Spec Ops: The Line (2K Games) geschrieben von Andreas Schippers
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"Spec Ops: The Line" ist keine Kriegsgeschichte und es geht auch nicht um Krieg. Was die Entwickler mit diesem Zitat meinen, was "Spec Ops: The Line" zu bieten hat, und welche Abgründe sich auftun, erfahrt ihr im nachfolgenden Test. Der Untergang von Dubai "Spec Ops: The Line" versetzt den Spieler ein paar Jahre in die Zukunft. Sechs Monate vor Beginn der Geschichte ist Dubai von einem großen Sandsturm verweht worden und liegt nun zu großen Teilen unter Sanddünen begraben. Tausende kamen ums Leben und von den US Truppen, die unter Leitung von Kommandeur Colonel Konrad bei der Evakuierung helfen sollten, gibt es schon länger kein Lebenszeichen mehr, lediglich merkwürdige Gerüchte machen die Runde. Nur noch wenige Menschen harren in den Ruinen der einst modernsten Stadt der Welt aus und kämpfen um Wasser und Nahrung. Plötzlich wird ein geheimnisvolles Funksignal von Dubai empfangen, und ein Aufklärungsteam der Delta Force unter Kommando von Captain Walker wird abgesetzt, um in die Stadt zu gelangen. Die Mission der Delta Operators ist scheinbar einfach: Überlebende finden und evakuieren. Captain Walker und sein Team machen sich auf die Suche und begeben sich so auf eine Reise ins Ungewisse, in eine düstere zerstörte Stadt voller Merkwürdigkeiten. Alte Kost? Weit gefehlt! "Spec Ops: The Line" ist ein Third Person Shooter, dessen Tiefgang sich nach etwa einer Stunde Spielzeit offenbart. Je aufmerksamer der Spieler seine Umwelt betrachtet, um so düsterer gestaltet sich das gesamte Spiel. Graffitis mit Slogans der Überlebenden, Hintergrundinformationen von Agenten und schlussendlich die Gestaltung der einzelnen Spielabschnitte geben dem gesamten Spiel eine unvergleichliche Dynamik.
Zusammen mit zwei Kameraden kämpft sich Captain Walker durch das zerstörte Dubai. Hierbei übernimmt der Spieler die Rolle vom Teamleader und wird von seinen zwei Untergebenen Leutnant Adams und Sergeant Lugo unterstützt. Leutnant Adams ist der Maschinengewehrschütze des Teams, meist hält er Gegner aus dem Schussfeld und ermöglicht so das gezielte Vorrücken seiner Kameraden, während Sergeant Lugo die Truppe als Scharfschütze absichert. Den beiden - sonst durch KI gesteuerten - Teammitgliedern können gezielte Befehle erteilt werden. So kann der Spieler Leutnant Adams mittels zweier Mausklicks die Order erteilen, Deckungsfeuer zu geben, während Captain Walker weiter zur gegnerischen Stellung vorrückt. Zeitgleich kann zusätzlich Sergeant Lugo auf feindliche Scharfschützen angesetzt werden. Sollte Captain Walker von mehreren Seiten unter Beschuss geraten, kann er auch den Befehl zum Abblenden des Gegners geben. Einer seiner Kameraden wirft dann eine Blendgranate in Richtung des Feindes. Der Spieler muss sich von Beginn an daran gewöhnen, dass er ohne seine Kameraden meist nicht weiterkommt, denn die gegnerische KI greift gern über die Flanke an und im späteren Spielverlauf kann es durchaus vorkommen, dass Captain Walker unter dem Beschuss gegnerischer Granaten oft die Stellung wechseln muss, während seine Kameraden den Feind nach Anweisung erledigen. Dank der intuitiven Steuerung geht dabei auch im dichtesten Sandsturm oder dunkelsten Kellergewölbe nie die Übersicht verloren.
