Joint Task Force (Vivendi Games) geschrieben von Johannes Posch
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Während sich das reale Konfliktgeschehen und somit auch die Medienaufmerksamkeit langsam aus dem Nahen Osten zurückzieht und in den Fernen Osten weiterwandert, lassen sich die Spiele-Entwickler oft immer noch vom zweiten Weltkrieg inspirieren und trauen sich erst ganz allmählich, das 21. Jahrhundert zu verarbeiten. Zu diesen Pionieren gehören auch die Most-Wanted-Entertainment-Studios aus dem schönen Ungarn, deren neuestes Werk mit dem klingenden Namen "Joint Task Force" sich anschickt, den RTS-Thron zu erobern. Bombenstimmung hier! "Es ist wirklich tragisch, dass die Diplomatie versagt hat, aber es sind Zeiten, in denen die Anwendung von Gewalt legitim ist um nach unserem Ziel, dem Frieden, zu streben." (Kofi Annan, Generalsekretär der UNO, 1999) Von diesem Zitat mag man halten was man will, doch es gibt wohl keine bessere Art und Weise, um klar zu machen, worum es in diesem Spiel geht. In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurde die Menschheit immer wieder von Kriegen und Konflikten heimgesucht, von denen der Spieler in "Joint Task Force" einige nacherleben wird. Das geschieht allerdings nicht völlig zusammenhangslos, sondern wird in Form der Karriere von Major O`Connell erzählt, der sich als Kommandeur seiner Einheit nach und nach durch die diversen Krisenherde dieser Welt kämpft. Und viele davon werden Ihnen, verehrter Leser, sicher auch noch etwas sagen: Somalia, Irak, Bosnien, Afghanistan ... um nur einige zu nennen. Doch JTF bietet nicht nur aktuelle Szenarien, sondern greift noch einen weiteren Aspekt auf, der in der Einleitung bereits aufgeführt wurde: die Medien! Versteckte Kamera? Der Spielablauf in "Joint Task Force" wird durch drei Faktoren maßgeblich bestimmt: eine unglaubliche Vielfalt taktischer Möglichkeiten, die durch Story-Sequenzen und geskriptete Events bestimmten Missionsabläufe und die Tatsache, dass es keinen Basis-Bau gibt und zusätzliche Einheiten "nachgekauft" werden müssen. Das Geld dafür wird vorwiegend durch das militärische Budget bestimmt, dessen Höhe wiederum dadurch definiert wird, welchen Eindruck Sie bei der globalen Presse hinterlassen. Klingt kompliziert? Keine Sorge - ist es nicht! Um das zu veranschaulichen, werden wir kurz umreißen, was in einer der ersten Missionen der Story-Kampagne so passiert und was der Spieler währenddessen bewältigen und einsetzen muss. Welcome to the Mog! Die besagte Mission führt den Hobbyfeldherren nach Mogadischu und ist perfekt dazu geeignet, als kleines Beispiel für den generellen Spielablauf zu dienen. Wie bei den meisten Aufträgen starten Sie auch hier nur mit einer Hand voll Leute und einem einzigen Ziel: Erreichen Sie den Flughafen und befreien sie ihn. Basenbau oder ähnliches gibt es nicht, somit sollten Sie tunlichst darauf achten, dass ihre Mannen, allen voran die Offiziere, die diversen Scharmützel überleben. Dass wir hier die Offiziere noch einmal gezielt hervorgehoben haben, hat zwei Gründe: Zum einen ist die Mission meist sofort gescheitert, sobald einer von ihnen das Zeitliche segnet und zum anderen sind sie die einzige Möglichkeit des Spielers, an Nachschub zu kommen. Denn der wird nicht wie in anderen Genrevertretern, die ebenfalls keinen Basisbau bieten, nur an von den Spieldesignern vorherbestimmten Punkten der Mission dem Spieler zur Verfügung gestellt, sondern kann jederzeit "nachgeordert" werden. Doch weil auch in Videospielen nichts umsonst ist, wollen die gewünschten Einheiten bezahlt werden. Das Geld dafür bekommt der Spieler wiederum dadurch, dass er Missionsziele erfüllt. Wie viel er allerdings erhält, hängt theoretisch davon ab, wie die öffentliche Meinung ihm gegenüber eingestellt ist, sprich: ob er seine Aktionen den Medien gegenüber als die eines heldenhaften Retters