Brothers in Arms - Hell's Highway (Ubisoft) geschrieben von Jan-Tobias Kitzel
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Der Zweite Weltkrieg wurde schon von dermaßen vielen Videospielen als Szenario ausgewählt, dass viele Spieler den Ablauf der Landung in der Normandie mittlerweile im Schlaf erzählen können. Und auch die berühmt-berüchtigten Häuserecken von Carentan stellen für viele von uns nicht mehr gerade unbekanntes Terrain dar. Doch Gearbox ist sich sicher: Einer geht noch. Also schicken sie uns im nächsten Teil der "Brothers in Arms"-Reihe erneut in den Zweiten Weltkrieg. Wollen mal sehen, ob das gut geht. Gameplay oder "Market Garden? Klingt lecker." "Brothers in Arms - Hell's Highway" ("BiA-HH") verschifft euren virtuellen Allerwertesten diesmal zur Operation "Market Garden". Die alliierten Truppen haben den Papp auf, sind aber gewillt, Hitler noch vor Weihnachten 1944 unter die Erde und den Krieg zum verdienten Ende zu bringen. Also starten sie mit der genannten Operation ein waghalsiges Manöver, das über die Eroberung eines Korridors durch die Niederlande den Truppen den direkten Einfall nach Deutschland ermöglichen soll - die größte Luftlandung in der Geschichte. Doch die Deutschen schlagen zurück, zerstückeln den Korridor und es entbrennt ein blutiger Kampf um jeden Meter Boden. Der "Korridor" wird unter den dort zerstreuten Truppen schnell bekannt als "Hell's Highway". Und ihr seid mittendrin. Also rein in die Action: Wie schon in den Vorgängern steuert ihr erneut das virtuelle Geschick von Sergeant Baker, der mittlerweile so viel durchgemacht hat, dass er als "Mr. WW2" in die Geschichte der Videospiele eingehen könnte. Keine Operation des Zweiten Weltkriegs, bei der er nicht persönlich anwesend gewesen wäre. Ein Multitalent, das langsam an den dabei gemachten Erlebnissen zerbricht. Doch dazu später mehr. Erneut werdet ihr mitten in die spannungsgeladenen Szenen hineingeworfen, zu Anfang erst einmal in ein gut gemachtes Tutorial: Ihr müsst aus einem Krankenhaus fliehen, unterstützt von einem eurer Kampfgefährten. Dabei bringt euch das Spiel nach und nach die wichtigsten Befehle bei und kurz darauf habt ihr nicht nur euch selbst zu steuern, sondern dürft auch noch eure Truppenkameraden durch die Gegend schicken. Die Steuerung geht dabei glatt von der Hand. Ob ihr Vorgänger von "BiA-HH" gespielt habt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Sowohl die Steuerung als auch die Hintergrundgeschichte von Bakers Trupp erschließen sich euch nach wenigen Minuten. Letzteres vor allem über die Zwischensequenzen, die mit "grandios" noch völlig untertrieben bewertet wären. Was Gearbox in den Cutscenes auffährt, gehört von Spannung und Emotionen her nach Hollywood. Derart fesselnd und emotional habt ihr Spielercharaktere wohl noch nie erlebt und so ist es kein Wunder, dass euch Baker und seine Mannen schon nach kurzer Zeit ans Herz gewachsen sind und es wirklich weh tut, wenn einer von ihnen in den Missionen ins simulierte Gras beißt. Der Schwierigkeitsgrad von "BiA-HH" fängt dabei auf mittlerem Niveau an und steigt dann schnell an, ohne allerdings unfair zu werden. Jede Mission ist lösbar und durch die fair verteilten Speicherpunkte kommt auch keine Langeweile auf. Dazu trägt auch die Abwechslung in den Aufträgen bei: Standard ist die Erstürmung eines Gebietes, aber auch das Knacken von Panzern, Scharfschützenmissionen auf Dächern oder die Rettung von Zivilisten erwarten euch. Dabei zieht euch "BiA-HH" immer tiefer in das Seelenleben von Sergeant Baker hinein. Manche Mission ergibt sich schlicht aus seinen Problemen, auch denen mit seinen Truppenkameraden, von denen sich beispielsweise einer in eine Zivilistin verliebt und einfach desertiert. Aber wir wären nicht Matt Baker, wenn wir nicht