Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth (Xbox)

Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth (Xbox)

(Take 2)

geschrieben von Florian Piesche

 

"Das ist nicht tot, was ewig liegt, ..."

Nach meiner Reise in die niedersten Höllen bin ich froh, noch am Leben zu sein, doch niemand glaubt mir, was ich zu berichten habe. Die Narren - sie sehen nicht, was sich direkt vor ihren eigenen Augen abspielt; sie sind zu engstirnig, um die Dinge zu erkennen, die gerade außerhalb ihres, von den Scheuklappen ihrer Vorstellung von Realität eingeengten, Blickfelds auf sie warten. Doch ich kann sie verstehen ... hätte ich gewusst, welche grässlichen, unirdischen Schrecken auf mich warten, ich wäre sofort umgekehrt. Und am Anfang sah es alles nur aus wie ein Spiel...

Iä! Iä! Cthulhu fhtagn!

Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth ist der erste Teil einer geplanten Trilogie und erzählt in Rückblenden die Geschichte des Bostoner Polizisten Jack Walters und seiner Begegnung mit den verborgenen Dingen jenseits unserer Realität. Es beginnt alles ganz harmlos mit dem Auftrag, einen vermissten Ladeninhaber in der kleinen Küstenstadt Innsmouth zu finden. Walters bemerkt jedoch sehr bald, dass irgendetwas vorgeht in dieser kleinen Stadt - die Einwohner sind unkooperativ und feindselig, es gibt Gerüchte über eine bizarre Veränderung, die in ihnen vorgeht und über dem ganzen Städtchen hängt der düstere Schatten eines seltsamen religiösen Kultes. In der First-Person-Perspektive erforscht man den kleinen Ort und deckt Stück um Stück seine Geheimnisse auf. Zu Beginn hat das Ganze sehr viel von einem Adventure - man läuft herum, redet mit den Bewohnern von Innsmouth, findet hier und da Hinweise darauf, was mit dem Vermissten geschehen ist und was sonst so in der Küstenstadt vor sich geht. Das unkooperative Verhalten der Einwohner schlägt daraufhin sehr bald in direkte Versuche um, Walters' Ermittlungen zu behindern und noch etwas später in eine Hetzjagd mit dem Ziel, ihn endgültig loszuwerden.

Leider folgt auch das Gameplay an diesem Punkt dieser Veränderung - Dark Corners of the Earth mutiert nach einigen Stunden Spielzeit von einem Adventure in First-Person-Ansicht zu einem Shooter mit Adventure-Elementen, worunter die ansonsten hervorragende Präsentation der schön ausgearbeiteten Handlung etwas leidet. Insbesondere ist es einfach nicht unbedingt im Sinne Lovecrafts, dass die zentrale Figur der Handlung reihenweise seine wunderbar grässlichen Kreaturen aus dem Weg räumt. Nichtsdestotrotz hat auch der spätere Teil des Spiels immer noch eine exzellente Atmosphäre, die einem Cthulhu-Titel würdig ist. Die Handlung allgemein hat ebenfalls trotz ihrer sehr passenden Grundidee und Ausgestaltung einige kleinere Punkte, an denen sie stilistisch leicht bis massiv gegen den typischen Stil des Inspirationslieferanten verläuft. Mehr kann man darüber leider nicht sagen, ohne massive Teile der Handlung vorwegzunehmen, deshalb werde ich von einer genaueren Ausführung absehen - das Aufdecken der Ereignisse ist immerhin ebenso Teil des Spiels wie das Gameplay selbst. Im Inventar gibt es auch ein Notizbuch, in dem Walters Tagebucheinträge anlegt, die seine Gedanken und Gefühle über die Ereignisse erläutern und in dem er die vielen kleinen und größeren Häppchen an Informationen, die er über die Geschehnisse findet, sammelt. Diese sind oft relevant für Puzzles - daher lohnt es sich, jedes Stückchen Material, das man findet, aufmerksam durchzulesen.

