Tom Clancy's H.A.W.X. (PS3) (Ubisoft) geschrieben von Witali Blum
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Militärkonflikte scheinen auf der Konsole hoch im Kurs zu stehen, denn nur wenige Monate nach dem Erscheinungstermin von "Endwar" erreicht ein neuer Abkömmling des Tom-Clancy-Universums die Ladentheken. Während frühere Titel des Genres den Spieler meistens in die Perspektive einer Bodeneinheit versetzten, so darf er nun in "H.A.W.X." das Cockpit eines Kampfjets besteigen und Feinde über den Wolken das Fürchten lehren. Der folgende Test wird zeigen, ob sich das Warten auf die actionlastige Flugsimulation trotz einer unerwarteten Verspätung gelohnt hat. Feindanflug In einer möglichen nahen Zukunft gehört die moderne Kriegsführung ebenso zum Leben wie das tägliche Brot, so dass viele unabhängige Staaten im Jahre 2012 in Reykjavik ein Abkommen unterzeichnen, das ihnen erlaubt, so genannte Private Military Companies (engl., Private Militärunternehmen) kurz PMC zur Konfliktlösung mit Waffengewalt einzubeziehen. Diese Firmen operieren global und vermieten Söldner an Länder, die sich sonst keine dauerhafte Armee leisten können, um beispielsweise wichtige Objekte vor Angreifern zu beschützen. Das Geschäft läuft so gut, dass selbst etablierte Militärmächte wie die Vereinigten Staaten ihr eigenes Kontingent an Soldaten abbauen, um künftig auf die Dienste von PMCs zu setzen. Leider fällt der Pilot David Crenshaw, in dessen Rolle der Spieler schlüpft, solch einer Wegrationalisierungsmaßnahme zum Opfer, als seine gesamte Flugstaffel das "High Altitude Warfare eXperimental-Squadron" (engl., experimentelle Staffel zur Kriegsführung in großer Höhe) oder kurz H.A.W.X. genannt nach einem Einsatz aufgelöst wird. Zum Glück muss der Pilot nicht lange nach einem Arbeitgeber suchen, denn in Krisenzeiten sind Spezialisten mit praktischer Erfahrung äußerst gefragt. Die "Artemis Global Security" nimmt ihn und einen befreundeten Flügelmann unter Vertrag. Auf den ersten Blick scheint sich für Crenshaw nicht viel geändert zu haben, denn es ist nach wie vor seine Aufgabe, neben privaten Kunden auch das U.S.-Militär im Kampf zu unterstützen, wobei seine Gehaltsschecks natürlich von einer anderen Organisation ausgestellt werden. Außerdem macht sich der Erfolg einer Mission sofort in einem entsprechenden Bonus auf seinem Bankkonto bemerkbar, was viele Menschen einem Orden oder höheren Dienstgrad vorziehen würden. Jedoch ändert sich die Situation schlagartig, als die "Artemis Global Security" während eines laufenden Einsatzes beschließt, die Seiten zu wechseln, weil der Gegner mehr Geld geboten hat. Nun muss sich das Fliegerass entscheiden, ob er seinem gut betuchten Arbeitgeber oder seinen Prinzipien treu bleibt. Luftkampf "Tom Clancy's H.A.W.X." kann man am besten als Action-Shooter über den Wolken beschreiben, denn die einzigen Elemente einer Flugsimulation sind die Cockpitansicht sowie das realistische Flugverhalten der insgesamt 54 freischaltbaren, authentisch modellierten Kampfjets. Komplizierte Vorgänge wie den Start und die Landung haben die Entwickler weggelassen, um vermutlich die Spannung des Spiels nicht zu verringern. So beginnt jeder Einsatz unmittelbar vor dem Zielgebiet und der Spieler wird im Laufe des Anflugs zur ersten Radarmarkierung über die vor ihm liegende Aufgabe instruiert, die meistens auf einen Geleitschutz hinausläuft. Erfahrungsgemäß bricht sofort nach der Einweisung die Hölle auf Erden los, wenn je nach Kampfgebiet zahlreiche Boden-, Wasser- und Luftfahrzeuge das zu schützende Objekt von allen Seiten angreifen. Glücklicherweise hat der Spieler viele schlagkräftige Argumente in Form von Lang- und Kurzstreckenwaffen, um den Gegner von seinen "Fehlern" zu überzeugen. In insgesamt 19 Einzelspielermissionen darf geballert werden, was die Waffenkammer hergibt. Das Repertoire reicht von Allzweckgeschossen wie den "Joint Strike"-Raketen, den "Multi"-Gefechtsköpfen für Luft- und Bodenkampf, den lasergelenkten Langstreckenflugkörpern bis hin zu Massenzerstörungswaffen wie den Streubomben, die ganze Landstriche mit Feuer eindecken können. Jedoch sind nicht alle Instrumente des Todes gleich zu Beginn der Kampagne verfügbar. Stattdessen erhält man nach jeder Mission eine Abschlussbewertung mit verdienten Erfahrungspunkten, die dann je nach Menge weitere Flugmaschinen und die dazugehörige Bewaffnung freischalten. Zusätzlich steigt der Pilot Crenshaw in seinem Rang auf und der Spieler erhält für besonders geschicktes Vorgehen Trophäen, die er in der entsprechenden Option des Spielmenüs präsentieren kann. Es lohnt sich also, die relativ kurz geratene Kampagne auf allen drei Schwierigkeitsgraden durchzuspielen, wenn man in seinem virtuellen Hangar alle 54 Flugzeuge geparkt sehen möchte. "Die Gedenktafel für die Zweiten hängt unten in der Damentoilette." "Tom Clancy's H.A.W.X." verhindert ungewollte Frustmomente, wenn man zum Beispiel kurz vor Missionsende einer S.A.M.-Rakete ausgewichen ist, nur um anschließend in einen Berg zu fliegen, indem der Verlauf in einzelne Abschnitte Checkpoints unterteilt wird, an deren Stelle der aktuelle Auftrag erneut in Angriff genommen werden kann, ohne gleich den gesamten Einsatz zu wiederholen. So ist es nicht mehr schlimm, dass die K.I. der befreundeten Einheiten viel zu schlecht ist, um tatkräftige Unterstützung gegen die zahlenmäßige Überlegenheit des Gegners leisten zu können. Dafür können befreundete Spieler im Koop-Modus binnen weniger Minuten die ganze Karte von Gegnern säubern, weil der Feind ebenfalls nicht besonders intelligent agiert. Damit es keine Überschneidung beim gemeinsamen Kämpfen gibt, markiert das HUD stets mit einer entsprechenden Farbe die Ziele des Koop-Partners. Es ist übrigens nicht nötig, den gesamten Einsatz bis zum Ende gemeinsam durchzustehen, denn der zweite Spieler kann jederzeit den laufenden Auftrag verlassen, ohne den weiteren Ablauf zu stören. Leider bietet die Einzelspielerkampagne erst in den letzten Missionen Abwechslung, die vom Schema "Feind vernichten, bevor er das zu schützende Objekt zerstört" abweicht, so dass viele Spieler sich recht früh in den Mehrspielermodus verabschieden, zumal dort ebenfalls Erfahrungspunkte vergeben werden. Es ist jedoch empfehlenswert, mindestens einmal die Kampagne zu bestehen, um die Karten für den Multiplayer-Bereich freizuschalten, die dann auch im Freiflug-Modus verfügbar sind, in dem alle bisher errungenen Flugmaschinen getestet werden können. Viele Spieler werden sich vermutlich über den PvP-Modus freuen, in dem sie gegen Kontrahenten aus aller Welt antreten, um zu zeigen, wer von ihnen der Gewinner "Maverick" und wer der Verlierer "Cougar" ist (wer "Top Gun" nicht kennt, sollte das dringend ändern). Spieler, die besonderen Wert auf ein realistisches Spielgefühl legen, dürfen neben dem PS3-Controller auch einen Joystick mit USB-Anschluss verwenden. Navigation Die Kampfjets in "H.A.W.X." lassen sich einfach steuern, indem man mit dem linken Analogstick des PS3-Controllers die Bewegung des Flugzeugs kontrolliert, wobei zu Beginn eine gewisse Eingewöhnungsphase notwendig ist, um sich an die hohe Empfindlichkeit der Eingaben anzupassen. Mit "R1" und "L1" kann das Luftgefährt nach rechts oder links driften, während "R2" und "L2" die Geschwindigkeit erhöhen beziehungsweise reduzieren. Letzteres geschieht übrigens nicht stufenweise, sondern ist eher mit den Funktionen eines Nachbrenners sowie einer