verkaufen kann oder doch nur als inkompetenter und schießwütiger Erzeuger unglaublicher Kollateralschäden verschrien wird. Der vorhergehende Satz wurde allerdings nicht ohne tieferen Sinn durch das Wörtchen "theoretisch" eingeschränkt. Denn am Beispiel unserer Mission heißt das für den Spieler in der Praxis nichts anderes, als dass er seine Ziele so schnell und so gut wie möglich erreichen muss, was in kleinen Berichterstattungen eines fiktiven Nachrichtensenders dann noch einmal kommentiert wird. Darüber hinaus sollte er meiden, Zivilisten zu töten. Doch um Letzteres zu tun, müsste er es seinen Mannen ausdrücklich befehlen, was natürlich impliziert, dass es absichtlich geschehen ist. Damit verkommt diese eigentlich tolle Idee leider zu einer unwichtigen Farce. Doch es ist ja nicht so, dass die Medienpräsenz die einzige Idee wäre, die die Entwickler in das Spiel gepackt haben. Eine weitere Neuerung, die diesmal auch wirklich erstklassig aufgeht, besteht darin, dass sich die Missionen im Laufe der Zeit ausweiten und das gilt gleichermaßen für Aufgaben und Gelände. In unserer Beispielmission verhält es sich so, dass der Spieler, sobald er den Flughafen von den zahlenmäßig nicht stark überlegenen Truppen befreit hat, die Aufgabe bekommt, zwei Flüchtlingstransporte, die sich in einem Hangar versteckt haben, zu einem nahe liegendem Stützpunkt der Blauhelme zu eskortieren. Im gleichen Augenblick, sorgt nicht nur das plötzliche geskriptete Auftauchen zweier Panzer für schweißnasse Hände, sondern es vergrößert sich auch das Spielgebiet. Dann erst wird der Abschnitt, in dem sich besagter Stützpunkt befindet, sicht- und begehbar. Dadurch wird auf unkomplizierte Weise verhindert, dass der Spieler irgendwie abkürzen kann oder die Geschichte in der "falschen Reihenfolge" erlebt. Eine weitere, an sich gute, Idee zeigt sich im Mikromanagement der Einheiten. Sie sammeln Erfahrung, können befördert werden und somit spezielle Fähigkeiten erlernen und verfügen über Dutzende verschiedener Möglichkeiten, sie auszurüsten, miteinander zu kombinieren oder einzusetzen. Die meisten Tricks, die Ihre Jungs so drauf haben, führen sie alleine aus, doch viele andere müssen ihnen explizit befohlen werden. Das artet meist in ziemliche Arbeit aus, die viel Zeit und Überlegung fordert. Zum Glück besteht jedoch die Möglichkeit, das Spiel jederzeit zu pausieren und dennoch weiterhin Befehle zu geben oder sich umzusehen. Dadurch werden übermäßige Stresssituationen elegant vermieden. Dennoch ist es vermutlich nicht jedermanns Sache, so viel Arbeit in die eigenen Einheiten investieren zu müssen. Together we stand ... Aber nicht nur für Freunde einsamer Strategieabende, auch für Fans geselliger Multiplayer-Schlachten hat JTF einiges zu bieten. So stehen den Spielern die vorgefertigten Modi Deathmatch, Domination oder Battle Royale zur Verfügung; er kann sich unter der Sparte "Benutzerdefiniert" seine eigenen Rahmenbedingungen zusammenschustern oder schnappt sich kurzerhand einen Freund oder auch einfach einen anderen beliebigen JTF-Zocker und startet mit ihm gemeinsam in die SP-Kampagne des Spieles - und das im Coop! Wenn es nach uns geht, dürfte diese Vorgehensweise ruhig Schule machen. Doch leider bleibt es JTF momentan noch verwehrt, ein echter Multiplayer-Festschmaus zu werden, da es einfach noch ziemlich viel Glück erfordert, ein Spiel zu finden. Unser persönlicher Rekord während des Testzeitraumes waren lediglich vier laufende Spiele, die zudem alle voll waren. Hat man es aber einmal geschafft, ein Spiel mit bis zu vier Spielern zu starten, läuft eigentlich alles reibungslos und der Netzcode sorgt für stabile Partien. Hollywood goes Afghanistan! Für die passende optische Gestaltung der Scharmützel sorgt die Gepard-Engine der ungarischen Storm-Region-Studios, die bereits bei dem Erstlingswerk der Entwickler ("Codename Panzers") zum