Obendrein geht Dark Corners of the Earth auch im Bereich First-Person-Shooter nicht unbedingt neue, aber zumindest wenig genutzte Wege. Es gibt weder eine Anzeige für die Lebensenergie der Hauptfigur, noch ein Fadenkreuz oder eine Munitionsanzeige; letztere bekommt man zwar gesammelt im Inventar angezeigt, aber wie viele Kugeln noch in der Waffe stecken, kann man nur abschätzen. Um das Zielen zu erleichtern, kann man die Waffe vor sich selbst halten - aber wenn man dies zu lange tut, ermüden Walters' Arme und er beginnt zu zittern. Wie es um die körperliche Gesundheit der Hauptfigur steht, kann man nur an diversen groben Hinweisen erkennen: Die Atemgeräusche von Walters werden zunehmend flacher, die Farbe weicht langsam aus seiner Wahrnehmung und die Sicht verschwimmt etwas. Die Kämpfe an sich sind allerdings sehr tödlich - schon nach einem einzigen Treffer aus einer Feuerwaffe ist Walters' Beweglichkeit oft massiv eingeschränkt und drei oder vier Treffer setzen seinen Nachforschungen fast immer ein vorzeitiges Ende. Wunden müssen im Stil von Metal Gear Solid 3 mit dem Inhalt von Erste-Hilfe-Kästen versorgt werden, sonst kosten sie laufend Lebensenergie, bis sie schließlich entweder nach einigen Minuten von selbst verheilen oder Walters verblutet ist. Das Versorgen von Verletzungen dauert aber ebenfalls einen Moment, in dem man vollkommen hilflos ist - mitten im Kampf ist also nichts mit Heilen. Für Notfälle gibt es im Inventar noch eine Spritze mit Morphium, die man sich direkt setzen kann und die den Tod etwas hinauszögert und das von Verletzungen verursachte Zittern unterdrückt; jedoch schränkt der Gebrauch des Schmerzmittels die Sicht mit Unschärfe und einem Tunnelblick ein.

Zusätzlich zur körperlichen Gesundheit muss man sich auch um die geistige Verfassung von Walters sorgen; man kann nicht nur körperlich sterben, sondern durch ständige Konfrontation mit widernatürlichen oder einfach nur traumatisierenden Dingen wahnsinnig werden. Auch hier gibt es wieder keine richtige Anzeige, sondern nur Anhaltspunkte über den Zustand, in dem man sich befindet. Grundsätzlich hört man hierbei immer das schneller werdende Klopfen von Walters' Herz, welches von passenden Vibrationen des Gamepads begleitet wird. Blickt man aus großer Höhe nach unten, so bekommt Walters einen Tunnelblick und beginnt leicht zu schwanken. Sieht man sich längere Zeit eine verrottende Leiche oder irgendwelche grässlichen Monster an, verschwimmt sein Blickfeld immer mehr und diverse seltsame Geräusche füllen die Umgebung. Die Effekte sind nicht so detailliert und fantasievoll ausgearbeitet wie in Eternal Darkness auf dem GameCube - zu welchem Dark Corners of the Earth ansonsten aber diverse Gemeinsamkeiten aufweist - aber erfüllen ihren Zweck, indem sie die Atmosphäre verdichten und dem Spieler einen Eindruck davon vermitteln, wie es dem Charakter geistig geht. Richtige Halluzinationen oder konkrete Auswirkungen des Wahnsinns gibt es sonst leider keine; nur gelegentliche geskriptete Visionen, die vor möglichen Angreifern warnen oder ebenfalls einfach nur die Atmosphäre aufbauen.

Auf technischer Seite gibt es leider einige weniger schöne Dinge zu berichten: das Spiel hat diverse Bugs, die in den Foren des Entwicklers bekannt sind und bei einigen Spielern auftreten - meist führen sie zu einem Absturz mit Einfrieren der Xbox und manchmal treten sie auch nach einem erneuten Laden des letzten gespeicherten Spiels an den gleichen Stellen wieder auf. Mindestens einer davon steht in Verbindung mit einem bestimmten Speicherpunkt und hat mich während der Testphase meinen Spielstand gekostet; nach dem Laden desselben läuft das Spiel ungefähr eine Sekunde weiter und friert dann, reproduzierbar, ein. Es gibt noch ein paar andere Szenen, in denen manche Nutzer von immer wiederkehrenden Abstürzen berichten. Im Allgemeinen läuft das Spiel zwar stabil und problemfrei, aber einige wenige Stellen haben offenbar das Potenzial zu fatalen Problemen. Da Dark Corners of the Earth kein Xbox Live benutzt - wozu auch - wird es wohl für diese Bugs zumindest in der Xbox-Version auch niemals ein Update geben. Um sicher zu gehen, dass man nicht selbst Opfer solcher Schwierigkeiten wird, sollte man also immer mehrere Speicherplätze benutzen. Auf der Xbox 360 ist das Spiel zwar spielbar, hat aber im Moment noch zwei bekannte Probleme zusätzlich zu den auch auf der Xbox vorhandenen: Das Intro und der Abspann werden nicht angezeigt, und der Emulator stürzt ab, falls einer der Bosse einen bestimmten Angriff benutzt. Am Gameplay gibt es wenig zu kritisieren - manche Puzzles sind nicht unbedingt offensichtlich oder hängen an winzigen Details und brauchen größere Mengen an Ausprobieren oder schlicht und einfach eine Komplettlösung, um die richtige Lösung zu finden; gelegentlich bedarf es auch genauerem Hinsehen und Suchen, um das nächste Stück des allgemein recht linearen Weges durch die Handlung zu finden.

