Brothers in Arms - Earned in Blood (Ubisoft) geschrieben von Aarni Kuoppamäki
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Es war 1944, in der Normandie herrschte Krieg. Als Sergeant Matt Baker führten wir in "Road to Hill 30" zwei Schützentrupps durch die Heckenlandschaft. Wenn wir auf Deutsche trafen, ließen wir die Männer den Feind unter Feuer nehmen und fielen ihm selbst in die Flanke. Das war im März dieses Jahres. Exakt 184 Tage später bringt Ubisoft mit "Earned in Blood" den zweiten Teil der "Brothers in Arms"-Reihe in die Geschäfte: Kein wirkliches Add-On, denn das Spiel ist einzeln lauffähig und kostet den vollen Preis - auch kein komplett neues Produkt, denn vieles ist beim Alten geblieben. "Earned in Blood" ist "das neueste Kapitel der 'Brothers in Arms'-Serie", so Ubisoft. "Baker hat uns nicht gerettet" Joe Hartsock ist 21 Jahre alt. Frau und Kind hat er zurückgelassen, um als Fallschirmjäger mit den Alliierten gegen die Nazis zu kämpfen. Am D-Day ist er aus einem Flugzeug gesprungen, mitten in das besetzte Frankreich. Trotz starken Widerstands hat Hartsock es, den alle nur wegen der roten Haare Red nennen, bis hier geschafft, zu Colonel Samuel Marshall. Ihm erzählt Red, was er und seine Männer in den vergangenen neun Tagen erlebt haben. Dieser Einstieg soll, wie die gesamte Erzählweise, zeigen: Die Geschichte von Brothers in Arms basiert auf realen Ereignissen. Hartsock und Marshall hat es gegeben, wie auch die Orte, die sie sahen. Die Orte, die jetzt auch der Spieler sieht. Stück für Stück - oder Level für Level - rekapituliert Red die Geschehnisse. Die Einsätze beginnen mit Schwarzbild, als schlösse das Spiel-Ich die Augen, und wir hören, wie Red mit Marshall spricht. Dann zieht es uns ins Bild seiner Erinnerung und mitten ins Geschehen. Eine Skriptsequenz in Spielgrafik - meist ein Gespräch zwischen unseren Männern - eröffnet den Einsatz. Kriegstypisch muss immer etwas erobert, zerstört oder gehalten werden. Die Gründe sind dem Befehlshaber bekannt, dem Ausführenden egal. So verläuft die Erzählung ohne Ziel und Zusammenhang parallel zur Geschichte des ersten Teils. Bei "Road to Hill 30" war Matt Baker die Hauptperson und Joe Hartsock nur ein Statist, bei "Earned in Blood" sind die Rollen vertauscht. Story-Wendungen und geskriptete Verwundungen während der Missionen sehen wir aus Hartsocks Perspektive. "Baker hat uns nicht gerettet", kommentiert er das Gefecht um Hill 30. Gut gesprochene Dialoge zwischen und während der Missionen entwickeln Hartsocks Charakter, die übrigen Männer bleiben vergleichsweise blass. Hartsocks Kriegsbegeisterung hält bei Tod und Feindfeuer nicht lange an, was die Entwickler nicht davon abhält, "Earned in Blood" mit typischem US-Kriegsfilm-Pathos zu versetzen. Nachge-F-t Es ist also 1944, in der Normandie herrscht Krieg. Als Sergeant Joe Hartsock führen wir in "Earned in Blood" zwei Schützentrupps durch die Heckenlandschaft. Am Spielkonzept hat sich nichts verändert: Wir bewegen uns in Egoperspektive durch die Gegend und befehlen unseren (Sperr-) Feuerteams, Angriffsteams oder Panzern per Mausklick, sich zu bewegen, den Feind niederzuhalten oder anzugreifen. Dabei bedienen wir uns der 08/15-Militärtaktik mit den vier F: find 'em, fix 'em, flank 'em, finish 'em - finden, festsetzen, flankieren, fertig machen. Spielten die Nazi-Krauts im ersten Teil meist noch ihre Opferrolle, so wechseln sie nun intelligent ihre Position, wenn sie von der Flanke beschossen werden. Häufig ziehen sie sich dabei in schwer zugängliche Ecken zurück. Dann helfen nur ein Frontalangriff, eine Granate oder mehrere sehr gut gezielte Schüsse. Auf den höheren Schwierigkeitsgraden drehen die Deutschen den Spieß sogar um und bewegen sich in unsere Flanke. Bei Feindfeuer aus dem Nichts oder taktisch anspruchsvolleren Gefechten hilft die Situationsansicht: Der Kampf wird eingefroren, und wir scrollen in Ruhe durch Einheiten und Landmarken. Richtig unübersichtlich wird die Situation ohnehin nicht, denn die Missionen verlaufen streng linear. Gleich welcher Auftrag: Fast wie an einem Faden ziehen wir von einem gegnerischen