Airline Tycoon 2 (Kalypso) geschrieben vonMartin Kretschmer
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Einen Nachfolger für eine Kult-Wirtschaftssimulation zu entwickeln ist nie einfach. Die Fangemeinde, die sich seit 1998 um cAirline Tycoon" gesammelt hat, musste ganze 13 Jahre auf einen Nachfolger warten. Hat sich die Wartezeit gelohnt, oder legt "Airline Tycoon 2" eine Bruchlandung hin? Einige Tage als virtueller Chef einer Linienfluggesellschaft gaben Auskunft. Abgehoben Den Anfang macht - sowohl im Kampagnen- als auch im Endlosspiel - die Auswahl des Alter Egos. Hier stehen vier Personen zur Verfügung: Der knallharte Geschäftsmann Igor Tuppolevsky, unbelastet von jeglichem Gewissen, die ebenso abgezockte Geschäftsfrau Tina Cortez, Fluch eines jeden Mitarbeiters, Mbangwe Mogambo, afrikanischer Militärpilot und nicht zuletzt Natalie Childman, ein Paris Hilton Clon und durch und durch rosa .
Nach erfolgter Charakterauswahl wird in kurzen Standbildsequenzen, auf die im Kampagnenspiel gleich die Missionsauswahl folgt, der persönliche Hintergrund der ausgewählten Figur erläutert. Es stehen ein Tutorial und sechs Missionen zur Auswahl, wobei die Späteren erst zugänglich werden, nachdem die vorhergehenden gelöst wurden. Wer gehofft hat, dass jede Figur ihre eigenen Missionen beisteuert, wird leider enttäuscht, denn sowohl die Missionen selbst als auch der Missionsfortschritt sind für alle identisch. Abgestürzt Ohne zu viel verraten zu wollen -, die Missionen sind nicht das, was "Airline Tycoon 2" auszeichnet. Wie bereits beim Vorgänger ist es auch dieses Mal das freie Spiel, welches den Reiz ausmacht, denn hier kann man sich ganz in Ruhe austoben. Natürlich gibt es auch im freien Spiel die jeweils nicht ausgewählten Charaktere als Konkurrenz, mit der man sich messen muss. Und die hat es gerade zum Anfang eines Spiels in sich. Immerhin lässt sich der Schwierigkeitsgrad durch Auswahl eines höheren Startkapitals einstellen.
Bleibt nur noch eins, Ärmel hochgekrempelt und kopfüber ins Tagesgeschäft einer virtuellen Fluglinie. Das eigene Büro befindet sich, wie sollte es auch anders sein, in einem Flughafen. Verlässt man Selbiges, kann durch Mausklick das Alter Ego an diese Stelle geschickt werden - per Doppelklick auch im Spurt. Apropos Klicks, davon werden leider noch viel zu viele benötigt. Immerhin lassen sich die Wege, wenn man sich an der Flughafenumgebung sattgesehen hat, abkürzen, denn jeder erreichbare Ort ist durch ein Tastenkürzel erreichbar.
Nun, was braucht eine Fluglinie als erstes? Richtig, ein Flugzeug. Also geht es schnurstracks zum Hangar, denn hier wartet schon ein verdächtig nach einem gewissen verwirrten Wissenschaftler aussehende Professor auf die Bestellung. Und hier fangen auch die ersten Probleme an: Zwar gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Modelle zur Auswahl und es können einzelne Sektionen wie Rumpf, Flügel, Nase und Triebwerke angepasst werden, über die genauen Auswirkungen der Werte wie "Luftwiderstand", "Verfallsgeschwindigkeit" oder "Schub" schweigen sich jedoch leider sowohl Handbuch als auch Tutorial aus. Das erste Flugzeug wird also mehr nach Gefühl als auf harten Fakten basierend zusammengestellt und bezahlt.
Doch ein Flugzeug besteht nicht nur aus einer Hülle, auch Innen will es hübsch gemacht werden. Im Auslieferungszustand hat der Innenraum den Charme eines ausgebrannten Regionalzuges, kann jedoch, entsprechendes Bargeld vorausgesetzt, in ein wahres Luxusmodell verwandelt werden. Noch etwas Farbe drauf, und fertig ist der erste Flieger in der hoffentlich wachsenden Flotte.
Da sich so ein Flugzeug nicht von selbst fliegt, muss natürlich auch Personal her. Der geeignete Ort um dieses anzuheuern ist selbstverständlich das Personalbüro. Zunächst werden die Bewerbungen gesichtet und dann die geeigneten Piloten und Stewardessen eingestellt. Auch hier bleibt wieder offen, welchen exakten Einfluss das Fähigkeitsniveau hat, also wird pauschal zum Besten gegriffen, was der Markt hergibt. Ein paar Mausklicks später sind die frisch eingestellten Mitarbeiter dem Flugzeug zugewiesen - man nähert sich dem Ziel.
