Battle of Britain II: Wings of Victory

Battle of Britain II: Wings of Victory

(Koch Media Deutschland GmbH)

Geschrieben von Andreas Berger

 

In der Vorbereitung auf die Operation Seelöwe, den Plan zur Invasion Englands durch die Wehrmacht, begann die Deutsche Luftwaffe Mitte des Jahres 1940, Angriffe auf britische Flugplätze und Einrichtungen zu fliegen. Ziel dieser Attacken war es, die Lufthoheit über England zu erringen und die Royal Air Force schnell zu zerschlagen, um die Invasion der britischen Hauptinsel durch Heer und Marine zu ermöglichen. Diese Luftschlacht um England, auf engl. Battle of Britain, dauerte mehrere Monate und war zum Schluss nicht erfolgreich. "Battle of Britain II: Wings of Victory (BoB II)" versteht sich hierbei als Nachfolger von "Rowan’s Battle of Britain" und nicht etwa dem "Battle of Britain: Their Finest Hour" aus dem Hause "Lucas Arts". Der Konflikt kann hierbei aktiv in den Cockpits der Jagdmaschinen, Jagdbomber und den Schützenpositionen an Bord der Bomber beider Parteien miterlebt oder strategisch an den Planungstischen der Luftwaffengeneräle ausgefochten werden.

Gameplay

Zunächst sei ein Hinweis auf den Packungsinhalt gestattet: Es ist in letzter Zeit selten geworden, dass einem Spiel, geschweige denn einem Mid-Price-Titel, ein vollwertiges, 155 Seiten dickes, Handbuch sowie ein Tastaturbelegungsposter beiliegt. Das ist aber noch nicht alles, in der Packung befindet sich außerdem noch eine englischsprachige Dokumentation auf einer separaten DVD, die die Ereignisse der Battle of Britain nochmals aus Sicht beider Parteien darstellt. Die Datenträger ruhen zwar lediglich in Papierhüllen, dennoch ist die Ausstattung als vorbildlich zu bezeichnen.

Nach erfolgreicher Installation wird man zum Start des Programms, nach kaum erwähnenswerter Ladezeit, vom Hauptbildschirm begrüßt. Das Hauptmenü kann dabei eine gewisse Ähnlichkeit zu dem vom Genrekollegen "Adlertag" nicht verleugnen. Neben den obligatorischen Optionen zur Einstellung der Steuerung, der Grafik, des Sounds sowie des Realitätsgrades stehen vor allem die beiden Spielmodi im Mittelpunkt. Es gilt nun, sich zwischen den Soforteinsätzen oder der Kampagne zu entscheiden.

Die Soforteinsätze stellen dabei den reinen Flug in den Mittelpunkt und beinhalten auch als Tutorial benennbare Trainingslektionen. Nach Starts und Landungen, sowohl einzeln als auch in Gruppen, wird das Verfolgen von Flugzeugen, der Abschuss von Gegnern bis hin zur Massenschlacht, Sturzkampfeinsätze sowie das Abfangen von Bombern vermittelt. Allerdings fehlen hierbei Erklärungen oder Anweisungen. So kann man höchstens nach dem "Try and Error"-Prinzip üben und dadurch die erforderliche Erfahrung gewinnen. Je nach Durchführung der Einsätze bekommt man auch eine Beurteilung durch den Kommandeur, die jedoch keinerlei ersichtlichen Einfluss auf das weitere Geschehen zu haben scheint. Beim Durchspielen der einzelnen Trainingsmissionen fällt auch bald der größte Schwachpunkt von "BoB II" auf: die Ladezeiten. Einmal die Landung oder die Verfolgung des Majors vermasselt, darf man die Mission abbrechen und neu starten. Ladezeiten von bis zu zwei Minuten sind dabei leider keine Seltenheit. Unverständlich, insbesondere da der Testrechner 2 GB RAM besitzt. So gerät das Durchprobieren aller gebotenen Schnelleinsätze, die auch ein Dutzend historische Missionen beinhalten, zur absoluten Geduldsprobe.