unter Einsatz unseres eigenen Lebens (und Missachtung unserer Befehle) eben jenen Freund zurückholen würden. So lässt euch "BiA-HH" ganz schön herumkommen und Atempausen sind nicht gerade an der Tagesordnung. Nicht nur die Steuerung geht dabei glatt von der Hand, auch die Befehligung eurer Mannen ist problemlos. Mit wenigen Mausklicks lasst ihr euren MG-Trupp das Feuer auf verschanzte Feinde eröffnen, während ihr den Angriffstrupp die Flanke sichern lasst und selbst einen kleinen Seitenweg nehmt, um die unter Deckungsfeuer gehaltenen Deutschen von der Seite zu erledigen. Der eben beschriebene Ablauf ist allerdings gleichzeitig auch der einzig wirklich erfolgsversprechende: Deckungsfeuer, flankieren, niedermachen. Wieder und immer wieder. Einzig der Dauer-Action ist es zu verdanken, dass dies nicht wirklich auffällt und auch nach der zwanzigsten Wiederholung noch Spaß macht. Nach gut elf Stunden Spielzeit habt ihr das Ende von "BiA-HH" erreicht und dürft noch einmal mehrere Minuten eine wunderbar gestaltete Endsequenz genießen. Doch wo andere WW2-Spiele die große Pathoskelle herausholen - ihr wisst schon: flatternde US-Fahne, Trompeten, Sonnenuntergang - gibt sich "BiA-HH" hier nachdenklich. Was haben wir mit unseren Aktionen erreicht? War all das den Tod so vieler Menschen wert? So vieler Freunde? Auch in diesem Punkt erreicht "BiA-HH" einen Tiefgang, der nur ganz wenigen Videospielen - und erst recht Shootern - zu eigen ist. Da verzeiht man, dass die Zwischensequenzen zwar spannend und emotionsgeladen sind, ihren Sinn wie bei einem Kunstwerk aber erst nach und nach entfalten. Wer also zwischendurch ein "Hähhh????"-Gefühl hat: Abwarten, weiterspielen, der Sinn erschließt sich nach und nach. Und man wird letztlich mit dem schönen Gefühl belohnt, nicht nur tolle Shooter-Action mit netten Missionen genossen zu haben, sondern auch einer Truppe in Aktion zugesehen haben zu dürfen, die ähnlich wie bei der Fernsehserie "Band of Brothers" ein echtes Eigenleben aufweist. Das zieht in seinen Bann. Leider gibt es auch noch einen Multiplayer-Modus, über den wir aber schnell das große Stars-and-Stripes-Banner des Schweigens legen sollten. Der Spielmodus ist eine taktisch leicht abgewandelte Variante des altbekannten "Gebiet sichern" - nur will die Taktik nicht wirklich funktionieren. Letztlich läuft es auf ein mittelmäßiges Mehrspielergeballer hinaus, mit viel zu wenig Abwechslung und einem mehr schlecht als recht funktionierenden Serverbrowser. Drücken wir es positiv aus: "BiA-HH" wurde mit Fokus auf die Einzelspieler-Kampagne programmiert. Grafik oder "Voll im Plan, Sergeant" "BiA-HH" ist grafisch auf der Höhe der Zeit, ohne Maßstäbe zu setzen. Die Levels sind nett anzusehen, ebenso die Charaktere und erst recht die liebevoll in Szene gesetzten Waffen. Das Leveldesign hätte ruhig etwas mehr Abwechslung als das oben beschriebene Dauerflankieren ermöglichen können, aber Schwamm drüber, die Action funktioniert und wird durch die ordentliche Grafik unterstützt. Explosionen sind nett anzusehen, ohne allerdings wirklich bombastisch zu wirken, dafür zischen die Kugeln wirklich Adrenalin fördernd am virtuellen Alter Ego vorbei. Und die Cutscenes in Spielgrafik gehören - wie schon ein paar Mal erwähnt - zum Besten des Genres. Sound oder "Pling. Ah, ein M1 Garand." Auch hier gibt sich "BiA-HH" keine Blöße: Die Waffensounds sind abwechslungsreich und überzeugend, die Titelmusik nett anzuhören und auch die deutsche Synchronisation ist vernünftig. In den ersten Zwischensequenzen wirken die deutschen Sprecher zwar noch nicht ganz in ihrem Element, aber dies wird von Mal zu Mal besser, bis am Ende kein Qualitätsunterschied mehr zu ihren amerikanischen Pendants besteht. (05.11.2008)
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