Dungeon Lords (dtp) geschrieben von Matthias Lanwehr
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Die Jungs bei Heuristic Park haben sich hohe Ziele gesteckt: Ein Rollenspiel in der epischen Breite von Baldur´s Gate und Gothic, das die Brücke zum immer beliebter werdenden Action-Rollenspiel à la Diablo und Sacred schlägt. Um Fantasywelt und Spielmechanismen lebendig und spannend zu halten, wurde David W. Bradley, der u.a. als kreativer Kopf für einige Rollenspiel-Urgesteins-Hits verantwortlich war, mit ins Boot geholt. Und bei dem eigens für Dungeon Lords konzipiertem Spielsystem werden Hobbybeschwörer aufmerksam. Klingt für den Anfang recht vielversprechend, die Entwickler scheinen dabei allerdings vergessen zu haben, dass große Ankündigungen nicht gleich ein gutes Spiel machen und man dabei manchmal eine ganz böse Bauchlandung erleben kann. Story Hört man das in letzter Zeit nicht oft? Der Hofmagier des weisen und gerechten Herrschers Lord Davenmors wurde von einigen seiner Kollegen hintergangen und bei einem Magierduell gegrillt. Das nun schutzlose Königreich wird prompt von den Armeen Lord Barrowgrims, einem ganz, ganz bösen Zwerg, überrannt, der seine Kriegsaxt nur in den Schrank zurückstellen will, wenn er die Tochter seines Feindes heiraten darf. Zu dumm, dass diese bereits einem ortsansässigen Ritter die ewige Liebe geschworen hat. Also macht Lord Davenmor genau das, was jeder liebende Vater tun würde: Er wirft den Ritter ins Verlies und zwingt die Prinzessin, den Zwerg zu ehelichen. Doch bevor die Trauung vollzogen werden kann, ist die Braut verschwunden und die Kämpfe beginnen von neuem. Und weil irgendein Prophet meint, jetzt müsse ein Held herhalten, steht der Spieler plötzlich ohne Plan mitten in der Nacht auf einer Wiese und läuft einfach mal los. Gameplay Kein Shooter ohne Raketenwerfer, kein Rollenspiel ohne Charaktergenerierung. Bevor die Schnetzelorgie gestartet werden darf, kommt der obligatorische Heldenbaukasten zum Einsatz. Neben den üblichen Menschen, Zwergen und Elfen werden einige neue Völker, die mehr oder weniger für bestimmte Klassen prädestiniert sind, aufgefahren. Fans von kriminellen Machenschaften halten sich an die Wylvan, die geschickt und schnell Schlösser knacken, die Hau-Drauf-Fraktion entscheidet sich für die Urgoths, die allein durch ihren Körperbau klar machen, wer bei einer Kneipenschlägerei ohne Zähne nach Hause geht. Leider gibt es, bis auf das Völkermodell, keine Möglichkeiten, das Aussehen der Spielfigur zu ändern. Wer einen Elf durchs Land ziehen lassen möchte, bekommt nur den blonden Elrond-Verschnitt präsentiert. Die sonstige Heldenherstellung ist Standard: Nachdem das Volk gewählt wurde, wird eine bestimmte Anzahl von Punkten auf Magie, Attribute und Fähigkeiten verteilt. Am Ende will noch ein Wappen, ähnlich der Sternzeichen bei Morrowind, gewählt werden, welches zusätzliche Boni auf bestimmte Talente gibt. Sobald die eigentliche Spielwelt betreten wird, macht sich sehr schnell Ernüchterung breit: Der Charakter steht mitten in der Landschaft, der Spieler hat keinen Anhaltspunkt, wie er dort hingekommen ist und was er tun soll. Hinter dem Helden steht ein Bote, der einen Brief loswerden möchte. Wer sich also nicht gleich am Anfang umdreht, rennt erst einige Zeit planlos durch die Gegend, bevor er mit Glück wieder am Startpunkt ankommt. Schuld daran ist ein tödlicher Bug: Zwar befindet sich eine übergroße Papierkarte in der schicken Verpackung, im Spiel selbst wird sie allerdings mehr als einmal schmerzlich vermisst. Es gibt sie einfach nicht. Riesige Spielwelten sind schön und gut. Wenn man aber keine Ahnung hat, wo man sich gerade befindet und wie man am schnellsten zu einem bestimmten Ort kommt, nutzt auch die größte spielerische Freiheit nichts. Erreicht man Fargrove, eine der drei Städte des Spiels, wird man noch vor den Stadttoren prompt von einem Goblin überfallen. Spätestens hier zeigt sich, dass Magier und Gelegenheitskämpfer in "Dungeon Lords" nichts zu lachen haben. Bereits der erste Gegner ist ziemlich knackig und lässt den eigenen Helden den einen oder anderen Heiltrank verbrauchen, bevor er das Zeitliche segnet. Netterweise ist er nur der Vorbote einer ganzen Schar Goblins, die einen kurze Zeit später angreifen. Neben dem hohen