PDC World Championship Darts: Pro Tour

(F+F Distribution)

geschrieben von Oliver Salten

"One hundred and eighty". Wer schon einmal diesen langgezogenen lauten Ausruf vernommen hat, weiß, welche Sportart damit verbunden ist: Darts. Längst nicht mehr nur in rauchigen Kneipen ansässig, haben sich zumindest die großen Turniere ihren festen Platz auch im deutschen Spartenfernsehen erobert. Ausgerichtet werden diese vor allem von der Darts-Profiliga, der "Professional Darts Corporation" (PDC), der auch der vorliegende Titel seinen Namen zu verdanken hat.

Vor dem ersten Wurf

Auch wenn es möglich ist, in die Rolle von so großen Dartspielern wie Phil "The Power" Taylor oder Raymond "Barney" van Barneveld zu schlüpfen, die von der Gestaltung her ihren realen Vorbildern durchaus nahe kommen, habe ich mich zunächst dafür entschieden, im Menüpunkt "Eigene Figuren" meinen eigenen Charakter zu gestalten. Für Männer stehen dabei sechs verschiedene Modelle zur Verfügung, die anhand vorgegebener Varianten in den Bereichen Haut- und Augenfarbe sowie Frisur und Bekleidung individualisiert werden können. Gerade was das Gesicht angeht, hätte ich mir jedoch mehr Einstellungsmöglichkeiten gewünscht. So bleibt es leider bei einer sehr mäßigen Ähnlichkeit meines Charakters mit mir selbst. Das kann auch durch die recht große Auswahl an Frisuren, Hemden und Brillen, von denen einige jedoch noch freigespielt werden müssen, nicht aufgefangen werden. Noch ärgerlicher wird das Bild, wenn man als Frau versucht, seinen Charakter anzupassen. Hier gibt es sogar nur zwei Modelle. Nun ist Darts sicher eher ein männerdominierter Sport, dennoch stelle ich mir die Frage, ob man nicht etwas mehr Aufwand in der Hinsicht hätte betreiben können.

Ganz anders sieht die Lage bei der Erstellung des Sportgeräts aus. Die einzelnen Bestandteile des Darts, Barrel (Mittelstück), Shaft (Schaft) und Flights (Flügel), gibt es in jeder denkbaren Form von einer großen Anzahl von Herstellern. Auch der bevorzugte Wurfwinkel kann angepasst werden. Schade ist nur, dass die Barrel gewichtsmäßig in leicht, mittelschwer und schwer klassifiziert werden, wohingegen über die verschiedenen Flugeigenschaften von Shaft und Flights hingegen keine Informationen gegeben werden, wenn das überhaupt bei der Entwicklung des Spiels berücksichtigt wurde. Wem das zu kompliziert ist, kann auch auf eine breite Auswahl vorgefertigter Marken-Wurfpfeile oder die bevorzugten Geräte der Profis zurückgreifen. Die Auswahlmöglichkeiten sind enorm.

Übung macht den Meister

Nachdem ich nun meinen Charakter und meine Darts bereithabe, ist es an der Zeit für meine ersten Würfe auf die Dartscheibe. Für den Anfang ist es angebracht, das Übungsmenü anzuwählen, um sich in angenehmer Pub-Atmosphäre auf höhere Aufgaben vorzubereiten. Bereits im Vorfeld wird geklärt, ob man mit maximaler, minimaler oder ohne jede Steuerungshilfe arbeiten will.

