Ravaged

Ravaged

(2Dawn Games)

geschrieben von Sascha Böhm

 

"Ravaged" ist das Erstlingswerk des neuen und unabhängigen Entwicklerstudios 2Dawn-Games. Das Spiel sollte ganz ohne die zu erwartenden Zwänge und Vorgaben eines großen Publishers veröffentlicht werden. Daher entschloss man sich, zumindest für die letzte Phase der Entwicklung auf eine Crowdfunding-Finanzierung zu setzen, um die nötigen 15.000 $, die das Spiel zu seiner Fertigstellung noch benötigte, über Kickstarter.com zu erhalten. Am Ende der Aktion hatte 2Dawn-Games allerdings ganze 38.767 $ von den Unterstützern erhalten und somit genügend finanzielle Mittel, um "Ravaged" auch weiterhin unabhängig zu produzieren und schließlich auf den Markt zu bringen. Das Ziel war, ein Spiel zu entwickeln, das sich von anderen Mehrspieler-Shootern durch den starken Fokus auf die Nutzung von Fahrzeugen unterscheidet.

Am Anfang war das End

Irgendetwas scheint in der Welt von "Ravaged" aus dem Ruder gelaufen zu sein, denn immerhin wird der Spieler direkt im ersten Bild mit dem völlig zerstörten New York inklusive enthaupteter und umgestürzter Freiheitsstatue konfrontiert. Ganz New York hat sich in eine unwirtliche Wüstenlandschaft verwandelt. Die Stadt ist mit Trümmern übersät. Nur wenige Hochhäuser lassen sich noch als schwache Silhouetten am Horizont ausmachen, und legen als kleiner Rest der einstigen Skyline Zeugnis davon ab, dass es zu einer globalen Katastrophe gekommen sein muss. Als wäre ein post-apokalyptisches Ödland nicht genug, haben sich die Überlebenden dieser Katastrophe auch noch in zwei verfeindete Gruppierungen aufgespalten. Anstatt zusammenzuarbeiten und die Welt neu aufzubauen, hat es sich die Gruppe der Plünderer zur Aufgabe gemacht, einfach alles und jeden mit äußerster Brutalität zu unterwerfen und jeden Landstrich und alle Ressourcen zu kontrollieren. Diesem zusammengewürfelten Haufen von Schwerverbrechern und Mördern steht nur noch der Widerstand gegenüber, der einen letzten Rest von Menschlichkeit und Ordnung in der zerstörten, lebensfeindlichen Welt aufrechterhält. Der Widerstand hat es geschafft, wenige Tage vor der Apokalypse genügend Ressourcen in unterirdische Bunker zu bringen, um lange genug zu überleben und sich jetzt den Plünderern in den Weg zu stellen.

Das ist auch schon alles, was man an Story mit auf den Weg bekommt, denn ein Intro oder eine echte Handlung sucht man in "Ravaged" vergebens. Man muss auch erraten, was wirklich im Vorfeld mit der Erde passiert ist, denn auch da lässt einen das Spiel im Unklaren. Dem ein oder anderen mag das vielleicht etwas zu dünn ausfallen, allerdings handelt es sich hierbei auch um einen reinen Mehrspieler-Shooter, der vollkommen ohne einen Einzelspielermodus auskommt. Grund genug, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen, bietet die Hintergrundgeschichte aber allemal.

Capture the Benzinkanister

Auf der Kickstarter-Homepage versprach 2Dawn-Games noch großartige neue Spielmodi, leider ist im fertigen Spiel davon nicht mehr viel zu sehen. So gibt es nur drei verschiedene Spielmodi, die allesamt zwar solide, aber keineswegs innovativ sind. Allen voran das altbekannte Team-Deathmatch, in dem sich der Widerstand und die Plünderer gegenüberstehen und in einer festgelegten Zeit möglichst viele gegnerische Kämpfer ausgeschaltet werden müssen. Als Nächstes gibt es auch hier eine Version des beliebten "Capture the Flag", also der Flaggeneroberung, bei der die gegnerische Flagge gestohlen werden muss, um sie dann in die eigene Basis zu bringen. Allerdings handelt es sich bei dieser Variante des bekannten Spielmodus in „Ravaged“ um "Capture the Ressource". Anstelle einer unbrauchbaren Flagge stiehlt man hier einen Benzinkanister und muss ihn in die eigene Basis schaffen. Für jeden Kanister erhält das Team einen Punkt und das Team, das zuerst acht Punkte erringen konnte, gewinnt die Partie.