Schützentrupp zum nächsten und schalten sie alle aus. Türen lassen sich nicht öffnen, kniehohe Kirchenmauern nicht überspringen. Die KI-Kollegen haben dennoch hin und wieder Schwierigkeiten bei der Wegfindung, stellen sich neben die zugewiesene Deckung und lassen sich totschießen. Hier wünschte man sich genauere Befehlsicons á la "Full Spectrum Warrior". In der Situationsansicht lassen sich die Trupps nicht befehligen, was die Steuerung mit zunehmender Entfernung zum Team erschwert. Auf der Schwierigkeitsstufe "normal" ist "Earned in Blood" fordernd. Kaum ein Einsatz gelingt auf Anhieb ohne Verluste, und die Wege zwischen den Speicherpunkten sind lang. Nach drei Fehlversuchen von einem Checkpoint aus bietet das Spiel aber an, die Mannschaft zu heilen. Das verhindert zwar eine Reihe frustrierender Wiederholungen, raubt der Story aber das letzte bisschen Kontinuität. Zu Ende jeder Mission gibt es als Belohnung je nach Schwierigkeitsgrad einen Orden und die Freischaltung von Zwischensequenzen, Bildern und Texten in einer Extras-Galerie. Die Bilder und Texte behandeln Historisches aus dem Zweiten Weltkrieg - zum Teil in Originaldokumenten - und die Programmierung von "Earned in Blood". Das Neue Was ist nun neu am zweiten Brothers in Arms? Da wäre zunächst die aktivere Gegner-KI. Ubisoft bewirbt außerdem die M3-Maschinenpistole und den Wolverine-Jagdpanzer als zusätzliche Innovationen. Und während der 13 neuen Missionen gibt es mehr Stadtgefechte als im ersten Teil. Eine wirkliche Neuerung ist der Skirmish- oder Gefechtsmodus. Auf fünf speziellen Karten müssen auf amerikanischer oder deutscher Seite die Missionsziele (Erobern, Zerstören oder Halten) erfüllt, Wellen von Angreifern abgewehrt oder Gegner auf Zeit ausgeschaltet werden - als Solospieler, im Netzwerk oder über das Internetportal von Ubisoft. Nicht mehr nur gegen andere Spieler, sondern auch kooperativ. Dreck und Lärm Die grafischen Verbesserungen an "Earned in Blood" sind gering, die Texturen sind aber besser als im Vorgänger. Jeder unserer Waffenbrüder in der Story besitzt sein eigenes, aufwendig modelliertes Äußeres; er hat auch eine eigene Stimme und charakteristische Sprüche in überzeugendem Duktus - was aber fehlt, um Bild und Ton zu unterstützen, ist die Geschichte der Männer. Entwickler Gearbox verschenkt Atmosphäre, indem er uns nicht zeigt, was die Soldaten zwischen den Kämpfen tun, wie sie miteinander umgehen oder worüber sie reden. Wir erleben sie nur direkt vor, nach und in den Kämpfen. Die haben es dafür atmosphärisch in sich. Ein schweres Geschoss schlägt ein, Hartsock geht zu Boden und der Dreck spritzt. Ein verwundeter Kämpfer humpelt von einer Deckung zur nächsten, vorbei an einem Soldaten, der ein Bein verloren hat. Über allem liegt ein konfuser Gefechtslärm aus Schüssen und Schreien, die in Explosionen untergehen. Auf der anderen Seite tackert ein MG kontinuierlich Salven in unsere Richtung, wir hören die Kugeln über unsere Köpfe pfeifen. Die Schauplätze sind in mühevoller Arbeit den echten Schlachtfeldern der Normandie nachempfunden. Das Gefühl, mitten im Kampf zu sein - vor allem ein Verdienst der Tontechniker - ist eine der großen Stärken von "Earned in Blood". Um die Authentizität nicht zu belasten, spielt während der Missionen keine Musik. Der militärisch-melancholische Orchester-Soundtrack läuft nur während der hübsch bebilderten Ladevorgänge und in den Menüs und wirkt dort ein wenig verschenkt. Wer "Brothers in Arms" noch nicht kennt, bekommt mit "Earned in Blood" eine außergewöhnlich ausgewogene Mischung von Action und Taktik. Wer den Vorgänger gespielt hat und mochte, bekommt in 13 Missionen mehr vom gleichen guten Stoff. Wer sich viel Neues erhofft, wird aber enttäuscht. Für sich betrachtet ist der Weltkriegs-Shooter in Atmosphäre und Anspruch weit über Durchschnitt. Was die Geschichte anbelangt, wird es dem Waffenbrüder-Titel jedoch nicht gerecht, denn Hauptperson Hartsock steht ziemlich allein im Mittelpunkt. Wir sind zwar "Brothers in Arms", aber wir kennen einander nicht. (31.10.2005)
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