Diese Entscheidung muss vor der Auswahl eines jeden Spielmodus getroffen werden. Die Pfeile kann man sowohl mit dem Gamepad als auch mit der Move-Steuerung werfen. Hier muss jeder selber herausfinden, mit was er am besten zurechtkommt. Jeder Wurf funktioniert letztlich auf die gleiche Weise: Zielerfassung, Arretierung und Wurf. Die Move-Steuerung fungiert quasi als Dartpfeil, die auch in einer ähnlichen Bewegung wie beim echten Spiel nach vorne "geworfen" werden muss. Beim Gamepad ist es ein Analogstick, der auf die richtige Weise erst nach hinten und dann nach vorne bewegt werden muss. Diese Art der Steuerung ist zwar etwas gewöhnungsbedürftiger als mit der Move-Steuerung, die recht intuitiv funktioniert, stellt aber schon nach kurzer Zeit kein Problem mehr dar. Die hauptsächliche Herausforderung liegt darin, den richtigen Schwung für jeden Wurf zu finden und Steuerung oder Stick möglichst gerade nach vorne zu bewegen, damit der Dartpfeil nicht verreißt.

Der Übungsmodus ist nun die ideale Gelegenheit, seine motorischen Fähigkeiten beim Dartspiel zu verbessern. Dazu dient unter anderem eine Anzeige, die verdeutlicht, wie nah man den anvisierten Zielen mit seinen Würfen gekommen ist. So ergibt sich schon nach einigen Würfen ein Trefferbild, das zeigt, wie sicher man mit seiner ausgewählten Pfeilkonfiguration ist. Auch die Anzeige der geworfenen Durchschnittswerte ist in dieser Hinsicht sehr aussagekräftig. Außerdem sollte man nicht vergessen, hier mit der Dreiecktaste die beste Kameraperspektive für sich herauszufinden. Fünf verschiedene Einstellungen stehen zur Verfügung, nicht nur hier, sondern auch in allen anderen Spielvarianten. Zwei davon teilen den Bildschirm, während rechts der ausgewählte Charakter beim Werfen beobachtet werden kann, kann man links zwischen einer Nahansicht und einem etwas entfernteren Blickwinkel wählen. Im Vollbildmodus gibt es neben einer näheren und einer weiteren Kameraeinstellung auch die Sicht des Werfers, den man mithilfe der Richtungstasten zusätzlich so hinstellen kann, wie es für den Spieler am besten erscheint.

Auge in Auge mit den Großen

Die mit Abstand umfangreichste Spielvariante ist der Karrieremodus. Hier kann ich mit meinem eigenen Charakter oder mit einem der vorgegebenen Profispieler zu Turnieren antreten. Zu Anfang sind nur die UK Open und der Grand Slam of Darts spielbar. Hier ist es meine Aufgabe, um Prämien zu spielen, die für die Berechnung der Weltrangliste entscheidend sind. Erst durch gutes Abschneiden bei diesen Turnieren qualifiziere ich mich für weitere Veranstaltungen, die sogar bis zur Weltmeisterschaft führen können. Zusätzliche Turniere können über den Playstation-Store gegen Geld erworben werden. Bislang steht dort aber nur das Las Vegas Desert Classic zu Verfügung.

Die Spiele selbst können in der Karriere recht langwierig werden, da sie nach dem Modus "Best of Eleven" ausgespielt werden. In der Regel erhält der Spieler zu Anfang eher schwächere Gegner zugelost, deren Gesichter jedoch auf erstaunliche Weise einander gleichen. Je weiter man allerdings im Laufe des Turniers voranschreitet, desto schwieriger werden sie, so dass die Herausforderung durchaus gegeben ist. Dennoch dürfte der Karrieremodus eher etwas für absolute Fans dieser Sportart sein, die auch gerne mal gegen den amtierenden Weltmeister antreten möchten. Für den Gelegenheitsspieler ist es auf Dauer eher mühselig und wird deshalb wenig interessant sein.