Handbremse vergleichbar, die dazu dienen, Raketen auszuweichen oder Gegner im Rücken zu überlisten. Dank der realistischen Physikumsetzung sind komplizierte Flugmanöver wie die Immelmann-Rolle nicht nur ein hübscher Augenschmaus, sondern auch im Gefecht praktisch zu gebrauchen. Allerdings kann man solche hohen Künste des Fliegens nur bei abgeschalteten Sicherheitssystemen durchführen, was mit einer Art Doppelklick auf "R2" oder "L2" in die Wege geleitet wird. Ferner betätigt man den rechten Analogstick, wenn man als Pilot auch mal einen Blick zur Seite werfen will. Sehr wichtig sind natürlich die Aktionstasten des PS3-Controllers, denn sie ermöglichen den Zugriff auf die Waffensysteme des Kampfjets. Sobald man mit den "Oben"- und "Unten"-Knöpfen des Steuerkreuzes ein geeignetes Werkzeug der Zerstörung ausgewählt hat, kann man mit "Dreieck" die automatische Zielerfassung aktivieren, die zum Beispiel eine "Joint Strike"-Rakete auf mittlere Entfernung ins Ziel führt. Jedoch gibt es bei diesem Vorgehen einen großen Kritikpunkt, denn die Aufschaltung auf Feinde erfolgt nach einem scheinbar willkürlichen Prinzip. So kann es leicht passieren, dass man einen Gegner in der Nähe erfassen möchte, stattdessen aber ein Vehikel fixiert wird, das noch einige Kilometer entfernt ist. Besonders bei Missionen mit zahlreichen Bodentruppen kann dieser Fehler äußerst lästig werden. Mit "X" feuert man eine Waffe ab, während "Kreis" die Bordkanone aktiviert. Jedoch sind die meisten Feindflieger selbst auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad dermaßen flink, dass sich der Einsatz schon fast erübrigt. Eine unerlässliche Funktion hat die "Quadrat"-Taste inne, denn sie aktiviert das "Enhanced Reality System" (E.R.S.), mit dem das HUD stets den optimalen Anflugvektor für anvisierte Ziele darstellt, indem es dreieckige virtuelle Tore projiziert, die der Pilot durchfliegen soll. Dabei wird zum Beispiel berücksichtigt, dass sich das Zielobjekt hinter einem Gebäude oder Hügel versteckt und daher seitlich nicht angreifbar ist. Also berechnet der Computer einen Sturzflug, bei dem der Kampfjet seine todbringende Fracht von oben abwerfen kann. Zusätzlich dient dasselbe System zum Ausweichen von aufgeschalteten Raketen. Letztere kann man übrigens auch mit Täuschkörpern ablenken, die durch einen Druck auf "L3" abgeworfen werden. Jedoch ist die Anzahl der rettenden Leuchtkörper ziemlich begrenzt, so dass man lieber ein paar Kurven mehr fliegt, als gleich zu Missionsbeginn alle zu vergeuden. Schließlich sollte man noch erwähnen, dass die "Links"- und "Rechts"-Knöpfe des Analogsteuerkreuzes den befreundeten Flügelmännern befehlen, entweder nach Belieben Ziele anzugreifen oder den Spieler zu verteidigen vorausgesetzt natürlich, man ist in der aktuellen Mission nicht alleine unterwegs. Es macht übrigens keinen Unterschied, da selbst auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad die eigenen Einheiten auf Grund ihrer beschränkten K.I. höchstens dazu taugen, einige Sekunden lang den Gegner zu beschäftigen, bis man die grobe Arbeit selbst erledigt hat. Telemetrie Die optische Präsentation von "H.A.W.X." hat ihre Höhen und Tiefen. Einerseits besticht das Spiel durch äußerst detaillierte Flugzeugmodelle, die bis auf die letzte Schraube den lizenzierten Originalen entsprechen, andererseits aber wirkt die Landschaft, in der alle Gefechte stattfinden, künstlich, weil Objekte wie Bäume, Häuser oder Berge mit pixeligen Texturen versehen sind. Dafür aber bemühten sich die Entwickler, die Kriegsschauplätze möglichst geografisch genau darzustellen, so dass sie die Firma "GeoEye" als Fachmann mit genauen Satellitendaten ins Boot holten. Die riesigen Einsatzkarten zeichnen sich vor