Durch einen kurzen Besuch beim Flughafenmanager wird noch eine Flugroute erstanden und damit sämtliche Voraussetzungen erfüllt, um endlich den zentralen Aspekt des Spiels, den Flugplaner, zu benutzen. Hier wird dem Flugzeug eine Route zugewiesen, Abflugzeitpunkte festgelegt sowie Wartungen geplant. Ist man mit dem Flugplan zufrieden, kann dieser in einer Endlosschleife wiederholt werden.
Und nun? Warten! Die Zeit kriecht schleppend langsam dahin, das Konto ist nach dem ersten Flugzeugkauf leer und die Erkundung des Flughafens brachte auch nur geringe Abwechslung. Die eingerichtete Flugroute wirft zwar Gewinne ab, diese jedoch spärlich. Und so verstreichen die Tage, selbst auf vierfacher Geschwindigkeit, träge, bis endlich genug Geld für einen weiteren Flieger da ist. Und dann? Einfach oben anfangen zu lesen, denn der Ablauf wiederholt sich und auch Zufallsereignisse, Charterflüge, Sabotage oder Medienkampagnen etc. ändern daran kaum etwas. Die Grafik Bunt, comichaft überzeichnet und in 3D. So einfach lässt sich die Grafik von "Airline Tycoon 2" zusammenfassen. Das Interieur des Flughafens ist liebevoll gestaltet und voller mehr oder weniger versteckter Gags und Anspielungen. Reflexionen und Lichteffekte überdecken die Polygonarmut ein wenig. Hier wird deutlich klar, dass eine Wirtschaftssimulation auf dem Bildschirm flackert und nicht der neuste Ego-Shooter. "Airline Tycoon 2" rückt damit auch weitgehend erfolgreich vom Image der spielbaren Tabellenkalkulation ab, die diesem Genre lange anhaftete, auch wenn an manchen Stellen schnöde Tabellen weiterhin den Bildschirm zieren. Der Sound Die etwas eintönig vor sich hinplätschernde Hintergrundmusik hat gemeinhin den großen Vorteil, abschaltbar zu sein. Damit soll nicht gesagt sein, dass sie qualitativ schlecht ist, sie ist lediglich nicht wichtig für das Spiel, denn sie trägt hier weder großartig zur Stimmung bei, noch fällt ihr Fehlen nach einigen Stunden Spielens negativ auf. Der Lieblingsradiosender im Hintergrund ist in jedem Fall deutlich abwechslungsreicher. Immerhin wurde jedem Kontinent ein eigenes Musikstück spendiert, so klingt es zum Beispiel in Amerika recht rockig oder in Australien etwas exotischer nach Didgeridoo.
Die Stimmen der NPCs stehen hier auf einem anderen Blatt. Beinahe jeder NPC spricht in einem deutlich überzogenen Dialekt, sei es der übertrieben tuntenhafte Interieur-Designer, die stark sächsisch klingende Personalchefin oder der Flughafenmanager, welcher sich für den Paten höchstpersönlich hält. Das kann man mögen, muss es aber nicht. Da sich "Airline Tycoon 2" jedoch an eigentlich keiner Stelle des Spiels selbst wirklich ernst nimmt, passen die Stimmen in das Ambiente.
"Airline Tycoon 2" ist nicht das Spiel geworden, auf das die Fans des Vorgängers - mich eingeschlossen - gewartet haben. Natürlich ist es hübscher, klingt besser, das ist einfach eine Konsequenz aus der Entwicklung der letzten 13 Jahren, doch das Herzstück einer guten Wirtschaftssimulation ist nicht das Erscheinungsbild, sondern das Gameplay, und gerade hier legt "Airline Tycoon 2" eine Bruchlandung hin. Es ist zu wiederholend, zu oft muss man die Zeit einfach nur verstreichen lassen, gerade in den ersten Stunden bietet es zu wenig Abwechslung und nicht zuletzt gibt es auch weniger Möglichkeiten als in der Vorgängerversion.
Und doch - schreibt das Spiel noch nicht ab. Die Community hinter Airline Tycoon 2 stellt bereits fleißig Wunschlisten in den Foren zusammen und Kalypso reagiert: In Patch 1.03, der leider nicht mehr pünktlich für diesen Test erschien, sollen viele Kritikpunkte und Anregungen einfließen. (16.11.2011) Windows XP / Vista / 7 Intel Dual Core 2Ghz 2 GB RAM 2 GB Festplattenspeicher Nvidia Geforce 8600 GT / ATI Radeon X 1800 DirectX 9.0c kompatible Soundkarte
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