit fröhlichem Wandern durch die Wälder quittierten. Die Krönung war die Weigerung des Sanitäters, uns wieder auf die Beine zu helfen, nachdem uns ein feindlicher Treffer niederstreckte. So mussten wir hilflos mit ansehen, wie wir verbluteten, während der Medic keine zwei Meter neben uns im Gras kniete. Wenigstens haben auch die feindlichen Soldaten solche Aussetzer und reagieren hin und wieder nicht auf Beschuss oder rühren sich nicht von der Stelle, obwohl man direkt vor ihnen steht. Codemasters hat Abhilfe in Form eines Patches versprochen, und das ist auch dringend nötig, denn der Frustfaktor ist enorm.

Desaster Mulitplayer-Modus

Der Mehrspielermodus von "Operation Flashpoint: Dragon Rising" ist eine absolute Fehlentwicklung und Codemasters muss sich ernsthaft die Frage gefallen lassen, wie man so was für den PC veröffentlichen kann. Der Grund der harten Worte: Das Spiel verzichtet komplett auf dedizierte Server und bietet als Ersatz eine Art Lobby-Modus. Konsolenspieler werden diese Art des Mehrspielers kennen, denn hier gibt es technisch bedingt auch keine Möglichkeit, spezielle Server zu installieren und zu betreiben. Stattdessen wird das Spiel auf dem Computer eines Spielers gehostet und alle anderen Mitspieler verbinden sich mit ihm. Dies hat den entscheidenden Nachteil, dass normale Internetzugänge nicht annähernd die Laufzeiten und Bandbreiten von Rechenzentren oder Gameserver-Betreibern haben, und das führt zu miserablen Pings und extrem schlechten Spielverbindungen. Wenn der Host dann noch im Ausland sitzt, kann man anständiges Spielen eigentlich von vornherein vergessen. In unserem Test war es an manchen Tagen nicht möglich, sich überhaupt zu einem Spiel zu verbinden. Und falls dann doch mal die Verbindung aufgebaut wurde, verhinderten starke Lags ein normales Gameplay.

Im LAN mag man das ja noch verschmerzen, beim Online-Spiel ist es eine Katastrophe. Warum Codemasters auf dedizierte Server verzichtete, dürfte wohl in der parallelen Entwicklung des Spiels für Computer und Konsolen begründet sein. Anstatt weiteres Geld in die Programmierung der notwendigen Dateien und Programme zu investieren, wurde einfach die Technik der Konsolen auf den PC übertragen, ohne Rücksicht auf Verluste und Bedürfnisse der PC-Spieler. Hier wurde eindeutig am falschen Ende gespart, eine echte Fehlentscheidung. An sich hatte der Mulitplayer-Part nämlich das Potenzial, ein Hit zu werden.

Zur Auswahl stehen folgende Modi:

"Koop": Bis zu vier Spieler können gemeinsam entweder eine Einzelmission des Singleplayers oder die gesamte Kampagne absolvieren. Jeder Spieler übernimmt eine Rolle im Squad (Squadleader, Sanitäter, Grenadier, MG-Schütze).

"Vernichtung": Bis zu 32 Spieler treten auf Seiten der USA oder China gegeneinander an und versuchen, das gegnerische Team zu eliminieren oder wenigstens mehr Punkte einzustreichen. Das gesamte Waffen- und Fahrzeugarsenal des Spiels kommt dabei zum Einsatz, was zu gigantischen Schlachten führt.

"Infiltration": Die 32 Spieler teilen sich in Verteidiger und Infiltrationsteam auf. Die Verteidiger sind zahlenmäßig überlegen und müssen verhindern, dass die andere Seite in die Stellung eindringt und das Zielobjekt vernichtet oder in Besitz nimmt. Den Angreifern steht eine breite Palette verdeckter und aggressiver Mittel zur Verfügung.

Grafik

Zum Einsatz kommt eine abgewandelte Form der von Codemasters in Eigenregie entwickelten EGO-Engine, die bereits in Rennspielen wie "Colin McRae: Dirt" brillierte. Den Genrewechsel meistert sie bravourös und zeichnet wunderschön anzuschauende Bilder auf den Monitor. Die Landschaft sieht klasse aus, und eine extreme Sichtweite von mehr als zwei Kilometern vermittelt ein gutes Gefühl für die Größe der virtuellen Insel. Die Texturen sind scharf und detailliert, einzig Häuser und Schuppen wirken etwas blass, was sich aber leicht verschmerzen lässt. Wettereffekte wie Wolken und Wind sehen natürlich aus, und das schön realisierte Lichtspiel kommt vor allem beim Tag/Nacht-Wechsel richtig zur Geltung. Nur auf Regeneffekte wurde aus unverständlichen Gründen verzichtet.

Ebenso unerklärlich ist, dass die Präsentation der Briefings vor und nach den Missionen lediglich aus simplen Textdarstellungen besteht. Videos gibt es nur in Form des Intros und am Ende des Spiels. Diese sind dafür umso stimmungsvoller.

Sound

Die Soundeffekte sind rundum gelungen, und vermitteln rein akustisch schon das Gefühl auf dem Schlachtfeld zu stehen. Jede Waffe hat einen individuellen Klang, und Panzer hört man schon kilometerweit heranrasen. Wirklich klasse. Eine dezente orchestrale Musikuntermalung rundet das Ganze ab.

Jede Menge verschenktes Potenzial, und ein Mulitplayer-Modus, den man nur als absolute Frechheit bezeichnen kann - so wird dieses Spiel in meiner Erinnerung bleiben. Wäre die KI nicht so nervig und unzuverlässig und die Fahrzeuge etwas einfacher zu manövrieren, hätte zumindest der Singleplayer-Modus fast auf ganzer Linie überzeugen können. Und man hätte endlich mal ein wieder ein gutes Spiel, dass mehr auf Realismus Wert legt als die waffenstarrende und ballerfreudige Konkurrenz, wie "Ghost Recon" und Konsorten. So bleibt "Operation Flashpoint: Dragon Rising" nach dem großen Hype eine der größten Enttäuschungen des Jahres 2009. Und ich befürchte, dass sich PC-Spieler in Sachen Shooter und Multiplayer noch warm anziehen müssen, denn auch "Call of Duty: Modern Warfare 2" soll ohne dedizierte Server geliefert werden. Die "Konsolisierung" des Computers hat jetzt auch dieses Genre erreicht.

(13.11.2009)

Minimale

- Windows XP SP2

- 2.4 Ghz Dual Core Prozessor

- 1 GB RAM

- Grafikkarte: Nvidia 7600GT 256MB oder ATIX1800XL 256 MB

- Dual-Layer kompatibles DVD-Laufwerk

- 8 GB freier Festplattenspeicher

- Soundkarte (DirectX-kompatibel)

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