Demigod

Demigod

(Atari)

geschrieben von Roland Kindermann

 

     
 

Auch ein Gott muss Regeln befolgen. Weil ein "Stammvater" genannter Gott damit so seine Probleme hat, wird er von seinen Kollegen kurzerhand an einen wenig angenehmen Ort verbannt. Glücklicherweise hat der Stammvater zuvor jedoch seinem Namen alle Ehre gemacht, indem er eine Schar von Halbgöttern gezeugt hat, von denen nun der würdigste seine Nachfolge antreten soll. Besonders packend ist die Hintergrundgeschichte von Demigod nicht. Da sie außerdem nicht wirklich etwas mit dem Spielgeschehen zu tun hat, dürfen Sie die Story auch gern sofort wieder vergessen und sich von nun an ganz auf das innovative Spielprinzip konzentrieren.

Nur eine Einheit?

Auf den ersten Blick könnte "Demigod" ein relativ normales Echtzeit-Strategiespiel sein. Aus der Vogelperspektive betrachten Sie, wie Einheiten zweier Parteien aufeinander losgehen. Ziel beider Teams ist dabei, zunächst das ausgedehnte gegnerische Verteidigungsnetzwerk aus Türmen und Festungen lahmzulegen und schließlich das Herz der feindlichen Basis, die Zitadelle, zu zerstören. Dass "Demigod" kein normales Strategiespiel ist, merken Sie, sobald Sie versuchen, den Einheiten Ihres Teams einen günstigen Angriffspunkt vorzugeben, denn keiner der kleinen Soldaten steht unter Ihrem Befehl. Stattdessen kommandieren Sie nur eine einzige Figur, nämlich einen der namensgebenden Halbgötter. Dieses Spielprinzip basiert auf "Defense of the Ancients", einer beliebten Mehrspieler-Karte für "Warcraft III".

Ganz ohne oder mit wenigen Einheiten?

Zu Beginn einer jeden Partie suchen Sie sich aus, mit welchem Halbgott Sie in die Schlacht ziehen möchten. Dabei stehen zwei unterschiedlichen Typen zur Verfügung. Wählen Sie einen der vier Assasinen, dann gehorcht während des Spiels wirklich nur der gewählte Halbgott Ihnen. Entscheiden Sie sich stattdessen für einen der vier Generäle, so dürfen Sie zu Ihrer Unterstützung eine Handvoll Einheiten beschwören. Bei Ihrer Entscheidung sollten Sie sich nicht nur durch persönliche Vorlieben leiten lassen, sondern auch darauf achten, dass die Halbgötter Ihres Teams sich gut ergänzen. Pro Partei treten nämlich zwei bis fünf Helden auf einmal an. Je nachdem, ob Sie allein oder im Mehrspielermodus unterwegs sind, werden die anderen Halbgötter von der künstlichen Intelligenz oder anderen menschlichen Spielern übernommen.

Feuer und Eis

Untereinander unterscheiden die Halbgötter sich deutlich. Der Fackelträger, ein Assasine, beispielsweise ist ein mächtiger Magier und verfügt über Eiszauber, die dem Feind nicht nur schaden, sondern ihn auch noch auf anderem Wege schwächen, beispielsweise indem sie seine Bewegungsgeschwindigkeit temporär verringern. Alternativ kann der Fackelträger sich selbst in Flammen setzen und dann Feuer- statt Eismagie nutzen. Dann fallen die schwächenden Effekte der Zauber zwar weg, im Gegenzug erhöht sich jedoch der ausgeteilte Schaden. Ein weiterer Assasine ist der Turm, ein riesiger Steinmensch. Er kann nicht nur mit seinem gigantischen Hammer ordentlich austeilen, sondern kann auch mit unabhängigen Waffen aufgewertet werden, die dann vom Kopf und den Schultern des Turms selbstständig den Feind unter Beschuss nehmen.

Vampir oder Heilerin

Auch bei den Generälen stehen grundverschiedene Götter zur Auswahl. Der ebenso finstre wie überhebliche Lord Erebus beispielsweise kann dem Gegner per Vampirbiss Gesundheit stehlen und sich zeitweise in einen Fledermausschwarm oder eine Nebelwolke verwandeln. Die sanfte, auf einer Raubkatze reitende Sedna hingegen ist auf Heilzauber spezialisiert und stärkt mit Ihrer Aura nahe Verbündete. Außerdem kann sie neben den normalen Einheiten, über die auch die anderen Generäle verfügen, noch bis zu vier mächtige Yetis beschwören.

