Medieval Conquest (BMS Modern Games) geschrieben von Hans Thiel
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Held zu sein ist eine ernsthafte Angelegenheit. Da gilt es, fiese Dämonen, stinkende Drachen und anderes widerliches Getier zu erlegen, Schätze zu finden und armen Mütterchen ihre entlaufenen Schäfchen wieder zuzuführen. Nebenher wartet eine holde Maid, die Welt oder eben auch gleich das ganze bekannte Universum auf Rettung vor unaussprechlichem und ganz und gar fürchterlichem Übel. Und natürlich ist es erforderlich, bei all dem Gemetzel verdammt gut auszusehen. Medieval Conquest von Modern Games zeigt, dass über all dem Getöse der Humor nicht zwangsläufig verloren gehen muss. Bau auf, bau auf Das Spielprinzip ist weit davon entfernt, revolutionär zu sein. Wie in unzähligen anderen Spielen muss eine kleine Stadt errichtet werden, zudem gilt es, sorgsam mit Ressourcen und Heldenmaterial umzugehen. So weit, so gewöhnlich. Medieval Conquest bringt es jedoch fertig, komplizierte wirtschaftliche Zusammenhänge, diffiziles Mikro-Management und strategische Stadtplanung einfach und doch überaus realistisch wiederzugeben. Auf gut Deutsch: Gold ist alles, was zählt. Herumwuselnde Bauern/Handwerker, die mürrisch vor sich hinmurmelnd die gewünschten Gebäude im Zeitlupentempo errichten? Weit entfernte Ressourcenquellen, die mühselig entdeckt, beschützt und abgebaut werden müssen? Endlose Technologiebäume, die die wirklich interessanten Sachen erst in der letzten Episode des letzten Kapitels freigeben? Fehlanzeige. Hier gibt sich Medieval Conquest so realistisch, wie man ein Spiel nur gestalten kann: Wenn die Kasse stimmt, wen kümmert das Wer und Wie? Der Auftrag ist simpel. Helden anheuern, diesen Nachtquartier, Nahrungsmittel, Zerstreuung und Ausrüstungsläden anbieten und fertig. Den Rest übernehmen die wuseligen kleinen Kerlchen von allein. Jede erlegte Bestie spült Preisgeld in die Stadtkassen und die Trophäe kann der siegreiche Held ebenfalls zu Gold machen, um seine eigene Ausrüstung zu verbessern. Nerviges Punkteverteilen, Herumhangeln in endlosen Fähigkeitenbäumen? Dem Helden von heute kann dies getrost selbst überlassen werden. Auch ist es unnötig, detaillierte Anweisungen an die Heldengruppe zu geben - ein Zielgebiet zu definieren reicht, jemand, der ekelerregende Flugnashörner erschlagen kann, ist doch durchaus in der Lage, selbst zu entscheiden, welches Monster zuerst den Tod verdient. Heilen, Essen, Schlafen? Auch hier können die Helden recht gut für sich selbst sorgen, sofern die entsprechenden Gebäude erst einmal errichtet sind. Die zu errichtende Siedlung benötigt verschiedene Gebäude, um die Wünsche und Bedürfnisse der angeheuerten Helden zu befriedigen. Schlafstatt und Imbissstand sorgen für das leibliche Wohl, diverse Entertainment-Angebote befriedigen die leichte Muse und in Trainingslagern kann der kleine Bauchansatz wegtrainiert werden. Realistisch ist Medieval Conquest auch in der Verteilung des typischen Heldenequipments. Warum sollte ein schleimiger Ringelwurm von der Größe eines Einfamilienhauses bei seinem Ableben ein "Großes Schwert des Todes(TM), +3 Leben, +50% Angriffsgeschwindigkeit" fallen lassen? Mangels Vordergliedmaßen hätte er ohnehin nichts damit anfangen können. Also gibt es Ausrüstung logischerweise nur in speziell dafür anzulegenden Geschäften. Je nachdem, welche Helden die Siedlung bevölkern, werden Läden für Kriegswaffen und Kämpferrüstung, Magierausstatter oder Ranger-Bogenläden notwendig. Die Helden entscheiden dann selbstständig, welche Waffe am besten zu ihnen passt und kaufen diese im entsprechenden Laden. Vorausgesetzt, dieser hat das Gewünschte vorrätig. Die Vorratshaltung bestimmter Waffen ist aus der Stadtkasse zu bezahlen und während zu Beginn die Waffen und Ausrüstungsgegenstände noch relativ preiswert sind, reißt dies im Verlauf des Spiels doch beachtliche Löcher in die Kasse. Mit steigendem Charakterlevel des Helden oder der Heldin geben diese sich natürlich nicht mehr mit den Läden der Anfangsklassen zufrieden. Neue, größere Läden und natürlich teurere Unterbringungen und Restaurants müssen her. So steigert sich das Angebot von Speisemöglichkeiten von einer "wanzenverseuchten Fressbude" - Haddocks Stand - bis zu "Gerds Gourmettempel". Upgrade-Möglichkeiten lassen die jeweiligen Gebäude zum Beispiel mehrere Helden gleichzeitig versorgen oder verringern die Zeit, die es braucht, die Bedürfnisse der Helden zu befriedigen. Ähnlich verhält es sich mit allen im Spiel zu findenden Gebäuden. Die Herausforderung besteht darin, die Heldengruppe zufrieden zu halten, ohne die