Schwierigkeitsgrad sind die virtuellen Schlachten durch ein fehlendes Zielsystem nicht gerade das Gelbe vom Ei: Die Maus wird zwar zum Umschauen und Angreifen benutzt, doch schlägt der Held immer auf gleicher Höhe nach vorne, was einen Schlagabtausch mit Fledermäusen oder kleinen Gegnern unnötig kompliziert macht. Sollte die Gegnerbrut einmal mehr die Oberhand gewinnen, darf der Held auf Tastendruck wiederbelebt werden. Gegen ein paar Erfahrungspunkte, versteht sich. Diese erhält man genreüblich durch das Schlachten von bösem Ungeziefer und dem Erledigen von Aufträgen für die Bevölkerung. Hat man einen gewissen Stand erreicht, können diese gegen neue Fähigkeiten eingetauscht werden. Und das ist auch bitter nötig: Das erste Dungeon fährt bereits das auf, was manch anderes Spiel erst in den letzten Levels fordert. Die Kanäle sind riesig mit Fallen, Hebeln und Schatztruhen gespickt und die Anzahl der Monster ist derart groß, dass es auf Neueinsteiger beängstigend wirken muss. Wer hier schon schlappmacht, darf sich "freuen", denn in späteren Kellerschlachten gibt es Ketten von Räumen, in die sich Berge von Skeletten, Schleimklöpsen und Ogern teleportieren, die Schlachten von bis zu 30 Minuten erzeugen kann, nur um durch einen Raum zu gehen. Das fasst den hauptsächlichen Spielverlauf recht schnell zusammen, geredet wird bei "Dungeon Lords" sowieso nicht gerne. Trifft man in der ohnehin schon frustrierend leeren Spielwelt auf einen der wenigen sprachbereiten NPCs, wird dem geneigten Spieler hauptsächlich eine Nebenquest angedreht, in der es - wer hätt´s gedacht? - hauptsächlich um irgendeinen Gegenstand in irgendeinem Dungeon geht. Also wieder runter in die Keller. Grafik So lange man sich auf der Oberfläche der Fantasywelt befindet, gibt es einiges zu sehen: Gras wiegt sich im Wind, Tag/Nacht-Wechsel und Umgebung wissen durchaus zu gefallen und angelegte Rüstungen sind sofort am Charakter sichtbar. Wer seinen Magier mit einer Menge Geduld hochpowert, bekommt nette Lichteffekte und Glitzershows präsentiert, wenn ein höherer Zauber ausgepackt wird. Monster und NPCs wurden sauber animiert und die soliden Texturen bringen etwas Leben in die gegnergeplagte Spielwelt. Die regulierbare Weitsicht zeigt, wie schön es hätte sein können, wenn nicht ein Großteil des Spiels in Abwasserkanälen, Höhlen und Tempeln stattfinden würde. Hier schwankt die Qualität der unterschiedlichen Sets sehr stark zwischen "einfach nur hässlich" und "gar nicht mal so übel"; weltbewegende Schönheit findet sich allerdings nicht. Zu lieblos wurden einige Texturen an die Kellerwände geklatscht und irgendwie sieht vieles gleich aus, was durch das zusätzliche Fehlen der Karte die Orientierung gerade in unterirdischen Kammern erheblich erschwert. Sound Hier gibt es nur wenig zu meckern. Alle Dialoge wurden von sehr guten deutschen Sprechern synchronisiert und die Musik hat die nötige Fantasy-Epik. Nicht ganz "Herr der Ringe", aber ziemlich nah dran. Einzig bei der Unterstützung von EAX oder 3D-Sound-Boxen klingen Stimmen sehr weit entfernt, was oft seltsam klingt, wenn der Gesprächspartner direkt vor einem steht. Sowohl Monstergeräusche als auch Waffengeklirr und Zaubergeklingel passen zu den vielen Kämpfen und überzeugen durch die Bank. Alles in allem betrachtet macht Dungeon Lords einen sehr unfertigen Eindruck. Mit wenigen NPCs, einer zähen Handlung, die trotz Wendungen nicht fesselt, und nicht zu vergessen einem Haufen unnötiger Bugs, verliert der Kellerklopper sehr schnell viel von seiner Faszination. Eigentlich schade, bei so manchem Streifzug durch die schönen Außenlandschaften scheint oft durch, was für ein Hit das Spiel hätte sein können. Aber voll animierte Umwelten und große Fertigkeitenbäume retten kein Spiel, das einfach keinen Spaß machen will. Eine deutlich längere Testphase und sorgfältiges Ausmerzen von Fehlern hätte eine Menge Spielspaß retten können. In der jetzigen Verkaufsversion ist höchstens der Multiplayer Modus als Zeitvertreib bis zum nächsten Morrowind oder Neverwinter Nights akzeptabel. Am Thron der aktuellen Genrereferenzen kann Dungeon Lords allerdings nicht rütteln, zumal auch kein Editor beiliegt, um spannendere Geschichten zu konstruieren. (11.07.2005)
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