Dieser Spielmodus ist auch der mit der besten Integration der Fahrzeuge, denn ohne diese ist es kaum möglich, die teilweise recht weiten Entfernungen unbeschadet zurückzulegen. So entsteht durch die Fahrzeuge ein dynamisches und schnelles Gameplay. Als Letztes gibt es noch den Vorstoß, einen Spielmodus, in dem es die Aufgabe der beiden Teams ist, über die Karte verteilte Punkte zu erobern und zu halten. Diese Punkte sind gleichzeitig auch die einzige Möglichkeit, nach einem Ableben wieder zurück ins Spiel zu kommen. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn der entsprechende Punkt auch vom eigenen Team gehalten wird. Sollte also eine Fraktion sämtliche Punkte erobern haben, hat der Gegner keine Möglichkeit mehr, ins Spiel zu kommen. Nach Ablauf von einer Minute gewinnt das Team, das die Punkte hält, sollte es dem Gegner nicht zwischenzeitlich gelingen, wenigstens einen Punkt zurückzuerobern.

Die spielbaren Klassen sind ähnlich wie bei anderen Mehrspieler-Shootern angelegt. Sie lassen sich dementsprechend nur sehr begrenzt anpassen. So gibt es drei Kämpfer mit automatischen Waffen, die sich in der Durchschlagskraft ihrer Ausrüstung unterscheiden: von der Maschinenpistole über ein Sturmgewehr bis hin zu schweren Maschinengewehren. Zusätzlich gibt es noch zwei weitere Klassen, zum einen den Scharfschützen mit wahlweise einem Präzisionsgewehr oder einer Armbrust mit Zielfernrohr und zum anderen einen schwer bewaffneten Kämpfer, der seine wahre Stärke am besten gegen Fahrzeuge ausspielt, da er mit bis zu zwei verschiedenen Raketenwerfern ausgerüstet werden kann. Zusätzlich sind alle Klassen mit einer Nahkampfwaffe und Handgranaten ausgestattet.

Beide Parteien verfügen über die gleichen Klassen, lediglich Namen und Bewaffnung der Kämpfer variieren je nach Fraktion. Leider kommt es aber oft vor, dass die Klasse des Scharfschützen sehr übermächtig wirkt, da sie auf hohen Positionen die meist sehr großen Karten vollständig überblicken kann. Für Spieler, die sich in einem Fahrzeug befinden, stellt der Kämpfer mit dem Raketenwerfer die größte Gefahr dar, denn dieser schaltet mit einem einzigen Schuss nahezu jedes Vehikel aus.

Die Auswahl an Fahrzeugen ist groß. So gibt es Wüstenbuggys und Jeeps sowie leichte Panzer und sogar Helikopter und Fahrzeuge, die aussehen, als seien sie direkt aus "Mad Max" entsprungen. Als zentrales Element des Spiels kommen die Fahrzeuge aber leider oft zu kurz, denn ihr wahres Potenzial spielen sie erst aus, wenn zwei oder drei Spieler in ein Fahrzeug steigen. Während ein Spieler sich auf das Lenken konzentriert, nehmen die Mitspieler mit den Bordgeschützen die Gegner unter Feuer. In der Praxis sieht es aber leider so aus, dass die meisten Spieler wenig Interesse an kooperativen Fahrzeugkämpfen haben und direkt alleine losrasen. Sollte man allerdings mit Freunden in einem Team spielen oder sich über Teampeak auf eine Taktik einigen, entwickeln die motorisierten Kämpfe sehr schnell eine fesselnde Dynamik.

ungen, auch ein Levelsystem sucht man vergebens. Das hat zum einen den sehr großen Vorteil, dass auch Anfänger eine Chance haben, wenn sie gegen erfahrenere Spieler antreten, da jeder von Anfang an Zugang zu allen Waffen hat. Auf der anderen Seite leidet darunter aber auch etwas die Langzeitmotivation, denn man hat sehr schnell alles gesehen und es gibt nichts Neues mehr zu entdecken.

