eXperience112

eXperience112

(Daedalic / Xider)

geschrieben von Jana Voth

 

     
 

Adventures gibt es mindestens genauso viele wie "Akte X-Folgen" im deutschen Fernsehen. Was also tun, um aus der Masse hervorzustechen? Die Macher von "eXperience112" setzen auf drei Strategien: Zum einen verpflichte man eine bekannte Stimme für die Synchronisation, dann "erfinde" man eine neue Art der Steuerung und mixe zum Schluss noch eine Zahl in den Namen, die - zumindest in Deutschland - von sich aus schon etwas mehr Aufmerksamkeit fordert, auch wenn Feuerwehrsimulationsfans hier leider schwer enttäuscht werden.

Story oder "Wenn ich Ihnen das erzähle, muss ich Sie umbringen."

Viel erfährt man am Anfang nicht und viel soll hier auch nicht verraten werden. Man landet auf jeden Fall zu Beginn des Spiels auf einem Schiff, das allerdings etwas zugewuchert wirkt. Früher diente es wohl einmal als Forschungsstation, doch lässt sich auf Anhieb nur eine überlebende Person - Lea Nichols - an Bord finden, also muss wohl irgendwann irgendetwas schief gegangen sein. Weiter bemerkt man sehr bald, dass man im Gegensatz zu anderen Adventures in keine Rolle schlüpft. Es ist einfach, als hätte man sich vom eigenen Rechner aus Zugang zum Überwachungssystem des Schiffs verschafft.

Die Steuerung - der Clou an der Sache

Das Spiel beginnt und man sieht Lea in einer winzigen Kabine des Schiffs erwachen. Noch leicht benebelt reißt sie sich den Tropf vom Arm und schwankt ein wenig durch den Raum, bis sie bemerkt, dass sie beobachtet wird. Das Lämpchen an der Kamera hat uns wohl verraten und so versucht Lea direkt Kontakt mit uns aufzunehmen. Einfache Fragen, durch "Nicken" oder "Kopfschütteln" mit der Kamera zu beantworten, dienen der Bekanntmachung. Ansonsten führt Lea die meiste Zeit Selbstgespräche. Die Idee ist nun, dass man Lea zwar überall mit bis zu drei Kameras beobachten, sie aber nicht direkt lenken kann, sondern indirekt mit ihr kommuniziert. Das Einflussgebiet, das zur Verfügung steht, erstreckt sich fast über das gesamte Stromnetz, also auch über Lampen und Computer. Schaltet man einen Raum weiter das Licht an, geht Lea in diesen Raum.

Dann verabschiedet sich aber langsam die Logik. Bei einigen Rätseln ist es beispielsweise möglich, dass man Roboter oder Computer direkt steuert, Lea kann diese außerdem zur Erstellung neuer Dateien in der gemeinsamen Datenbank nutzen. Diese kann man als Spieler einsehen, jedoch nicht bearbeiten. So möchte man Lea hin und wieder die Antwort auf eine Frage in ihrem Monolog in die Ohren brüllen, kann es aber nicht. In den ersten Minuten des Spiels wirken die Lämpchenspielchen und Wackeleien auch noch wie echte Kommunikation mit einer geplagten Seele auf einem Schiff, was sich dann aber ziemlich bald relativiert. Um die Illusion aufrecht zu erhalten, wäre ein gewisses Maß an künstlicher Intelligenz notwendig gewesen. Bei Lea hingegen kann man schon froh sein, wenn sie beim Auffinden eines bestimmten Objekts von selbst zu dem Ort zurückkehrt, an dem er benötigt wird. In dem Fall findet sie plötzlich auch durch düsterste Gegenden.

Sämtliche Interaktionen mit der Elektronik des Schiffs, also die Aktivierung jeglicher Objekte, auch Lichter und Kameras, finden auf einer Übersichtskarte statt. Für die genaue Steuerung von Geräten und Kameras öffnen sich jeweils neue Fenster. Das Problem hierbei ist, dass man weite Teile des Spiels nicht damit verbringen wird, Lea mit den Kameras zu folgen. Nein, das kleine blaue Dreieck, mit dem sie auf der Übersichtskarte dargestellt wird, zu beobachten ist viel bequemer und zum "Steuern" muss man eh hier auf die blauen/roten Kreise klicken, die die Lampen darstellen. Damit wäre man wieder beim Point & Click, was ja eigentlich vermieden werden sollte. Was fast noch schlimmer ist, ist die Tatsache, dass Lea sich nicht gerade in Blitzgeschwindigkeit durch die Welt bewegt; besonders Treppen scheinen ihr zu Schaffen zu machen.

Das, kombiniert mit der höchstens mittelmäßigen KI, trägt dazu bei, dass man sich wie bei "Die Sims" fühlt; man sagt dem Sim grob, wohin er laufen soll oder welches Gerät er bedienen soll und ebenso wie bei der virtuellen Nachbarschaft wartet man ungeduldig darauf, dass der Charakter das Nötige erledigt (also auf Toilette geht, isst, schläft - von einem Deck zum anderen läuft), bis man sich den wichtigen Dingen stellen kann (welche Abfolge von Flirtaktionen wohl den Mann der besten Freundin zum Ehebruch bringt - welche Kombination der gegebenen Substanzen wohl die gewünschte Reaktion hervorruft). Entgegen den Sims kann man Lea jedoch keine Liste von Aufgaben geben oder die Geschwindigkeit beschleunigen, sondern muss sie geduldig von Lämpchen zu Lämpchen führen. Das Prozedere ist an sich leicht zu durchblicken, scheitert aber manchmal daran, dass die Symbole auf der Karte nicht recht reagieren wollen.