KI-gesteuertes Fußvolk

Wenn Sie sich für einen Halbgott entschieden und das Spiel gestartet haben, finden Sie sich neben Ihrer Zitadelle wieder. Dort befinden sich außerdem ein bis zwei Portale, aus denen in regelmäßigen Abständen einige mit Ihnen verbündete, computergesteuerte Einheiten das Schlachtfeld betreten. Ihre Soldaten machen sich sogleich auf den Weg, die feindliche Basis einzureißen. Allerdings kommen sich von beiden Parteien gleichstarke Gruppen entgegen. Solange die Halbgötter also nicht eingreifen, neutralisieren die Truppen sich, ohne dass eine Partei ihrem Ziel auch nur ein Stück näher kommt. Also sollten Sie sich schleunigst auf den Weg machen, Ihre Truppen zu unterstützen. Dabei ist das direkte Eingreifen in die Schlacht nur eine Ihrer Möglichkeiten. Eine Alternative ist das Übernehmen von Flaggen.

Capture the Flags

Auf jeder Karte in "Demigod" sind einige Flaggen verteilt. Da jede Fahne ihrem Besitzer deutliche Vorteile verschafft, sollte jede Partei versuchen, so viele wie möglich davon zu erobern. Dazu müssen einer oder mehrere Halbgötter sich für eine gewisse Zeit im näheren Umkreis der betreffenden Flagge befinden. Während einige der Fahnen Boni wie beispielsweise zusätzliche Gesundheit oder Angriffskraft für die computergesteuerten Truppen bringen, dienen andere zur Kontrolle umliegender Gebäude. Dabei kann es sich beispielsweise um Goldminen, die der sie kontrollierenden Partei zusätzliches Einkommen bescheren, oder um Portale, aus denen zusätzliche computergesteuerte Truppen strömen, handeln.

Schnelle Stufenaufstiege

Zu Beginn jeder Partie ist Ihr Halbgott noch sehr schwach. Im Kampf mit dem Gegner, dem Übernehmen von Flaggen oder dem Zerstören der feindlichen Basis erhalten Sie jedoch Erfahrungspunkte. Haben Sie genügend davon gesammelt, steigen Sie eine Stufe auf, insbesondere anfangs geht dies ausgesprochen schnell. Bei jedem Stufenaufstieg dürfen Sie eine weitere Fertigkeit auswählen. Einige Fertigkeiten wirken dauerhaft und erhöhen beispielsweise Lebensenergie oder Angriffskraft oder gewähren Ihnen eine Aura, von der umstehende Verbündete profitieren. Andere Fertigkeiten müssen vom Spieler ausgelöst werden, etwa das Werfen eines Feuerballs. Dabei kostet jeder Feuerball eine gewisse Menge Mana, welche sich langsam regeneriert. Außerdem benötigt jede ausgelöste Fertigkeit eine gewisse "Abkühlzeit", bevor sie ein weiteres Mal verwendet werden kann.

Gold regiert die Welt

Eine weitere Möglichkeit, Ihren Halbgott zu verbessern, bieten Rüstungsgegenstände, etwa ein Brustpanzer, der maximale Lebensenergie und Regenerationsrate verbessert. Diese können für Gold in einem Laden in Ihrer Basis erworben werden. Hierfür benötigen Sie Gold, welches Sie aus von Ihrem Team kontrollierten Goldminen oder für das Erledigen von Feinden erhalten. Neben Rüstungen bietet der Händler auch Tränke und Schriftrollen feil, mit denen Sie beispielsweise Lebensenergie oder Mana auffrischen oder sich zu einem befreundeten Gebäude teleportieren können. Neben dem Geschäft in Ihrer Basis gibt es noch sogenannte Artefaktläden, in denen für größere Summen besonders mächtige Gegenstände erworben werden können. Allerdings ist es notwendig, die nächstgelegene Flagge zu kontrollieren, um sich hier bedienen zu können. Besonders wichtig sind die Läden für Sie, wenn Ihr Halbgott einer der Einheiten beschwörenden Generäle ist. Dann dürfen Sie nämlich Truppen eines jeden Typs nur dann herbeirufen, wenn Sie zuvor das entsprechende Totem erworben haben.