Einsatz kam. Und wer dieses Prachtstück oder besser noch einen seiner Nachfolger ("Phase Two" oder "Rush for Berlin") schon einmal in Aktion gesehen hat, kann sich sehr gut vorstellen, wie es um die optische Seite des Spieles bestellt ist: Knackscharfe Texturen verwöhnen das Auge, Fahrzeug- und Charaktermodelle sind so detailliert wie in nur wenigen vergleichbaren Titeln und die Spezialeffekte wie die hollywoodreifen Explosionen oder realistischen Spiegelungen zeigen deutlich, welches technische Know-how in unseren östlichen Nachbarländern schlummert. Zwar könnten absolute Technik-Narren HDR-Rendering-Effekte und das damit vorausgesetzte SM3.0 vermissen, doch ein solch "echter Technik-Freak" hat sicherlich auch schon eine von den seltenen Ageia-PhysX-Karten in seinem PC verbaut, die in diesem Spiel voll unterstützt werden. Das lässt die fehlenden Blendeffekte doch verschmerzen, oder? Rundum-Krieg Auch der Sound des Spieles braucht sich keineswegs vor seinen Artgenossen in anderen Produkten zu verstecken. Eine schöne Surround-Abmischung füttert eventuell vorhandene 5.1-Boxensysteme mit sattem Explosions-Krachen, sehr plastischem Panzerkettenrasseln und einwandfreien Schussgeräuschen und schafft es somit ohne weiteres, den Spieler mitten ins Geschehen zu ziehen. Vor allem wegen der sich oftmals überschlagenden Ereignisse am Bildschirm ist es also durchaus ratsam, den Lautstärkeregler der Boxen mal ein wenig nach rechts zu drehen, damit man vollends in das Game abtauchen kann. Wenn Ihre aus allen Rohren feuernden Mannen, die gerade zum ersten Mal per ratterndem Blackhawk Verstärkung bekommen plötzlich das entfernte, unangenehme metallische Quietschen und Rasseln eines anrückenden Panzers hören und Ihnen dementsprechend das Herz in die Hose rutscht, werden Sie verstehen, was wir meinen! Besser gut übernommen als schlecht neu gemacht! Die Steuerung des Spieles dürfte alte Genre-Hasen vor keinerlei Schwierigkeiten stellen. Interface und Steuerung gleichen den Gegenstücken aus dem Erstlingswerk der Entwickler fast haargenau und ersparen Kennern des genannten Programms somit jegliche Eingewöhnungszeit. Aber auch Neulinge werden vor keine allzu großen Probleme gestellt, da so gut wie alle Befehle mit der Maus ausführbar und die einzelnen Icons entweder selbsterklärend sind oder deren korrekte Verwendung Ihnen ohnehin in einem separaten Tutorial genau erläutert wird. Von der Bedienung der frei dreh- und schwenkbaren Kamera bis hin zur Vergabe diverser Formationsbefehle und komplexer Angriffsmanöver geht nach kurzer Zeit alles locker von der Hand. Joint Task Force macht Spaß. Allerdings nur, wenn man damit zurechtkommt, sehr viel Zeit und Aufwand in die eigene Truppe stecken zu müssen. Sie will in den hundertfältigen taktischen Möglichkeiten, die das Spiel bereithält, nicht nur ordentlich umsorgt und immer mal wieder geheilt, sondern auch sehr genau dirigiert werden. Wählt man nämlich einfach seine komplette Truppe aus und schickt sie an irgendeinen beliebigen Punkt der Karte, ist es sehr unsicher, dass sie dort auch ankommt. Es passiert immer wieder, dass sich einzelne Einheiten von der Truppe entfernen und in ihr sicheres Verderben laufen oder sich ganz klassisch an irgendwelchen Hindernissen verharken und nicht mehr weiterkommen. Doch wenn man die Geduld wirklich aufbringen kann, sich intensiv mit seinen Mannen zu beschäftigen, wird man garantiert viel Spaß an den abwechslungsreichen Missionen und der gelungenen Inszenierung haben - auch wenn die Sache mit den Medien nicht wirklich perfekt umgesetzt wurde. Noch eine letzte Anmerkung: Mittlerweile ist schon der erste Patch zum Spiel erschienen, der vor allem die Ladezeiten etwas verkürzt, einige kleine Fehler beseitigt und neuen Content hinzufügt. Die gut 100 MB ist er also auf jeden Fall wert. (23.10.06)
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