Leere Landschaft

Als Motor für die Grafik arbeitet die Unreal-Engine. Das, was die Entwickler daraus gemacht haben, kann aber nicht immer überzeugen. Die Karten von "Ravaged" besitzen zwar eine große Sichtweite, allerdings kommt es immer wieder vor, dass die Vegetation hässlich aufploppt, gerade dann, wenn man sich schnell mit einem Fahrzeug bewegt. Ein ähnlich störender Effekt tritt bei vielen Texturen im Spiel auf. Diese werden nämlich bei schnellen Bewegungen verwaschen dargestellt und erst nach einigen Sekunden in voller Auflösung geladen. Davon abgesehen macht die Grafik aber einen ordentlichen Eindruck. Die Karten sind sehr atmosphärisch gestaltet, auch wenn das bedeutet, dass sie in weiten Teilen einfach leer sind. Aber genau das erwartet man von einem Ödland. Die Leere ist indes immer wieder unterbrochen durch den einen oder anderen gewaltigen Blickfang, wie zum Beispiel den Kopf der Freiheitsstatue oder ein zerstörtes Containerschiff. Ein paar unnötige Designfehler erlauben sich die Entwickler allerdings auch. So gibt es zwar Türen im Spiel, diese lassen sich jedoch nicht öffnen. Es existieren auch zwei verschieden Arten von Leitern: solche, die man erklimmen kann, und andere, die nur aus Dekorationszwecken auf der Karte zu finden sind.

Im Ödland knallt es gewaltig

Musikalische Untermalung ist, bis auf ganz leichte Hintergrundmusik in den Spielmenüs, nicht vorhanden. Die Waffen hingegen klingen sehr satt aus den Boxen, einzig die Fahrzeuge könnten einen kräftigeren Sound gut gebrauchen, denn diese klingen meistens etwas dünn.

Hilfe, die Ecke hat mich

Die Steuerung findet genretypisch mit den WASD-Tasten statt und funktioniert im freien Gelände dementsprechend hervorragend. Leider kommt es aber oft vor, dass die Spielfigur an Ecken oder Treppenabsätzen hängen bleibt. Als hilfreich erweisen sich die Wegmarken, die dem Spieler jederzeit die Richtung und die Entfernung zu wichtigen Punkten im Spiel zeigen, wie etwa Munitionskisten oder zu erobernde Benzinkanister. Für Spieler, die nicht auf Teamspeak setzen wollen, gibt es eine einfache Methode, Kurznachrichten an das eigene Team zu senden. Mit der Taste Q öffnet sich die so genannte "Komm Rose", in der man einfach mit der Maus auf die gewünschte Nachricht klicken kann, wie etwa "Angriff", "Hilfe" oder "Mir nach". Die Steuerung der Fahrzeuge funktioniert genauso unkompliziert wie die der Spielfigur, aber auch die Vehikel bleiben an Felsen hängen, wenn man nicht aufpasst. Dann bleibt dem Spieler keine Wahl, als auszusteigen. Einzig der Helikopter erfordert ein wenig Eingewöhnungszeit. Er lässt sich mit etwas Übung aber auch beherrschen.

     
   
   
   
   
   
   

Fazit

Als ich die erste Vorstellung von "Ravaged" auf Kickstater.com gelesen habe, war ich sehr gespannt auf das Spiel. Es war schließlich die Rede davon, den Spaß in die Mehrspieler-Shooter zurückzubringen, und zwar mit neuen Spielideen und haufenweise Fahrzeugen. Sehr viel ist nicht davon geblieben, die Spielmodi gab es so oder sehr ähnlich schon in unzähligen anderen Titeln. Eine Vielfalt an Fahrzeugen ist zwar vorhanden, diese fahren sich aber leider fast alle gleich. Auch wenn die Ankündigungen von 2Dawn Games nicht alle eingehalten wurden, so ist "Ravaged" doch ein sehr schneller und kurzweiliger Mehrspieler-Shooter. Wenn die wenigen Fehler noch nachgebessert werden, klappt es vielleicht auch mit der Spielerzahl. Denn genau hierbei liegt das mit Abstand größte Problem von "Ravaged". Im gesamten Testzeitraum waren nie mehr als 55 Spieler online, von denen ein großer Teil lediglich in Besitz der Demo war. Dadurch wird das Spielerlebnis auf eine einzige Karte beschränkt.

(13.12.12)



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