Kreuzfahrt Tycoon

Kreuzfahrt Tycoon

(Frogster Interactive)

Geschrieben von Hans Thiel

 

Leinen los

Mittlerweile gibt es ja kaum noch einen Bereich des täglichen Lebens, der nicht in der einen oder anderen Art in einem "Tycoon-Spiel" verarbeitet wurde. Frogster Interactive lässt mit "Kreuzfahrt Tycoon" nun schwere Kaliber zu Wasser. Der Spieler steht vor der Aufgabe, ein Kreuzfahrt-Imperium aufzubauen und sein Schiff mit allen Extras auszustaffieren, um die zahlenden Gäste bei Laune zu halten.

Kennste eines, kennste alle

Die Steuerung von "Kreuzfahrt Tycoon" bietet wenige, dafür aber unangenehme Überraschungen. In Ansätzen werden durchaus die ungeschriebenen Regeln der Tycoon-Klasse befolgt, die Hauptarbeit erledigt sich mit der Maus, doch der Teufel steckt im Detail. Scrollen und Zoomen sind nur mittels Tastatur zuverlässig möglich und ist ein Objekt erst mal gewählt, so gilt es einige Verrenkungen anzustellen, um es auch wieder vom Mauszeiger loszubekommen. Die dafür eigentlich gängige rechte Maustaste rotiert das Objekt lediglich; ESC vielleicht? Nein, kein Glück, das bringt den Beenden-Dialog, jetzt nur nicht bestätigen, sonst ist das Spiel vorbei. Nach einigem wilden Geklicke im Menü ist der Mauszeiger endlich wieder frei, sonderlich intuitiv ist dieses Vorgehen nicht. Die zum Teil beliebigen Menügrafiken und Buttons verwirren zusätzlich, vor allem in den Unterfenstern der Wirtschaftssteuerung geht der Überblick schnell verloren, zumal eine saubere Trennung zwischen reinen Illustrationen und mit Funktion hinterlegten Grafiken fehlt.

Das Spielmenü ist grob in zwei Kategorien unterteilt: den Aufbauteil und den wirtschaftlichen Teil. Je nach dem, welcher gewählt ist, tauchen im Untermenü unterschiedliche Optionen auf. Der Aufbauteil bietet weitreichende Möglichkeiten, das Schiff auszustatten und für die Passagiere eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Zuerst gilt es, genügend Kabinen zu platzieren, wobei zwischen Innen- und Außenkabine unterschieden wird. Zu Beginn gibt es nur die einfachsten Typen von Einzel- und Doppelkabinen, im Spielverlauf werden dann größere und luxuriösere Kabinen nach und nach freigeschaltet. Da die Gäste natürlich nicht den ganzen Tag in ihren Zimmern verbringen möchten, besteht Bedarf an weiteren Einrichtungen. Bars, Geschäfte und Restaurants verwandeln nach und nach den großen leeren Schiffsbauch in ein schwimmendes Hotel mit allen Annehmlichkeiten, die es auf See so geben kann. Um all das in Gang zu halten, muss Dienstpersonal geheuert und müssen Arbeitspläne aufgestellt werden, mit normalen 8h Öffnungszeiten von 9:00 bis 17:00 lässt sich das vergnügungssüchtige Publikum nicht zufrieden stellen.

Ist das Schiff soweit ausgerüstet, ist es durchaus nicht verkehrt, einen Blick in die Bücher zu werfen. Im Wirtschaftsteil können Bilanzen über Personal, Gäste und Finanzen eingesehen und es kann Werbung gebucht werden, die potenzielle Kunden auf das neue Angebot aufmerksam machen soll. Leider verliert sich der kritische Blick des Finanzkontrolleurs schnell zwischen all den bunten Grafiken, eine wirksame Kontrolle ist eher mühselig. Das Gefühl für realistische wirtschaftliche Zusammenhänge kann "Kreuzfahrt Tycoon" nicht vermitteln, die meisten Preise für Schiff, Kabinen und Ausstattung sind lächerlich niedrig, so kostet das teuerste verfügbare Schiff knapp 200000 $. Andererseits wird trotzdem recht schnell das Geld knapp, die laufenden Kosten sind nicht zu unterschätzen und das immense Platzangebot auf dem Schiff lädt zum hemmungslosen Bauen ein. Doch gerade zu Beginn des Spiels verirren sich meist weniger als 20 Passagiere an Bord, eine surreale Vorstellung einen mehrstöckigen Ozeanriesen derart unterbucht auf Reise zu schicken. Auch wenn die Spielidee nicht revolutionär neu ist, eine Umsetzung im Prinzip "vom Tellerwäscher zum Millionär" hätte sicher ein insgesamt glaubwürdigeres Bild abgegeben. So aber startet der Spieler mit einem leeren fünfstöckigen Ozeangiganten, der auf den ersten Touren Gäste befördert, die von der Zahl her locker in ein, zwei Reisebusse gepasst hätten. Die drei unterschiedlichen Schiffe, die gekauft werden können, sind auch erst auf den zweiten Blick auseinander zu halten und variieren hauptsächlich im Platzangebot und der Anzahl der Decks. Ausgefallene Kreationen, wahrhaft edle Luxusliner oder kleinere Kreuzfahrtschiffe für den einfacheren und plausibleren Spieleinstieg sind leider nicht darunter. Hier wurde einiges an Attraktion und Möglichkeiten zur Langzeitmotivation verschenkt - Ozeanriesen sehen innen alle irgendwie gleich aus.

