World of Qin - Siegel der Verdammnis (bhv Software) geschrieben von Jana Voth
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Das alte China ist nicht nur rein zeitlich weit entfernt, sondern für uns Europäer auch geografisch und kulturell. Immer wieder dringen Spiele bis zu uns in den Westen vor, die ihren Ursprung in alten Sagen von Fernost finden und doch bleiben sie sowohl bei Spielen allgemein als auch speziell bei Action-Rollenspielen die Ausnahme. Ob die Ursachen dafür bei jener Kultur zu finden sind, mit der sich vielleicht nicht jeder identifizieren kann oder wo anders, sei dahingestellt. Solch bekannte Titel wie "Dungeon Siege" oder die "Diablo"-Reihe sind und bleiben bisher Spitzenreiter. "World of Qin" stellt sich gleich zwei Herausforderungen: nicht nur dem Versuch, am Thron der altbewehrten Fantasy- und Mittelalterrollenspiele zu rütteln, sondern in Deutschland auch noch nahezu zeitgleich mit "Oblivion" zu erscheinen. Ist das nicht schon von vornherein ein verlorener Kampf? Damals, kurz vor der Geburt der Qin-Dynastie Die Story des Spiels ist in den Jahren 227 und 226 v.Chr. angesiedelt. Ying Zheng, König des Qin-Staates, ist dabei, China zum ersten Mal in der Geschichte zu einigen, koste es, was es wolle. Ein Gebiet, das seine grausamen Methoden erkennt und Widerstand leistet, ist das Östliche Baiyue unter Führung von Lan Xiong. Doch am Abend vor der Schlacht stirbt er plötzlich unter mysteriösen Umständen. Damit wäre es die Pflicht seiner 18-jährigen Tochter, Lan Wei, seinen Platz einzunehmen, aber sie fühlt sich dieser Sache noch nicht gewachsen. Ihr Freund Yan Hong erzählt ihr von den fünf "Imperialen Steinen", mit denen es möglich sein soll, Tote wieder zum Leben zu erwecken. Somit sieht Lan Wei die einzige Chance für ihre Heimat darin, dass sie die fünf Steine findet, was zuvor noch nie jemand geschafft hat. Bei der Suche stehen ihr Liang Hu, ein Tiermensch, ihr Freund Yan Hong, ein Magier und später noch ein Paladin und eine Assassine zur Seite. Aller Anfang ist ... unübersichtlich Wenn man sich vor dem eigentlichen Spiel tatsächlich dem Studium des recht umfangreichen (und sehr gut übersetzten) Handbuches widmet, wird man geradezu von den ausführlichen Erläuterungen der chinesischen Geschichte erschlagen. Besonders die vielen chinesischen Namen dürften es einem Europäer schwer machen, auf Anhieb den Überblick zu behalten. Geht man jedoch den anderen Weg und stürzt sich ohne vorherige Lektüre ins Spiel, sieht es ähnlich verwirrend aus, vor allem durch die Feinheiten des Kampfsystems und der Objektherstellung, zu denen ein passendes Tutorial leider fehlt. Es empfiehlt sich, einen Mittelweg zu wählen: Den Geschichtsteil des Handbuchs sollte man vorerst großzügig überspringen, den Teil zur Steuerung kurz überfliegen, um die kleinen Besonderheiten zu erfassen, aber sich die Ausführungen über das Fünf-Elemente-System genauer durchlesen. Geht man also von eben dieser Vorgehensweise aus, so wird man im Spiel selbst etwas sachter an die wichtigsten Fakten der Geschichte herangeführt und kann dann je nach Wunsch aus dem Handbuch tiefgründigeres Hintergrundwissen erlesen. Beim Start des Spieles wird dem Spieler durch ein Streitgespräch zwischen zwei Abgesandten des Qin-Reichs und dem Großmagier der Heimat, Lan Weis, kurz eine Einleitung in die Geschichte gegeben. Zu diesem Zeitpunkt lebt der Anführer der Baiyue noch, ist aber gerade nicht vor Ort. Nachdem unsere Heldin selbst und ihr Freund, der Tiermensch, auf der Bildfläche erscheinen, verschwinden die Widersacher wieder und kurz darauf hat man seine erste Mini-Quest, die darin besteht, die Heldin ins Bett zu schicken. Die Gelegenheit kann man nutzen, um sich mit der Oberfläche vertraut zu machen und auch schon einige Nebenquests zu erledigen. Oben links sieht man eine Anzeige für die Helden, die zur Zeit zur Verfügung stehen. In diesem Moment wären dies Lan Wei selbst und Liang Hu. Maximal drei Charaktere kann man auf einmal zum Kämpfen nutzen, aber weitere zwei können (unsichtbar) mitwandern und zur gegebenen Zeit eingewechselt werden. Das ist, wie auch das Speichern von Spielständen, nur möglich, wenn nicht gerade