Virtua Tennis 3 (Sega) geschrieben von Sebastian E.R. Hör und Katharina Nuss
| ||||||||||||||||||
Wenn man sich in Deutschland umhören würde, was die Leute mit Tennis verbinden, so würde wahrscheinlich Boris Becker an erster Stelle genannt werden, obwohl der seit vielen Jahren eher na, sagen wir: andere Plätze "bespielt". Danach käme vermutlich Steffi Graf, vielen Deutschen noch bekannt aus der "Barilla"-Werbung. Und die wirklichen Tennisinteressierten wüssten vielleicht sogar etwas über einen gewissen Tommy Haas, der zwar noch nie ein Grand-Slam-Turnier gewonnen hat, aber im Gegensatz zu oben genannten Persönlichkeiten wenigstens noch aktiv den Schläger schwingt. Und so ist er auch der einzige deutsche Protagonist im dritten Teil der beliebten "Virtua Tennis"-Reihe von Sega. Der weiße Sport Die Begeisterung für Tennis hat hierzulande nach den Karriereenden von Boris Becker, Michael Stich und Steffi Graf dramatisch nachgelassen. Zu schlecht waren die Erben der großen Drei im internationalen Vergleich und abgesehen von einigen wenigen Lichtblicken, wenn die Nachfolger mal aus Versehen ins Halbfinale eines Grand Slam-Turniers einzogen, gab und gibt es nichts zu berichten. Dementsprechend muss sich der geneigte Tennisfan auch damit zufriedengeben, mehr oder weniger sympathische ausländische Spieler anzufeuern gut, dass man in "Virtua Tennis 3" dem notorisch erfolglosen Tommy Haas wenigstens zu virtuellen Triumphen verhelfen kann. Insgesamt vier verschiedene Spielmodi stehen in "Virtua Tennis 3" zur Auswahl: World Tour, Turnier, Freundschaftsspiel und Mini-Spiele. Letztere sind kleine Showeinlagen, die mit Tennis nur bedingt etwas zu tun haben; so gilt es beispielsweise, mit Tennisbällen Curlingsteine zu bewegen und eine bestimmte Punktzahl zu erreichen oder beim Bowling mit den Bällen die Kegel umzuwerfen. Diese Spielchen kann man auch gegen einen menschlichen Mitspieler absolvieren und sie bieten kurzweilige Unterhaltung für zwischendurch. Im Freundschaftsspiel-Modus können Sie wahlweise alleine oder mit einem Mitspieler ein Einzel- oder Doppelmatch bestreiten. Zur Auswahl stehen selbstverständlich alle aktuellen männlichen und weiblichen Top-Tenniscracks, vom Australier Lleyton Hewitt über den Spanier Juan Carlos Ferrero bis hin zum Amerikaner Taylor Dent. Auch bei den Frauen ist alles vertreten, was Rang und Namen hat; sowohl Muskelpaket Venus Williams als auch Medienliebling Maria Sharapova sind mit von der Partie, ebenso wie Altstar Martina Hingis. Eine deutsche Spielerin fehlt leider aber wie oben erwähnt, haben wir ja auch keine konkurrenzfähigen Vertreterinnen. Den jeweiligen Spielern werden außerdem verschiedene Fähigkeiten zugeordnet, so zeichnet sich beispielsweise der Franzose Gael Monfils durch verschiedene Schlagtechniken aus, Rafael Nadal durch flinke Beinarbeit und die Schweizerin Martina Hingis durch eine taktische Spielweise. Der Turniermodus funktioniert ähnlich: Hier entscheiden Sie sich zu Beginn ebenfalls zwischen Einzel und Doppel, bevor Sie dann den beziehungsweise die Spieler Ihrer Wahl auf den Platz schicken. Sie absolvieren dann nacheinander fünf Matches in verschiedenen Stadien, bevor Sie schlussendlich den Pokal in den Londoner Abendhimmel recken können. Anders als im normalen Tennis müssen Sie jedoch keine sechs, sondern lediglich zwei Spiele gewinnen, um ein Match für sich zu entscheiden. Das Herzstück von "Virtua Tennis 3" ist allerdings der World Tour-Modus. Anders als in allen anderen Modi können Sie hier keinen der realen Spieler wählen, sondern müssen sich einen eigenen erstellen. Zu Beginn entscheiden Sie sich, ob Sie Ihr Alter Ego in die Männer- oder die Damenrunde schicken; dann basteln Sie sich Ihren individuellen Tenniscrack. Neben der Optik können Sie außerdem festlegen, wie groß und wie schwer Ihr Spieler ist und welches seine bevorzugte Schlaghand ist; dann starten Sie als Nummer 300 der Weltrangliste Ihre hoffentlich atemberaubende Karriere. Der Einstieg in den World Tour-Modus gestaltet sich noch relativ einfach: Da Sie ein blutiger Anfänger sind, stehen Ihnen die großen Grand Slam-Turniere der Welt noch nicht zur Verfügung, weswegen Sie erst einmal durch Provinznester gurken, um sich die ersten Sporen zu verdienen. Um Ihre Grundfertigkeiten (Aufschläge, Beinarbeit, Technik, Volleys etc.) zu steigern, absolvieren Sie außerdem verschiedene Mini-Spielchen oder besuchen die Tennis Academy, um das Handwerkszeug eines Tennisprofis zu erlernen. Außerdem gibt Ihnen Ihr Trainer immer wieder wertvolle Tipps, wenn Sie bei einer Aufgabe