Der Herr der Ringe - Die Eroberung (PS3/Xbox 360)

Der Herr der Ringe - Die Eroberung (PS3/Xbox 360)

(Electronic Arts)

geschrieben von Witali Blum und Jan-Tobias Kitzel

 

 
Entwickler: Pandemic Studios
Publisher: Electronic Arts
Genre: Action
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Der Herr der Ringe - Die Eroberung
Preis: 54,95 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

Spätestens seit der Verfilmung von J.R.R. Tolkiens berühmtem Fantasy-Epos "Der Herr der Ringe" unter der Regie von Peter Jackson, kennt jedermann die Geschichte um den "Einen Ring". Diejenigen, die sich vielleicht nicht mehr erinnern, können mit Hilfe der folgenden Kurzfassung ihr Gedächtnis auffrischen: Kleine Leute geraten in große Schwierigkeiten, während sie gestohlenen Schmuck loswerden wollen. "Der Herr der Ringe - Die Eroberung" erweitert dieses ohnehin ausführliche Werk um die Sicht eines einfachen Frontkämpfers, der das Vergnügen hat, die "Helden" um den Ringträger Frodo oder deren Widersacher Sauron und seine Schergen auf ihren Eroberungszügen zu begleiten. Vor allem die letztgenannte Spielvariante wird die Herzen der Tolkien-Fans höher schlagen lassen, denn nun können sie erleben, was passiert wäre, wenn Frodo den Verlockungen des Rings nicht hätte widerstehen können und ihn nicht - mit Gollums Hilfe - in die Lava des Schicksalsbergs geworfen hätte.

Gameplay oder "Hol schon mal die Axt, Sauri"

Der Spieler übernimmt im Einzelspielermodus von "Der Herr der Ringe - Die Eroberung" die Kontrolle über einen namenlosen Helden, der auf 16 großen Kriegsschauplätzen verschiedene Missionen erfüllen muss, um seiner Seite zum Sieg zu verhelfen. Dabei stehen ihm jeweils vier Klassen zur Verfügung, in deren Gestalt er ins Feld ziehen kann: Als Krieger, Späher, Bogenschütze oder Magier kämpft er sich durch gegnerische Horden und setzt dabei möglichst geschickt die Spezialfähigkeiten ein. Während die ersten drei "Berufe" selbsterklärend sind, weil man sie sofort mit Nahkampf, Schleichen sowie Fernkampf assoziiert, verdient der Gelehrte der arkanen Künste einen genaueren Blick, zumal er in Tolkiens Originalwerk nicht so weit verbreitet war, wie es das Spiel suggeriert. Dieser Alleskönner verstärkt die eigenen Truppen, indem er einen für feindliche Zauber und Pfeile undurchdringlichen Schutzschild erschafft oder Verletzte sowie sich selbst heilt. Darüber hinaus teilt er mit seinem Stab selbst ordentlich aus und kann sogar mit einer Druckwelle anrückende Soldaten von den Füßen werfen. Doch damit nicht genug: Mächtige Feuerbälle, die besonders gegen Baumriesen wirkungsvoll sind, sowie Kettenblitze gehören ebenfalls zum Repertoire eines Magiers.

Aus der vorhergehenden Beschreibung wird ersichtlich, dass die Klassen in manchen Fällen nicht wirklich ausbalanciert sind. Während der Magier sowohl im Einzel- als auch im Mehrspielermodus die eierlegende Wollmilchsau darstellt, ist zum Beispiel eine Einheit wie der Späher viel zu stark spezialisiert, so dass ihr Einsatz nur schwierig wird. Da hilft es auch nicht, dass der Tarnkämpfer im Rücken eines Feindes sofort einen Meuchelmord begehen kann, der jede Infanterie tötet. Das Problem ist nämlich, dass er erst einmal dorthin gelangen muss, was ihm aufgrund seiner nur rudimentären sonstigen Kampfeigenschaften sehr schwer fällt. Im Mehrspielermodus entscheiden sich viele Spieler für den Bogenschützen, weil er mit seinen Kopfschüssen jede heranstürmende Gefahr stoppt. Nur Magier können sich ihnen durch den arkanen Schild widersetzen. Die langsamen Krieger machen sich höchstens bei Verteidigungsmissionen im Einzelspielermodus nützlich, während sie im gemeinsamen Spiel mit anderen ein eher nutzloses Dasein zwischen Tod und Respawn fristen. Schließlich sollte man noch die Heldenklassen nicht unerwähnt lassen, die eine Verbesserung des jeweiligen Berufs darstellen, indem sie stärkere Angriffe und mehr Lebenspunkte besitzen. So kriegt man zum Beispiel auch mal die Gelegenheit, auf Saurons Seite als Balrog die Hobbits im Auenland aufzumischen. Es ist auch erlaubt, in die Haut eines Trolls oder Baumriesen zu schlüpfen.