ein Kampf im Gange ist. In der rechten oberen Ecke befindet sich eine Karte, die grobe Umrisse der bereits entdeckten Landschaft darstellt, aber ebenso NPCs, die Helden, Gegner und Türen. Für jedes Objekt erscheint ein Punkt mit entsprechender Färbung für die Art des Objektes. Der untere Bildschirmrand wird von einer Art Balken dominiert, auf dem sich mittig Statusanzeigen für Magie- und Lebenspunkte des momentan angewählten Charakters befinden. Links und rechts auf dem Balken befinden sich die Symbole, die anzeigen, welche beiden Attacken gerade aktiv sind. Durch einfaches Klicken auf das Symbol erscheinen alle verfügbaren Angriffe und man kann den Gewünschten auswählen. Um die Statusanzeigen herum befinden sich vier Buttons, je einer zum Aufrufen des Inventars, des Fertigkeiten-Menüs, des Quest-Menüs und des Charaktermenüs. Beim normalen Aufrufen dieser Menüs läuft das Spiel zeitgleich weiter. Eine Ausnahme ist es, wenn einer der Charaktere sehr stark verletzt wurde. Dann wird das Spiel automatisch angehalten und man hat genügend Zeit, um dem Verletzten beispielsweise ein paar heilende Portionen Schlangenfleisch aus dem Inventar zu geben. In verschiedene Rubriken unterteilt findet man dort auch Hölzer, Erze, Waffen, Tränke und ähnliches wieder, also alle Items, die man allgemein bei Quests bekommen hat, einem Gegner abnehmen konnte oder in der Landschaft auffand. Wenn man nämlich durch diese wandert und den Cursor über so manchen Baum hält, leuchtet dieser auf, was anzeigt, dass ein Item von ihm zu ergattern ist. Ebenso bei Truhen, Steinen und ähnlichem. Das Quest-Menü ist in zwei Teile gegliedert. In einem werden automatisch alle wichtigeren Ereignisse notiert, also eine Art Tagebuch. Der andere Teil zeigt auf der einen Seite akzeptierte und auf der anderen Seite vollendete Quests an. Wichtige Informationen werden stets farbig dargestellt. Kleinere Nebenquests werden hier allerdings nicht mit aufgeführt. Da hilft nur, Papier und Stift neben der Tastatur liegen zu haben. Auch ist es nicht immer nachvollziehbar, welche Informationen als wichtig erachtet werden, sodass sie im Tagebuch notiert werden. Solange man keine zu großen Pausen beim Spielen macht, dürfte dies keine Probleme bereiten. Nun zum Charaktermenü. Hier werden die verschiedenen Stärken der Charaktere angezeigt, also die Angriffsstärke, die maximale Lebenspunkteanzahl, etc. Jedes Mal, wenn Quests erfüllt oder Gegner besiegt werden, erhält die gesamte Gruppe Erfahrungspunkte. Damit werden auch Helden nicht benachteiligt, die man eigentlich nie hat mitkämpfen lassen. Ist eine bestimmte Summe an Erfahrungspunkten erreicht, steigen alle Kämpfer um einen Level auf. Eine kleine Einführung in das System der fünf Elemente Das ganze Kampfsystem basiert auf diesem System, das bis heute bei Philosophien aus China eine große Rolle spielt. Demnach beruht alles auf den fünf Elementen oder eher "Zuständen": Erde, Wasser, Feuer, Metall und Holz. Alle haben ihre Assoziationen und jedes Mal, wenn unsere Charaktere um einen Level aufsteigen, bekommt man für jeden Kämpfer fünf Punkte, die man nutzen kann, um die Fertigkeiten in den jeweiligen Elementen zu steigern. Wie man sie verteilt, ist dem Spieler freigestellt. Dabei beeinflussen die Elemente bestimmte Eigenschaften. Beispielsweise erhöht Holz die maximalen Lebenspunkte und Feuer die Geschwindigkeit, mit der angegriffen wird. Das Element, bei dem der Charakter die meisten Punkte hat, wird zu seinem primären Zustand. Die Elemente wirken auch aufeinander. Sie können einander hemmen oder fördern. Im Kampf bedeutet das, dass man einen Gegner, dessen primärer Zustand beispielsweise Metall ist, mit einem Feuer-Zauber sehr viel leichter besiegen kann als mit einem Erdzauber. Und jetzt geht es erst richtig los. Bei "World of Qin" hat man nicht nur die Möglichkeit, Rüstungen, Waffen und Schmuck für jeden Kämpfer zu kaufen, sondern auch selbst zu erschaffen oder vorhandene Items zu verfeinern. Dazu kann man jene Materialien nutzen, die man in der Umgebung aufgelesen hat. Auch diese Gegenstände und Werkstoffe sind immer einem Element zugeordnet. Dadurch wiederum werden die Elemente der Waffen und