Jedoch erwarten den geduldigen Simulationsfreund auch einige Highlights. Während im einfachsten Simulationsgrad lediglich die Landungen und die Sturzbombardements zur Schwierigkeit geraten, wird es bei den höheren Stufen selbst für Flugspiel-Profis teilweise haarig. Da wollen Seiten- und Höhenruder getrimmt, die Formation eingehalten und der exakte Angriffswinkel auf Bomber gefunden werden. Das Schadensmodell lässt hierbei wirklich nichts aus, ist das Höhenruder getroffen, lässt sich das Flugzeug kaum noch steuern, Treffer im Seitenruder lassen den Flieger schlingern und Cockpittreffer bedeuten oft das Ende. Im Gegensatz zu den moderneren Genre-Verwandten, wie Falcon 4.0, laufen die Kämpfe dabei bei weitem nicht so spritzig ab. Das Gefühl, sich wirklich in einem maximal 600 km/h schnellen Flugzeug zu befinden, ist allgegenwärtig, die Spannung in einer gerade laufenden Luftschlacht ebenso. Unwillkürlich versucht man sich in der Pilotenkanzel umzuschauen, die Flügelleute rufen Warnungen zu oder erbitten Unterstützung und ein abgeschossener Kamerad ruft "Mayday". Da die KI der gegnerischen Piloten auch nicht gerade zu den dümmsten ihrer Art gehört, wird jeder Luftkampf zur Herausforderung und eine numerische Überlegenheit bedeutet nicht automatisch den Sieg. Sämtliche technische Hilfsmittel wie eine Zielhilfe oder eine Aufschaltung von gegnerischen Flugzeugen fehlen ebenso wie eine eindeutige Identifikation aller Ziele in der Luft. Im Gegensatz zu den eigenen Kameraden kann es daher passieren, dass man schon mal einen Kameraden beschießt. Nach dem Abschluss einer Mission bekommt der Spieler auch Statistiken präsentiert, die sowohl die Anzahl der vorhandenen als auch die Anzahl der abgeschossen Gegner wie der eigenen Mitstreiter präsentiert. Während dies bei den Soforteinsätzen kaum eine Rolle spielt, wirken sich diese Statistiken bei den Kampagnen umso mehr aus.

Während bei Microproses "European Air War" die Kampagne eine Aneinanderreihung einzelner Missionen war, wird der Kampagnen-Modus in "BoB II" vom schwergewichtigen Strategie-Teil beherrscht. Es gilt als Luftwaffengeneral die vorhandenen Ressourcen so gering wie möglich zu belasten, aber damit den maximalen Erfolg zu erreichen. Zu jedem Zeitpunkt innerhalb der planbaren Einsätze kann man selbst in ein Cockpit oder einen Schützenplatz wechseln, um der Mission doch noch den persönlichen Stempel aufzudrücken. Je nach gewählter Seite müssen gewisse Richtlinien eingehalten werden, um nicht vor dem Kriegsgericht zu landen. So verweigert die englische Seite den Einsatz aller Flugzeuge zur Abwehr der deutschen Bomberflotten: Es muss ständig eine Reserve vorgehalten werden, um beispielsweise Nordengland vor Bomber-Angriffen von Norwegen aus beschützen zu können. Als deutscher Luftwaffengeneral stehen scheinbar unendlich viele Jäger und Bomber, bis zu 2000, zur Verfügung, um das gewünschte Ziel zu erreichen, allerdings ist die englische Aufklärung clever genug, um mögliche Ablenkungsangriffe zu erkennen und den Hauptangriff gebührend zu empfangen. Ohne viele Stunden Eingewöhnung, um alle Optionen, die die Strategiekarte bietet, zu erfassen und sinngemäß einzusetzen, wird ein erfolgreicher Einsatz kaum möglich sein. Es ist sogar möglich, einzelne Piloten in andere Geschwader zu versetzen, um ihnen dort einen größeren Einfluss auf den Ausgang von Missionen zu verleihen. Moral und Erschöpfung der einzelnen Geschwader spielen ebenfalls eine Rolle, erfolgreiche Truppen können nicht rund um die Uhr eingesetzt werden. Sehr viele Aspekte sind somit zu beachten und lassen den Kampagnen-Teil als separates Spiel erscheinen.