Die während eines Gefechts anfallenden Aufgaben ähneln stark den Multiplayer-orientierten Spielen wie etwa "Star Wars - Battlefront". So muss man unter anderem Positionen erobern und halten, sowie Gegenstände wie eine Fackel oder einen Ring zum Zielpunkt bringen. Viel zu schnell stellt sich bereits nach den ersten Schlachten Routine ein, da solche Missionen den Spieler nicht wirklich fordern. In der Regel geht man im späteren Kampagnenverlauf dazu über, nur bei Verteidigungsmissionen Feinde zu bekämpfen, während alle anderen Ziele oftmals mit einem schnellen Sprint schneller erreicht werden können. Auf diese Weise braucht man sich nicht mit dem Computergegner herumärgern, der scheinbar endlos Nachschub erhält und dessen Krieger stets besser kämpfen als die eigenen Truppen. Gerade hier offenbart sich eine Tücke von "Herr der Ringe - Die Eroberung": der Mangel an Kampfatmosphäre. Während der Packungstext noch vollmundig verspricht, die wichtigsten Herr-der-Ringe-Schlachten hautnah erlebbar zu machen, will sich dieses Gefühl dann letztlich nicht einstellen. Zu oberflächlich sind die Aufgaben, zu dümmlich die KI-Streiter und leider auch zu zahlreich der Nachschub des Feindes. In der Tat verdirbt nichts den Spaß sicherer, als wenn an einer gerade gesäuberten Stelle urplötzlich Feinde auftauchen (quasi "hineingebeamt") und man von vorne anfangen darf, nur weil man nicht im Affenzahn zum Zielpunkt gesprintet ist, während man etwaige Gegner konsequent ignorierte. Sie greifen ohnehin nur an, wenn man ihnen zu nahe kommt. Kurzum: Sowohl die Spielmechanismen als auch vor allem der mangelnde Einsatz von künstlicher Intelligenz - sowohl bei eigenen Mitkämpfern als auch beim Gegner - beerdigen zielsicher jegliche Atmosphäre in "Herr der Ringe - Die Eroberung".

Nun könnte man zu Recht anmerken, dass der Einzelspielermodus bei diesem Spiel sowieso nur eine Art Trainingslager für den Multiplayerpart darstellen soll. Also gehen wir online: Der Multiplayer-Teil von "Der Herr der Ringe - Die Eroberung" orientiert sich größtenteils am Inhalt der Kampagnen, wobei auf denselben Karten die Spielmodi "Eroberung", "Team-Deathmatch" mit der Untervariante "Helden-Team-Deathmatch" und "Finde den Ring" praktiziert werden. Während die beiden erstgenannten Optionen in nahezu jedem online-fähigen Titel wiederzufinden sind, stellt die letzte eine Ausnahme dar, weil dort der Ringträger Frodo von den Ringgeistern gejagt wird. Sobald einer der Geister erfolgreich war, tauschen Opfer und Verfolger die Rollen. Ferner gibt es noch einen Modus, in dem beide Seiten sich um einen Ring balgen, um ihn dann im gegnerischen Lager an der Hauptfahne in einen Siegpunkt einzutauschen. Allgemein bietet jedoch auch der Multiplayerpart nichts, was den Spieler auf lange Sicht fesselt. Man hat fast alles in dieser Art schon einmal gesehen und während dies grundsätzlich kein Problem ist - "Call of Duty" hat den Multiplayerbereich auch nicht neu erfunden, aber bis zur Perfektion durchdacht - will auch hier nicht wirklich Atmosphäre aufkommen. Mit gerade mal 16 Spielern kommt kein "Massenschlachten"-Gefühl auf, egal wie viele computergesteuerte Gefechte hinter die unpassierbaren Levelmauern projiziert werden. Dies liegt leider auch daran, dass zu viele Spieler online auf Magier und Bogenschützen setzen, Späher und Krieger sind kaum anzutreffen. Da die erstgenannten Klassen aber fernkampflastig sind, entwickelt sich schnell ein Distanzkrieg, der so gar nicht zum wilden Schlachtengetümmel passen will, was wohl jeder bei den Worten "Herr der Ringe" vor Augen hat. Mit einem vernünftigen Charakterentwicklungskonzept - wie in den Spielereihen "Call of Duty" oder "Battlefield" - hätte hier noch einiges gerettet werden können, aber so hat man zu oft das Gefühl, an einer Herr-der-Ringe-Version vom ersten "Star Wars Battlefront" zu sitzen, das kein Stück weiterentwickelt wurde, während Konkurrenzprodukte fast jeden Bereich besser und vor allem spannender darbieten.

