American McGee´s Bad Day L.A. (Frogster Interactive) geschrieben von Matthias Lanwehr
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Jeder kennt diese miesen Tage, die sich schon morgens durch Murphys Gesetz ankündigen: Hier fix einen Zeh angestoßen, da ein wenig Marmelade samt Brötchen auf dem Küchenboden verteilt, und garantiert sind keine Eier mehr da, wenn die nette Nachbarin nach Monaten endlich mal danach fragt. Und dann gibt es Tage, die das ganze Programm etwas extremer abfahren: Da kommt es schnell mal zu Flutwellen, Zombieangriffen, Giftmüllunfällen, Tornados, Flugzeugabstürzen und allem anderen Unangenehmen, das in dieser Auflistung noch fehlt. Das mag nur schwer vorstellbar klingen, aber tatsächlich präsentiert "American McGee´s Bad Day L.A." jedes nur mögliche Katastrophenszenario von A bis Z. Fragt sich nur, ob das Ganze am Ende eher zu einer heldenhaften Rettungsaktion oder zu panischer Massenflucht führt. Story Manchmal läuft das Leben nicht ganz so, wie man es sich vorgestellt hat: Der obdachlose Anthony hätte bis vor ein paar Jahren auch nicht damit gerechnet, dass er eines Tages einen gestohlenen Einkaufswagen über einen der zahllosen Highways von Los Angeles schieben würde und nachts unter einer x-beliebigen Brücke pennen muss. Und gerade als er dem Ruf der Natur auf oben erwähnter Hochstraße folgen will, kracht neben ihm ein von Terroristen abgeschossenes Flugzeug, beladen mit einem Haufen Giftmüll, in die Botanik. Der interessante, grün leuchtende Mix führt dazu, dass, neben einem Haufen herumliegender Verletzter, plötzlich auch noch jede Menge Zombies auf dem Highway spazieren gehen. Da Anthony der Einzige ist, der trotz Panikattacke in dem Chaos einen klaren Kopf behalten kann, macht er sich auch gleich daran, ein paar Passanten zu retten und einen Haufen Zombies zu verprügeln - und ahnt nicht, dass er das für den Rest des verdammt langen Tages tun wird. Gameplay Gleich vorweg sei gesagt, dass der obige Satz durchaus wörtlich gemeint ist: In zehn Missionen darf Anthony nämlich wirklich nicht viel mehr tun, als Passanten zu retten und ein paar Gegner über den Haufen ballern. Das Tutorial zu Beginn des Spiels ist zwar nett gemeint, allerdings eher überflüssig, da es sich im Falle von "American McGee´s Bad Day L.A." ganz klar um einen Vertreter der leichteren Actionkost handelt. Bis auf ein paar Spezialmanöver, wie Passanten mit Mullbinden zu versorgen und mit einem Feuerlöscher brennende Zivilisten oder Häuser zu löschen, beschränkt sich die Steuerung auf die Laufen-Springen-Schießen-Kombination. Das schlägt sich leider auch im Leveldesign nieder, das sehr linear geworden ist. Selbst wenn an manchen Stellen ein gewisser Eindruck von Handlungsfreiheit entsteht: Anstatt nicht zugängliche Bereiche mit umgekippten Bussen, durchbrochenen Brücken oder brennenden Häusern zu versperren, rennt Anthony einfach gegen eine unsichtbare Wand oder sagt, dass er nicht in die betreffende Straße gehen möchte. Um Fortschritte in den einzelnen Levels verbuchen zu können, muss Anthony eher weniger anspruchsvolle Aufgaben lösen: Mal muss er 50 Zombies zu Brei schlagen, dann soll er eine gewisse Anzahl Passanten verarzten und ein paar Leute aus ihren brennenden Häusern führen. Das Ganze wiederholt sich in wechselnder Reihenfolge, als gäbe es nicht noch andere Aufgaben, die man in Katastrophengebieten lösen, beseitigen oder einfach erschießen könnte. Ob dazu allerdings auch harmlose Passanten mit einer relativ großen Auswahl an Waffen gehören, ist mehr als fraglich, da so Anthonys Bedrohungsanzeige steigt. Diese sollte möglichst niedrig gehalten werden, da ein Level erst dann beendet werden kann, wenn der Antiheld einen gewissen Nettigkeitsgrad erreicht hat. Soviel übrigens zu der auf der Verpackung angekündigten beispiellosen künstlichen Intelligenz, "die NPCs mitfühlen lässt und auf die Handlungen des Spielers mit dramatischem Einfluss auf den Ablauf des Geschehens honoriert". Kein Wunder, wenn man nur gute Taten vollbringen darf. Wer nicht großartig Lust auf eine komplett nette Umgebung hat, freut sich auf die Bosskämpfe, die alle mit kleinen und vor allem makaberen Tricks geführt werden müssen. Um zum Beispiel den Schutzschild eines Bosses zu schwächen muss Anthony ein paar an der Wand hängende Personen erschießen. Wie das Ganze zusammenhängt, ergibt sich aus dem Spielverlauf; so ist es beispielsweise auch nicht ganz grundlos, wenn Personen in eine Flugzeugturbine gesaugt