Es bringt also wenig, sich auf die Ratschläge und Hinweise von ihr zu verlassen. Wenn sie an einer Stelle sagt, man solle sich nach einem Passwort umschauen, das irgendwo im Raum platziert sein sollte, kann man nicht darauf vertrauen, dass es wirklich nur eines ist und genauso wenig davon ausgehen, dass man keine wichtigen Hinweise im Raum findet, nur, weil sie es nicht erwähnt. Die grauen Zellen dürfen sich also trotz digitaler Unterstützung nicht ausruhen und Zettel und Stift neben der Tastatur sind mal wieder Pflicht. Man wird im Laufe der Geschichte, die äußerst umfangreich und verzweigt ist, mit Unmengen an wichtigen Informationen überschüttet. Bei vielen Daten reicht es aus, wenn man weiß, wo sie stehen, aber lange nicht bei allen.

Das Zusammensuchen von Notizen ist schon ein Abenteuer für sich. Alle Informationen sind in den Benutzerkonten der Angestellten auf dem Schiff gespeichert, von denen ein jedes mit einem generellen Passwort und einem weiteren Passwort für Vertrauliches gesichert ist. Hier ein ganz großer Pluspunkt, der das Spiel nicht einfacher, aber realistischer macht: In den Konten stehen riesige Mengen an E-Mails und anderen Texten zur Verfügung, die auch lange nicht alle wichtig für das Vorankommen sind. Ein wenig aussortiert wurde dadurch, dass sich etwa die Hälfte der angezeigten Dateien nicht abrufen lassen, weil sie wohl bei einem kurz vorher aufgetretenen Serverabsturz beschädigt wurden. Zugegeben, nicht immer ist die Story in ihren Abläufen logisch oder passt das, was mal liest zu dem, was man an Reaktionen bei Lea sieht. Allgemein ist ihr Verhalten des Öfteren nicht nur unlogisch, sondern auch emotional gesehen nicht ganz nachvollziehbar.

Technisches

Das Spiel hat Probleme mit bestimmten Grafikkarten, sodass unter Umständen die automatische Anpassung der Bildwiederholungsrate ausgeschaltet werden muss. Außerdem kommt es abschnittsweise immer wieder zu starken Aussetzern, was sogar dazu führen kann, dass Lea in ihrer Bewegung hin und wieder einen halben Meter zurückspringt, vom Ruckeln ganz abgesehen.

Grafik oder "Am Anfang war der Schwenk"

Das gesamte Spiel über hat man einen blauen Desktop vor sich, auf dem sich die Fenster anordnen - nur die Taskleiste fehlt noch im Vergleich zum echten Windows. Ein Ersatz dafür ist eine ausfahrbare Leiste auf der linken Seite, die hauptsächlich dem Zugriff auf die Datenbank dient. Diese Oberfläche im Spiel macht schon eine Menge der Stimmung aus. Es ist geradezu faszinierend, an sich selbst zu beobachten, dass man gerade in den Innenräumen des Schiffs umso klaustrophobischer wird, je mehr und größere Fenster mit Ansichten der Kameras auf dem Bildschirm erscheinen, während man sich beim reinen blauen Hintergrund, wie er beim Laden der Decks auftaucht, wieder fast wie bei der normalen Arbeit am PC fühlt. So sehr also die Steuerung auch das Gefühl von "Die Sims" vermittelt, wirkt die Grafik doch viel düsterer und unheimlicher.

Das Besondere an der Kameraüberwachung ist, dass jede Kamera mit verschiedensten Sonderfunktionen ausgestattet ist, wie beispielsweise Schwenk, Zoom aber auch Wärmebild. Zuerst hat man nur den Schwenk zur Verfügung und je weiter man kommt, desto mehr Updates erhält man, die man dann auf jeder Kamera aktivieren kann. Das sind nette Spielereien, ermöglichen aber auch ganz andere Arten von Aufgaben, die das Wissen über bestimmte Temperaturen oder etwa die Sicht im Dunkeln voraussetzen.

Sound

Die Stimme von Kate aus der Fernsehserie "Lost" wirkt tatsächlich Wunder und wären Leas Monologe noch ein Stückchen sinnvoller platziert und formuliert, wäre es geradezu perfekt. Die restlichen Stimmen sind erwartungsgemäß nicht ganz so gut synchronisiert, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt, da sicher immer noch über 90 Prozent der Sprachausgabe auf Leas Kappe gehen dürften. Ansonsten schleicht sich so manches Hintergrundlied etwas zu sehr in den Vordergrund, wirklich meckern kann man aber nicht. Die Atmosphäre stimmt und von wenigen Ausnahmen abgesehen ist dann, wenn man die Konzentration für ein Rätsel braucht, auch Ruhe im Raum.

 

 


Fazit

Wer sich von der Steuerung nicht abschrecken lässt, wird den Kauf nicht bereuen. "eXperience112" ist ein sehr interessantes Spiel, das unter anderem mit unheimlichen Eindrücken zum menschlichen Wesen unter die Haut geht. Es schadet auch nicht, wenn man sich selbst ein wenig zur Sekretärin berufen sieht, denn es gibt viel Papierkram aufzuarbeiten. (11.03.2008)


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