scheitern sollten. Sobald Sie in Ihren Grundfertigkeiten einen gewissen Level erreicht haben, dürfen Sie sich erstmals in Anfängerturnieren mit der Konkurrenz messen, was sich zu Beginn noch als recht einfach erweist. Wie im Turniermodus müssen Sie auch hier, um ein Match zu gewinnen, lediglich zwei Spiele für sich entscheiden, was sinnvoll ist, da die Turniere später immer zahlreicher und fordernder werden und allein zwei Spiele bereits über zehn Minuten dauern können. Es gibt außerdem drei Arten von Turnieren: Einzel, Doppel und gemischtes Doppel. Die Einzelturniere bieten die größten Chancen, in der Weltrangliste emporzuklettern und bestehen aus drei Matches, während Doppel und gemischtes Doppel nur aus je zwei Matches bestehen, bevor man den Turniersieg feiern kann. Zwischendurch bekommen Sie von Ihren Schläger schwingenden Kollegen auch immer mal wieder Einladungen zu Trainingsmatches, bei denen Sie, wie bei den Mini-Spielen auch, Ihre Grundfertigkeiten steigern können. Diese Matches haben jedoch keinen Einfluss auf Ihre Platzierung in der Weltrangliste. Für Turniersiege und das Erreichen bestimmter Ziele erhalten Sie außerdem immer mal wieder neue Ausrüstung in Form von Schlägern, Schuhen, Hosen, Trikots, Schweißbändern oder sonstigen Accessoires, mit denen Sie Ihren Crack dann ausstatten dürfen. Von den Schlägern einmal abgesehen, die Boni auf die Ballkontrolle, die Schlaghärte und den Schlagwinkel geben, hat alles andere allerdings nur modischen Wert. Bei allem Engagement auf den Tennisplätzen der Welt dürfen Sie jedoch Ihren Körper nicht über Gebühr beanspruchen: Sinkt Ihr Ausdauerwert, dargestellt durch einen roten Balken am rechten oberen Rand der Weltkarte, auf null, verletzen Sie sich und müssen einige Wochen pausieren, wodurch Ihnen oft lukrative und interessante Turniere entgehen. Um dem vorzubeugen, haben Sie drei Möglichkeiten, Ihre Batterien wieder aufzuladen: Durch einen leckeren Energy Drink, eine Woche Rumgammeln in den eigenen vier Wänden oder drei Wochen Relaxen auf einer Südseeinsel. Danach sind sie wiederhergestellt und stehen voll im Saft. Was die Steuerung angeht, so ist sie, wie auch in den beiden Vorgängern, wieder sehr arcadelastig und dementsprechend einfach zu beherrschen. Gerade einmal drei Tasten für Lob, Slice und Topspin benötigen Sie, um Ihre Gegner über den Platz zu scheuchen; für die Beinarbeit bedienen Sie die Pfeiltasten beziehungsweise den Analogstick auf dem Gamepad. Die Tastenbelegung ist übrigens frei konfigurierbar, allerdings mit einem kleinen Problem: Im Test weigerte sich "Virtua Tennis 3" standhaft, die Umbelegung der Tasten auf dem zweiten Gamepad beizubehalten und setzte sie bei jedem Neustart des Spiels auf den Anfangswert zurück. Die farbenfrohe Welt der Tennisplätze In Sachen Grafik kann sich "Virtua Tennis 3" sehen lassen: Die Akteure überzeugen durch realistische Bewegungen und eine glaubwürdige Mimik und Gestik, wenngleich ihre Lippenbewegungen etwas vernachlässigt wurden. Bei allen Spielerinnen und Spielern kann man das reale Vorbild aber durchaus erkennen. Die Darstellung der einzelnen Plätze ist ebenfalls gelungen: Sowohl der Rasenbelag von Wimbledon als auch die Asche von Paris oder Barcelona wirken realistisch; die Schiedsrichter sehen ebenso lebendig aus wie die Balljungen, nur das Publikum wirkt ziemlich statisch aber das machen andere Sportspiele ja auch nicht besser. Die Ballphysik überzeugt ebenso und damit man den Ball auch stets im Auge behalten kann, zieht er einen gelben Schweif hinter sich her, was manchmal allerdings auch dazu führen kann, dass man den Aufschlagpunkt falsch einschätzt. Ein ebenso zweischneidiges Schwert ist der Schattenwurf: Zwar ist er realistisch, aber teilweise auch der Übersicht abträglich, wenn im oberen Feld ein Spieler mit dunklem Leibchen im Schatten steht und deshalb kaum zu sehen ist. Schöner Stöhnen Kompliment an die Entwickler: Die charakteristischen Stöhnlaute aller Tennisprofis wurden wirklich realistisch eingefangen. So hört man bei der bulligen Venus Williams ein tiefes, während die eher zarte Maria Sharapova ein hohes Stöhnen herauspresst. Das Publikum reagiert auf spektakuläre Schläge und unerwartete Abwehraktionen entsprechend ungläubig beziehungsweise begeistert und der Sprecher verkündet das Spielergebnis in der jeweiligen Landessprache (außer, man hat es in den Optionen anders eingestellt). Einzig die Menümusik nervt ziemlich schnell und wird daher frühzeitig abgeschaltet, da sie auch während der Matches vor sich hindudelt und alles andere übertönt.
|