Dass besser ausgestattete Räume erst im Spielverlauf freigeschaltet werden, ist ein gängiges Prinzip - warum dies bei "Kreuzfahrt Tycoon" aber von einer Beförderung und höherer Bezahlung des Kapitäns und einiger Besatzungsmitglieder abhängig gemacht wurde, bleibt auch Neptun schleierhaft. Zumal somit zu Beginn bestimmte Räume wie etwa die Crew-Kabinen nicht zur Verfügung stehen. Ohne diese ist es aber nicht möglich, Besatzungsmitglieder zur Betreuung der Gäste und ihrer Zimmer anzustellen, was deren Laune nach mehrtägiger Kreuzfahrt nicht unbedingt hebt. Leider wird dieser Zusammenhang auch im Handbuch nur nebenbei erwähnt, im Übrigen das einzige Dokument im Spiel, welches es durch die Lokalisierung geschafft hat, der Rest von "Kreuzfahrt Tycoon" ist komplett in Englisch.

In spielerischer Hinsicht bietet "Kreuzfahrt Tycoon" drei Modi - die Karriere, den freien Modus und dann noch diverse Szenarien, in denen Schiff und Ausstattung schon vorgegeben sind. Auch wenn aufbaubegeisterte Spieler am Ausstaffieren eines ausgewachsenen Ozeankreuzers sicher ihre Freude haben werden, das gewöhnungsbedürftige Bedienkonzept und die unklare Spielmechanik lassen keinen rechten Langzeitspaß aufkommen. Das Handbuch verschweigt spielrelevante Zusammenhänge oder stellt diese nur verkürzt dar, gerade für Einsteiger wäre ein Einstiegsszenario mit Hilfen direkt im Spiel sinnvoller gewesen. Zumal "Kreuzfahrt Tycoon" das Wechseln zurück ins Windows und zum Handbuch ab und an ungnädig mit Abstürzen quittiert.

Grafik

Um es kurz zu machen: "Kreuzfahrt Tycoon" erschien schon Anfang des Jahres 2004 in den USA. Und auch für damalige Verhältnisse ist die Grafik erschreckend dürftig. Die Texturen sind niedrig aufgelöst und verwaschen, die Objekte und Personen nur gering aufgelöst. Das Spiel bietet zwar die Möglichkeit, das Schiff aus der Perspektive eines Passagiers oder Besatzungsmitglieds zu betrachten, ein erfreulicher Anblick ist dies aber keineswegs. Einziger positiver Aspekt an der grafischen Schwäche: Auch betagte Systeme können mit dem Spiel etwas anfangen, was aber nur ein schwacher Trost ist.

Sound

Die musikalische Untermalung ist so trist wie die angebotene Optik. Keine nennenswerten Sounds von umherlaufenden Personen, keine Geräuschkulisse der unterschiedlichen Räume, im Grunde meist nur das Rauschen der See. Das Leben an Bord geht gespenstisch still vor sich, einzig die Geräusche beim Auswählen oder Platzieren von Gegenständen und Räumen durchbrechen die Stille, die nach dem Abschalten der leiernden Hintergrundmusik einsetzt.

Die Taschen tief, die Arme kurz

Dass es zu einem Budget-Spiel kein gedrucktes, sondern nur ein elektronisches Handbuch gibt, ist, trotz löblicher Ausnahmen, mittlerweile akzeptabel. Wenn dann aber aus dem Spiel-Karton statt einer DVD-Packung oder wenigstens einem Jewel-Case, nur noch die CD in Papierhülle flattert und sich die deutsche Lokalisierung auf das nur wenig informative Handbuch beschränkt, kommt zweifelsohne die Frage auf, was die Verspätung um fast zwei Jahre gegenüber der US-Version verursacht hat. Die schon für damalige Verhältnisse nicht unbedingt atemberaubende Grafik wird auch durch Lagerung nicht besser, die gewöhnungsbedürftige Steuerung und das teilweise undurchsichtige Spielkonzept ersticken aufkommende Spielfreude schon im Ansatz. Wenn es denn unbedingt ein Tycoon-Spiel sein soll, und es unbedingt auf dem Wasser spielen soll, bitte. Wer auf diese Fragen nicht sofort laut "JA" schreit, sollte lieber interessantere Gewässer aufsuchen.

(22.12.2005)

Entwickler: Cat Daddy Games
Publisher: Frogster Interactive
Genre: Aufbauspiel
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Kreuzfahrt Tycoon
Preis: 19,99 €
Altersfreigabe: Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß §14 JuSchG

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