In 80 Tagen um die Welt (Preview) (dtp) geschrieben von Hans Thiel Grundlage für dieses Preview: Preview-Presse-Version vom 19.8.2005
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Eines der wohl bekanntesten Werke aus der Feder des Jules Verne ist unzweifelhaft die fantastische Geschichte einer Reise "In 80 Tagen um die Welt". Nicht unbedingt anlässlich, aber doch relativ genau 100 Jahre nach dem Tod des französischen Schriftstellers (1828-1905) bringt dtp eine Adaption dieses Stoffes auf den PC. Die Hauptperson des Spiels ist der junge, oft als hitzköpfig beschriebene Oliver Lavisheart, der nach seiner Heimkehr aus Amerika feststellen muss, dass von seiner Familie bereits eine Heirat für ihn arrangiert wurde. Da kommt es ihm gerade recht, dass ihn sein etwas verschrobener Onkel Matthew bittet, eine Wette für ihn zu gewinnen. Der Auftrag: In 80 Tagen um die Welt und dabei vier Dokumente beschaffen, die der Welt Matthews geniales Erfindertum beweisen sollen. Und so geht es einmal um die Welt, in den verschiedensten Vehikeln und immer mit Blick auf die unbarmherzig fortschreitende Zeit. Testumfang Die getestete Preview-Version umfasst eine der, laut Pressematerial, 30 Missionen und ist in Bombay angesiedelt. Diverse Spieloptionen sind noch nicht implementiert oder waren deaktiviert. Über Menüführung im Spiel oder Ladezeiten kann keine Aussage getroffen werden. Insgesamt lief das Spiel stabil, wenn auch teilweise etwas langsam, dies soll sich aber in der Endversion ändern. Eine deutsche Lokalisierung fehlte ebenfalls noch. Die vorhandenen, englischen Sprachaufnahmen hatten aber eine gute Qualität und passten gut ins Spielgeschehen. Spielprinzip In 80 Tagen um die Welt erschließt sich durch den bekannten über-die-Schulter-Blick und verlangt dem Hauptcharakter sowie dem Spieler einiges an Laufarbeit ab. Natürlich lassen sich Aufgaben und Rätsel in den seltensten Fällen vor Ort lösen, sondern erfordern Gegenstand X von Ort Y - an dem Person Z erzählt, das wo ganz anders etwas liegt, was zur Lösung des Problems unbedingt nötig ist. Und so trabt der junge Oliver brav von einem Ort zum nächsten. Glücklicherweise bietet sich an einigen Stellen die Möglichkeit diverse Fortbewegungsmittel zu mieten - in der vorliegenden Preview-Version noch scheinbar kostenlos, aber im Zeichen des allgemeinen Preisanstiegs könnte sich das natürlich noch ändern. Auch wenn das Spiel gänzlich am Ende des vorletzten Jahrhunderts spielt (1899 um genau zu sein), haben sich die Entwickler einige nicht einwandfrei historisch belegbare Freiheiten genommen. So bieten sich als Fortbewegungsmittel nicht nur Elefanten an, sondern die Palette reicht bis zu motorisierten Einrädern (die ein wenig an die Zeitmaschine aus H.G. Wells gleichnamigem Klassiker erinnern), autoähnlichen Gefährten, fliegenden Teppichen, riesigen Zeppelinen und einigem mehr. Leider ist die Steuerung, nicht nur der Fahrzeuge, sondern auch des eigentlichen Hauptdarstellers, recht schwammig und unpräzise, nicht selten scheinen unsichtbare Hindernisse das Fortkommen zu blockieren. Häuserecken und Treppen stellen den Protagonisten vor ungeahnte Probleme. Das wirkt sich auch auf die Fahrzeuge aus. Nicht selten scheint das Einrad ein gutes Stück über dem Boden zu schweben, bleibt aber dann doch einige Meter weiter an einem unsichtbaren Bordstein hängen. Die Kollisionsabfrage mit statischen Objekten ist reichlich übertrieben, jeder Pfahl oder jede Hausecke bringt das Gefährt zum sofortigen und abrupten Stillstand, während die umherlaufende Bevölkerung der Stadt komplett aus körperlosen Geistwesen zu bestehen scheint, denen ein durch sie durchfliegender Teppich nicht das Mindeste ausmacht. Die in der Preview-Version zur Verfügung stehende Aufgabe beschränkte sich auf Hin- und Herlaufen von A nach B sowie den Erwerb von einigen Gewürzen und der zielgerichteten Platzierung dieser in Opferschalen. Laut Hersteller werden die weiteren Missionen durchaus abwechslungsreicher und sicher auch anspruchsvoller werden. Die versprochenen Möglichkeiten umfassen