Grafik: Halluzinogene Substanzen

Die Grafik in Call of Cthulhu ist atmosphärisch wie technisch hervorragend - während gerade die Figuren manchmal etwas grob wirken, ist das Spiel allgemein dennoch sehr ansehnlich und die Levels detailliert und glaubwürdig gestaltet. Garniert wird das Ganze mit allerlei hübschen Spezialeffekten: Unregelmäßige Glasscheiben verzerren, was hinter ihnen liegt, beim Wechsel von hell und dunkel dauert es einen Moment, bis die Kamera sich an die veränderten Lichtverhältnisse anpasst, Lichtquellen haben keine scharfen Kanten, die übliche Palette an grafischem Zucker eben. Auffällig sind die Auswirkungen des Wahnsinns auf die Optik von Mr. Walters und die Verzerrungen und Undeutlichkeiten während seiner gelegentlichen Visionen, die hervorragend umgesetzt sind. Etwas mehr Kreativität bei den Halluzinationen wäre vielleicht wünschenswert gewesen, aber sie sehen hübsch aus und erzeugen zusammen mit dem Rest der Grafik ein wunderbar dichtes und beklemmendes Gesamtbild.

Sound: Kleine und größere Sprachbarrieren

Gerade für ein Spiel, das sich so massiv auf Atmosphäre und Horror stützt wie Call of Cthulhu, ist der Ton natürlich besonders wichtig. Headfirst Productions haben hier eine exzellente Leistung abgeliefert - der Klang ist qualitativ wie atmosphärisch grandios. Richtige Musik gibt es nur in den Menüs; während des Spiels wird ihr Platz meist von melodieloser, atmosphärischer Instrumentenuntermalung eingenommen. Die Umgebungsgeräusche schwanken sehr in Anzahl und Detail - manchmal wird die Stille nur vom Musikersatz gefüllt, manchmal ist hiervon kaum etwas zu hören und die Umgebung an sich ist mit Geräuschen aller Art erfüllt: Schritte von Menschen, das Murmeln von Kultisten in bizarren Sprachen und andere seltsame Geräusche. Im Großen und Ganzen erzeugt der Ton auf sehr effektive Art Anspannung und Beunruhigung und genau das sollte ein Spiel in Lovecrafts Welten auch tun.

Die Sprache, in der Call of Cthulhu startet, wird von der Spracheinstellung des Microsoft-Dashboards bestimmt - jedoch bestimmt diese Einstellung nur die Sprache der Untertitel, die Sprachausgabe ist immer im englischen Originalton. Wer also das Lesen von Untertiteln nicht gewöhnt ist und kein Englisch spricht, könnte auf Verständnisprobleme stoßen. Andererseits können aber Spieler, die im Englischen sicher genug sind, das Spiel komplett im Original genießen, indem sie einfach die Spracheinstellung der Xbox auf Englisch umschalten. Die Übersetzung verändert gelegentlich den Sinn der Originaltexte und holpert insbesondere bei Redewendungen etwas, ist aber in allen wichtigen Punkten verständlich und passend. Selten finden sich auch Passagen, die beim Übertragen des Spiels ins Deutsche scheinbar übersehen wurden und noch im ursprünglichen Englisch gehalten sind. Während dies etwas störend ist und nicht unbedingt von eingehender Überprüfung der Übersetzung zeugt, sollte das Fehlen einer deutschen Fassung dieser Textstücke selbst für Spieler, die des Englischen nicht mächtig sind, nicht das Vorankommen im Spiel behindern.

"... bis dass die Zeit den Tod besiegt."

Call of Cthulhu ist vielleicht nicht ganz, was man von einem Spiel, das in den Welten von H.P. Lovecraft spielt, erwartet, und auch nicht, was die ersten Stunden des Spiels erhoffen lassen, aber technisch wie inhaltlich trotz einiger Macken in beiden Bereichen ein hochwertiger Horrortitel und eine erfrischende Abwechslung vom üblichen "Schicken wir plötzlich mit jeder Menge Lärm ein paar Monster durch die Fenster und geben dem Spieler so wenig Munition wie möglich"-Material in selbsternannten Horrorspielen. Ich persönlich hoffe darauf, dass Headfirst die Gelegenheit bekommen, die Trilogie fortzusetzen und die wenigen größeren Kritikpunkte am ersten Teil auffassen und verbessern. Zu erwarten bleibt, ob für die - leider immer noch nicht mit einem Releasetermin ausgestattete - PC-Version die technischen Probleme ausgemerzt werden oder einfach eine direkte, unveränderte Portierung der Xbox-Fassung ins Haus steht.

(24.02.2006)

Plattform: Xbox

Entwickler: Headfirst Productions
Publisher: Take 2
Genre: Shooter/Adventure
Release: Xbox bereits erhältlich (26.10.2005), PC angekündigt
Homepage: Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth
Preis: EUR 39,95 unverb. Preisempf.
Altersfreigabe: freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

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