werden. Was sich schon in der Beschreibung als radikales Verheizen von Opfern ankündigt, wird im Spiel selbst zum Extrem getrieben: Es handelt sich hier zwar um ein Spiel mit der Altersfreigabe ab 16, trotzdem zerplatzen Passanten bei Beschuss in einer ordentlichen Blutfontäne, Haiattacken enden alles andere als harmlos und der eine oder andere Flugzeugpilot wünscht sich vielleicht doch nicht mehr so sehr, einmal in einen Meteoritenschauer zu geraten Grafik Cell-Shading ist eine schöne Sache. Richtig angewandt entsteht mit dieser Technik ein sehr comicartiges Flair, das eher wie ein Zeichentrickfilm als ein Spiel wirkt. Und das muss man "American McGee´s Bad Day L.A." wirklich zugutehalten: Die rasant geschnittenen Zwischensequenzen, die im Grunde genommen nur dazu dienen, um Anthony nicht ganz ohne Zusammenhang von einer Katastrophe in die nächste zu schlittern, sehen wirklich großartig aus und geizen nicht mit schwarzem Humor. Besonders kinderfreundlich präsentieren sie sich trotz aller Futurama-Qualitäten allerdings nicht, denn im Spiel fließt eine gehörige Portion Blut und in den Zwischensequenzen verlieren Piloten schon mal ihre Köpfe oder andere Körperteile. L.A. hat definitiv einen schlechten Tag, und dieser präsentiert sich in ziemlich blutrünstigen Zügen. Ein bisschen mehr Liebe zum Detail hätte der Umgebung ganz gut getan, zu monoton präsentieren sich einzelne Abschnitte der Level. So muss Anthony an einem Punkt des Geschehens aus dem Sicherheitsbereich des Flughafens entkommen, der aber nicht nur ein recht großes Labyrinth ist, sondern auch an jeder Ecke gleich aussieht. Hier wäre viel mehr möglich gewesen. Gerade ein Flughafen eignet sich im Kontext des Spiels hervorragend als Sammelsurium für Explosionen, Panik und Paranoia. Wiederholungen in Außenbereichen erwecken ebenfalls den Eindruck, als hätten die Entwickler ab und zu einfach Abschnitte doppelt in die Levels eingefügt. Völlig unverständlich ist allerdings, warum es keinerlei Möglichkeiten gibt, die Auflösung bzw. Grafikdetails zu verändern. Einmal installiert und gestartet, muss sich der Spieler mit dem abfinden, was ihm sein Bildschirm präsentiert. Trotzdem: Wenn man sich daran gewöhnt hat, wird die Cell-Shading-Optik ihrem Zweck durchaus gerecht und verleiht dem Spiel einen ganz eigenen Look. Sound In diesem Punkt ist Entwickler Enlight ganz klar der Gewinner. Manchmal kann eine Lokalisierung zu viel vom ursprünglichen Flair kaputt machen. Aus diesem Grund ist es lobenswert, dass "American McGee´s Bad Day L.A." in jeder Version mit englischer Sprachausgabe und den entsprechenden Untertiteln vertrieben wird. Zu viel Schönheitskorrektur hätte den Sprüchen der sehr guten Sprecher nicht gut getan, so bleiben eine Menge böser Kommentare des Hauptcharakters und der kritische Unterton des Ganzen hervorragend erhalten. Es wäre ohnehin nicht wirklich glaubwürdig gewesen, eine überzogene Version von amerikanischer Paranoia mit bemühten deutschen Sprechern zu besetzen. Die musikalische Seite pendelt sich dagegen auf Standardniveau ein. In den letzten Monaten ist es in Softwareproduktionen anscheinend beliebt geworden, eine Art Hintergrundgedümpel statt ansprechender Kompositionen in Spiele einzufügen. Die Musik hält sich dezent im Hintergrund; sie ist zwar vorhanden, reißt aber nicht vom Hocker und bleibt nach dem Spielen in keiner Weise hängen. Schade eigentlich, gerade bei einer sarkastischen Menschenrettung hätten sich ein paar überzogene Töne angeboten. Worauf American McGee mit seinem miesen Tag in Los Angeles hinaus will, ist klar: Die satirischen Züge an jeder Ecke von Anthonys Flucht aus der Stadt der Engel zeichnen das Bild eines übervorsichtigen, paranoiden Amerikas, das überall Bedrohung und Chaos wittert. Seltsamerweise geht es bei "Bad Day L.A." eher um die Kritik an den Zuständen des Landes als um das eigentliche Spiel. Wenn man sich darauf einlässt, bekommt man eine gehörige Portion schwarzen Humor, mit dem der Spieldesigner sein Land aufs Korn nimmt. Wer hinter dem Titel allerdings einen weiteren Klassiker á la "American McGee´s Alice" erwartet, wird enttäuscht werden. Zu wenig Abwechslung im Spielverlauf, zu schwache Leistung der KI, zu durchschnittlich die präsentierte Action. Für eben solche Spieler ist "American McGee´s Bad Day L.A." als Buget-Titel noch vertretbar, für ein Vollpreisspiel darf aber wirklich mehr erwartet werden. (21.09.2006)
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