Essen, Schlafen, Reden, Bestechen, Stehlen, Klettern und Schleichen, die auch in diversen Missionen zur Anwendung kommen sollen. Erfolgreich abgeschlossene Extramissionen versprechen einen Zeitbonus. Der schon in der Preview-Version ansatzweise erkennbare Humor soll sich im weiteren Spielgeschehen noch weiter bemerkbar machen. Von Bollywood-Einflüssen bis zu obskuren Geheimbünden lassen da sich einige amüsante Momente erleben. Grafik Die Grafik ist durchaus ansehnlich, nicht unbedingt spektakulär, aber dem Genre angemessen und erzeugt größtenteils eine glaubwürdige Atmosphäre. Die Preview-Version zeigte noch einige Schwächen in der Darstellung entfernter Objekte, gerade die umherschweifende Bevölkerung, Werbetafeln oder die Leihfahrzeuge tauchen erst relativ kurz vor dem Spieler auf, dann aber abrupt und oft überraschend. Die Fahrzeuge, Personen oder umherstehenden Gegenstände sind recht ansehnlich und durchaus ausreichend detailliert, leider fällt die Umgebung in dieser Beziehung etwas ab. Augenscheinlich plane Bordsteine, die die Fahrzeuge nichtsdestotrotz etwas springen lassen, trüben etwas das Bild, da können andere Titel durchaus mit ausmodellierter Geometrie aufwarten. An manchen Stellen scheint auch ein klein wenig Abwechslung zu fehlen, die Straßen und Häuser sind an einigen Stellen einfach zu gleichmäßig texturiert. Andererseits ist es sicher nicht falsch zu sagen, dass zum Betrachten der schönen Umgebung ohnehin meist die Zeit fehlt. Einhundert Charaktere zum Interagieren werden versprochen. Das mag im ersten Moment viel klingen und ist vom Entwicklungsaufwand her sicher nicht zu unterschätzen, doch diese Zahl relativiert sich schnell, wenn man bedenkt, dass mit diesen 100 Menschen die Bevölkerung von 7 Orten der Erde dargestellt werden soll. Und das Bombay im Spiel ist vom quirligen und hektischen Bombay der Jahrhundertwende ein gutes Stück entfernt. Interagieren beschränkt sich mit 90% der Charaktere ohnehin auf ein "Ich will mit dir nichts zu tun haben, hau ab!" und das in vier oder fünf Variationen. Und so werden die umherlaufenden Personen zu bloßen Statisten degradiert, die meist ohne Sinn und Ziel durch die Gegend streifen und sich still unterhalten. Sound Apropos still: Vom "fetzigen" Soundtrack war in der Preview-Version leider nichts zu hören und auch die restliche Sounduntermalung erwies sich als die Hauptbaustelle des Spiels. Die Sprachaufnahmen sind alle durchweg gut und bis auf wenige Ausnahmen auch vollständig, bieten allerdings nicht viel Abwechslung. Und wenn die fünfte Kräuterverkäuferin mit derselben Stimme denselben Satz vorgebetet hat, ist die Stimmung völlig flöten. Was fast durchweg fehlte, waren Ereignis-Sounds, was vor allem bei den Fahrzeugen negativ auffällt. Abgesehen vom fliegenden Teppich vielleicht. Wobei: Wie klingt eigentlich ein fliegender Teppich? Einzig das Einrad hatte einen Sound, dieser lief jedoch im Endlosloop, unabhängig davon, ob man neben dem Gefährt stand oder in ihm fuhr und klang mehr oder minder als ob eine Horde Autos und einige Kühe zur Verfolgungsjagd ansetzen. Also mehr Bug als Feature. In 80 Tagen um die Welt verspricht, ein interessantes Spiel zu werden. Die hübschen Fahrzeuge, die im Stile des 19.Jahrhunderts gehaltenen Schauplätze, der Kampf gegen die Uhr - das alles kann zu einer eingängigen und imposanten Atmosphäre verschmelzen. Wenn, ja wenn es noch merkliche Verbesserungen im Sounddesign und möglicherweise auch der Anzahl der Sprachsamples gibt. Viele interessante Ideen sind zu entdecken, auch wenn einige leider so wirken, als wären sie nicht zu Ende gedacht: Warum gigantische Schauplätze gestalten, denen es dann mangels Füll-(Menschen-)Menge an Dichte und Atmosphäre mangelt? Etwas kleinere, dafür lebhaftere Stadtteile hätten es sicher auch getan. Mittlerweile wurde der Release-Termin etwas nach hinten verlegt, bleibt also zu hoffen, dass es den Entwicklern gelingt, das momentan gute - aber eben nicht "besondere" - Spiel zu einem herausragenden Genre-Knüller aufzupolieren. (09.09.2005)
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