anderer Gegenstände bestimmt, die man mit ihnen herstellt, was sich dann wieder auf den Schaden ausübt, den man dem Gegner zufügen kann oder umgekehrt. All das gilt es zu bedenken, wenn man seine Kriegergruppe zusammenstellt und ausstattet. Bei den kleinen Biestern, die der Gruppe auf den Wegen begegnen, braucht man sich meist noch nicht allzu viele Gedanken um solche Details machen, aber bei den Bosskämpfen sieht es schon anders aus. Allgemein sind die Kämpfe etwas planlos geraten. Die Kämpfer greifen von selbst mit ihrer Primär-Attacke an und verfolgen sogar den Feind, während menschliche Gegner mitunter auch weglaufen und sich neu gruppieren, um dann erneut anzugreifen. Dadurch aber, dass der Held hin und wieder einen Gegner quer durch die Landschaft verfolgt, wird die Gruppe getrennt und schwer kontrollierbar. Wirklich gezielt lässt sie sich also nicht steuern. Oft sitzt man nur als Zuschauer da und wechselt höchstens mal die Angriffe aus, bzw. verteilt ein paar Heiltränke. Wie man auch Materialien, beispielsweise Holz und Spinnenweben, findet, kann man auch auf Gold treffen. In Dörfern besteht dann die Möglichkeit, Händler aufzusuchen, auch wenn deren Angebote nicht so berauschend sind. Die meisten Nebenquests sind natürlich ebenfalls in den Orten zu finden. Hier wird es noch einmal interessant, denn die Quests kann man auf verschiedenen Wegen lösen, was auch zu unterschiedlichen Enden im Spiel führen kann. So passiert es, dass wenn man aus den auszuwählenden Antworten bei den Gesprächen eine nicht so offensichtliche wählt, die gesamte Geschichte eine überraschende Wendung nimmt. Im Großen und Ganzen sehr gelungen, aber einen Spielanfänger könnte das noch zusätzlich verwirren. Grafik Es wird stets aus demselben Blickwinkel und von derselben Vogelperspektive aus auf die Welt geschaut. Weder ein Zoom, noch sonst irgendeine Veränderung ist möglich. Das ist einer der Umstände, die dazu führen, dass man in den Kämpfen schnell den Überblick verlieren kann. Ein anderer ist, dass beispielsweise, wenn die Kämpfe in Wäldern stattfinden, die Charaktere nur noch schwach durch das Laub durchschimmern. Leider ist das nicht der einzige Makel der Grafik. Insgesamt ist sie sehr verpixelt und die Animationen sind viel zu ruckelig, auch wenn vor allem mache Zauber sehr gut aussehen. Kurz und bündig: Es wirkt alles veraltet. Wenn sich dieses Spiel also noch mit einem "Diablo" messen kann, dann wohl mit der ersten Version dieser Reihe. Trotzdem gibt es durchaus auch Pluspunkte zu vergeben. Die Landschaften sind durchweg liebevoll und detailreich gestaltet. Zeitweise reisen wir gewisserweise zurück in die Vergangenheit. Dabei verfärbt sich alles zu einem Grau-Braun-Gemisch. Sound Wenngleich es sehr lobenswert ist, dass bei der deutschen Version tatsächlich alle Dialoge auch übersetzt und gesprochen werden, kommt doch nicht wirklich die richtige Stimmung auf, weil die Sprecher oftmals eine völlig falsche Intention in den Satz legen oder nicht genug Gefühl zeigen. Wenn beispielsweise ein Mädchen wegen dem Tod ihres Vaters so traurig ist, dass sie drei Tage lang weint und schließlich erkrankt, wird sie sicher, als sie sieht, wie er stirbt, nicht nur ruhig "Vater" sagen. Im Gegensatz dazu sind die Soundtracks sehr gut gelungen. Also zumindest in den Kämpfen, bei denen noch etwas dramatischere Musik gespielt wird und auf den Wegen, kommt die Stimmung gut rüber. Man hat sicher schon bessere Grafik gesehen und auch die deutschen Sprecher lassen zu wünschen übrig, aber zumindest von der Geschichte her kann "World of Qin" sehr gut überzeugen. Sie ist ebenso liebevoll gestaltet wie die Hintergründe, wenngleich die Engine allgemein veraltet wirkt. Durch ziemlich harte Bosskämpfe bleibt das Spiel spannend, auch wenn der Überblick im Kampf gerne mal verloren geht. Dazu noch die Möglichkeit, Quests auf verschiedene Art und Weisen zu lösen und damit andere Spielenden zu erreichen, sichern den Spielspaß für einige Stunden. Für Fans der chinesischen Sagen und Legenden sicherlich empfehlenswert, ebenso wie für Spieler, die bis heute gerne "Diablo 1" spielen. (11.04.2006)
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