allem durch realistische Dimensionen mit bis zu 10.000 Quadratkilometern Fläche aus, die man selbst mit einem Kampfjet nicht so schnell überfliegen kann. Sehr überzeugend sind auch die Wasserflächen, die Wolken sowie die Raucheffekte, die schon fast Fotoqualität besitzen. Nur schade, dass die Zwischensequenzen im Einzelspielermodus sowie die Explosionseffekte nicht ebenso herausragend sind. Eine etwas höhere Güteklasse hätte man von einem Spiel auf einer HD-Grafik-Konsole schon erwartet. Darüber hinaus kann der Spieler jederzeit eine von insgesamt vier Ansichten wählen, in denen er Feinde aufs Korn nimmt. Die HUD-, Cockpit- und die Drittansicht sind gleich zu Beginn verfügbar, wobei nur erstere wirklich praktikabel ist. Dagegen schaltet man erst im Laufe der Einzelspielerkampagnen die letzte Perspektive frei, bei der man das Flugzeug durch eine leicht hinausgezoomte Außenkamera betrachtet. Zusätzlich sind in diesem Modus alle Flugsicherheitssysteme der Kampfjets deaktiviert, so dass waghalsige Manöver möglich werden, um beispielsweise Raketen auszuweichen. Allgemein ist das HUD, das vermutlich die meisten Spieler als Primäransicht bevorzugen, sehr übersichtlich gegliedert. Es enthält eine taktische Minikarte mit Radarmarkierungen am linken unteren Bildschirmrand und den obligatorischen Höhenmesser. Je nach gewählter Waffe ändert sich das Fadenkreuz, das entweder einen Gegner bei aufgeschalteter Raketenzielerfassung verfolgt, bei Bombenangriffen einen Trefferkegel projiziert oder bei festen Angriffssystemen eine Trefferzone anzeigt. Schließlich werden sich die Spieler vermutlich über die implementierte Aufnahmefunktion freuen, bei der der gesamte Missionsverlauf in blockbusterartigen Kamerafahrten eingefangen wird und so hinterher bewundert werden kann. Überschallknall Der Soundtrack von "H.A.W.X." kann mit Leichtigkeit mit der Musik aus "Top Gun" konkurrieren, denn die Melodien im Hintergrund sind ebenso einprägsam und prägnant wie die aus der Filmvorlage. Zusätzlich wurde die deutsche Lokalisierung des Spiels sehr gut umgesetzt, so dass alle Dialoge und Funksprüche während der Missionen in ordentlichem Deutsch ertönen. Besonders hervorzuheben ist vor allem die beachtliche Leistung der Synchronsprecher, die mit ihrem schauspielerischen Können die Einsätze stimmungsvoller gestalteten, indem sie beispielsweise japanischen Unterstützungstruppen bei ihren Funksprüchen einen eigentümlichen asiatischen Dialekt verpassten. Der einzige geringe Kritikpunkt sind die etwas schwach ausgefallenen Explosionsgeräusche, die beispielsweise die Gefährlichkeit von abgeworfenen Bomben nicht deutlich genug hervorheben. Im Eifer des Gefechts spielt diese Tatsache jedoch keine Rolle, da der Spieler sich seiner Haut erwehren muss und keine Zeit hat, auf die Hintergrundgeräusche zu achten. Fazit "Tom Clancy's H.A.W.X." ist für Fans der Spielserie "Ace Combat" schon fast ein Pflichtkauf, denn dieser Titel beinhaltet nahezu alle Elemente des actiongeladenen Luftkampfs in modernen Militärkampfjets. Auch wenn die Handlung der Einzelspielerkampagne nicht besonders einfallsreich erscheint und die K.I. der Gegner sowie der eigenen Flügelmänner eher beschränkt ist, so wiegt die überragende Präsentation der zahlreichen Luftfahrzeuge, das realistische Flugverhalten sowie der unterhaltsame Mehrspielermodus mit Koop- sowie PvP-Optionen diese Ungereimtheiten vollends auf. Lediglich die eigentümliche Aufschaltung auf Gegner scheint einer Nachbesserung zu bedürfen, da sie für unnötige Ärgernisse sorgt, wenn man dadurch die falschen Ziele ins Visier nimmt. Insgesamt macht das Spiel jedoch einen guten Eindruck und verspricht den Hobbypiloten in den eigenen vier Wänden viel Spaß. (08.04.2009) |