Alleine, zu zweit oder doch lieber Party

Interessanter scheinen für den Gelegenheitsspieler dagegen der Schaukampf und "Dein Spiel" zu sein. Im Schaukampf kann man alleine gegen die CPU oder gegen eine andere Person in den drei Standarddisziplinen 301, 501 oder 701 antreten, bei denen man diese Punkteanzahl mit dem Pfeilen abwerfen muss. Bis zu 25 Sätze in einem Spiel und bis zu 25 Etappen pro Satz sind an den verschiedenen Veranstaltungsorten der Karriere spielbar. Wer auf diese Weise gerne ein Turnier oder Ligaspiel gegen mehrere Personen spielen möchte, kann das unter "Dein Spiel" tun. Auch hier sind die Anzahl der Sätze und Etappen variabel bestimmbar. Auf die gleiche Weise funktioniert auch der Multiplayer-Modus. Hier kann man selbst Partien erstellen und suchen, um sich mit Dartspielern auf der ganzen Welt zu messen. Leider ist nicht so viel los, so dass man manchmal etwas warten muss, bis man einen Gegner gefunden hat.

Noch vielseitiger ist der Party-Modus. Hier können zwei bis vier Mitspieler neben den Standardvarianten 21 weitere party-taugliche Dartspiele absolvieren. Zur Auswahl stehen unter anderem Black &White, Cricket, Shanghai oder 21. Dieser Modus ist der spaßigste des ganzen Spiels. Umso erstaunlicher, dass es nicht vorgesehen ist, die Partyspiele als Einzelperson gegen die CPU oder im Multiplayer-Modus zu absolvieren, sondern dass da nur die Standardvarianten verfügbar sind. Es hätte den Reiz des Spiels sicherlich erhöht, wenn auch für den Einzelnen etwas mehr Abwechslung geboten worden wäre.

Sound und Grafik

Grafisch gehört "PDC World Championship Darts: Pro Tour" sicherlich nicht zu den absoluten Glanzlichtern auf der PS3. Zwar sind die Topspieler der Darts-Profiliga gut erkennbar, sobald man aber auf die hinteren Plätze der Weltrangliste schaut, scheint es so, als ob immer wieder das gleiche Gesicht verwendet wurde. Etwas mehr Emotion hätte den Spielern auch gut getan, zu wenig freuen sie sich über gute oder ärgern sich über schlechte Würfe. Sie erscheinen einfach zu steif. Das Publikum wirkt zwar recht individualisiert, wiederholt sich aber recht oft bei seinen Jubelposen. Warum können sie nicht Schilder mit der Aufschrift "180" hochhalten, die man doch überall auf den Tischen sieht? Die Dartscheiben und Pfeile sind ihren realen Vorbildern sehr detailliert nachempfunden und auch die Würfe der Pfeile wirken physikalisch korrekt.

Zumindest von der Sound-Kulisse her kommen die virtuellen Spiele ihren realen Vorbildern sehr nahe. Jubelndes und aufstöhnendes Publikum liefert den richtigen Hintergrund für das Einschlagen der Pfeile auf der Dartscheibe: Realismus pur für den Fan. Hinzu kommen die Sprüche der beiden britischen TV-Kommentatoren Sid Waddell und John Gwynne, die sich allerdings schnell wiederholen und mit der Zeit etwas nervig werden.

Fazit

Wenn in der Kneipe alle Darts geworfen und die Fernsehübertragungen der Darts-Profiliga beendet sind, bleibt dem begeisterten Fan noch immer "PDC World Championship Darts: Pro Tour", denn vor allem an ihn wendet sich der Großteil des Spiels. Das Spiel gegen die Großen dieses Sports, Teilnahme an der Liga im Karrieremodus, eine große Auswahl an verschiedenen virtuellen Darts und Online-Spiele gegen Spieler überall auf der Welt dürften den meisten Fans schon reichen, um sich für dieses Spiel zu begeistern. Wem das nicht zusagt, dem bleibt noch immer die Freude über gelegentliche Spiele gegen die CPU oder gegen Mitspieler im sehr gelungenen Party-Modus. So gut dieses Spiel nämlich Darts auf der Konsole abbildet, Schwächen hat dieses Spiel insbesondere in der Charaktererstellung, der Grafik und den geringen Variationsmöglichkeiten im Einzelspielermodus. Dennoch ist es ein Spiel, das den Freunden des Darts sehr viel Spaß machen wird.

(31.01.2011)