Bedienung

Etwas sei vorweg geschickt: Ohne geeigneten Joystick kann man sich die Installation von "BoB II" schenken. Die Spieldesigner haben zwar eine Steuerung per Tastatur vorgesehen, doch spätestens bei den Dogfights oder den Sturzflug-Bombardements ist die digitale Steuerung per Keyboard zum Scheitern verurteilt. Aber auch mit vorhandenem Analog-Joystick ist noch beinahe jede Taste des Schreibwerkzeugs mit Funktionen belegt, teilweise auch doppelt bis dreifach. "BoB II" hat bereits per Voreinstellung eine gute Auswahl der Tastenbelegung am Steuerknüppel gewählt, allerdings macht für einzelne Funktionen eine individuelle Änderung der Befehlsverteilung Sinn. Sobald ein Joystick mit analoger Schubkontrolle angeschlossen ist, wird die digitale Schubkontrolle über die Zahlentasten abgeschaltet, es sei denn, das Motormanagement wurde in den Optionen auf 'Manuell' gesetzt. Der Motor kann ohne die Zifferntasten, bei automatischer Motorenverwaltung, weder nach erfolgreicher Landung abgestellt, noch kann eine bestimmte Geschwindigkeit punktgenau, beispielsweise für den Formationsflug, eingestellt werden. Insbesondere Letzteres ist ärgerlich, da man so ständig zu Korrekturen gezwungen ist.

Die Bedienung des strategischen Teils der Kampagne erfolgt einfach per Maus. So können Geschwader verschoben und die Statusanzeigen einzelner Fliegerhorste schnell abgerufen werden. Je nach gewählter Kriegspartei dienen unterschiedliche Symbole dem gleichen Zweck, nicht nur so wird die Unterschiedlichkeit in der Spielbarkeit der Kontrahenten zum Ausdruck gebracht. Mag der Strategieteil anfangs etwas überladen und kompliziert erscheinen, so wird die Bedienung der einzelnen Elemente bald zur Routine.

Grafik

"Das Auge isst mit", mögen sich die Entwickler aus dem Hause "GMX Media" gedacht haben, als sie sich an die Arbeit machten. So wurden insbesondere die vier Jäger "Bf 109", die zweimotorige "Bf 110", "Hurricane" und "Spitfire“ sowie der Jagdbomber "Ju 87" sehr detailliert und hochauflösend umgesetzt und sehen hierbei insbesondere in hohen Auflösungen geradezu fantastisch aus. Das Gleiche gilt für die Cockpits dieser Maschinen, die alle nahezu originalgetreu umgesetzt wurden. Diese Grafikpracht hat allerdings ihren Preis, der sich nicht unbedingt in den hohen Hardwareanforderungen ausdrückt, sondern vielmehr den Rest der Ingame-Grafik betrifft. Sieht die Landschaft beispielsweise aus großen Höhen sehr schön aus, so verwandelt sich dieser optische Genuss bei näherer Betrachtung, sprich niedrigerer Höhe, in einen unansehnlichen Pixelbrei. So besteht, mit Ausnahme von einzelnen Bauernhöfen, fast die gesamte Bodentexturierung aus platter 2D-Grafik. Auch Gebäude und Umgebung der etwas genauer dargestellten Flugplätze und Bodenziele wurden mit wenig Liebe zum Detail bedacht. Dies macht "IL2 Sturmovik" von "Maddox" eindeutig besser. Allerdings entspringt das gesamte befliegbare Gelände rekonstruierten Militärkarten, verbunden mit aktuellen Satellitendaten, was den reinrassigen Simulationscharakter noch mehr betont.

Auch die anderen im Spiel vorkommenden Flugzeuge, wie die Bomber "Ju 88", "Do 17" und "He 111", wirken weniger liebevoll in Szene gebracht als die Flugzeuge, die man selbst fliegen kann; ein wenig mehr Schliff hätte hier sicherlich nicht geschadet, allerdings erlebt man diese Flugzeuge nur aus den Positionen der Bordschützen. Sehr interessant wurde dagegen der Himmel umgesetzt, je nach Wetterlage und Tageszeit erscheinen Wolkenformationen in verschiedensten Farben. In Morgen- und Abenddämmerungen kommt es jedoch ohne eingestellte Filtermaßnahmen zu sehr hässlichen Farbabstufungen, die an die Acht-Farben-Ära des Atari 2600 erinnern. Erkennbar sind gegnerische oder gar eigene Flugzeuge dann jedenfalls nicht mehr. Die während des laufenden Spiels aufrufbare taktische Karte erfüllt zwar ihren Zweck, ist aber alles andere als angenehm anzuschauen. Wenige Farben, kaum Details - hier hätte mehr gemacht werden können. Die Menüs von "BoB II" sind schöner dargestellt und erleichtern deshalb die Suche nach den gewünschten Einstellungen. Dass die Menüs hierbei etwas altbacken wirken, stört ihre Funktionsweise in keiner Weise.