Stadtkasse hoffnungslos zu plündern. Unzufriedene Helden sind schlecht für die Stadt. Nicht lange und sie entscheiden sich, einfach weiterzuziehen, was nicht nur für das Ansehen der Stadt negativ ist. Sollten die hochdekorierten und gutausgebildeten Helden scharenweise das Weite suchen, kann dies durchaus das Ende für die Siedlung bedeuten - keine Helden heißt keine erschlagenen Monster und dies führt zu Ebbe in der Kasse. Die hektisch angeheuerten, unausgebildeten Frischlinge schaffen es dann meist nur schwer, das Ruder wieder herumzureißen. Steuerung Die Steuerung ist denkbar simpel und unterscheidet sich nicht von ähnlich gelagerten Spielen. Die Hauptarbeit erledigt sich mit der Maus, lediglich einige Schnellbefehle lassen sich über die Tastatur erreichen. Ein Manko hierbei: Das Bausystem ist etwas gewöhnungsbedürftig. Ist erst einmal ein Gebäude gewählt und "hängt" am Mauszeiger, so hält es dort seinen Platz erstaunlich hartnäckig. Spontanes Umentscheiden wird nicht gerade erleichtert. Bevor die Steuerung wieder für andere Dinge frei ist, gilt es, erneut auf irgendeinen Menüpunkt zu klicken. Soll das Gebäude dann doch gebaut werden, ist es allerdings vorbei mit diesen Allüren, das Haus steht und wenn ein Zweites gebaut werden soll, gilt es, sich wieder durch die Menüstruktur zu hangeln. Das spielt beim Häuserbau keine allzu große Rolle, wenn es um das Roden von Wäldern zur Baulandgewinnung geht, wird diese Eigenheit fix etwas nervig. Disziplin ist vor allem beim Abspeichern des Spielfortschritts angesagt. Da nirgendwo das Datum oder die Spieldauer automatisch eingeblendet wird, ist es ratsam, die Spielstände gekonnt zu benennen. Das reduziert das Rätselraten beim Wiedereinstieg am nächsten Tag. Grafik Es hat eine Weile gedauert, bis es Medieval Conquest auch in unsere Gefilde verschlagen hat. Dies und die Tatsache, dass die Grafikqualität schon im englischen Original nicht weltbewegend war, lässt das Spiel von den Effekten her ein wenig altbacken aussehen. Doch wie auch der Hofnarr selten einen Schönheitswettbewerb gewinnen wird, so hat auch Medieval Conquest seine Qualitäten auf anderem Gebiet. Schon im Intro wird klar, dass es sich nicht um ein durchschnittliches Abenteuer-Aufbau-Haudrauf-Spiel handelt, sondern, dass schräger Humor und ein geradliniges Spielkonzept im Vordergrund stehen. Die Möglichkeit des stufenlosen Heranzoomens an das Spielgeschehen bringt liebevoll gestaltete Helden und Heldinnen zum Vorschein und auch die eigentlich ja bösen Monster zaubern mehr Schmunzeln als Schrecken ins Gesicht. Natürlich nur solange, wie sie erwartungsgemäß das Zeitliche segnen und nicht zur Abwechslung die Heldengruppe dezimieren. Gern werden Klischees bedient, der Kämpfer-Held scheint mit überbreiten Schultern und Wespentaille der Schwerkraft zu trotzen, Ranger-Helden ähneln in ihrer Statur sehr ihren Bögen und weiße Rauschebärte sowie lange Gewänder scheinen bei Magiern Pflichtaccessoire zu sein. Auch die Gestaltung der Gebäude kann sich sehen lassen, selbst auf der größten Zoomstufe machen sie durchaus noch einiges her. Die Umgebung ist auf den einzelnen Karten recht gleichförmig, ab und an unterbrochen von speziellen Zonen mit alten Ruinen oder Drachenhorsten. Es wurde kein besonderes Augenmerk auf Realismus gelegt, im Großen und Ganzen unterwirft sich die grafische Gestaltung dem Humor des Spiels und liegt weit näher am Comic als an fotorealistischer Darstellung. Sound Die Geräuschkulisse passt perfekt ins Bild dieser verschrobenen Welt: Quietschende und pfeifende Monster, amüsante bis dämliche Kommentare der Helden und Ladenbesitzer, alles fügt sich perfekt in die Spielumgebung ein. Die Lokalisierung und deutsche Synchronisierung ist sehr gut gelungen. Hintergrundmusik ist unaufdringlich und auch nur spärlich vorhanden, dafür hat jedes Gebäude seine eigene Geräuschkulisse beim Aufrufen der Gebäudesteuerung. Ebenso gibt es Warnsignale, falls einem Helden etwas zugestoßen ist oder Gebäude Gefahr laufen, zerstört zu werden. Medieval Conquest ist ein sehr kurzweiliges Spiel, dessen Schwierigkeitsgrad trotz des aufs Wesentliche - Geld - reduzierten Wirtschaftsteils nicht unterschätzt werden sollte. Es geben sich allerlei skurrile Gestalten die Ehre und sorgen für amüsante Spielstunden. Medieval Conquest bietet die Gelegenheit, dem Einheitsbrei zu entfliehen und die Welt der Helden und Monster mal von der humoristischen Seite zu betrachten. Und dies zu einem fairen Preis. Wer sich einige amüsante Stunden gönnen möchte, kann hier bedenkenlos zugreifen. (10.10.2005)
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