Sind die ersten Abschnitte der Kampagne gemeistert, stellt man schnell fest, dass Munition rar gesät ist. Meist bleibt nur der Griff zur Waffe eines getöteten Feindes, um überhaupt noch agieren zu können. Der Gegner will Captain Walker und seinem Team mit den unterschiedlichsten Waffen an den Kragen - von der abgesägten Schrotflinte, über diverse Sturmgewehre bis hin zu Maschinenpistolen und stationären Geschützen ist alles vorhanden und nutzbar.
Hat der Spieler nach etwa einer Stunde die Steuerung verinnerlicht, beginnt "Spec Ops: The Line" damit, seine Geschichte zu verändern. Captain Walker, und somit auch der Spieler, wird vor eine Wahl gestellt: Übernimmt er die Verantwortung seiner Entscheidungen oder schiebt er diese anderen zu. Diese Entscheidung hat zwar keinen Einfluss auf das Spielgeschehen, aber auf die Sicht, mit der der Spieler das Spiel betrachten wird. "Spec Ops: The Line" schafft es, den Spieler auf eine regelrechte Talfahrt in die Abgründe der menschlichen Psyche mitzunehmen, er wird in moralische Zwickmühlen geführt und muss immer wieder Entscheidungen treffen, welche die Grenze zwischen Gut und Böse zunehmend verschwimmen lassen. Grafik "Spec Ops: The Line" basiert auf der Unreal 3 Engine. Gerade in den Hubschrauberkämpfen zwischen den zerstörten Wolkenkratzern zeigt diese ihre volle Stärke. So kann mittels des Bordgeschützes nicht nur die Glasfront eines Hochhauses zerstört werden, sondern auch das dahinterliegende Mobiliar. Egal, ob der Spieler sich durch Hotellobbys, Schwimmbäder oder Häuserruinen kämpft, die Umgebung ist mit dem unverbrauchten Setting des zerstörten Dubai überall grandios umgesetzt und unterstreicht die düstere - nahezu apokalyptische - Stimmung des Spiels sehr gut. Die Entwickler holen aus der gegebenen Engine das Beste heraus und das kommt dem Spiel zugute. Sound Ebenso wie sich Captain Walkers Äußeres im Spielverlauf verändert, ändert sich auch seine Stimme. Der anfänglich hörbar ruhige und bestimmte Anführer entwickelt während des Geschehens einen bellenden und heiseren Befehlston. Unterstrichen wird das Ganze durch Hintergrundmusik aus den Sechzigern, die Parallelen zum damaligen Vietnamkrieg aufzeigt - übrigens nicht die einzige Verbindung zu damals. Die Synchronisation in Deutsch ist etwas weicher als das Englische Gegenstück. Die Kommentare der Teamkameraden während der Kämpfe sind leider ein bisschen eintönig. Nach etwa einer halben Stunde hat der Spieler sie alle gehört und achtet nicht mehr darauf. Hier wäre etwas mehr Abwechslung und Dynamik gefordert. "Spec Ops: The Line" schafft, was viele ähnliche Spiele zuvor versucht haben: Die Geschichte des Titels in die Köpfe der Spieler zu transportieren. Die Entwicklung, die Captain Walker durchläuft, zeichnet nicht das typische Bild eines heroischen Supersoldaten, der nebenher die Welt rettet, sondern die eines Menschen, der am Schrecken des Krieges zerbricht. Die einzigen Kritikpunkte sind das Verhalten der unterschiedlichen Waffentypen, die durchweg zu wenig Eigenheiten wie Rückstoß oder Zielverhalten haben, und vereinzelte Fehler in den Zwischensequenzen. Beides ist jedoch zu verschmerzen.
"Spec Ops: The Line" ist eine absolute Empfehlung, da es sich deutlich von vergleichbaren Titeln abhebt. Das Spiel ist eindeutig keine "leichte Kost", sondern gezielte Erwachsenenunterhaltung - und das auf sehr hohem Niveau. Das Entwicklerstudio Yager hat einen Titel herausgebracht, welcher aktuell seines Gleichen sucht. Danke hierfür. (23.09.2012)
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