Sound

Zur akustischen Präsentation lässt sich nicht allzu viel sagen. Eindeutige militärische Musikstücke in den Menüs geben nicht viel Anlass zu Kritik. Die Geräusche im Spiel selbst wissen meist zu gefallen: So brummen die Motoren je nach Flugzeugtyp anders, besonders macht sich das bei dem Umstieg von einer ein- auf eine zweimotorige Maschine bemerkbar. Noch eindrucksvoller präsentiert sich der Vorbeiflug von feindlichen oder freundlichen Maschinen. Sehr angenehm ist es auch, dass man Bomber besser akustisch als optisch orten kann; so ist die Suche nach der feindlichen Bomberstaffel nicht sehr zeitaufwendig. Die Wettereffekte wie Wind, Regen oder gar Gewitter dringen auch bestens in das Ohr des Spielers. Während des Fluges ertönen ebenfalls Funksprüche aus dem Lautsprecher, Warnungen von Flügelmännern oder Befehle vom Staffelführer. Je nach Seitenwahl ertönt das Fluggeplapper in Englisch oder Deutsch. Den englischen Anweisungen wurden aber freundlicherweise Untertitel zur Seite gestellt. Warum die Entwickler allerdings den Feuerwaffen eine ähnliche Kulisse verweigert haben, bleibt schleierhaft. Maschinengewehre und -kanonen können zwar voneinander unterschieden werden, dennoch hätten diese Sounds etwas mehr Kraft vertragen. Um die gesamte Geräuschkulisse noch passender zu machen, hätten die Waffensounds auch etwas unrealistischer sein dürfen.

Obwohl sich seit "European Air War" kein Spiel mehr so konsequent dem Konflikt am Ärmelkanal angenommen hat, werde ich lieber bei den eher actionlastigen Flugspielen wie "Crimson Skies" oder "Heroes of the Pacific" bleiben. Hartgesottene Simulationsfans werden hingegen ihren Spaß haben, sofern sie sich nicht durch die quälend langen Ladezeiten, die plötzlichen Ruckler mitten im Flug und die sporadisch auftretenden, und auch selten reproduzierbaren, Abstürze frustrieren lassen. Sehr schade finde ich allerdings, dass der eigentlich angekündigte Multiplayer-Modus nicht vorhanden ist, denn die spielerischen Qualitäten von "BoB II" hätten hierdurch noch mehr Fans in ihren Bann ziehen können, wie die Simulationen aus dem Hause "Maddox" zeigen. Hierbei muss aber auch berücksichtigt werden, dass hier kein Vollpreistitel vorliegt. So gibt es für knapp 30 €, Budgettitel ausgenommen, wohl keine auch nur annähernd so gut aussehende und atmosphärisch dichte Flugumsetzung wie "Battle of Britain II: Wings of Victory". Ein zusätzliches Highlight ist sicherlich die auf DVD beiliegende Dokumentation über die Geschehnisse in jenen Monaten. Allein hierfür lohnt sich beinahe der Kauf des Spiels.

(18.12.2005)

Entwickler: GMX Media
Publisher: Koch Media Deutschland GmbH
Genre: Flugsimulation
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Battle of Britain II: Wings of Victory
Preis: 29,99 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG

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Fazit


Ein generelles zu "Battle of Britain II: Wings of Victory" zu treffen, fällt mir nicht gerade leicht. Definitiv nicht als Spiel für zwischendurch konzipiert, präsentiert "GMX Media" hier ein Schwergewicht in jeglicher Hinsicht. Selbst mit dem einfachsten einstellbaren Simulationsgrad gerät "BoB II" zur mittelschweren Simulation. Bei den realistischsten Einstellungen entwickelt sich das Spiel zur Schwerstarbeit und erfordert somit einiges an Eingewöhnung. Dies gilt auch für den Strategieteil, der sich auch erst nach einigen Spielstunden erschließen lässt.


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