Bedienung oder "Combo, ick hör dir trapsen"

Die Steuerung der Klassen geht in "Der Herr der Ringe - Die Eroberung" leicht von der Hand, da nur wenige Tasten genügen, um dem Gegner einen harten Kampf zu liefern. Während die Nahkämpfer größtenteils die Symboltasten nutzen, um ihre Combo-Attacken zu entfesseln, greifen der Magier und der Bogenschütze eher zu den Triggern des Playstation-3-Kontrollers. Abgesehen von der oftmals schwierigen Kameraführung, bewegt man sich recht geschickt mit dem linken Analogstick durch die Landschaft. Allerdings sollte man aufpassen, wohin man tritt, da manche Level Abgründe besitzen, in denen man ums Leben kommen kann. Wenn der Träger eines Gegenstands in so eine Grube gerät, so nimmt er mit dem Ableben auch seiner Partei die Möglichkeit, das siegnotwendige Item wiederzubeschaffen, denn es bleibt brav am Boden liegen, wo es niemand erreichen kann.

Grafik oder "Älter als die Bücher"

Die optische Präsentation von "Der Herr der Ringe - Die Eroberung" enttäuscht, denn selbst auf der Playstation 2 gibt es lizenzierte Titel, die weitaus besser aussehen. Die Umgebung wirkt grobkantig und aufgrund der matschigen Texturen äußerst künstlich, so dass man eher dazu geneigt ist, sich auf die Schlacht zu konzentrieren, als die Umgebung zu betrachten. Darüber hinaus vermisst man in diesem Spiel feine Details wie zerstörbare Gegenstände, die zwar nichts zum Geschehen beitragen, dafür aber für mehr Authentizität sorgen würden. Lediglich vorprogrammierte Missionsziele wie Rammen, Zäune oder Munitionslager dürfen vernichtet werden. Auch die Spielfiguren besitzen ein eher grobes Erscheinungsbild, das zur allgemeinen Grafik von vorgestern passt. Lediglich die Zusammenschnitte aus der "Herr der Ringe"-Trilogie, die die Handlung der jeweiligen Kampagne ausschmücken, bieten etwas Kurzweil, sind aber letztlich nichts anderes als Filmausschnitte, die anders zusammengefügt wurden. Dass die Schnitte dabei bekannten Filmszenen gleich einen anderen Sinn zuweisen wollen, geht dabei allerdings zu weit und stört eher, als dass es Atmosphäre aufbauen würde. Einer der größten Kritikpunkte des Spiels ist jedoch die in manchen Fällen auftretende schlechte Kollisionsabfrage, die es zum Beispiel unmöglich macht, einen Level zu beenden, weil ein Schlüsselgegenstand oder Charakter an einer unerreichbaren Stelle festhängt. Schließlich muss man noch das lineare sowie knapp bemessene Leveldesign bemängeln, das sich besonders in den Mehrspielerschlachten bemerkbar macht, weil die Karten selbst für die 16 möglichen Spieler zu klein geraten sind. Hierbei werden die Ressourcen einer Next-Gen-Konsole eindeutig nicht genutzt.

Sound oder "Darf ich um diesen Tanz bitten, Legolas?"

Die Musik des Spiels orientiert sich komplett an der Filmvorlage, denn zu jeder Schlacht ertönt ein Titel aus dem von Howard Shore komponierten Soundtrack. Die Waffengeräusche sowie die Stimmen der Spielfiguren wirken authentisch, da sie neben dem Tonfall auch durch den Inhalt der wörtlichen Rede in richtigem Deutsch die jeweiligen guten oder bösen Charaktere repräsentieren. Insofern gibt es an der Tongestaltung nichts zu beanstanden und man muss sie zum Highlight des Spiels krönen, was aufgrund des geringen Niveaus der anderen Bestandteile aber leider nicht wirklich schwerfällt.

Fazit oder "Chef, ich habe eine klasse Idee, aus dieser Lizenz noch etwas Geld raus zu holen"

Es ist schade, dass die Entwickler bei einem Spiel mit einer gültigen "Der Herr der Ringe"-Lizenz derart viel Potenzial verschenkt haben. Der Fokus liegt allein auf der Action, was an sich nicht schlimm wäre, würde die Grafik mithalten können und das Gameplay ausgewogen sein. Doch neben der grafischen Schwäche hat das Spiel eben auch einige Schwierigkeiten mit dem Balancing der verschiedenen Klassen, was letztlich dazu führt, dass auf einigen Servern zu viele Spieler diesen Titel als eine Art "Bogenschützen-Counter-Strike" missbrauchen. Tolkien-Atmosphäre kommt so zu keiner Zeit auf, was eben aus den genannten Gründen auch auf den Einzelspielerbereich zutrifft. Zusammen mit dem geringen Umfang des Einzelspiermodus sowie den viel zu klein geratenen Schlachtfeldern im Multiplayerbereich, ist "Herr der Ringe - Die Eroberung" wirklich nur etwas für die absolut hartgesottenen Hardcore-Fans, die auf Teufel komm raus ihre Herr-der-Ringe-Sammlung vervollständigen wollen.

(03.02.09)


Fazit

oder "Chef, ich habe eine klasse Idee, aus dieser Lizenz noch etwas Geld raus zu holen"


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