Auch in der Zitadelle Ihres Teams können Sie Ihr mühsam verdientes Einkommen auf den Kopf hauen. Dort können Sie Upgrades für die Gebäude und die computergesteuerten Truppen Ihrer Partei erstehen. So können Sie beispielsweise Lebensenergie und Angriffskraft Ihrer Verteidigungstürme erhöhen oder den aus Ihren Portalen strömenden Kämpfergruppen neue Einheitentypen hinzufügen. Dabei stehen nicht alle Upgrades von Beginn an zur Verfügung, um fortgeschrittene Aufwertungen freizuschalten, muss Ihr Team Kriegspunkte durch das Erobern und Halten von Flaggen sammeln.

Geschicktes aufleveln

Auch die Auswahl der Fertigkeiten beim Stufenaufstieg erfordert genaues Abwägen. Fast alle Verbesserungen können Sie im Verlauf der Partei mehrmals aufwerten. Da bei Level 20 Schluss ist, können Sie allerdings niemals alle Fertigkeiten Ihres Helden auf die höchste Stufe bringen. Daher sollten Sie sich von Anfang an auf eine geschickte Kombination festlegen. Das Experimentieren mit verschiedenen Strategien beim Aufleveln Ihres Halbgottes macht einen großen Teil der Faszination von "Demigod" aus.

Nichts für Einzelgänger

"Demigod" ist auf gesellige Spieler ausgerichtet. Der Fokus liegt klar auf dem Multiplayer-Modus. Möchten Sie dennoch allein spielen, so haben Sie die Auswahl zwischen einem Gefecht oder einem Turnier. Ersteres funktioniert im Wesentlichen wie eine Mehrspielerpartie. Sie wählen eine der acht verfügbaren Karten aus und stellen die Spieloptionen ein. Insbesondere können Sie dabei auch andere Siegbedingungen als die Zerstörung der feindlichen Zitadelle auswählen. Anschließend fügen Sie bis zu neun KI-gesteuerte Halbgötter hinzu und starten das Spiel. Ein Turnier hingegen besteht aus mehreren Partien gegen computergesteuerte Gegner, die Sie mit demselben Halbgott bestreiten. Zwischen den einzelnen Matches speichert "Demigod" automatisch. Die Stärke der KI dürfen Sie in vier Stufen einstellen, so dass einerseits Einsteiger eine faire Chance bekommen und andererseits Fortgeschrittene gefordert werden. Auch wenn der Einzelspielermodus keine wirkliche Langzeitmotivation bietet, taugt er für das Kennenlernen der verschiedenen Halbgötter, das Ausprobieren neuer Fertigkeitenkombinationen oder einfach nur für ein paar schnelle Partien zwischendurch allemal.

Eindrucksvolle Karten

Optisch kann "Demigod" durchaus beeindrucken. In der höchsten Zoomstufe können Sie betrachten, wie die detaillierten Halbgötter und computergesteuerten Truppen aufeinander einprügeln. Wenn Sie die Kamera hingegen so weit wie möglich vom Geschehen entfernen, überblicken Sie die gesamte Karte und können so gut die aktuelle Kampfsituation einschätzen … zumindest, wenn Sie sich nicht von der spektakulären Aussicht ablenken lassen. Anders als in den meisten Strategiespielen kämpfen Sie nämlich nicht auf aus Bausteinen zusammengesetzten Karten, sondern auf eindrucksvollen Gebilden, die sich gut in das leicht düstere Halbgott-Szenario einfügen. Die Karte "Gefängnis" beispielsweise spielt auf einem gigantischen Kristall, in dessen Inneren sich der verzweifelte Blick eines gigantischen gehörnten Wesens ausmachen lässt. "Exil" hingegen zeigt eine im All schwebende Marmorstatue eines Mannes, der sich im Kampf mit einer doppelköpfigen Schlange befindet, wobei die Schlange den eigentlichen Spielbereich darstellt.

Weitaus weniger eindrucksvoll ist die Soundkulisse von "Demigod". Effekte und Musik passen zwar gut zum Geschehen, heben sich jedoch im Vergleich zu anderen Spielen nicht besonders hervor. Einen teils guten, teils ein wenig unprofessionellen Eindruck machen die Sprecher.

 

"Demigod" modifiziert erfolgreich das klassische Echtzeitstrategie-Spielprinzip. Statt ganzer Armeen kommandieren Sie nur eine Einheit. Dafür bieten acht grundverschiedene Halbgötter, unzählige mögliche Fertigkeitenkombinationen, Items und Zitadellenupgrades viel Möglichkeit zum experimentieren. Wer ein Multiplayer-Spiel abseits ausgetretener Pfade sucht, sollte also zugreifen. Auch der alleine macht "Demigod" eine gewisse Zeit Spaß, bietet jedoch keine rechte Langzeitmotivation,

(30.06.2009)

 

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